Prolog - Der Schicksalstag
Diese Geschichte erzählt man sich unter den Menschen, der einsamen Völker...
Es sollte ein schöner Tag sein. Ein sonniger schöner Donnerstag brachte frische Frühlingsluft und wehte Blätter von den Bäumen in den Marktplatz von Melandren. Eine uralte Stadt, die sehr viele Zeiten und Sachen hinter sich gelassen hatte und dennoch vor Glanz und Sauberkeit im Zentrum von Wildland stand.
Die Stadt strahlte mit ihren weißen Türmen, ihrem goldenen Palast und ihren silbernen Häusern. Am Sonnenuntergang strahlte sie wie eine weiße Fackel, die an dunklen Tagen im ganzen Land leuchtete und Wege führte. Heute ist ein Fest. Ein großes Fest. Ein Jubiläum.
Es war der fünfte Jahrestag vom Sieg der Melandrener über dem dunklen Zauberer Argrasan. Kaiser Estorn II. ermordete ihn mit seiner blauen Klinge Oldun, während auf dem Schlachtfeld geblutet und getötet wurde.
Drachen kamen heran geflogen, Zentauren trabten, Elben, Zwerge und Menschen ritten, die Minotauren stampften und die Warfin liefen herbei in die Stadt. Die Warfin, ein uraltes und übernatürliches Volk, waren große, muskulöse und schnelle Wölfe auf zwei Beinen, die in dunklen Wäldern und Gebirgen lebten.
Bauern und Bewohner schleppten Tische, Stühle, Nahrung und Getränke wie Wein, Bier und Wasser stellten sie in den Innenhof und räumten die Handelszelte, mitsamt den Waren, in ein Lagerhaus. Die Brunnen der Stadt waren rein und klar wie die kaiserlichen Dinge aus den antiken Schatzkammern. Und der saubere Fluss, der durch die Stadt floss, erfüllte Wildland mit neuem Leben, denn früher war es die reinste Einöde und Wüste. Und das verdankte man Argrasan, doch diese Geschichte war nun endgültig vorbei. Es gab viel zu essen, zu trinken, zu spielen und vor allem zum Feiern und zum Lachen.
Alles war nun da platziert, wo es hingehörte und es bildete sich eine riesige Tafelrunde. Alle Stühle waren nun besetzt, von Zwergen, Menschen, Elben. Die Warfin kauerten sich nieder, während die Stiermenschen auf den Boden saßen, die Zentauren einfach standen und die Drachen auf Hausdächern sich platzierten. Melandrens Häuser waren kräftig und stabil und ertrugen jedes einzelne Gewicht egal wie schwer oder groß, auch wenn man es beim ersten Blick nicht ansah.
Alle warteten gespannt auf den Kaiser. Dem legendären Kaiser Estorn II. von Wildland. Er fürchtete sich vor niemandem, deswegen konnte er auch den Schrecken wegtreiben, denn die Augen des dunklen Zauberers waren trügerisch und voller Boshaftigkeit, so dass niemand ihren Blicken entkommen konnte und von ihrer eigenen Angst, die sie durch die Blicke hautnah erlebten, die Kontrolle verloren und sich innerlich zerfraßen. Wie Estorn es schaffte, blieb den Einwohnern ein Rätsel. Eine Schar von Wachen kam die große Treppe hinunter, die den Innenhof mit dem Thronsaal verband. Und in der Gruppe von ein Dutzend Mann stand ein großer, bärtiger Mann mit seinem goldenen Bärenmantel, der an diesem Tag wie eine Münze im Licht glänzte. Die Krone mit Rubinen und Saphiren geschmückt, kam er die Treppe elegant herunter.
Sein ernstes, aber freundliches Gesicht, kennzeichnete allen, dass er mit dieser Dekoration zufrieden war. Er hob seine Hand, an dem der Ring seines Vaters steckte, und bat damit, dass jeder aufstehen sollte. Alle jubelten und klatschten die Hände. Er hob noch einmal die Hand, um sie wieder in Beruhigung zu bringen. Sie setzten sich.
