Telorion
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Kopfgeldjäger
Hallo werte Fantasy-Fans,
anbei ein Auszug aus meiner Kurzgeschichte "Kopfgeldjäger" - Sieger des Weltentor-Wettbewerbes 2011 des Noel-Verlages im Genre Fantasy. Über Meinungen freue ich mich sehr. Mehr über mich gibt es in meinem Blog oder bei Facebook.
Viel Spaß beim Lesen!
Kopfgeldjäger. Sie sind lästig wie Fliegen und überall anzutreffen. Jetzt bin ich schon durch das halbe Königreich gereist und trotzdem hatte gerade einer dieser Halunken den Schankraum betreten. Dabei habe ich mir extra eine unauffällige Absteige gesucht. Nur wenige Kerzen erhellten den schmuddeligen Raum, aber den zwielichtigen Besuchern war dies vermutlich egal. „Westwind“ nannte sich diese Taverne, aber eine frische Brise kam hier wohl nie hinein. Aus dem Augenwinkel musterte ich den neuen Gast. Er machte sich nicht die Mühe, sein Schwert unter dem Reiseumhang zu verbergen, also war es ihm erlaubt, Waffen zu tragen. Der Mann hüllte seinen kräftigen Körper in ein knielanges Kettenhemd und schritt wallenden Haares an die Theke. Ich sandte ihm einen bösen Blick in den Nacken. Das alles gefiel mir gar nicht. Selbstsicheres Auftreten, teure Rüstung und offen getragenes Schwert – das war kein einfacher Abenteurer auf der Jagd nach dem schnellen Silberling. Die meisten meiner Verfolger waren Stümper und viele hatten schmerzhafte Bekanntschaft mit meinem Dolch gemacht. Der hier jedoch war anders. Unwirsch griff ich zu meinem halb leeren Bierhumpen und trank noch einen tiefen Schluck. Verdammt! Ich konnte anscheinend gar nicht tief genug abtauchen, als dass nicht einer dieser Menschenjäger mir auf der Spur blieb!
Die Schankmagd Eira schlängelte sich durch das Chaos der Tischanordnung und verteilte für ein paar Kupferstücke frisches Bier an die Tagelöhner, Bettler und Knechte. Eines musste man dem „Westwind“ lassen: Der Boden war zwar noch nie gewischt worden, keinem der hier Anwesenden mochte man gern im Dunkeln begegnen, das Essen machte lediglich satt und hielt am Leben – aber das Bier war ausgezeichnet. Eira hatte nur noch zwei Krüge auf ihrem Tablett und steuerte auf meinen Tisch zu. Es war schon bemerkenswert, dass ein so schönes junges Ding an einem Ort wie diesem hier anzutreffen war. Und noch bemerkenswerter war, dass keiner sie anrührte. Aber nachdem ich hier eine Weile gesessen hatte, war mir schnell klar geworden, woran das lag. Die Kleine war die Tochter des Wirtes, und mit dem fast zwei Meter großen Hünen, dessen Arme so dick wie meine Oberschenkel waren, wollte sich keiner anlegen. Der Typ war ein Tier und die Stammgäste wussten das. Ich war clever genug, mich als Fremder ruhig zu verhalten und saß ganz hinten in einer dunklen Ecke des Raumes. Mit meiner abgewetzten Reisekleidung fiel ich nicht weiter auf und das war auch gut so.
„Magst du noch was?“ Eiras Stimmchen war hier irgendwie fehl am Platze. Ich sah der jungen Frau kurz in ihre blauen Augen und schüttelte den Kopf. Mein Blick blieb nicht am sehenswerten Dekolleté hängen, sondern bei dem bewaffneten Neuankömmling, der gerade den Wirt in ein Gespräch verwickelte.
„Ich werde vermutlich aufbrechen müssen.“
Ihr war mein Blick zur Theke nicht entgangen. „Jemand, der dich sucht?“
Ich verzog meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. „Vermutlich.“
Eira verteilte ihre letzten zwei Krüge am Tisch links von mir und ignorierte konsequent die lüsternen Blicke der vierköpfigen Handwerkergruppe. Was sie sich bei Eiras Anblick dachten, stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Unvermittelt wurde der Wortwechsel zwischen dem Wirt und dem Krieger lauter. Etliche Köpfe ruckten herum.
„Schmeiß ihn raus, Gunnar!“, krakeelte einer der Handwerker mutig nach vorn und lachte ausgelassen. Einfältiger Bursche! Hat wohl noch nie gesehen, was ein fähiger Schwertkämpfer alles mit der Klinge anstellen kann. Eira war auf dem Rückweg vom Nebentisch mit besorgtem Blick erneut bei mir stehengeblieben. „Das gefällt mir nicht“, flüsterte sie.
