Meisterstück der Zerstörung
Hallo Ihr Lieben, hier mal ein Werk, dass im letzten Jahr so über mich kam. Bin gespannt was Ihr davon haltet...
Die Straße lag im Schatten der Häuser. Melli rannte hinter dem leuchtenden Wesen her und kämpfte um jeden Atemzug. Der Sternenhimmel lag versteckt hinter einer Wolkendecke und die Düsternis verschluckte den Schein der Straßenlaternen. Nur der goldene Schimmer vor ihr, trotzte der Finsternis. So nah wie dieses Mal, war sie der kugelförmigen Lichtwolke noch nie gekommen. Seit Wochen verfolgte sie dieses Wesen, aber wann immer sie kurz davor war, es zu vernichten, war es entkommen. Hatte sich in Dunkelheit aufgelöst. Ihre Lungen brannten wie Feuer und sie konnte ihre Beine kaum noch spüren. Doch ihr Hass auf dieses Wesen trieb sie weiter. Dieses Gefühl in der Magengegend war so viel stärker als die schmerzende Lunge oder die tauben Beine. Wieder und wieder sah sie das Bild ihrer toten Eltern vor Augen, ihren Bruder wie er mit dem blutigen Messer über ihnen stand und dieses Licht. Ein goldenes Leuchten, das die Augen zu versenken drohte. Sie verdrängte das Bild, indem sie noch schneller lief. Das Wesen bog in eine dunkle Seitenstraße ab und sie rannte hinterher. Sie fand sich in einer Sackgasse wieder. Allein. Sie drehte sich in alle Richtungen und suchte das Licht, doch es war verschwunden. Schon wieder. Sie schaute sich genauer um. Rechts und links standen alte Backsteinhäuser. Jedes mit einem verwilderten Vorgarten. Alles wirkte heruntergekommen und verlassen. Fensterläden hingen lose in den Angeln und von den Gartentürchen blätterte die Farbe ab. Nirgends konnte sie Anzeichen für Leben ausmachen. Die Stille war fast noch vollkommener als die Dunkelheit. Ihre Aufmerksamkeit wurde auf ein Gebäude am Ende der Straße gelenkt. Majestätisch stand dort ein altes Gutsherrenhaus auf einem großen Grundstück. Es war umgeben von einer halbhohen Bruchsteinmauer. Sie konnte Brombeeren erkennen, die ungezähmt im Garten wucherten. Sie verlangsamte ihr Tempo und schlich in Richtung des Hauses. Das alte Gebäude zeugte von einstigem Reichtum. An witterungsgeschützen Stellen blitze die ehemals leuchtend weiße Farbe der Fassade auf. Ausladende, halbrunde Stufen aus hellgrauem Granit führten auf die Veranda und große weiße Marmorsäulen stützen den Balkon, der gleichzeitig als Vordach diente. Die Tür stand offen. Melli überlegte, ob sie das Haus betreten sollte und entschied sich dagegen. Bevor sie hineinging, wollte sie sicher sein, dass der Lichtgestalt keine Fluchtmöglichkeit blieb. Geschützt durch die Dunkelheit betrat sie den verwilderten Rasen und umkreiste die alte Villa.
