So, aus aktuellem Anlass und mit dem Segen vom Boss eröffne ich diesen Thread hier, auf dass wir uns bitte nicht gegenseitig den Schädel einschlagen, denn das Thema hat durchaus Konfliktpotenzial. Aber es ist auch ein wichtiges, denn Kritik gehört zum Alltag allgemein und ganz besonders zum Autorendasein dazu.
Ich würde mich sehr freuen, wenn hier beide Seiten - also, die des Kritikers, aber auch die des Kritisierten - beleuchtet werden.
Seit etwas mehr als zwanzig Jahren bin ich u. a. als Lektorin tätig, habe mit Dutzenden Autoren, Verlagen, Drehbuchautoren, Künstlern jedweder Couleur usw. zusammengearbeitet. Und die meisten arbeiten ganz gerne mit mir zusammen - einige davon schon seit Jahren. Man kann also behaupten, dass ich nicht ganz unprofessionell bin.
Ein ganz wichtiger Punkt bei der Arbeit als Lektor ist das Prüfen des Textes auf "Schwachstellen". Damit meine ich nicht Passagen, die MIR nicht gefallen. Darum geht es nicht. ICH muss die Figuren, die Handlung oder was auch immer nicht mögen. Geschmäcker sind verschieden. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass die Formulierungen passen, der Plot in sich schlüssig ist, die Figuren glaubhaft gezeichnet sind und auf nachvollziehbare Weise handeln usw.
Wenn ich nun sehe, dass einiges nicht passt, stellt sich die Frage, wie ich das dem Autor kommuniziere. Und hier gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Weil ich jetzt keinen Roman schreiben möchte, fasse ich (mehr oder weniger) stichpunktartig zusammen, auf was es mir im Wesentlichen ankommt:
* Übrigens schlägt sich das nicht in meinem Preis nieder. Diese "Zusatzbehandlung" (Austausch per Mail oder Telefon, ausführliches Kommentieren usw.) stelle ich nicht in Rechnung, weil mir die Arbeit (in den meisten Fällen) Spaß macht und ich am Ende des Lektorats ein "perfektes" Werk in die Welt entsenden möchte - und weil ich sonst Preise hätte, die keiner zahlen könnte. :-D
Ich bin gespannt, wie andere vorgehen, wer schon mal Erfahrungen mit konstruktiver oder eher desktruktiver Kritik gemacht hat und wie er damit umgegangen ist/wie er sie empfunden hat.
Ich würde mich sehr freuen, wenn hier beide Seiten - also, die des Kritikers, aber auch die des Kritisierten - beleuchtet werden.
Seit etwas mehr als zwanzig Jahren bin ich u. a. als Lektorin tätig, habe mit Dutzenden Autoren, Verlagen, Drehbuchautoren, Künstlern jedweder Couleur usw. zusammengearbeitet. Und die meisten arbeiten ganz gerne mit mir zusammen - einige davon schon seit Jahren. Man kann also behaupten, dass ich nicht ganz unprofessionell bin.

Ein ganz wichtiger Punkt bei der Arbeit als Lektor ist das Prüfen des Textes auf "Schwachstellen". Damit meine ich nicht Passagen, die MIR nicht gefallen. Darum geht es nicht. ICH muss die Figuren, die Handlung oder was auch immer nicht mögen. Geschmäcker sind verschieden. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass die Formulierungen passen, der Plot in sich schlüssig ist, die Figuren glaubhaft gezeichnet sind und auf nachvollziehbare Weise handeln usw.
Wenn ich nun sehe, dass einiges nicht passt, stellt sich die Frage, wie ich das dem Autor kommuniziere. Und hier gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Weil ich jetzt keinen Roman schreiben möchte, fasse ich (mehr oder weniger) stichpunktartig zusammen, auf was es mir im Wesentlichen ankommt:
- Autor und Werk sind in der Regel untrennbar miteinander verbunden. Kritisiere ich das Werk, kritisiere ich den Autor - zumindest empfinden viele Autoren das so. Damit müssen sie aber klar kommen und tun das meistens auch. Wichtig ist, dass ich diesen Punkt stets im Hinterkopf behalte.