Er blieb vor dem größten Stuhl von der Tafelrunde, der in der Mitte der Runde stand, stehen und begann mit lauter Stimme zu sprechen: "Meine Freunde, es ist mir eine Ehre, euch heute zu diesem Fest einzuladen. Denn heute ist der fünfte Jahrestag, an dem dieser verräterischer Zauberer mit seiner dunklen Zunge, Argrasan, von meiner Klinge enthauptet wurde. Lasst uns solche Zeiten vergessen und nicht mehr sehn, denn das Unheil ist vorbei und Ihr braucht keine Angst zu haben. Die Männer, die bei der großen Schlacht ihr Leben mit Stolz und Ehre für ihre Heimat ließen, werden als Helden gesehen. Den Kindern solle von ihren Heldentaten erzählt werden, denn sie sollen nicht mit Scham ohne ihnen stehen. Ich bin dazu geneigt, diese Furcht der nächsten Generation auf mich zu nehmen, denn ein Herrscher nimmt das Leid seiner Bürger an sich um ein besseres Leben für andre zu bieten. So lasset uns nun speisen, meine Freunde, nehmt euch was Ihr wollt."
Mit diesen Worten jubelten alle noch einmal. Estorn bedankte sich, winkte ihnen zu und setzte sich auf seinen Stuhl.
Nach einiger Zeit haben sich alle satt gegessen und die meisten lehnten sich an ihren Stühlen. Alle haben sich miteinander unterhalten. Menschen mit Elben, Elben mit Warfin, Warfin mit Drachen und andere mit anderen.
Das Pfeifen des leisen, schwachen Windes wurde lauter und er zischte nach einiger Zeit stärker. Stärker. Und noch stärker. So dass fast welche von ihren Stühlen gefallen wären.
"Was zum..?", rief ein Drache, der fast von seinem Turm stürzte. „So einen starken Wind hatte es schon seit 400 Jahren nicht mehr gegeben.“ Der Wind wurde noch stärker und alle fielen von ihren Stühlen. Die Tische wurden rumgewirbelt. Die Warfin hielten sich mit ihren Krallen am Boden fest und knurrten. Damen schrien auf.
"Was ist das für eine Teufelei schon wieder ?", knurrte ein brauner Warfin, als er mit den Krallen Stück für Stück von dem Wind geschoben wurde. Die Menschen, mitsamt Elben, Zwergen, Zentauren, Warfin und Minotauren wurden weggefegt. Drachen konnten sich schwer an den Dächern halten. Einige haben losgelassen und sind mit dem Wind weg geflogen. Estorn konnte sich im letzten Moment an einer Säule festhalten. Seine Krone wurde weggeblasen. Er zog sich heran und sah in den Himmel. Da war etwas fürchterlich Riesiges, was er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. "Heiliger Vater!"
Von weitem konnte er mit seinen guten Augen einen riesigen Tornado erblicken. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Der Durchmesser vom unteren Ende des Monstersturms war 100 Fuß groß. Am unteren Ende wurde Erde, Straßengeröll und Bäume in die Luft und in alle Himmelsrichtungen mehrere 100 Fuß gewirbelt. Blitze stürmten aus den schwarzbedeckten Himmel und krachten auf die unendlichen Felder vor der Stadt. Aber der Tornado kam mit langsamer Geschwindigkeit auf die Stadt zu. Er würde die Stadt in ungefähr einer halben Stunde erreichen. Sowas hat Estorn noch nie in seinem ganzen Leben gesehen. Jetzt wusste er, wie sich Angst anfühlte. Diesen Moment konnte er sich nicht erkären lassen. Der Wind, der plötzlich an einem so wunderschönen Tag kam, verwandelte ihn zu einem grauenhaften Szenario, den sich kein lebendes, friedliches wie bösartiges Wesen einfallen lassen konnte.
Noch war Zeit. Es war noch Zeit die Stadt zu verlassen. Frauen und Kinder mussten als Erstes gen Osten oder Westen ziehen. Sonst würde der Sturm sie nach Norden verfolgen. Dann mussten die anderen Wesen fliehen. Für sie wäre es ein Leichtes gewesen, denn sie sind schnelle Läufer und Flieger. Und zum Schluss seine Soldaten. Ja, das war der Plan.