Sein schlechtes Gewissen lag Anton wie Blei im Magen und mühsam schleppte er sich den Weg entlang. Am Telefon hatte man ihm genau beschrieben, wo er Tom finden würde. In einem Bauernhaus, fern von der Stadt, mitten im Wald auf einem kleinen Hügel gelegen. Jetzt stand er dort, ein Weg aus Kopfsteinpflaster führte zu dem riesigen Anwesen. Es waren nur noch wenige Meter die er zurücklegen musste, um auf den Hof zu gelangen. Das Haupthaus lag in der Mitte und kleinere Gebäude, er vermutete, dass es Ställe waren, lagen rechts und links davon. Er betrachtete die verlassenen Bauwerke, die sanfte Schatten im Mondlicht warfen. Er kämpfte um jeden Schritt den Weg hinauf. Die Angst um seinen Blutsbruder trieb in weiter und gleichzeitig lähmte ihn seine Furcht vor dem Sterben. Sein Tod im Ausgleich für das Leben seines besten Freundes, daran bestand kein Zweifel. Er war so unsagbar naiv gewesen. Als er die Beschreibung für das Ritual gefunden hatte, las es sich wie die Lösung für all seine Probleme. Es versprach Erfolg, Liebe und Glück. Anton hatte Tom angefleht das Ritual für ihn durchzuführen, hatte sich auf die Blutsbruderschaft bezogen und auf das Versprechen, immer füreinander da zu sein, gesetzt. Der Magier in Tom hatte ihn immer und immer wieder gewarnt, dass der Preis für diesen Moment der Zufriedenheit nicht absehbar sei, doch später hatten die freundschaftlichen Bande überwogen und Tom hatte nachgegeben. Anton hatte bekommen was er wollte. Jetzt musste die Rechnung für die gutbezahlte Stelle, die Liebe seines Lebens und das damit verbundene Glück beglichen werden und es war seine, nicht Toms Schuld. Seinen Freund würde er den Preis dafür nicht zahlen lassen. Die Tür des alten Bauernhauses war nur angelehnt. Lautlos öffnete er sie ein wenig und schlüpfte durch den kleinen Spalt hindurch.
Auch auf der Rückseite der Villa waren alle Fenster verschlossen und kein Lichtschein drang durch die Bretterspalten. Nachdem Melli das Gebäude umrundet hatte und wieder an der Tür angekommen war, atmete sie tief durch. Ihr Herz pochte wild, denn sie war sicher, das Lichtwesen musste im Haus sein. Woher die Gewissheit kam, wusste sie nicht. Sie schloss die Augen und versuchte ihren Puls zu beruhigen. Sofort waren die Erinnerungen wieder präsent. Ihr Bruder, der sie anflehte, dieses leuchtende Etwas zu verfolgen und zu töten, weil er es nicht mehr konnte. Wie er sie drängte, es zu vernichten, bevor es zurückkehrte und die Halluzinationen auslöste. Jene Trugbilder, die ihn dazu gebracht hatten, die Eltern zu töten. Die Verzweiflung in seiner Stimme zerriss ihr heute wie damals das Herz. Wie sie das anstellen solle, hatte sie ihn noch gefragt, aber er konnte ihr keine Antwort mehr geben. Ihr Bruder, der die Magie immer besser beherrscht hatte wie sie, war dem Wahnsinn verfallen. Sie war auf sich alleine gestellt.
Das Innere des Hauses war dämmrig. Hier war er richtig, Anton konnte es spüren. Mitten im Raum sah er die heruntergelassene Leiter zum Dachboden. Er seufzte und kletterte die Sprossen nach oben. Mit jeder Stufe nahm seine Angst zu. Auf halber Höhe war sie so übermächtig, dass er kurz davor war, wieder umzukehren. Die Erinnerung an den Blutschwur der Jungend war das Einzige was ihn daran hinderte. Er war es Tom schuldig und es gab kein Zurück.
Bevor sie das Licht aus dem Keller wahrnahm, konnte Melli spüren, dass sie am Ziel war. Jede Faser in ihrem Körper war zum Zerreißen gespannt und je näher sie der Kellertreppe kam, desto schlimmer wurde es. Und dann konnte sie es atmen hören. Ihre Anspannung wich einem Gefühl von Ruhe. Gleich würde sie für ihre Eltern Rache nehmen und ihren Bruder aus dem Wahnsinn befreien. Lautlos glitt sie Stufe für Stufe die schmale gerade Treppe hinunter.
