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Kurzgeschichte für einen Wettbewerb - "Rational"

Geweihter

Schwertmeister
Registriert
27. Feb. 2012
Beiträge
277
Kurzgeschichte für einen Wettbewerb - "Rational"

Hallo,

ich dachte ich hole mir mal wieder ein bisschen kritik und ein paar Anregungen bei euch. Wer hilft mir bei einer neuen, kleinen Kurzgeschichte für nen Wettbewerb?
Wäre echt cool und ich kann kritik ab - solange sie positiv ist! ;-)

Rational

Ich ziehe den Mantel enger, denn die Welt lässt mich frösteln. Der Regen peitscht mir ins Gesicht, getrieben von einem der Stürme, die sich immer häufiger zu mir verirren. Klimawandel, auch so ein schönes Wort für eine verheerende Katastrophe. Mein Blick fällt auf einen Obdachlosen, der zwischen zwei überfrachteten Mülltonnen Schutz vor dem Wetter suchte. Der Hals einer billigen Flasche Wodkas ragte aus der Tasche einer zu großen Jacke, die von besseren Zeiten träumte.
Er erwidert meinen Blick kurz. Obwohl meine Jacke nagelneu ist und mich vor Nässe und Kälte schütz, sehe ich weder Missgunst noch Neid in seinen Augen. Nur die Reste einer tiefen Trauer, die in der dünnen Suppe der Leere schwimmen.
Ich muss mich abwenden. Nur wenige Meter von hier habe ich eben noch einige Typen in teuren Anzügen gesehen, wie sie arrogant an ihren Zigaretten gezogen und über einen schlechten Dax gejammert haben. Dieser Obdachlose hatte sicher keine Existenzen zerstört, indem er mit Null-Kuponanleihen gezockt hat und mit ominösen Hebeleffekten gedachte, seine Gewinne zu optimieren. Dabei gehen sie über Leichen hinweg. Meine Existenz endete an jenem Tag, an dem ich überflüssig wurde. Wegrationalisiert, wobei dieses Wort breit grinsend auf mich herabblickt. Das Wort rational steckt in diesem Begriff der Schönrederei. Es klingt viel besser als Existenzvernichtung.
Ich gehe weiter, versuche meine Gedanken loszuwerden über diese Welt, die mich überflüssig gemacht hat. Es wird nicht besser.
Eine ältere Dame winkt mir freudig zu, als sie mich erkennt. An ihrem Rollator hängt ein praller Beutel. Eine Pfandflasche fällt heraus und ich hebe sie auf, gebe sie der Alten.
Sie tätschelt mir dankbar die Schultern, wohl, weil sie mit ihrem geschundenen, krummen Rücken nicht mehr groß genug ist, um meinen Kopf zu erreichen.
Wir wechseln kein Wort. Wir wechseln nie Worte, denn sie können nicht ausdrücken, was in uns jault und jammert.
Seit vier Jahren sehe ich sie jeden Abend hier. Früher bin ich oft geschäftlich hier gewesen, bin hier auch einiges losgeworden.
Die Alte hat früher bei dem Discounter um die Ecke gearbeitet. Sie hat sich ihre Rente auf drei Säulen aufgebaut: Gesetzliche Rente, Riester und Pfandflaschen. Letzteres ist am Rentabelsten. Es ist eine Farce, wie sich einige wenige die Taschen füllen, während andere nicht genug haben, um angemessen zu leben. Und ich habe keine hohen Ansprüche.
Das leise Quietschen ihres Rollators geht im zunehmenden Regen unter. Ich reibe mir die klamm werdenden Hände und beschleunige meine Schritte.
Vor mir ist eine Einrichtung der Tafel. Viele nennen sie einen Segen, ich sage, dass es grauenhaft ist, dass wir in einem solchen Land überhaupt einen Ort brauchen, an dem Menschen um Essen betteln können.
Ich muss einen Schritt zurückgehen, weil ein schwarzer Mercedes direkt vor mir durch eine tiefe Pfütze rast. Ich sehe den roten Rücklichtern einen Moment nach, denke an den Rollator der Alten und zucke die Achseln. Es gibt halt Arm und Reich, versuche ich mir einzureden, aber es mag nicht gelingen.