Alle möglichen Dinge sausten an ihm vorbei. Bäume wurden an die Mauer geklatscht, Soldaten von der Mauer wurden gegen Hausdächer und Türme geworfen. Seine Augen tränten durch den Wind und seine Hände wurden eiskalt. Er rappelte sich wieder auf, hielt sich an der Haussäule fest und blickte über seine Schulter. Ein paar Tische und Felsbrocken blockierten die Gasse - sonst nichts. Mit dem linken Arm umklammerte er die gewölbte Säule. Der obere Teil wurde schon herausgerissen. Mit dem anderen zog er sein Schwert Oldun aus dem Heft. Die Klinge mit der er Argrasan köpfte. Ein heftiger Gegner. Er wollte nicht daran erinnert werden und schüttelte den Kopf. Die Klinge war sehr stark und hielt sehr viel Widerstand. Sie wurde niemals stumpf. Also ließ er die Säule los und strauchelte die Gasse entlang. Er fiel auf den Bauch und wurde weiter geschoben, rammte sein Schwert in den Boden und blieb stehen. Das Schwert war wirklich stark. Er spürte kein Widerstand, als er die Klinge in den Boden rammte. Er neigte es nach hinten, Funken sprühten als er langsam weiter geschoben wurde. Weiter die Gasse entlang, das war sein Ziel. Der Wind wurde lauter, pfiff stärker und schob den Kaiser weiter. Er kam nun an die zerbrochenen Steinsäulen und hielt sich an sie fest. Der Steinboden war durch den Druck der Säulen gesplittert und gerissen. In den Rissen konnte Estorn seine Füße platzieren und gaben ihm Halt. Dann zog er die Klinge raus – vergebens. Die Klinge konnte er nicht mehr raus ziehen, denn sie klemmte und egal wie stark er zog, sie wollte einfach nicht raus. Er ließ Oldun los. Er musste sich von der Klinge verabschieden, anders ging es nicht. Der Gedanke schmerzte ihn. "Es war mir eine Ehre, dass ich dich führen durfte Oldun, Klinge des Muts." sagte der Kaiser und küsste das Heft. Dann tastete er sich langsam den Trümmern entlang.
Nach einer Weile erreichte er das Tor zum zweiten Ring der Stadt. Das Tor war offen. Er ließ sich "fallen" und hielt sich an einem Torflügel fest – der andere Flügel wurde herausgerissen und lag zersplittert vor dem Tordurchgang. Er spürte seine Finger vor Kälte nicht mehr. Dieses Gefühl hatte er schon lange nicht mehr, seit dem zweiten Winter im Krieg gegen Argrasan. Aber das war zehn Jahre her. In der Mauerwand am Tor wurde ein Durchgang hineingegraben, die zu den Katakomben führte. Estorn tastete sich zum Durchgang, rappelte sich auf und drehte sich in Richtung Durchgang. Ein schmaler Gang führte hinunter, der Wind gelangte nicht allzu stark hindurch. Der Kaiser ging den schmalen Gang zu einer Treppe und folgte diese hinunter. Die Treppe führte weiter in die entgegen gestezte Richtung nach unten. Hier war kein Wind - zum Glück. Er war nun in den Katakomben und nach einer Weile, sah er Licht und hörte Stimmen. Er trat in eine Kammer und sah Überlebende.
"Olderun hat uns gesegnet !" rief eine Frau mit ihren zwei Kindern aus der Menschenmenge. Einige saßen zusammengekauert in einer Ecke und umarmten weinend ihre Kinder. Ein Jugendlicher schrie: "Meine Eltern, meine Schwester, sie sind noch da draußen !" Zwei Soldaten hielten ihn fest. Zentauren, Minotauren, Warfin, Zwerge und Elben waren auch hier drin. Ein alter Mann mit einem Gehstock, kam zu Estorn hergehumpelt. "Was geht da draußen vor, werden wir angegriffen?"
"Weder noch, ein fürchterlicher Tornado weht die Stadt weg." erklärte ihm der Kaiser.
"Hmmh... das sind schlechte Nachrichten."