Tom hörte Schritte. Regungslos lag er auf dem Holzboden und war starr vor Angst. Wieso war er hier? Wie war er hier her gekommen? Die Bilder in seinem Kopf wirkten so real. Wie Erinnerungen. Daran wie er seine Eltern erstach, wie seine Schwester ihn dabei überraschte und immer wieder dieses Licht. In ihm und um ihn herum. Das Flackern, das ihn bis in seine Träume verfolgte und ihm noch mehr Visionen schickte. Es zwang ihn zu tun, was er sah. Flüsterte ihm die schrecklichsten Taten zu. Jeder Versuch sich dagegen zu wehren, waren zum Scheitern verurteilt. Er hatte seinen Eltern getötet und seine Schwester auf die Jagd geschickt. Alles nur, weil Anton unbedingt dieses Ritual durchführen musste. Die letzten Wochen zogen wie eine Diashow durch seinen Kopf. Momentaufnahmen, auf denen ein goldener Schimmer lastete. Seine Schwester, die tränenüberströmt aus dem Raum rannte. Die Polizei, die ihm Handschellen anlegte, der Krankenwagen, der ihn davonfuhr und die Ärztin, die ihm eine Nadel in den Arm stach. Erinnerungen an den Behandlungsraum, sein Zimmer und den Garten der Nervenklinik. Allein war er dort gewesen. Seine Schwester war auf der Jagd und Anton war auch nicht gekommen, um nach ihn zu sehen. Ob das Wesen seinen Freund hatte vergessen lassen, dass es ihn gab? Und dann kam das Licht wieder. Diesmal sah er es nicht nur in seinem Kopf. Es schimmerte hell in seinem Krankenzimmer und wisperte ihm erneut zu, was er tun sollte. Er war machtlos dagegen, nahm de Hörer in die Hand und wählte die Nummer seines besten Freundes. Mit verstellter Stimme beschrieb er ihm einen Ort und machte sich dann selbst auf den Weg dorthin. Jetzt lag er hier und hörte den dumpfen Hall sich nähernder Schritte.
Anton sah seinen Freund sofort. Regungslos lag er auf dem Boden und es war nicht erkennbar, ob er noch lebte. Er vergaß seine Vorsicht, rannte zur der Gestalt beugte sich über sie und schaute in zwei schmerzerfüllte, vom Wahnsinn gezeichnete Augen.
Ungesehen saß es in der Ecke und freute sich auf das große Finale. Erwartungsvoll rieb es die Hände aneinander und grinste. Gleich würde sie, das schönste Mädchen der Welt, die Bühne betreten und hasserfüllt wie sie war, würde sie ihre Rolle großartig spielen. Monatelang hatte es am Drehbuch gefeilt. Im Vergleich zu diesem Stück waren seine alten Werke plump und vorhersehbar gewesen. Dieses Mal jedoch hatte es sich bei den Vorbereitungen Zeit gelassen und das Ergebnis war an Raffinesse nicht zu überbieten.
Am Ende der Treppe angekommen sah Melli die Gestalt im hell erleuchteten Raum sofort. Ohne Nachzudenken rannte sie hin und stach zu. Wieder und wieder versenkte sie die Klinge in der dunklen Gestalt vor sich. Für ihre Mutter, ihren Vater, ihren Bruder. Erleichterung und Zufriedenheit durchströmten ihren Körper und in diesem Moment erkannte sie ihn. Ihr Bruder lag unter der reglosen Gestalt und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
Es jubelte. Das Meisterwerk war beendet. Auch in diesem Jahr würde es den ersten Platz der Meisterschaft belegen. Gut, es musste zugeben, dieses Mal hatte es wirklich Glück gehabt. Zuerst war da diese wunderschöne junge Frau gewesen, sie hatte es ihm sofort angetan. Dann kam noch ihr magisch äußerst talentierter Bruder hinzu. Ein junger Magier, der in der Lage sein würde, den alten Zauber zu wirken, um das Ritual durchzuführen, mit dem es in die Menschenwelt gerufen wurde. Das war großes Glück. Dass dieser Bruder dann auch noch an einen Blutschwur zu einem wirklich unglücklichen Menschen gebunden war, grenzte fast an ein Wunder. Diese glücklichen Zufälle hatten letztendlich den Weg bereitet, auch in diesem Jahr größtmögliche Zerstörung zu bringen. Mit einem Schlag hatte es geschafft, was vorher noch niemand vollbracht hatte, es hatte gleich drei Leben auf einmal zerstört. Wie es so zurückblickte und darüber nachdachte, wie einfach es gewesen war, musste es kichern. Ein kleiner Zettel mit dem richtigen Zauberspruch zur Richtigen Zeit am richtigen Ort. Mehr war es nicht gewesen. Es hatte nur sicherstellen müssen, dass dieser unglückliche Mensch den Zettel