Prolog:
Die Welt ist schon lange nicht mehr das, was sie einst war. Einige sprechen davon, als wäre es etwas Gutes, die anderen verfluchen es. Ganz besonders die, die schuld daran sind.
Früher waren die Menschen die größte Plage der Erde, doch nun wurden sie abgelöst, von noch schlimmeren Wesen, die weder Skrupel noch Gewissen kennen und nur Zerstörung im Sinn haben. Also eigentlich eine neue Generation der Rasse Mensch, aber sie haben etwas, das der Homo Erectus nicht hat. Sie können nicht sterben!
Die Rasse von der ich spreche war schon in der Vergangenheit präsent, doch nie zuvor wurde sie so gefürchtet und so ernst genommen wie jetzt. Niemals konnte man ihre Existenz wirklich beweisen, bis heute.
Ich spreche von Vampiren!
Katharina de Loire legte die Zeitung beiseite und schaute aus dem Fenster hinauf auf den Berg, der stolz und imposant über Nox aufragte. Dort oben lag Lux, die reichste Stadt der Welt.
Der Kontrast zwischen Elendsviertel und Luxusgegend war unübersehbar und zog sich wie eine rote Grenze zwischen den beiden Teilen der ehemaligen Metropole Rom hindurch.
Lux war auf den sieben Hügeln errichtet worden, Nox dazwischen, in den trockengelegten Sümpfen.
Die Erde hatte sich tatsächlich verändert, nach dem letzten Atomkrieg, dem Dritten Weltkrieg, der alles verändert hatte. Amerika gab es in der bekannten Form nicht mehr. Südamerika war vollkommen von Menschen befreit worden und man hatte den Regenwald wieder aufgeforstet, so gut es ging. Auch das weitgehend unberührte Kanada durfte auf keinen Fall betreten werden und in den USA war kein Stein auf dem anderen geblieben. Dorthin brachte man die Strafgefangenen und zwar alle. Egal ob Dieb oder Mörder, alle kamen sie in die USA und dort überlebte kaum einer. Einerseits töteten sich die Häftlinge gegenseitig, andererseits lagerte Europa dort seinen Atommüll und die Gegend war weitgehend verstrahlt.
Katarina öffnete das Fenster und die kalte Morgenluft strömte in den kleinen, finsteren Raum, der spartanisch mit einem Bett, einem Tisch und zwei Stühlen eingerichtet worden war.
Den Atomkrieg hatten China und die USA ausgefochten, aber auch Europa hatte sich nicht zurückgehalten. Zwar hatte es keine Atombomben gebaut, doch untereinander Krieg geführt und sich dabei selbst zerstört.
Die Reichen hatten dann Lux erbaut und wer es sich leisten konnte, entkam dort der herrschenden Armut.
Ein verachtender Blick stahl sich in Katharinas smaragdgrüne Augen und sie biss sich auf die Unterlippe. Ihr dunkelrotes Haar fiel ihr in Korkenzieherlocken in ihr schmales, blasses Gesicht. Sie war schlank, aber lange nicht so abgemagert, wie viele andere in Nox und irgendwie hatte sie es geschafft, ihren Körper zu trainieren, dass sie in der Lage war, zu kämpfen, denn konnte man es nicht, hatte man im Elendsviertel keine Chance.
Sie trug zerschlissene Jeans und ein schwarzes Tangtop, das hauteng an ihrem wohlgeformten Oberkörper lag. Ihre langen Beine steckten in schwarzen Stiefeln, die ihr knapp unter die Knie reichten und kaum Absätze aufwiesen. Um ihre schlanken Hände legten sich schmutzige Bandagen, die sie vor Aufschürfungen und kleineren Verletzungen schützten.
Wieder nahm sie die Zeitung in die Hand und las den letzten Abschnitt nochmals.
Die Rasse von der ich spreche war schon in der Vergangenheit präsent, doch nie zuvor wurde sie so gefürchtet und so ernst genommen wie jetzt. Niemals konnte man ihre Existenz wirklich beweisen, bis heute.
Ich spreche von Vampiren!