"Aber es gibt noch eine Möglichkeit zu entkommen!", rief der Kaiser in die Menge. Die Leute fuhren zusammen, als sie die mächtige Stimme des Kaisers hörten. Sie waren gespannt, was er zu sagen hatte. Der alte Mann hörte zu und stand nun aufrichtiger da und krauelte sich den langen Bart. Den Stab fest in der Hand umklammert. Estorn räusperte sich und fing an zu reden: "Wir sind momentan in den Katakomben, es gibt hier einen Gang der nach Westen aus dem Königreich führt. Wenn ihr draußen seid, widmet ihr euch gen Westen nach Harlos. Das ist die einzige Chance und Möglichkeit, die euch bleibt."
"Wieso können wir nicht einfach warten, bis der Sturm sich verzogen hat?", fragte eine Frau, mit ihrem Kind in der Hand.
"Weil der Sturm viel zu stark ist. Ich habe gespürt, wie der Boden unter mir bebte. Die Erde hat sich weit gespalten - vor den Toren jedenfalls. Und der Wind ist ziemlich stark. Ich befürchte sogar, dass dieser Wind nicht natürlich ist.", erklärte Estorn. "Deshalb müsst ihr verschwinden."
Ein Schweigen trat nun ein. Sie konnten Estorn verstehen. Melandren war nun nicht mehr sicher. Sie glaubten ihrem Herrscher, Estorn hatte nie gelogen. Tränen liefen den Frauen, Kinder schrien und die Männer blieben still und umarmten ihre Familie. So eine schöne Stadt, wie diese, werden sie nie wieder sehen. Die Wachen nahmen Vorräte aus der Speisekammer und packten sie in Rucksäcke ein.
Am anderen Ende der Kammer war ein kleines Tor. Eine Wache kam aus der Menge und rüttelte. Sie war verschlossen. Er nahm ein Bund Schlüssel und suchte den den Richtigen aus. Der alte Mann war erstaunt, die Leute schwiegen und befolgten die Anweisungen des Kaisers. Aber etwas verwirrte ihn noch. "Was meint ihr mit >ihr müsst verschwinden<, bleibt ihr etwa hier ?, fragte er.
“Ja, ich muss hier bleiben. Es ist mein Reich und ich werde mit ihm sterben. Aus meinem Heim wird man mich nicht so leicht los. Wenn ich flüchte, wird man mich als Feigling ansehen. Ich wurde hier geboren, ich werde auch hier sterben. Ohne meinen Thron kann ich nicht leben. Ich muss da bleiben !", erklärte Estorn.
"Dann werde ich euch nicht aufhalten."
Estorn nickte und verbeugte sich und ging aus dem Raum die Treppe hoch, ohne etwas zu sagen. Die anderen Leute waren schon weg. Sie mussten fast aus der Burg sein. Estorn war oben und spürte kein Wind. Er ging aus dem versteckten Gang aus der Mauer hinaus. Der Wind hatte sich gelegt, es war schneller als er dachte. Aber die dunklen Wolken waren immer noch da. Blitze schossen aus den Wolken und knallten in der Nähe (ein Turm wurde getroffen und stürzte ein). Der Wind war wieder da - und noch stärker! Als hätte er auf Estorn gewartet. Er konnte sich kaum halten und lehnte sich gegen einen Felsbrocken. Die enorme Stärke des Windes hätte ihn fast gegen den Felsen zerdrückt.
Der alte Mann kam aus dem Loch gesprungen. Estorn wurde noch mehr überrascht, wieso folgt ihm der Mann?
"Was macht ihr denn hier ?", fragte Estorn. Er musste die Frage schreien, denn der Wind heulte laut und jetzt begann es auch noch zu regnen. Er hielt sich den Arm vor das Gesicht, denn der Regen kam und wurde mit jedem Augenblick immer stärker. Blitze stürmten auf die Häuser und Bäume.
"Das ist kein Ort zum Reden!", rief der Alte.