auch fand. Der Rest lief anschließend ganz von alleine. Diese dummen Menschenjungen führten das Ritual durch und riefen es herbei. Damit hatten sie ihm den Weg bereitet, Besitz von dem jungen Magier zu nehmen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Danach musste es nur abwarten bis die Schwester nach Hause kam. Als es sie hörte, verließ es den Bruder und der Wahnsinn hielt Einzug bei ihm. Sie kam genau in dem Moment, wo der Bruder die Eltern tötete und es den Raum mit seiner leuchtenden Präsenz kurz erfüllte und verschwand. Ab diesem Moment war es kurz spannend gewesen. Ein Schaudern erfüllte es, als es sich an die erwartungsvolle Erregung erinnerte. Würde sie Rache nehmen wollen? Aber es hatte sich nicht in ihr getäuscht und die schönste Verfolgungsjagd seines Seins begann. Oh ja diese Menschenfrau hatte es ihm angetan. Schon vom ersten Moment an, als es sie entdeckt und auserwählt hatte.
Ob es für die Illusion des Hauses eine extra Auszeichnung für die spektakulärste Kulisse bekommen würde? Ein Haus, dessen Wege alle zu einem Raum führten, egal ob man nach oben stieg oder nach unten. Ein Haus mit Zugängen von den unterschiedlichsten Orten aus? Im Grunde war es egal, denn seine Begleitung zu der Feier würde seine Konkurrenten des diesjährigen Zerstörungswettbewerbs in Demut vor seiner Kunst ihr Haupt beugen lassen. Sie war der krönende Abschluss seiner meisterhaften Inszenierung.
Es schnippte mit den Fingern und Melli wurde bewusstlos.
Hallo Ihr Lieben, hier mal ein Werk, dass im letzten Jahr so über mich kam. Bin gespannt was Ihr davon haltet...
Die Straße lag im Schatten der Häuser. Melli rannte hinter dem leuchtenden Wesen her und kämpfte um jeden Atemzug. Der Sternenhimmel lag versteckt hinter einer Wolkendecke und die Düsternis verschluckte den Schein der Straßenlaternen. Nur der goldene Schimmer vor ihr, trotzte der Finsternis. So nah wie dieses Mal, war sie der kugelförmigen Lichtwolke noch nie gekommen. Seit Wochen verfolgte sie dieses Wesen, aber wann immer sie kurz davor war, es zu vernichten, war es entkommen. Hatte sich in Dunkelheit aufgelöst. Ihre Lungen brannten wie Feuer und sie konnte ihre Beine kaum noch spüren. Doch ihr Hass auf dieses Wesen trieb sie weiter. Dieses Gefühl in der Magengegend war so viel stärker als die schmerzende Lunge oder die tauben Beine. Wieder und wieder sah sie das Bild ihrer toten Eltern vor Augen, ihren Bruder wie er mit dem blutigen Messer über ihnen stand und dieses Licht. Ein goldenes Leuchten, das die Augen zu versenken drohte. Sie verdrängte das Bild, indem sie noch schneller lief. Das Wesen bog in eine dunkle Seitenstraße ab und sie rannte hinterher. Sie fand sich in einer Sackgasse wieder. Allein. Sie drehte sich in alle Richtungen und suchte das Licht, doch es war verschwunden. Schon wieder. Sie schaute sich genauer um. Rechts und links standen alte Backsteinhäuser. Jedes mit einem verwilderten Vorgarten. Alles wirkte heruntergekommen und verlassen. Fensterläden hingen lose in den Angeln und von den Gartentürchen blätterte die Farbe ab. Nirgends konnte sie Anzeichen für Leben ausmachen. Die Stille war fast noch vollkommener als die Dunkelheit. Ihre Aufmerksamkeit wurde auf ein Gebäude am Ende der Straße gelenkt. Majestätisch stand dort ein altes Gutsherrenhaus auf einem großen Grundstück. Es war umgeben von einer halbhohen Bruchsteinmauer. Sie konnte Brombeeren erkennen, die ungezähmt im Garten wucherten. Sie verlangsamte ihr Tempo und schlich in Richtung des Hauses. Das alte Gebäude zeugte von einstigem Reichtum. An witterungsgeschützen Stellen blitze die ehemals leuchtend weiße Farbe der Fassade auf. Ausladende, halbrunde Stufen aus hellgrauem Granit führten auf die Veranda und große weiße Marmorsäulen stützen den Balkon, der gleichzeitig als Vordach diente. Die Tür stand offen. Melli überlegte, ob sie das Haus betreten sollte und entschied sich dagegen. Bevor sie hineinging, wollte sie sicher sein, dass der Lichtgestalt keine Fluchtmöglichkeit blieb. Geschützt durch die Dunkelheit betrat sie den verwilderten Rasen und umkreiste die alte Villa.