Vampire! Ekelhafte Blutsauger mit deren Untotem Leben Katharina de Loire Geld verdiente, denn die Menschen fürchteten die Schattenwesen mehr als sie die junge Frau mit den grünen Katzenaugen fürchteten. Mochte schon sein, dass sie aussah wie ein Mensch, aber sie war keiner. Sie war das wohl einzige Wesen, vor dem die Vampire flohen, so schnell sie konnten.
Katharina de Loire war ein Mondengel. Ein Geschöpf, in dessen Adern der Tod floss.
Keiner wusste, wie diese Wesen entstanden waren. Vermutlich so wie Vampire, aber keiner wagte, zu vermuten.
Mit den Fingerspitzen blätterte Katharina um und sah das Foto eines ermordeten Menschen. Von Upierczi angefallen, stand darunter und Katharina musste lächeln. Das war kein Vampir gewesen. Sie kannte die Spuren eines jeden Blutsaugers und keiner von ihnen zerfleischte seine Opfer so sehr, wie es auf diesem Bild dargestellt war.
Sie hörte wie jemand die Treppe zu ihrer Wohnung, wenn man es so nennen konnte, hinauf stieg und sich dabei nicht davor scheute, ungeheuren Lärm zu machen. Dann klopfte es und zögernd öffnete die Person die Tür.
Vorsichtshalber zog Katharina den langen Silberdolch aus dem Schaft ihres Stiefels und hob ihn, um ihn im richtigen Moment werfen zu können. Doch als sie sah, wer es da wagte, sie am helllichten Tag zu belästigen, senkte sie die Waffe und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
Von der jungen Frau, die da in der Tür stand ging keinerlei Gefahr aus. Sie war schmächtig, nicht besonders groß und sie stammte aus Lux, das war nicht zu übersehen!
Auf ihrem blonden Haarschopf saß ein großer Strohhut und ihre blauen Augen versteckten sich hinter einer rosa getönten Sonnenbrille. Sie trug einen weißen Hosenanzug, offensichtlich aus Seide und ihre weißen Lacklederpumps waren blitzsauber. Ihr Teint war blass und wenn man sie so ansah, erkannte man auch, dass an ihr auf keinen Fall alles echt war.
Der Busen könnte Doppel – D sein, ihre Lippen erinnerten an die eines Boxers nach einem Kampf.
Vorsichtshalber behielt Katharina ihren Dolch dennoch in der Hand und musterte die Frau skeptisch.
„Was kann ich für Sie tun, Lady?“ fragte sie rau und strich sich das dunkelrote Haar aus dem Gesicht.
Der Frau war es unangenehm, Nox nur zu betreten und nun war sie hier, mit einer Mörderin. Eigentlich könnte sie sich auch gleich selbst eingraben.
„Ich suche Katharina de Loire.“ sagte sie mit nasaler Stimme und rümpfte dabei ihre operierte Nase.
„Kenne ich nicht.“ meinte Katharina und lächelte spöttisch. Sie liebte es die Reichen aus Lux zu verhöhnen und diese aufgetakelte Kuh war das perfekte Opfer. Scheinbar merkte sie es nicht einmal, denn sie fuhr gequält fort.
„Wenn Sie Miss Loire sehen, geben sie ihr dass.“ sie zog einen weißen Umschlag aus ihrer Krokodilledertasche und reichte ihn der Rothaarigen, die ihn mit den Fingerspitzen nahm und auf den Tisch legte. Der Umschlag war parfümiert und stank furchtbar nach einer Mischung aus Männerdeodorant und Klospülung.
Sie öffnete ihn mit den Fingernägeln und zog ein Blatt Papier heraus. Mit Computerschrift standen da einige Zeilen auf Englisch.
„Ich hoffe sie können es lesen.“ meinte die Frau hochnäsig und Katharina schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln.
„Ich hoffe sie meinen das nicht ernst, Lady.“
Die Frau zog die gezupften Brauen hoch.
„Warum nicht. Es würde mich wundern, wenn sie überhaupt lesen könnten, Miss de Loire.“
Katharina schnaubte und faltete die Hände im Schoß.