--- Klappentext / Kurzbeschreibung ---
Vier Geschichten, vier Begegnungen. Die Verheißungen einer Nacht. Die verzehrende Leidenschaft eines gierigen Gemüts. Dann die Sehnsucht nach Zweisamkeit, Verlangen und Liebe, die in die Fänge des brutalen Schreckens führt. Und am Ende Begehren, Lust, Gier - Horror. Vier Geschichten, die immer tiefer in die Dunkelheit führen. Erotisch, sinnlich, dann auch schmerzvoll, albtraumhaft.
--- Inhalt und Umsetzung ---
Um es voran zu schicken: ich bin den Kindle-Produkten eigentlich nicht sonderlich zugetan. Mir fehlt es, dass meine Finger das Papier spüren, ich den Duft des Buches in mich aufnehmen oder anhand der verbleibenden Seiten abschätzen kann, wie lange der Roman oder die Anthologie wohl noch dauern wird (im positiven wie im negativen Sinne).
Dennoch hatte ich mich für die Kurzgeschichtensammlung "Tiefer in die Dunkelheit" in der elektronischen Variante entschieden. Das angekündigte Zusammenspiel von Thrill und Horror vermischt mit Erotik hatte mich neugierig gemacht. Denn - nennen wir es beim Namen - damals war das Buch in der eBook-Fassung kostenfrei zu haben (aktuell sinds 89 Cent). Und daher war die Coursor-Bewegung zum "Kaufen"-Button eine willkommene Möglichkeit meine Neugier zu befriedigen.
-- Die ersten beiden Geschichten --
Ich bin eine Liebhaberin von Horrorgeschichten, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie mit Andeutungen spielen und (zur Gänze) auf blutige oder schockierende Mittel verzichten. Ebenso verhält es sich mit erotischer Literatur. Auch dort genügen vage Hinweise, um eine knisternde Spannung zu erzeugen. Der Autor Ralf Boscher fordert den Leser bisweilen dazu heraus, fehlende Beschreibungen der Situation mit der eigenen Fantasie auszufüllen. Das gilt sowohl für die erotischen Elemente als auch für das Grauen, welches sich zunächst kaum spürbar manifestiert, um sich dann nur wenig deutlicher (aber dafür umfassend) seine Bahn zu schlagen. Als ein schönes Beispiel hierfür ist die zweite Geschichte, "der Liebesbrief", zu nennen.
Boscher scheint einer (wie es neuerdings politisch korrekt bezeichnet wird) bildungsnahen Schicht zu entstammen. Ein Umstand, der sich auf jeder Seite der ersten beiden Geschichten höchst angenehm wiederspiegelt. Nur während des Lesens des ersten Textes ist mir einmal der Gedanke durch den Kopf gegeistert, dass er es mit der Erwähnung philosophischen Inhaltes wohl übertrieben haben könnte.
Die von Boscher verwendeten Protagonisten sind in den Geschichten "Was spricht die Mitternacht" und "der Liebesbrief" aus der ersten Person Singular beschrieben. Ein Stilmittel, das mir persönlich sehr zusagt. In der ersten Geschichte wird die wörtliche Rede eher spärlich aber dafür zielgenau verwendet, während sie - verständlicherweise - in der zweiten zur Gänze fehlt. Dies verstärkt meiner Meinung nach einen angenehm "vagen" Eindruck.
-- Die letzten beiden Geschichten --
Zwischen den ersten und den letzten beiden Texten kommt es zu einem deutlichen Stilbruch:
In der dritten Geschichte ("so anders") beweist Boscher, dass er die Verwendung der wörtlichen Rede ebenfalls beherrscht. Erzählt wird die Geschichte von Conny und ihrer Webbekanntschaft aus der dritten Person. Hier wird der Autor in der Darstellung des Geschehens ungleich deutlicher und blutiger im Vergleich zu den ersten beiden Kurzgeschichten - ohne jedoch in eine geschmacklose Gewaltorgie abzugleiten. Im Gegenteil bereichert er die Geschichte durch ein perfides und höchst spannendes Katz-und-Maus-Spiel.