Ich bin überflüssig. Die Umwelt nimmt mich kaum wahr, das ist mir klar geworden, als ich stundenlang durch die Stadt gegangen war, um mir eine neue Bestimmung zu suchen. Vielleicht lag es an den vielen Sonderangeboten und der Leuchtreklame, aber niemand hat sich für mich interessiert. Wenn jeder von uns nur einem anderen Menschen hilft, dann ist allen geholfen. Möchte ich die Welt verbessern? Ich wollte es nie, war immer damit zufrieden, wenn es mir gut ging. Ich bin oft angeeckt, hatte selten Freunde, aber war stets charismatisch genug, um mich mit Menschen zu umgeben, die mich weiter brachten. Bis ich wegrationalisiert wurde. Bis ... ich überflüssig wurde.
Ich bemerke erst, wie weit ich gelaufen bin, als ich fast gegen die Eingangstür der kleinen Bar stoße.
Dröhnender Bass paart sich mit dem Gestank nach Alkohol und Zigaretten. Ein betrunkenes Mädchen wird von einem deutlich älteren Mann an mir vorbeigeführt. Niemanden schert es, dass die beiden die Bar verlassen. Ich sehe ihm nach, erkenne Gier in seinen Augen. In denen des Mädchens gibt es nichts mehr zu entdecken.
Vor mir zerschellt ein Bierglas, das noch etwa zur Hälfte gefüllt war. Der Schrei durchbricht das Hämmern der Bässe. Der Besitzer des Getränkes erhebt sich so abrupt, dass der Hocker, auf dem er gekauert hatte, nach hinten umkippt. Er drückt seine Zigarette in einem vergilbten Aschenbecher aus und geht auf einen kleineren, schmächtigen jungen Mann zu.
Ich hebe ruhig den Hocker auf und setze mich darauf, beobachte, wie sie sich kurz unterhalten. Die Gestik und Mimik reicht, um den Inhalt zu verstehen. Dann sehe ich Blut spritzen. Ein zufriedenes Grinsen bahnt sich mühselig seinen Weg auf mein Gesicht, als der größere der beiden zu Boden geht und sich die Nase hält.
Der Bass hämmert, die Menge feiert.
Ich bestelle mir ein Bier, bezahle es direkt und beobachte, wie sich die Krone langsam auflöst.
Vielleicht, denke ich mir, braucht es doch noch Menschen wie mich.
Ich sehe mich um, aber niemand erwidert meinen Blick. Damals in Anzug und Krawatte, da hat mich jeder angesehen. Ich brauchte beides nie für meinen Job, aber ich genoss die Aufmerksamkeit. Ich genoss den Sinn, den die Menschen meiner Existenz gaben.
Den ich mir selbst gab.
Diese Welt hat keine Verwendung für mich. Sie kommt gut alleine zurecht. Du machst sie nicht besser oder schlechter, denke ich mir und genehmige mir einen tiefen Zug des bernsteingelben Bieres.
Ich stelle das Bier zur Seite, öffne meine Jacke und lass unwillkürlich meine Hand über die Innentasche wandern. Kurz sehe ich auf die junge Frau hinab, die zu meinen Füßen die Scherben des zerbrochenen Glases auffegt.
Sie ist hübsch, schießt es mir in gewohnt männlicher Manier durch den Kopf, bevor ich auch nur einen anderen Gedanken fassen kann.
Als sie sich aufrichtet, berührt ihr Rücken mein Knie und sie wirbelt erschrocken herum.
Sie murmelt Entschuldigungen, fischt sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hält den Blick nach unten gerichtet.
Ich winke ab, mag mir nicht vorstellen, was sie hier wohl schon erlebt hat. Vielleicht versucht sie hiermit ihr Studium zu finanzieren, überlege ich und ertappe meine Mundwinkel dabei, wie sie Richtung Augen wandern. Ich nehme noch einen Schluck Bier und folge ihr dann, tippe ihr vorsichtig auf die Schulter.