Er hob seinen Stab und hieb ihn auf den Boden. Ein lauter Knall war nun zu hören und Wind und Regen hörten auf. Estorn ließ den Arm sinken und staunte, er befand sich im Thronsaal. In einem goldenen Saal mit riesigen Marmorsäulen und vielen Verzierungen auf dem Boden und auf dem Thron. Ein riesiges Deckengemälde zeigte ein blaues Schwert, das von einem Mann auf einem großen Wolfen getragen wurde. Neben dem Mann saß ein Elb auf seiner Hirschkuh mit dem riesigen Geweih. Ein Zwerg zur Linken des Schwertträgers, auf einem Pony. Und neben ihnen war ein weißer Warfin zusammen mit einem Minotauren abgebildet, die Kralle und Hufe zeigten, und zuguterletzt flog über ihnen ein roter feuerspeiender Drache. Die Landschaft des Bildes war auf einer Klippe, unter der eine Schlacht dargestellt wurde. Die Soldaten der Menschen hoben die Münder und sangen ein Lied. Der Text war am Rahmen in einer kleinen Schrift zu lesen, doch was der Kaiser als erstes erblickte, war das Wort mit der größeren Schrift, nämlich „Khálaturin“. Estorn erschrak. Doch ihm fiel noch etwas anderes auf. Zwei Tote lagen auf dem Boden, ein Priester und ein Herold. Erschlagen von einer umgestürzten Säule, Blut rann in einem Muster im Boden zu dem Brunnen in der Mitte des Saales hinüber. Der Thron war umgestürzt und draußen war noch das Unwetter zu hören.
Ein Blitz stürzte auf das Dach des Saales. Die Decke wurde eingerissen und Brocken kamen heruntergefallen. Estorn machte ein Rolle in die Seite. Geschickt wich er den tödlichen Felsen aus. In das Loch regnete es nun. Der Alte fasste ihm an die Schulter, Estorn fuhr zusammen und blickte über seine Schulter. Der Alte sah plötzlich ganz anders aus. Er wirkte nun genauso groß, wie Estorn. Er hatte nicht mehr diese alten Lumpen an, sondern einen dunkelblauen Mantel und einen spitzen Hut. Die Augen waren wachsamer, seine vielen Falten sahen nicht mehr so auffällig auf – trotzdem sah er alt aus. Er sah jünger aus. Sein grauer Bart war länger und er hatte nun Haare. Sein Stab war fein aus Linde geschnitzt. Kein Zweifel, das ist ein Zauberer! Estorn staunte, noch nie hatte er einen >guten< Zauberer gesehen. "Wer bist du ?", fragte der Kaiser.
"Mein Name ist Galanthor...", sagte der Alte. Nun mit einer tiefen, sauberen Stimme und nicht mit der eines halbvereckten alten Mannes, "...und ich bin hier, weil ich geschickt worden bin, um dich deines Schicksals zu unterrichten! Dies ist kein zufälliges Unwetter, es wurde künstlich geschaffen... mit dunkler Magie. Argrasan ist nicht tot. Du hast ihn nur geschwächt, das ist alles. Sieh her...“
Galanthor trat näher in die Mitte, schaute auf das Gemälde an der Decke und deutete mit dem Stab. „...diese Szene spielte sich nicht in der Schlacht ab. Es sieht weder nach Melandren aus, noch sehe ich darin ein Erlebnis, das sich wirklich abgespielt hat. Es sieht nach einem schwarzen und düsteren Ort aus. Und weißt du, was der Text am Rahmen bedeutet?“ Estorn schüttelte verwirrt den Kopf. Galanthor fuhr den Rahmen Stück für Stück entlang und sprach: „Zusammengefasst deutet das Lied auf jemanden hin, der noch jung aber stark ist und den dunklen König besiegt. Er sei auf vielen Reisen und Orten gewesen, der vieles über seine Rasse lernte, aber noch längst nicht das Geheimnis seiner Wenigkeit kenne. Und er solle aufwachen um zu retten, aufstehen um zum Feind zu sprechen und kämpfen um andere in die Freiheit zu lenken. Er gibt Mut, er gibt Kraft, das letzte Hindernis solle er besiegen. Und diese Männer auf dem Bilde folgen ihm bis in den Tod... und noch weiter. Ich erinnere mich noch an die alte Prophezeiung, ich glaube sie lautet: Wenn alle Hoffnung auf Sieg im Höllenfeuer verbrennt, so wird ein rechtschaffener, junger Drache in Menschengestalt mit Zorn und Flamme sich gegen sie stellen und allen kriegserfahrenen Männern Mut geben, ihm bis zum letzten Atemzug zu folgen. Die Diener der Dunkelheit fürchten ihn und nennen ihn Khálaturin, Drachenkind“
Estorn verstand, was es bedeutete, konnte es aber nicht zu einem Bild verarbeiten, das ihm sagte, wer dieser Held sei von dem die Prophezeiung sprach. „Und dieses große Wort, das in einer antiken Schrift geschrieben wurde, soll Khálaturin bedeuten. Aber wie dem auch sei, Argrasan nimmt Rache an dir. Da du ihm, sein Plan durchkreuztest, deine Stadt zu erobern. Wenn er nicht Melandren bekommt, bekommt es niemand. Der Sturm wird solang´ jagen, bis du von ihm stirbst."