Anmerkung: Eine der beschriebenen Szenen erinnerte mich beim Lesen sehr an den Märchenklassiker Rotkäppchen ("Aber Großmutter, wieso hast du denn so große Augen?"). Ich weiß nicht, ob es in der Absicht des Autors lag, fände diese "Hommage" jedoch äußerst passend.
Die vierte Geschichte "Lord of the Flies" beschäftigt sich - ebenfalls in der dritten Person geschrieben - mit Daphne, die sich voyeuristische Spiele mit der Männerwelt via Webcam erlaubt. Diese Geschichte ist - im Gegensatz zu den ersten beiden - sehr deutlich in der Wortwahl und deftig in den Beschreibungen. Mir persönlich hätte es an dieser Stelle gefallen, wenn Boscher nach dem Motto "Weniger ist mehr" gehandelt hätte. Aber das ist ganz sicher Geschmackssache. Spannend zu lesen war diese Kurzgeschichte dennoch - auch wenn sich aus meiner Sicht der fokussierte Ekelfaktor in Grenzen hielt.
-- Lektorat --
Abschließend bleibt zu sagen, dass sowohl die Orthographie, die Grammatik als auch die Interpunktion stimmig sind. Ein Umstand, der in vielen Kindle-Produkten und/oder preiswerten Büchern (und wahrscheinlich auch in meiner Rezension) zu wünschen übrig lässt. Als winzig kleinen Wermutstropfen möchte ich eine Redewendung erwähnen (ohne sie zu nennen - ich möchte nicht spoilern), die sich in "so anders" drei Mal wiederholt hatte. Das ist in meinen Augen zu oft für einen kurzen Text.
--- Fazit ---
Nach einem vielversprechenden Start lässt die Kurzgeschichtensammlung gegen Ende etwas nach. Leser, die es gern sowohl vage und düster als auch deutlich und vulgär mögen, liegen mit "Tiefer in die Dunkelheit" sicher richtig.
(Eine Bitte hätte ich an die jüngeren unter uns: das ist nix für Kiddies unter 16 Jahren ...)
Es grüßt euch
Nephthys
Vier Geschichten, vier Begegnungen. Die Verheißungen einer Nacht. Die verzehrende Leidenschaft eines gierigen Gemüts. Dann die Sehnsucht nach Zweisamkeit, Verlangen und Liebe, die in die Fänge des brutalen Schreckens führt. Und am Ende Begehren, Lust, Gier - Horror. Vier Geschichten, die immer tiefer in die Dunkelheit führen. Erotisch, sinnlich, dann auch schmerzvoll, albtraumhaft.
--- Inhalt und Umsetzung ---
Um es voran zu schicken: ich bin den Kindle-Produkten eigentlich nicht sonderlich zugetan. Mir fehlt es, dass meine Finger das Papier spüren, ich den Duft des Buches in mich aufnehmen oder anhand der verbleibenden Seiten abschätzen kann, wie lange der Roman oder die Anthologie wohl noch dauern wird (im positiven wie im negativen Sinne).
Dennoch hatte ich mich für die Kurzgeschichtensammlung "Tiefer in die Dunkelheit" in der elektronischen Variante entschieden. Das angekündigte Zusammenspiel von Thrill und Horror vermischt mit Erotik hatte mich neugierig gemacht. Denn - nennen wir es beim Namen - damals war das Buch in der eBook-Fassung kostenfrei zu haben (aktuell sinds 89 Cent). Und daher war die Coursor-Bewegung zum "Kaufen"-Button eine willkommene Möglichkeit meine Neugier zu befriedigen.
-- Die ersten beiden Geschichten --
Ich bin eine Liebhaberin von Horrorgeschichten, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie mit Andeutungen spielen und (zur Gänze) auf blutige oder schockierende Mittel verzichten. Ebenso verhält es sich mit erotischer Literatur. Auch dort genügen vage Hinweise, um eine knisternde Spannung zu erzeugen. Der Autor Ralf Boscher fordert den Leser bisweilen dazu heraus, fehlende Beschreibungen der Situation mit der eigenen Fantasie auszufüllen. Das gilt sowohl für die erotischen Elemente als auch für das Grauen, welches sich zunächst kaum spürbar manifestiert, um sich dann nur wenig deutlicher (aber dafür umfassend) seine Bahn zu schlagen. Als ein schönes Beispiel hierfür ist die zweite Geschichte, "der Liebesbrief", zu nennen.