Erneut wirbelt sie herum, weicht ein Stück zurück, als sie mich erkennt. Ich zücke meine Geldbörse, ziehe zwei Scheine heraus und halte sie ihr hin.
Sie winkt ab und ihre Augen funkeln ängstlich. Ich begreife und gebe ihr zu verstehen, dass ich keinerlei Gegenleistung verlange. Irritiert und zögerlich nimmt sie das Geld an. Ihre Lippen formen einen Dank, aber meine Ohren scheinen taub vom groben Bass meiner Umwelt.
Selbstzufrieden verlasse ich die Bar, lasse mein halbvolles Bier an der Bar stehen.
Es hat mittlerweile aufgehört zu regnen. In meinen Ohren pfeift es etwas. Ich bin wohl nicht mehr der Jüngste.
Die Luft ist klar und kühl verglichen mit dem verbrauchten Rauchgemisch in der Bar.
Ich mache mich auf den Rückweg und lasse alles Revue passieren. Der Obdachlose, die Alte, das betrunkene Mädchen, die Schlägerei und die Bedienung.
Wie schön wäre es, denke ich, wenn das ein besonderer Abend gewesen wäre und nicht das Abbild einer beliebigen Vorherigen?
Ich dachte einst, dass es Gut und Böse gibt. Menschen die anderen helfen und Menschen, die ihren Mitmenschen Leid zufügten.
Wie mechanisch wandert meine Hand erneut an die Innentasche meiner Jacke. Es beruhigt mich, die harten Konturen meines Messers zu spüren. Früher dachte ich, dass es die ultimative Waffe wäre, um Schmerz und Leid zuzufügen.
Ich muss schmunzeln, als ich daran denke, wie naiv ich einst war.
Ich sehe sie wieder. Zuerst sehe ich nur die Glut einiger Zigaretten, dann Schemen, dann Menschen.
Maßgeschneiderte Anzüge geben ihnen etwas Anmutiges und Rolexuhren reflektieren das Licht des Mondes, der ganz vorsichtig hinter den Wolken hervorlugt, als wisse er, was gleich geschehen würde.
Die Männer sehen mich an, als ich mich nähere.
Ich frage nach Feuer, krame in meiner Jackentasche nach einer zerdrückten Schachtel Zigaretten und mir wird tatsächlich ein Feuerzeug gereicht. Es ist massiv und schwer. Keines, was man für einen Euro an der Tankstelle mitnahm.
Ich bedankte mich höflich und wollte gerade gehen, als sie mich fragten, als was ich arbeiten würde.
Ich lächel den Mann an und zucke leicht zusammen, als ich mir vorstelle das Messer zu ziehen und ihm die Kehle zu öffnen. Ihn ausbluten zu lassen, wie er es monetär mit seinen Kunden tat, mit den Menschen, die ihm vertrauten, die ihre Zukunft in seine Hände legten und die hart für das arbeiteten, was er mit smartem Lächeln verzockte. Ich balle die Faust.
»Ich mache die Welt ein Stückchen besser«, sage ich ruhig und muss wieder an das Messer denken, das ich schon so lange nicht mehr benutzt habe. Ob ich es überhaupt noch kann? Mein Atem wird schwerer, Adrenalin rauscht durch meinen Körper.
»Oh, das machen wir auch. Aber wir lassen dabei Geld für uns arbeiten«, erwidert er und grinst bis zu dem Moment, in dem ich schallend zu lachen beginne.
»Mein Freund«, beginne ich und lege die Hand an die Innentasche. »Geld arbeitet nicht. Menschen arbeiten - und zwar für dein Geld. Menschen, die du auf der anderen Seite noch über den Tisch ziehst, indem du ihnen Riesterrenten oder Lebensversicherungen verkaufst. Du zockst die Menschen ab, die dafür arbeiten, dass deine Aktien Gewinne machen.«
Niemand sagt etwas, als ich mich umdrehe und gehe.
Aber ich gehe nicht weit. Ich beobachte sie, beobachte den Mann, der Menschen für sein Geld arbeiten lässt. Sie rauchen noch eine, dann trennen sich ihre Wege.
Ich folge dem Mann und so langsam finde ich Gefallen an dem Begriff »Wegrationalisiert«!
 
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