Estorn konnte nicht glauben, was er da hörte. Argrasan lebt wieder, das ist aber unmöglich. Er hat doch selbst gesehn, wie er ihn mit Oldun den Kopf abschlug. "Moment, was? Dieser Bastard der Finsternis lebt wieder? Wie kann das sein, ich habe ihn enthauptet!", fluchte Estorn um sich.
"Nein, das hast du nicht! Und wieso wieder? Argrasan lebt immer noch, du hast ihn nie getötet, er hat es nur so aussehen lassen, damit er dich umgehen kann und dich von hinten ersticht. Er ist ein Meister der Illusionen."
Estorn traute dem Zauberer nicht, was ist wenn er ein Diener Argrasans war. Aber dann begriff er, dass er sowieso sterben würde, von daher war es ihm egal.
"Wenn du es aber schon länger wusstest, wieso hast du es dann nicht früher gesagt?
"Weil ich erstens nichts öffentlich erzähle. Wenn die Leute mich hören würden, würden sie denken, ich wär geistlich zurückgeblieben - und sie hätten die Wachen geholt.
Zweitens, musste ich mit dir allein sprechen, ich wollte das du es ihnen sagst, aber das hat sich ja von selbst erledigt. Ich musste außerdem sicher gehn, dass du nicht flüchtest, sonst würdest du Argrasan deinen Thron schenken und deine Bevölkerung in Gefahr bringen.
Und drittens, weder ich noch du, könnten diesen Sturm aufhalten. Er hört erst auf, wenn du tot bist. In diesem Zeitalter kann niemand Argrasan töten. Es muss jemand sein, der einen starken Willen hat und sich vor niemandem fürchtet."
Galanthor hatte Recht, er musste sterben, damit Argrasans Sturm aufhörte. Jemand anders musste dieses Monster töten, aber wer, wann, und vorallem wie? Wenn es aber Argrasan's Tod bedeutet, würde er sich zu gern opfern.
"Also gut, ich sterbe. Aber was ist mit dir? Wirst du auch hier bleiben?", fragte Estorn.
"Ich werde gehen auf der Stelle! Sonst trifft's auch mich." Galanthor hob seinen Stab und durch unsichtbare Hände öffnete sich das Tor. Der Wind kam wie hineingeworfen, Estorn wurde umgestoßen, aber der Zauberer blieb noch wie angewurzelt stehen. Er war anscheinend standfester – und das mit seinem hohen Alter. Estorn sah den Tornado, wie er schon in der Stadt war. In ihm wirbelten Häuser, Türme und was noch zerstört war, herum. Estorn breitete seine Beine aus für einen festen Halt. Galanthor trat hinaus in die stürmische, regnerische Luft und pfiff. Sein Pfeifen war so laut, wie der Schrei eines Adlers. Estorn wusste nicht, was es dem Zauberer bringen sollte. Er hörte nichts, aber nach einer Weile hörte er leises Flügelschlagen. Dann kam ein monströses Brüllen und das Flügelschlagen wurde immer lauter. Ein grüngelber Drache kam vor dem Thronsaal hart gelandet. Funken und kleine Blitze strömten aus dem hornigen Schweif. Die Krallen haben sich in den Boden gebohrt.