Boscher scheint einer (wie es neuerdings politisch korrekt bezeichnet wird) bildungsnahen Schicht zu entstammen. Ein Umstand, der sich auf jeder Seite der ersten beiden Geschichten höchst angenehm wiederspiegelt. Nur während des Lesens des ersten Textes ist mir einmal der Gedanke durch den Kopf gegeistert, dass er es mit der Erwähnung philosophischen Inhaltes wohl übertrieben haben könnte.
Die von Boscher verwendeten Protagonisten sind in den Geschichten "Was spricht die Mitternacht" und "der Liebesbrief" aus der ersten Person Singular beschrieben. Ein Stilmittel, das mir persönlich sehr zusagt. In der ersten Geschichte wird die wörtliche Rede eher spärlich aber dafür zielgenau verwendet, während sie - verständlicherweise - in der zweiten zur Gänze fehlt. Dies verstärkt meiner Meinung nach einen angenehm "vagen" Eindruck.
-- Die letzten beiden Geschichten --
Zwischen den ersten und den letzten beiden Texten kommt es zu einem deutlichen Stilbruch:
In der dritten Geschichte ("so anders") beweist Boscher, dass er die Verwendung der wörtlichen Rede ebenfalls beherrscht. Erzählt wird die Geschichte von Conny und ihrer Webbekanntschaft aus der dritten Person. Hier wird der Autor in der Darstellung des Geschehens ungleich deutlicher und blutiger im Vergleich zu den ersten beiden Kurzgeschichten - ohne jedoch in eine geschmacklose Gewaltorgie abzugleiten. Im Gegenteil bereichert er die Geschichte durch ein perfides und höchst spannendes Katz-und-Maus-Spiel.
Anmerkung: Eine der beschriebenen Szenen erinnerte mich beim Lesen sehr an den Märchenklassiker Rotkäppchen ("Aber Großmutter, wieso hast du denn so große Augen?"). Ich weiß nicht, ob es in der Absicht des Autors lag, fände diese "Hommage" jedoch äußerst passend.
Die vierte Geschichte "Lord of the Flies" beschäftigt sich - ebenfalls in der dritten Person geschrieben - mit Daphne, die sich voyeuristische Spiele mit der Männerwelt via Webcam erlaubt. Diese Geschichte ist - im Gegensatz zu den ersten beiden - sehr deutlich in der Wortwahl und deftig in den Beschreibungen. Mir persönlich hätte es an dieser Stelle gefallen, wenn Boscher nach dem Motto "Weniger ist mehr" gehandelt hätte. Aber das ist ganz sicher Geschmackssache. Spannend zu lesen war diese Kurzgeschichte dennoch - auch wenn sich aus meiner Sicht der fokussierte Ekelfaktor in Grenzen hielt.
-- Lektorat --
Abschließend bleibt zu sagen, dass sowohl die Orthographie, die Grammatik als auch die Interpunktion stimmig sind. Ein Umstand, der in vielen Kindle-Produkten und/oder preiswerten Büchern (und wahrscheinlich auch in meiner Rezension) zu wünschen übrig lässt. Als winzig kleinen Wermutstropfen möchte ich eine Redewendung erwähnen (ohne sie zu nennen - ich möchte nicht spoilern), die sich in "so anders" drei Mal wiederholt hatte. Das ist in meinen Augen zu oft für einen kurzen Text.
--- Fazit ---
Nach einem vielversprechenden Start lässt die Kurzgeschichtensammlung gegen Ende etwas nach. Leser, die es gern sowohl vage und düster als auch deutlich und vulgär mögen, liegen mit "Tiefer in die Dunkelheit" sicher richtig.
(Eine Bitte hätte ich an die jüngeren unter uns: das ist nix für Kiddies unter 16 Jahren ...)
Es grüßt euch
Nephthys