„Mir auch nicht“, knurrte ich. „Mach einfach weiter!“
Das tat sie nicht, sondern beobachtete prüfend die Szene. Auch ich konnte es nicht vermeiden, angespannt nach vorne zu starren. Ich hörte nicht, was der Krieger zu Gunnar sagte, aber seine Gesten waren eindeutig. Er hielt ihm einen Steckbrief unter die Nase und ich konnte schwören, dass mein Bild darauf war: glatzköpfiger, glattrasierter Kerl mit gebrochener Nase und auffälliger Narbe über die gesamte linke Kopf- und Gesichtshälfte. Diese Verletzung war eine bessere Markierung als jedes Brandzeichen. Wie ich diesen Treffer damals überstand, blieb mir bis heute schleierhaft, aber möglicherweise trat ich deswegen doch noch die Fahrt ins Jenseits an. Jeder Idiot merkte sich einen Typen mit so einer deutlichen Narbe.
Wütend schlug Gunnar mit der Faust auf seine Theke. Augenblicklich verstummten alle Gespräche und jemand zog scharf die Luft ein. Mit schweren Schritten kam Gunnar nach vorn. Sein grimmiger Blick war beinahe körperlich zu spüren. Der Krieger trat währenddessen in die Mitte des Raumes hinein und ließ seinen Blick prüfend über die Anwesenden gleiten. Er hatte sich geschickt positioniert, so dass ein schneller Spurt zur Tavernentür unmöglich war. Eine Flucht kam für mich hier hinten im Eck ohnehin nicht in Frage. Außerdem war das nicht mein Stil.
„Ist hier ein Wulferan?“, dröhnte Gunnars Bass in den Raum hinein. „Der Herr hier sucht diesen Mann.“ Gunnar war offensichtlich genauso wenig über dessen Besuch erbaut wie die meisten hier.
„Di Matiore ist mein Name“, hob der Krieger mit klarer Stimme an, „und ich suche diese Person.“ Er hielt den Steckbrief in die Höhe.
Ja, das war ich. Die verdammte Narbe war bis hier hinten zu erkennen. Der Abend würde also kein gutes Ende nehmen. Eira stand immer noch vor meinem Tisch und versuchte dem Krieger die Sicht auf mich zu versperrte. Nett gemeint, aber das lenkte für gewöhnlich noch mehr Aufmerksamkeit auf das Dahinterliegende. Und dieser Di Matiore war ein Profi, soviel war mir klar. Es dauerte nicht einmal drei Wimpernschläge, eher er Eira bemerkte, wie sie auffällig unauffällig dastand.
„Werter Gunnar“, sprach der Kopfgeldjäger gefährlich leise und ohne den Blick abzuwenden, „geht hinter Eure Theke und verhaltet euch ruhig. Es ist gleich vorbei.“ Dann kam er langsam näher, das Klirren seines Kettenmantels beherrschte den Raum.
Hallo werte Fantasy-Fans,
anbei ein Auszug aus meiner Kurzgeschichte "Kopfgeldjäger" - Sieger des Weltentor-Wettbewerbes 2011 des Noel-Verlages im Genre Fantasy. Über Meinungen freue ich mich sehr. Mehr über mich gibt es in meinem Blog oder bei Facebook.
Viel Spaß beim Lesen!
Kopfgeldjäger. Sie sind lästig wie Fliegen und überall anzutreffen. Jetzt bin ich schon durch das halbe Königreich gereist und trotzdem hatte gerade einer dieser Halunken den Schankraum betreten. Dabei habe ich mir extra eine unauffällige Absteige gesucht. Nur wenige Kerzen erhellten den schmuddeligen Raum, aber den zwielichtigen Besuchern war dies vermutlich egal. „Westwind“ nannte sich diese Taverne, aber eine frische Brise kam hier wohl nie hinein. Aus dem Augenwinkel musterte ich den neuen Gast. Er machte sich nicht die Mühe, sein Schwert unter dem Reiseumhang zu verbergen, also war es ihm erlaubt, Waffen zu tragen. Der Mann hüllte seinen kräftigen Körper in ein knielanges Kettenhemd und schritt wallenden Haares an die Theke. Ich sandte ihm einen bösen Blick in den Nacken. Das alles gefiel mir gar nicht. Selbstsicheres Auftreten, teure Rüstung und offen getragenes Schwert – das war kein einfacher Abenteurer auf der Jagd nach dem schnellen Silberling. Die meisten meiner Verfolger waren Stümper und viele hatten schmerzhafte Bekanntschaft mit meinem Dolch gemacht. Der hier jedoch war anders. Unwirsch griff ich zu meinem halb leeren Bierhumpen und trank noch einen tiefen Schluck. Verdammt! Ich konnte anscheinend gar nicht tief genug abtauchen, als dass nicht einer dieser Menschenjäger mir auf der Spur blieb!