Sein schlechtes Gewissen lag Anton wie Blei im Magen und mühsam schleppte er sich den Weg entlang. Am Telefon hatte man ihm genau beschrieben, wo er Tom finden würde. In einem Bauernhaus, fern von der Stadt, mitten im Wald auf einem kleinen Hügel gelegen. Jetzt stand er dort, ein Weg aus Kopfsteinpflaster führte zu dem riesigen Anwesen. Es waren nur noch wenige Meter die er zurücklegen musste, um auf den Hof zu gelangen. Das Haupthaus lag in der Mitte und kleinere Gebäude, er vermutete, dass es Ställe waren, lagen rechts und links davon. Er betrachtete die verlassenen Bauwerke, die sanfte Schatten im Mondlicht warfen. Er kämpfte um jeden Schritt den Weg hinauf. Die Angst um seinen Blutsbruder trieb in weiter und gleichzeitig lähmte ihn seine Furcht vor dem Sterben. Sein Tod im Ausgleich für das Leben seines besten Freundes, daran bestand kein Zweifel. Er war so unsagbar naiv gewesen. Als er die Beschreibung für das Ritual gefunden hatte, las es sich wie die Lösung für all seine Probleme. Es versprach Erfolg, Liebe und Glück. Anton hatte Tom angefleht das Ritual für ihn durchzuführen, hatte sich auf die Blutsbruderschaft bezogen und auf das Versprechen, immer füreinander da zu sein, gesetzt. Der Magier in Tom hatte ihn immer und immer wieder gewarnt, dass der Preis für diesen Moment der Zufriedenheit nicht absehbar sei, doch später hatten die freundschaftlichen Bande überwogen und Tom hatte nachgegeben. Anton hatte bekommen was er wollte. Jetzt musste die Rechnung für die gutbezahlte Stelle, die Liebe seines Lebens und das damit verbundene Glück beglichen werden und es war seine, nicht Toms Schuld. Seinen Freund würde er den Preis dafür nicht zahlen lassen. Die Tür des alten Bauernhauses war nur angelehnt. Lautlos öffnete er sie ein wenig und schlüpfte durch den kleinen Spalt hindurch.
Auch auf der Rückseite der Villa waren alle Fenster verschlossen und kein Lichtschein drang durch die Bretterspalten. Nachdem Melli das Gebäude umrundet hatte und wieder an der Tür angekommen war, atmete sie tief durch. Ihr Herz pochte wild, denn sie war sicher, das Lichtwesen musste im Haus sein. Woher die Gewissheit kam, wusste sie nicht. Sie schloss die Augen und versuchte ihren Puls zu beruhigen. Sofort waren die Erinnerungen wieder präsent. Ihr Bruder, der sie anflehte, dieses leuchtende Etwas zu verfolgen und zu töten, weil er es nicht mehr konnte. Wie er sie drängte, es zu vernichten, bevor es zurückkehrte und die Halluzinationen auslöste. Jene Trugbilder, die ihn dazu gebracht hatten, die Eltern zu töten. Die Verzweiflung in seiner Stimme zerriss ihr heute wie damals das Herz. Wie sie das anstellen solle, hatte sie ihn noch gefragt, aber er konnte ihr keine Antwort mehr geben. Ihr Bruder, der die Magie immer besser beherrscht hatte wie sie, war dem Wahnsinn verfallen. Sie war auf sich alleine gestellt.
