Formorian
Dunkler Wanderer
- Registriert
- 30. Nov. 2011
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Kenam begegnete seiner Seejungfrau das erste Mal am frühen Abend an seinem Lieblingsplatz am Felsenufer. Er hatte am Nachmittag etwas hier verloren (was dies war, spielt für diese Geschichte wirklich keine Rolle, noch wer es schließlich fand und warum eine so große Sache daraus werden konnte, die beinahe zwei Welten an den Rand des Untergangs bringen sollte, doch dies ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden, oder auch nicht...) und hatte sich nun zur späten Stunde noch auf die Suche danach gemacht, doch statt dessen fand er sie.
Beide empfanden anfangs große Scheu voreinander, doch da war auch noch etwas anderes, das sie beide verspürten; eine Art Hunger nach etwas, von dem sie zuvor nicht ahnten, dass es dieses Etwas gab. Nenn es Neugier, wenn du möchtest, den Reiz des Unbekannten, nicht Alltäglichen, der sie beide augenblicklich gefangen nahm, und als sie sagte, dass dies auch ihr Lieblingsplatz sei, weil die Langusten an diesem Ort von besonders delikater Art waren, setzte er sich zu ihr und begann von sich und seinen belanglosen Leben an Land zu erzählen. Sie erzählte ihm von ihrer Welt und ihren Nöten und Hoffnungen ( welche er zum größten Teil nicht begreifen konnte), doch in diesem Moment begann sich das Band zwischen ihnen zu knüpfen.
Es war bereits dunkle Nacht, als sie sagte, nun müsse sie wieder zurück in ihre nasse Welt, sich von ihm verabschiedete und mit einem leisen Platschen unter der Wasseroberfläche abtauchte. Er machte sich auf den Weg nach Haus, doch noch immer sah er ihr Bild vor sich: das lange blaue Haar mit dem grünen Schimmer darin, als die ersterbenden Strahlen der versinkenden Sonne es zum Leuchten brachte, die tiefgrünen schräggestellten Augen, so unergründlich tief wie ihre Heimat, die schlanken alabasterfarbenen Arme, die zarte Wölbung unter ihren herabbaumelnden Locken...
Er war noch nicht zuhaus angekommen, als ihm klar wurde, dass er Feuer gefangen hatte.
Von nun an kam Kenam jeden Abend zu "ihrem" Platz, und auch sie war jeden Abend dort. Es war wirklich schön, doch schon bald bemerkte er, dass da noch etwas fehlte, und dass er ohne dieses nicht wirklich glücklich werden konnte. Wie die meisten jungen Leute in seinem Alter meinte er, wirklich verliebt zu sein, doch es fühlte sich noch nicht perfekt an. Er beschloss, dies zu ändern.
Eines Abends nahm er all seinen Mut zusammen und gestand ihr seine Liebe, und wie sehr es ihn dazu dränge, dass sich diese Liebe erfülle. Bestürtzt stellte er fest, dass sein Reden sie tiefunglücklich machte.
"Ja, Kenam," sagte sie. "Ich liebe dich ebenfalls, schon seit kurzen nach unserer allerersten Begegnung. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Du kannst in meiner Welt nicht leben, und ich nur kurze Zeit in der deinen und bin obendrein dort ein fast unbeweglicher Krüppel. In meinem Volk jedoch gehen wir nur Bindungen ein, um den Fortbestand unserer Art zu sichern. Keine Kinder, keine Bindung! Aber warum sollte es nicht einfach so wie nun weitergehen mit uns, als gute Freunde...?"
Gute Freunde! Wie für alle in Flammen stehenden jungen Männer war dies natürlich das Letzte, was Kenam hören wollte. Verzweifelt machte er eine Menge Vorschläge, wie sie denn trotzdem zusammen leben könnten, doch alle waren sie unbrauchbar und von schierem Nicht-wahr-haben-wollen diktiert. Dann sagte sie: "Eine Möglichkeit gäbe es wohl, doch sie wird dir nicht gefallen..."
"Sage sie mir!" drängte er."Für dich nehme ich alles auf mich!" Und er meinte es absolut ehrlich.
"Ein Triton könnte uns helfen. Das ist ein großer Meeresdämon, der sich auf allerlei Zauber versteht. Er könnte bewirken, dass du in meiner Welt leben kannst, doch du könntest dann nie wieder an Land zurück."
"Dann soll es so sein," sagte er entschlossen. "Lass den Triton tun, was getan werden muss, denn ein unerfülltes Leben ohne dich ist für mich kein Leben mehr!"