Die Schankmagd Eira schlängelte sich durch das Chaos der Tischanordnung und verteilte für ein paar Kupferstücke frisches Bier an die Tagelöhner, Bettler und Knechte. Eines musste man dem „Westwind“ lassen: Der Boden war zwar noch nie gewischt worden, keinem der hier Anwesenden mochte man gern im Dunkeln begegnen, das Essen machte lediglich satt und hielt am Leben – aber das Bier war ausgezeichnet. Eira hatte nur noch zwei Krüge auf ihrem Tablett und steuerte auf meinen Tisch zu. Es war schon bemerkenswert, dass ein so schönes junges Ding an einem Ort wie diesem hier anzutreffen war. Und noch bemerkenswerter war, dass keiner sie anrührte. Aber nachdem ich hier eine Weile gesessen hatte, war mir schnell klar geworden, woran das lag. Die Kleine war die Tochter des Wirtes, und mit dem fast zwei Meter großen Hünen, dessen Arme so dick wie meine Oberschenkel waren, wollte sich keiner anlegen. Der Typ war ein Tier und die Stammgäste wussten das. Ich war clever genug, mich als Fremder ruhig zu verhalten und saß ganz hinten in einer dunklen Ecke des Raumes. Mit meiner abgewetzten Reisekleidung fiel ich nicht weiter auf und das war auch gut so.
„Magst du noch was?“ Eiras Stimmchen war hier irgendwie fehl am Platze. Ich sah der jungen Frau kurz in ihre blauen Augen und schüttelte den Kopf. Mein Blick blieb nicht am sehenswerten Dekolleté hängen, sondern bei dem bewaffneten Neuankömmling, der gerade den Wirt in ein Gespräch verwickelte.
„Ich werde vermutlich aufbrechen müssen.“
Ihr war mein Blick zur Theke nicht entgangen. „Jemand, der dich sucht?“
Ich verzog meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. „Vermutlich.“
Eira verteilte ihre letzten zwei Krüge am Tisch links von mir und ignorierte konsequent die lüsternen Blicke der vierköpfigen Handwerkergruppe. Was sie sich bei Eiras Anblick dachten, stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Unvermittelt wurde der Wortwechsel zwischen dem Wirt und dem Krieger lauter. Etliche Köpfe ruckten herum.
„Schmeiß ihn raus, Gunnar!“, krakeelte einer der Handwerker mutig nach vorn und lachte ausgelassen. Einfältiger Bursche! Hat wohl noch nie gesehen, was ein fähiger Schwertkämpfer alles mit der Klinge anstellen kann. Eira war auf dem Rückweg vom Nebentisch mit besorgtem Blick erneut bei mir stehengeblieben. „Das gefällt mir nicht“, flüsterte sie.
„Mir auch nicht“, knurrte ich. „Mach einfach weiter!“
Das tat sie nicht, sondern beobachtete prüfend die Szene. Auch ich konnte es nicht vermeiden, angespannt nach vorne zu starren. Ich hörte nicht, was der Krieger zu Gunnar sagte, aber seine Gesten waren eindeutig. Er hielt ihm einen Steckbrief unter die Nase und ich konnte schwören, dass mein Bild darauf war: glatzköpfiger, glattrasierter Kerl mit gebrochener Nase und auffälliger Narbe über die gesamte linke Kopf- und Gesichtshälfte. Diese Verletzung war eine bessere Markierung als jedes Brandzeichen. Wie ich diesen Treffer damals überstand, blieb mir bis heute schleierhaft, aber möglicherweise trat ich deswegen doch noch die Fahrt ins Jenseits an. Jeder Idiot merkte sich einen Typen mit so einer deutlichen Narbe.
Wütend schlug Gunnar mit der Faust auf seine Theke. Augenblicklich verstummten alle Gespräche und jemand zog scharf die Luft ein. Mit schweren Schritten kam Gunnar nach vorn. Sein grimmiger Blick war beinahe körperlich zu spüren. Der Krieger trat währenddessen in die Mitte des Raumes hinein und ließ seinen Blick prüfend über die Anwesenden gleiten. Er hatte sich geschickt positioniert, so dass ein schneller Spurt zur Tavernentür unmöglich war. Eine Flucht kam für mich hier hinten im Eck ohnehin nicht in Frage. Außerdem war das nicht mein Stil.
„Ist hier ein Wulferan?“, dröhnte Gunnars Bass in den Raum hinein. „Der Herr hier sucht diesen Mann.“ Gunnar war offensichtlich genauso wenig über dessen Besuch erbaut wie die meisten hier.
„Di Matiore ist mein Name“, hob der Krieger mit klarer Stimme an, „und ich suche diese Person.“ Er hielt den Steckbrief in die Höhe.
Ja, das war ich. Die verdammte Narbe war bis hier hinten zu erkennen. Der Abend würde also kein gutes Ende nehmen. Eira stand immer noch vor meinem Tisch und versuchte dem Krieger die Sicht auf mich zu versperrte. Nett gemeint, aber das lenkte für gewöhnlich noch mehr Aufmerksamkeit auf das Dahinterliegende. Und dieser Di Matiore war ein Profi, soviel war mir klar. Es dauerte nicht einmal drei Wimpernschläge, eher er Eira bemerkte, wie sie auffällig unauffällig dastand.
„Werter Gunnar“, sprach der Kopfgeldjäger gefährlich leise und ohne den Blick abzuwenden, „geht hinter Eure Theke und verhaltet euch ruhig. Es ist gleich vorbei.“ Dann kam er langsam näher, das Klirren seines Kettenmantels beherrschte den Raum.