George Martins Reihe um das "Lied von Eis und Feuer" ist durch die sehr guten Verfilmungen (wobei die zweite Staffel in meinen Augen gegenüber der ersten stark abfällt - zu viel geändert!) Anwärterin auf den nächsten Kult.
Anders als die Trendsetter der letzten Jahre zeichnet sich diese Reihe aber nicht durch leicht nachzuahmende Elemente aus (wie verliebte Unsterbliche oder tolkieneske Fremdrassen), sondern durch die Komplexität ihrer menschlichen Charaktere und ihrer verschiedenen Kulturen. Da reicht es nicht, dass sich eine amerikanische High-School-Schülerin unsterblich verliebt ist und mit dem Schicksal hadert, ob sie wohl gut genug für ihn ist und ob er sie immer vor seinen Artgenossen wird schützen können.
Der Unterbau eines Romans wie GoT ist weit aufwändiger zu erstellen, als das Buch selber. Nicht umsonst dauern solche Schöpfungen so lange.
Tolkien, der Professor für alte Sprachen in Oxford war, der mit 12 Jahren fließend Latein sprach, gelegentlich Vorlesungen in Alt-Walisisch hielt und ein immenses Wissen über alte Kulturen und Religionen besaß (antike Texte behandeln fast ausschließlich diese Themen), schuf den Herrn der Ringe (und den Hobbit und das Slimarillion) als Lebenswerk.
So etwas ist den Mainstream-Verlagen, die an den Erfolg eines bahnbrechenden Werkes wirtschaftlich anknüpfen wollen und deshalb zwei Dutzend ähnliche Geschichtchen schreiben lassen, zu langsam. Nach Twilight wurden gefühlte fünfhundert Liebesgeschichten zwischen Menschenfrauen und Unsterblichen/Untoten produziert und vermarktet. Das Schema ist immer das gleiche, ob die Frau eine Schülerin ist, eine toughe Geschäftsfrau oder eine desillusionierte, einsame Hausfrau. Leicht zu kopieren. Aber wie kopiert man zahlreiche, komplexe Charaktere mit Geschichte und Leidenschaften, ohne den Faden zu verlieren und langweilig zu werden? Dafür muss ein Autor Können und Inspiration besitzen. Ein "Mach das mal schnell!" vom Verlag und 300 Seiten für das übliche TB-Format reichen nicht.
Ich erwarte deshalb nur wenige erfolgreiche Trittbrettfahrer. Trotzdem denke ich aber, dass die "realistischere" Fantasy Zukunft hat. Ereignisse, die innerhalb der geschaffenen Welt so tatsächlich stattfinden könnten, Charaktere, die so handeln und empfinden, wie man es selber vermutlich auch täte, kleine Geschichten (evtl. innerhalb einer großen), nicht immer die ultimative Weltrettung vor dem Ur-Bösen, ... Ja, ich kann mir vorstellen, dass das Beispiel von GoT da etwas auslöst, und das wäre auch wünschenswert, weil es endlich wieder Bewegung in den Fantasy-Einheitsbrei hineinbringt.