Rachelle-Marija
Sehende
So, da ich ja schon den Prolog gepostet habe, wollte ich mal wissen, was ihr zum Anfang des ersten Kapitels sagt.
Rechtschreibfehler und Grammatikfehler können noch vorkommen, da es die erste Fassung ist und ich es noch nicht bearbeitet habe.
Ich würde mich wieder über ehrliche Kritik und Verbesserungsvorschläge freuen!
EDIT: DIE NEUESTE VERSION KÖNNT IHR HIER LESEN. Danke für euer Feedback und die Hilfe!
Kapitel 1 – Cyrilla
Die Geschichte, die ich euch erzähle, begann nicht ganz siebzehn Winter später.
Der Tag des großen Feuers war gekommen. Ich war mir nicht bewusst, dass seit dem letzten Mal schon wieder zehn Jahre vergangen waren. Jede volle Dekade schicken die Elda ein großes Feuer über Trîan. Vielleicht auch über die anderen Städte Landriars, aber darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Das wichtige daran ist nur, das es eine Auslese darstellen soll. Das Feuer ist Symbol der Reinigung und durch das magische Feuer wird die Stadt regelmäßig vom schlimmen Abschaum befreit - den Menschen, die nichts beitragen und denjenigen, die sich den Zorn der Elda zugezogen haben. Ihre Häuser und ihr Besitz werden nahezu vollkommen vernichtet. Sollten sie es schaffen, sich wieder eine Existenz aufzubauen, stehen sie unter dem wachsamen Auge der Elda. Sie haben zwar gezeigt, dass sie doch etwas zur Gesellschaft und zum Leben miteinander beitragen können, doch ist es natürlich nicht klar, ob sie nicht wieder in ihre alten Lebensweisen zurückfallen.
Damals, beim letzten Feuer, musste ich mich nicht ängstigen. Ophelia hielt mich in ihren Armen und sang mir mit ihrer weichen Stimme etwas vor. Als ich aus dem tiefen Schlummer erwachte, war das Feuer bereits durch die Stadt gezogen. Einige Häuser unsere Achtels bestanden nur noch aus Trümmern. Die Familien hatten sich wohl durch irgendetwas den Zorn der Elda zugezogen, denn in unserem Achtel war es nahezu undenkbar, dass es Abschaum gab.
Ophelias Haus trug keinen Schaden davon. Damals verstand ich es noch nicht, jetzt schon. Sie hatten mich beschützt, weil sie mich wollten. Noch ein Grund mehr, es vor allen geheim zu halten. Das Feuer vor zehn Jahren konnte mir nichts anhaben. Ich war besonders. Ich war eine der Auserwählten und ich war anders. Anders als alle zuvor. Ich wusste selbst nicht warum ich es konnte. Ich sah es als Gabe. Jedoch als gefährliche Gabe, die über mein Leben entscheiden könnte, wenn die Informationen darüber in die falschen Hände geraten würden. Deswegen bin ich vorsichtig... und sehr misstrauisch. Jeder könnte mich verraten. Sogar die Elda wussten nichts, obwohl ich sie zutiefst verehre. Doch selbst da war ich mir nicht sicher, schließlich sind sie immer noch die Elda. Die Gemeinschaft der stärksten und begabtesten Magier Landriars, nein, ganz Panraijrs. Wenn sie es erfahren wollten, dann würde es ihren auch irgendwie zu Ohren kommen. Vielleicht ahnten sie wirklich etwas... warum sonst hätten sie mich ausgewählt?
Die Elda sind mein Leben und ich würde alles dafür tun endlich eine von Ihnen zu werden. Wenn ich müsste, würde ich sogar töten. Ich benutze meine Gabe nicht häufig, ich will nicht auffallen. Aber wenn ich sie mir zu Eigen mache, dann helfen mir die Geschenke der Elda sehr dabei. Diese Geschenke bekommen alle Auserwählten – also nicht viele Menschen. Die Geschenke helfen dabei sich daran zu gewöhnen einmal zu ihrer unbezwingbaren Gilde zu gehören. Ophelia war bestürzt, nein, dass ist nicht das richtige Wort dafür. Sie war... voller Entsetzen, Reue und Panik als ich zu meinem fünfzehnten Geburtstag das erste Geschenk erhielt. Runenknochen aus schillerndem Elfenbein. Knapp ein halbes Jahr später erreichte mich das zweite Geschenk. Auf einem etwas ungewöhnlichem Weg – aber durchaus verständlich für die Elda. Erstmals öffnete sich die geheimnisvolle Klappe in Ophelias Haus. Und dort lag sie, die Kristallkugel gefüllt mit geheimnisvollem hellgrauem Rauch.
In den weiteren Jahren fanden noch vier weitere Elda-Geschenke den Weg zu mir: der kleine Kessel aus glänzendem Kupfer; das in hellbraunes Leder eingebundene, dicke Buch, welches sich nicht öffnen lässt; sieben strahlend weiße, stets nach Salbei und Lavendel duftende, kleine Rituskerzen und zu guter letzt: der Stein. Die wichtigste Habseligkeit einer fast vollwertigen Elda. Ein kleiner, unebener, gewöhnlicher, rauchgrauer Kieselstein und doch ist er unendlich wertvoll. Dieser Stein ist gefüllt mit unsichtbarer Lebensenergie die Elda Pflanzen und Tieren entziehen um sich selbst zu stärker. Das klingt grausamer als es ist. Sie töten nicht, sie stehlen nur einen kleinen Teil deiner Energie. Zumindest wäre nu nie in Umlauf geraten, dass sie töten würden. Aber selbst das wäre mir egal – es ist notwenig um die Herrschaft über Landriar zu behalten.