Der Drache nahm den Stab des Zauberers in das Maul, er blickte in den Tornado und ihn erregte ein Schauer, er zitterte. Galanthor stieg auf den Drachen und packte einen Stachel am Rücken, als wären es die Zügel. Er streichelte ihm an der Stirn und sagte ihm auf elbisch: „Ai felnaem thal, Srinathor.“ "Keine Angst haben, Srinathor."
Dann wandte sich der Zauberer an Estorn wieder: "Man wird dich nicht vergessen, Kaiser Estorn, Astarons Sohn, lebe wohl."
"Lebe auch du wohl, tötet dieses Monster mit seiner schwarzen Zunge, und sagt unserem zukünftigen Helden, er solle ihm nicht in die Augen schauen!"
"Das verspreche ich und nun weg hier, bevor uns die Haut vom Leib gerissen wird." Mit einem Stups an dem Stachel und den Wörtern:
"Daes cáinah!" "Flieg, mein Junge!", hob der Drache ab und flog mit drei Flügelschlägen außer Sichtweite.
Ein Schnellschlingler, die flogen doppelt so schnell, als andere Drachen. Deshalb hat Galanthor so einen Drachen gerufen. Sonst würde er schnell zum Opfer des Sturms. Aber Estorn kümmerte es nicht mehr, er wollte nun sterben. Je schneller der Tod, desto besser. Er vergaß nun all seine Sorgen, vernichtete seine Träume widerwillig und schloss die Augen ohne zu Zögern. Sein Herz raste, er war nervös und ihm schmerzte der Bauch. Eine Träne rann ihm die Wange entlang. Doch durch diese Mischung all seiner Gefühle und der Angst, das die Welt ohne ihn nicht überleben würde, lächelte er dennoch und begrüßte den Tod, der in seiner pechschwarzen Kutte zu ihm lächelte. Im Grunde war er zwar der Richter der verschollenen Seelen und wer weiß, was er mit ihn anstellte, aber für den ehemaligen Kaiser Estorn II. von Melandren, sah er wie ein freundlicher, unschuldiger, junger Mensch aus. Nun verspürte er eine Art Freude und Willkommenheit über den Tod aus. Er hatte keine Angst vor der Welt, er wollte nun einfach näher zu der Person treten, die ihm die Karte seines neuen Wegs gab, und das tat er auch. Der Tod hielt seinen Arm zu Estorn und sagte: „Komm... es wird nicht weh tun, ich verspreche es dir.“
„Ich glaube es dir mein Freund!“, antwortete Estorn, grinste ihn an und gab ihm die Hand.
„Nun, schließe deine Augen... und dein neuer Weg öffnet sich dir.“, erklärte der Tod. Der Kaiser tat wie befohlen. Er spürte den Wind immer näher kommen. Näher, näher und immer näher. Ein weißes Licht in seinen Augen umhüllte seine Sicht und er sah ein Meer aus funkelnden Sternen. Seine letzten Worte, bevor er in den Sturm gesaugt wurde und seine Seele die lebende Welt verließ, waren: „Rette uns, Khálaturin.“ und er spürte nichts mehr.
Galanthor blickte über seine Schulter, der Tornado blieb nun an einer Stelle stehen. Das Wetter blitzte und wütete noch stärker. Kaum hatte er wieder nach vorne geblickt, war ein richtig, starker, lauter Knall, der seinen Drachen fast zum Stürzen brachte. Ein riesiger, weißer Blitz stürzte auf das Kaiserreich und brachte das stärkste Licht der Welt hinein. Wegen dem grellen Licht und dem üblen Druck fiel der Drache durch die Luft und landete hart auf den Boden. Galanthor lag ohnmächtig ein paar Schritte neben ihm. Der harte Blitz ließ eine üble Folge für die Stadt, denn sie verschwand in einem riesengroßem Loch, das so groß und tief war, dass kein Licht der Welt mehr hineindringen konnte. Das war das Übel, das zum großen Rassenkrieg führte, das neues Chaos in die Welt brachte und neue Angst auf Argrasan. Die Schattengrube. Das Grab von Estorn II. Der 15. Mai ist nun heute als der Schicksalstag bekannt. Und ab hier beginnt unsere Geschichte.
Schreibt bitte, was ich verändern kann