Das Innere des Hauses war dämmrig. Hier war er richtig, Anton konnte es spüren. Mitten im Raum sah er die heruntergelassene Leiter zum Dachboden. Er seufzte und kletterte die Sprossen nach oben. Mit jeder Stufe nahm seine Angst zu. Auf halber Höhe war sie so übermächtig, dass er kurz davor war, wieder umzukehren. Die Erinnerung an den Blutschwur der Jungend war das Einzige was ihn daran hinderte. Er war es Tom schuldig und es gab kein Zurück.
Bevor sie das Licht aus dem Keller wahrnahm, konnte Melli spüren, dass sie am Ziel war. Jede Faser in ihrem Körper war zum Zerreißen gespannt und je näher sie der Kellertreppe kam, desto schlimmer wurde es. Und dann konnte sie es atmen hören. Ihre Anspannung wich einem Gefühl von Ruhe. Gleich würde sie für ihre Eltern Rache nehmen und ihren Bruder aus dem Wahnsinn befreien. Lautlos glitt sie Stufe für Stufe die schmale gerade Treppe hinunter.
Tom hörte Schritte. Regungslos lag er auf dem Holzboden und war starr vor Angst. Wieso war er hier? Wie war er hier her gekommen? Die Bilder in seinem Kopf wirkten so real. Wie Erinnerungen. Daran wie er seine Eltern erstach, wie seine Schwester ihn dabei überraschte und immer wieder dieses Licht. In ihm und um ihn herum. Das Flackern, das ihn bis in seine Träume verfolgte und ihm noch mehr Visionen schickte. Es zwang ihn zu tun, was er sah. Flüsterte ihm die schrecklichsten Taten zu. Jeder Versuch sich dagegen zu wehren, waren zum Scheitern verurteilt. Er hatte seinen Eltern getötet und seine Schwester auf die Jagd geschickt. Alles nur, weil Anton unbedingt dieses Ritual durchführen musste. Die letzten Wochen zogen wie eine Diashow durch seinen Kopf. Momentaufnahmen, auf denen ein goldener Schimmer lastete. Seine Schwester, die tränenüberströmt aus dem Raum rannte. Die Polizei, die ihm Handschellen anlegte, der Krankenwagen, der ihn davonfuhr und die Ärztin, die ihm eine Nadel in den Arm stach. Erinnerungen an den Behandlungsraum, sein Zimmer und den Garten der Nervenklinik. Allein war er dort gewesen. Seine Schwester war auf der Jagd und Anton war auch nicht gekommen, um nach ihn zu sehen. Ob das Wesen seinen Freund hatte vergessen lassen, dass es ihn gab? Und dann kam das Licht wieder. Diesmal sah er es nicht nur in seinem Kopf. Es schimmerte hell in seinem Krankenzimmer und wisperte ihm erneut zu, was er tun sollte. Er war machtlos dagegen, nahm de Hörer in die Hand und wählte die Nummer seines besten Freundes. Mit verstellter Stimme beschrieb er ihm einen Ort und machte sich dann selbst auf den Weg dorthin. Jetzt lag er hier und hörte den dumpfen Hall sich nähernder Schritte.
Anton sah seinen Freund sofort. Regungslos lag er auf dem Boden und es war nicht erkennbar, ob er noch lebte. Er vergaß seine Vorsicht, rannte zur der Gestalt beugte sich über sie und schaute in zwei schmerzerfüllte, vom Wahnsinn gezeichnete Augen.