"Und du willst viele Kinder mit mir machen? Das ist dann deine Pflicht."
"Und ob ich das will!" sagte er, wieder die Aufrichtigkeit in Person.
Sie kamen überein, es gleich am nächsten Abend zu tun. Als Kenam erschien, wurde er aufs Freudigste von seiner Liebe begrüßt, und auch der Triton war dort. Riesig, kalt, scharf, mörderisch. Zögernd nahm Kenam ihre Hände in die seinen, wie ihm gesagt wurde, und der Triton breitete die krallenbewehrten Schwimmhände über sie aus und sprach eine Menge Worte in einer kehligen, seltsam blubbrigen Sprache. Plötzlich verlor Kenam den festen Stand und fiel lang hin auf die Steine. Lachend zog sie ihn vollends ins Wasser, und verblüfft stellte er fest, dass sich dort, wo gerade eben noch seine Beine gewesen waren, nun ein kalt schimmernder Fischschwanz befand.
Mit blasigem Lachen wandte sich der Triton ab und verschwand im tiefen Wasser, ohne sich ihre überschwenglichen Dankesworte anzuhören. "Und nun lass uns gleich unsere Kinder machen!" gurrte sie.
Kenam meinte, im Paradies angekommen zu sein und schlang seine Arme um sie, wurde jedoch sanft aber bestimmt von ihr fortgeschoben. "Doch nicht so. Schau unter Wasser, ich habe bereits angefangen."
Verwirrt schaute er unter die Wasseroberfläche und sah auf dem Felsen die Eier, glänzenden Perlen gleich. Sie lachte voll Erwartungsfreude. "Gib du nun das deine darüber, und unsere Kinder werden gedeihen."
Still und leise brach seine Welt in sich zusammen. "Ihr macht es...so...?"
"Natürlich. Und ist es so nicht viel zivilisierter als der rohe, barbarische und unhygienische Akt, den ihr an Land vollbringt?"
Da begann er endlich zu schreien, und seine Seele schrie mit ihm. Fort! war sein einziger Gedanke. Nur fort von hier! Sein Fischteil schien seinen eigenen Verstand zu besitzen und brachte ihn rasch in tieferes Wasser. Er verschloss seine Ohren vor ihrem Rufen und wusste nicht zu sagen, ob seine brennenden Augen im Wasser weinten. Irgendwann stellte er fest, dass er allein war.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was im Namen aller Götter hatte er nur getan?
Ergeben hob er die Arme und beschloss, im immer smaragdener werdenden tiefen Wasser hinabzusinken und zu ertrinken. Da ihm jedoch Kiemen gewachsen waren, wollte es ihm nicht so recht gelingen...
Beide empfanden anfangs große Scheu voreinander, doch da war auch noch etwas anderes, das sie beide verspürten; eine Art Hunger nach etwas, von dem sie zuvor nicht ahnten, dass es dieses Etwas gab. Nenn es Neugier, wenn du möchtest, den Reiz des Unbekannten, nicht Alltäglichen, der sie beide augenblicklich gefangen nahm, und als sie sagte, dass dies auch ihr Lieblingsplatz sei, weil die Langusten an diesem Ort von besonders delikater Art waren, setzte er sich zu ihr und begann von sich und seinen belanglosen Leben an Land zu erzählen. Sie erzählte ihm von ihrer Welt und ihren Nöten und Hoffnungen ( welche er zum größten Teil nicht begreifen konnte), doch in diesem Moment begann sich das Band zwischen ihnen zu knüpfen.
Es war bereits dunkle Nacht, als sie sagte, nun müsse sie wieder zurück in ihre nasse Welt, sich von ihm verabschiedete und mit einem leisen Platschen unter der Wasseroberfläche abtauchte. Er machte sich auf den Weg nach Haus, doch noch immer sah er ihr Bild vor sich: das lange blaue Haar mit dem grünen Schimmer darin, als die ersterbenden Strahlen der versinkenden Sonne es zum Leuchten brachte, die tiefgrünen schräggestellten Augen, so unergründlich tief wie ihre Heimat, die schlanken alabasterfarbenen Arme, die zarte Wölbung unter ihren herabbaumelnden Locken...
Er war noch nicht zuhaus angekommen, als ihm klar wurde, dass er Feuer gefangen hatte.
Von nun an kam Kenam jeden Abend zu "ihrem" Platz, und auch sie war jeden Abend dort. Es war wirklich schön, doch schon bald bemerkte er, dass da noch etwas fehlte, und dass er ohne dieses nicht wirklich glücklich werden konnte. Wie die meisten jungen Leute in seinem Alter meinte er, wirklich verliebt zu sein, doch es fühlte sich noch nicht perfekt an. Er beschloss, dies zu ändern.