- Kritik soll immer sachlich und wertfrei sein. Man muss hier aber unterscheiden zwischen
- Konkreter Kritik: Manche Autoren tun sich mit Formulierungen schwer oder meinen, sich besonders umständlich ausdrücken zu müssen, sind Fans von ewig langen Schachtelsätzen (so, wie diesem hier
) usw. In diesem Fall kann ich dem Autor erklären, warum das ungünstig ist (z. B. stört es den Lesefluss, wenn der Text zu umgangssprachlich daherkommt) und was er ändern kann (im Idealfall anhand von Beispielen).
- und allgemeiner Kritik: Das ist schon schwieriger. In den ganz seltenen Fällen, in denen mir jemand unterkommt, der ganz offensichtlich kein Talent zum Schreiben besitzt, kommuniziere ich das auch. Aber nicht mit dem Holzhammer, sondern sachlich und mit einer gewissen Rücksicht auf mein Gegenüber. Ob der andere dann die Kritik annimmt, ist seine Sache.
- Konkreter Kritik: Manche Autoren tun sich mit Formulierungen schwer oder meinen, sich besonders umständlich ausdrücken zu müssen, sind Fans von ewig langen Schachtelsätzen (so, wie diesem hier
- Viele Autoren verarbeiten persönliche Erfahrungen (manchmal auch sehr negative) in ihren Romanen. Dann sollte man mit Kritik besonders vorsichtig sein. Wenn bspw. jemand eine Geschichte schreibt, in der die Protagonistin ihr Kind verliert und ich das Gefühl habe, hier wird ein individuelles Erlebnis geschildert, muss ich mir überlegen, wie ich damit umgehe. Natürlich ändert auch das persönliche Schicksal nichts daran, dass der Text korrekt und professionell sein soll. Wenn sich aber z. B. die Protagonistin in einer Szene sehr irrational verhält, werde ich keinen Kommentar verfassen, in dem ich die Autorin darauf hinweise, dass das überzogene und hysterische Verhalten der Figur auf den Leser albern wirken könnte. Selbst wenn das so ist, muss ich bedenken, dass die Autorin vielleicht gerade ihr eigenes Verhalten beschrieben hat.
- Und abschließend (wobei es noch SO viel zu sagen gäbe): Viele Lektoren bearbeiten den Text, streichen durch und kommentieren in der Regel eher wenig (weil es Zeit kostet und das Honorar in die Höhe treiben würde). Ich nehme mir die Zeit, ausführlich zu kommentieren und bevorzuge auch den Austausch mit dem Autor - denn nur, wenn ich verstehe, warum er schreibt, wie er nun einmal schreibt, kann ich den Text so bearbeiten, dass wir am Ende alle (der Autor, die späteren Leser und ich) zufrieden sind. *
- Noch ein letzter Gedanke: Nicht gleich drauf los kritisieren, sondern auch mal hinterfragen, warum ein Autor eine Szene z. B. genauso haben möchte. Manchmal steckt ein Konzept dahinter, das nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich wird.
* Übrigens schlägt sich das nicht in meinem Preis nieder. Diese "Zusatzbehandlung" (Austausch per Mail oder Telefon, ausführliches Kommentieren usw.) stelle ich nicht in Rechnung, weil mir die Arbeit (in den meisten Fällen) Spaß macht und ich am Ende des Lektorats ein "perfektes" Werk in die Welt entsenden möchte - und weil ich sonst Preise hätte, die keiner zahlen könnte. :-D
Ich bin gespannt, wie andere vorgehen, wer schon mal Erfahrungen mit konstruktiver oder eher desktruktiver Kritik gemacht hat und wie er damit umgegangen ist/wie er sie empfunden hat.
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