Ungesehen saß es in der Ecke und freute sich auf das große Finale. Erwartungsvoll rieb es die Hände aneinander und grinste. Gleich würde sie, das schönste Mädchen der Welt, die Bühne betreten und hasserfüllt wie sie war, würde sie ihre Rolle großartig spielen. Monatelang hatte es am Drehbuch gefeilt. Im Vergleich zu diesem Stück waren seine alten Werke plump und vorhersehbar gewesen. Dieses Mal jedoch hatte es sich bei den Vorbereitungen Zeit gelassen und das Ergebnis war an Raffinesse nicht zu überbieten.
Am Ende der Treppe angekommen sah Melli die Gestalt im hell erleuchteten Raum sofort. Ohne Nachzudenken rannte sie hin und stach zu. Wieder und wieder versenkte sie die Klinge in der dunklen Gestalt vor sich. Für ihre Mutter, ihren Vater, ihren Bruder. Erleichterung und Zufriedenheit durchströmten ihren Körper und in diesem Moment erkannte sie ihn. Ihr Bruder lag unter der reglosen Gestalt und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
Es jubelte. Das Meisterwerk war beendet. Auch in diesem Jahr würde es den ersten Platz der Meisterschaft belegen. Gut, es musste zugeben, dieses Mal hatte es wirklich Glück gehabt. Zuerst war da diese wunderschöne junge Frau gewesen, sie hatte es ihm sofort angetan. Dann kam noch ihr magisch äußerst talentierter Bruder hinzu. Ein junger Magier, der in der Lage sein würde, den alten Zauber zu wirken, um das Ritual durchzuführen, mit dem es in die Menschenwelt gerufen wurde. Das war großes Glück. Dass dieser Bruder dann auch noch an einen Blutschwur zu einem wirklich unglücklichen Menschen gebunden war, grenzte fast an ein Wunder. Diese glücklichen Zufälle hatten letztendlich den Weg bereitet, auch in diesem Jahr größtmögliche Zerstörung zu bringen. Mit einem Schlag hatte es geschafft, was vorher noch niemand vollbracht hatte, es hatte gleich drei Leben auf einmal zerstört. Wie es so zurückblickte und darüber nachdachte, wie einfach es gewesen war, musste es kichern. Ein kleiner Zettel mit dem richtigen Zauberspruch zur Richtigen Zeit am richtigen Ort. Mehr war es nicht gewesen. Es hatte nur sicherstellen müssen, dass dieser unglückliche Mensch den Zettel auch fand. Der Rest lief anschließend ganz von alleine. Diese dummen Menschenjungen führten das Ritual durch und riefen es herbei. Damit hatten sie ihm den Weg bereitet, Besitz von dem jungen Magier zu nehmen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Danach musste es nur abwarten bis die Schwester nach Hause kam. Als es sie hörte, verließ es den Bruder und der Wahnsinn hielt Einzug bei ihm. Sie kam genau in dem Moment, wo der Bruder die Eltern tötete und es den Raum mit seiner leuchtenden Präsenz kurz erfüllte und verschwand. Ab diesem Moment war es kurz spannend gewesen. Ein Schaudern erfüllte es, als es sich an die erwartungsvolle Erregung erinnerte. Würde sie Rache nehmen wollen? Aber es hatte sich nicht in ihr getäuscht und die schönste Verfolgungsjagd seines Seins begann. Oh ja diese Menschenfrau hatte es ihm angetan. Schon vom ersten Moment an, als es sie entdeckt und auserwählt hatte.
Ob es für die Illusion des Hauses eine extra Auszeichnung für die spektakulärste Kulisse bekommen würde? Ein Haus, dessen Wege alle zu einem Raum führten, egal ob man nach oben stieg oder nach unten. Ein Haus mit Zugängen von den unterschiedlichsten Orten aus? Im Grunde war es egal, denn seine Begleitung zu der Feier würde seine Konkurrenten des diesjährigen Zerstörungswettbewerbs in Demut vor seiner Kunst ihr Haupt beugen lassen. Sie war der krönende Abschluss seiner meisterhaften Inszenierung.
Es schnippte mit den Fingern und Melli wurde bewusstlos.