Eines Abends nahm er all seinen Mut zusammen und gestand ihr seine Liebe, und wie sehr es ihn dazu dränge, dass sich diese Liebe erfülle. Bestürtzt stellte er fest, dass sein Reden sie tiefunglücklich machte.
"Ja, Kenam," sagte sie. "Ich liebe dich ebenfalls, schon seit kurzen nach unserer allerersten Begegnung. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Du kannst in meiner Welt nicht leben, und ich nur kurze Zeit in der deinen und bin obendrein dort ein fast unbeweglicher Krüppel. In meinem Volk jedoch gehen wir nur Bindungen ein, um den Fortbestand unserer Art zu sichern. Keine Kinder, keine Bindung! Aber warum sollte es nicht einfach so wie nun weitergehen mit uns, als gute Freunde...?"
Gute Freunde! Wie für alle in Flammen stehenden jungen Männer war dies natürlich das Letzte, was Kenam hören wollte. Verzweifelt machte er eine Menge Vorschläge, wie sie denn trotzdem zusammen leben könnten, doch alle waren sie unbrauchbar und von schierem Nicht-wahr-haben-wollen diktiert. Dann sagte sie: "Eine Möglichkeit gäbe es wohl, doch sie wird dir nicht gefallen..."
"Sage sie mir!" drängte er."Für dich nehme ich alles auf mich!" Und er meinte es absolut ehrlich.
"Ein Triton könnte uns helfen. Das ist ein großer Meeresdämon, der sich auf allerlei Zauber versteht. Er könnte bewirken, dass du in meiner Welt leben kannst, doch du könntest dann nie wieder an Land zurück."
"Dann soll es so sein," sagte er entschlossen. "Lass den Triton tun, was getan werden muss, denn ein unerfülltes Leben ohne dich ist für mich kein Leben mehr!"
"Und du willst viele Kinder mit mir machen? Das ist dann deine Pflicht."
"Und ob ich das will!" sagte er, wieder die Aufrichtigkeit in Person.
Sie kamen überein, es gleich am nächsten Abend zu tun. Als Kenam erschien, wurde er aufs Freudigste von seiner Liebe begrüßt, und auch der Triton war dort. Riesig, kalt, scharf, mörderisch. Zögernd nahm Kenam ihre Hände in die seinen, wie ihm gesagt wurde, und der Triton breitete die krallenbewehrten Schwimmhände über sie aus und sprach eine Menge Worte in einer kehligen, seltsam blubbrigen Sprache. Plötzlich verlor Kenam den festen Stand und fiel lang hin auf die Steine. Lachend zog sie ihn vollends ins Wasser, und verblüfft stellte er fest, dass sich dort, wo gerade eben noch seine Beine gewesen waren, nun ein kalt schimmernder Fischschwanz befand.
Mit blasigem Lachen wandte sich der Triton ab und verschwand im tiefen Wasser, ohne sich ihre überschwenglichen Dankesworte anzuhören. "Und nun lass uns gleich unsere Kinder machen!" gurrte sie.
Kenam meinte, im Paradies angekommen zu sein und schlang seine Arme um sie, wurde jedoch sanft aber bestimmt von ihr fortgeschoben. "Doch nicht so. Schau unter Wasser, ich habe bereits angefangen."
Verwirrt schaute er unter die Wasseroberfläche und sah auf dem Felsen die Eier, glänzenden Perlen gleich. Sie lachte voll Erwartungsfreude. "Gib du nun das deine darüber, und unsere Kinder werden gedeihen."
Still und leise brach seine Welt in sich zusammen. "Ihr macht es...so...?"
"Natürlich. Und ist es so nicht viel zivilisierter als der rohe, barbarische und unhygienische Akt, den ihr an Land vollbringt?"
Da begann er endlich zu schreien, und seine Seele schrie mit ihm. Fort! war sein einziger Gedanke. Nur fort von hier! Sein Fischteil schien seinen eigenen Verstand zu besitzen und brachte ihn rasch in tieferes Wasser. Er verschloss seine Ohren vor ihrem Rufen und wusste nicht zu sagen, ob seine brennenden Augen im Wasser weinten. Irgendwann stellte er fest, dass er allein war.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was im Namen aller Götter hatte er nur getan?
Ergeben hob er die Arme und beschloss, im immer smaragdener werdenden tiefen Wasser hinabzusinken und zu ertrinken. Da ihm jedoch Kiemen gewachsen waren, wollte es ihm nicht so recht gelingen...
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