Vielleicht ist euch mittlerweile bewusst geworden, dass ich keine gewöhnliche Frau bin. Selbst mein Aussehen ist andersartig. Meine stechend blauen Augen, die zum Rand hin immer heller werden, sind schon ziemlich unnatürlich, dazu mein weißblondes, lockiges Haar und die leicht angespitzten Ohren. Nein, ich weiß schon was ihr jetzt denkt. Ich bin keine Elfe – das Volk der Elfen ist vor langer Zeit untergegangen. Ich bin ein Mensch, aber für ein Menschenmädchen ist es trotzdem sehr ungewöhnlich die Gewalt zu lieben und genau das ist es was ich tue. Ohne die alltägliche Gewalt könnten die Elda nicht an der Herrschaft bleiben. Sie ist notwendig und schrecklich schön. Ohne die Gewalt und das entziehen von Energie könnten sie die Meute nicht beherrschen. Die Elda tragen die Verantwortung für ganz Landriar. Sie müssen die Menschen, Zwerge, Halblinge und Wolfsmenschen beschützen und jene danken ihnen noch nicht einmal. Deshalb ist die Gewalt ein wichtiger Teil ihrer Regierung. Sie zwingt denjenigen, die sich nicht richtig verhalten Gehorsam auf. Das magische Feuer ist der erste Bestandteil davon...
Sosehr ich die auch Elda verehre und ihre Gewalt liebe, umso mehr bin ich auch unsicher und verwundbar, doch mein offen getragener Stolz überspielt alles...
Ophelia hat versucht mir das Leben zu bieten, das einer Auserwählten der Elda würdig ist. Selbst wenn sie es wahrlich nicht gut hieß. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, doch eine Tat würde ich ihr wohl nie verzeihen können. Ein einziges Mal in meinem Leben hatte ich sie nach meiner Mutter gefragt. Ihre Antwort traf mich unvorbereitet und hinterließ trotz der Gefühllosigkeit, die ich sonst an den Tag legte, ein schmerzendes Loch in meiner Brust. Ophelia schrie mich an, dass ich nie wieder über meine Erzeugerin reden solle. Sie kreischte sich die Seele aus dem Leib, dass die Frau die mich geboren hatte noch in derselben Nacht verschwunden war mit den Worten „Pass auf sie auf und sorge für sie als wäre sie dein.“
Das diese Frau nie zurückgekommen sei und dass es Unglück über alle Welt bringen würde, wenn ich noch weiter über sie wüsste. Nach ihrem Ausbruch sank Ophelia in sich zusammen und begann herz zerreißend zu schluchzen. Und ich? Ich tat etwas was ich noch nie zu tun imstande gewesen war. Ich umarmte einen Menschen, ich umarmte Ophelia. Ich verabscheue Körperkontakt und vermeide ihn wann immer es auch geht. Doch dieses eine Mal fühlte ich mich dazu verpflichtet, da sie mich, liebend wie eine Mutter, aufgezogen hatte. Ich bereue es auch nicht, was mir ehrlich gesagt ziemliche Sorgen bereitet. Verliere ich etwa mein kaltes Herz?
Heute war der Tag gekommen. Ich spürte es schon, als ich morgens meine Augen aufschlug. Ein unangenehmes Ziehen im Bauch, welches mich vor einer herannahenden Gefahr warnt. Dazu die leichte Nervosität, die von mir Besitz ergriffen hatte. Dieses Mal sollte ich vielleicht wirklich gehen, nicht dass Sie vergessen die Schutzzauber über mich und Ophelia zu sprechen. Die Elda können auch sehr launisch sein. Möglichweise habe ich doch irgendwie ihren Zorn erregt. Ich wüsste keinen Grund, keine Tat, aber man kann es auch nie wissen. Als kleines Kind hatte ich mir darum noch keine Sorgen gemacht. Sie verurteilen keine Kinder.
Ich lag in meinen weichen Bettfellen und streckte mich. Mein Gefühl sagte mir, dass ich noch etwas Zeit hatte, bevor ich gehen müsste, doch ich wollte nichts riskieren. Gähnend erhob ich mich und lies mich an meinem Frisiertisch nieder. Der Spiegel war seltsam angelaufen, aber nach einem schnellen Wischen über die spiegelnde Fläche, konnte ich mich wieder gut erkennen. Meine weißblonden Locken steckte ich mit einfachen Haarnadeln am Hinterkopf fest, sodass sie mich nicht stören würden. Ich lächelte mein Spiegelbild versuchsweise an und das Ergebnis war einigermaßen zufrieden stellend.
„Ophelia?“, rief ich. Sogleich vernahm ich das leise Knarren der Treppen, als sie zu meinem Zimmer heraufkam und den Kopf zur Tür herein steckte. Sie lächelte mich an und ihre Augen schimmerten warm.
„Guten Morgen Cyrilla. Soll ich dir beim Ankleiden helfen?“
„Gerne.“
Während sie mir das Korsett schnürte, überlegte ich welche persönlichen Dinge ich mitnehmen sollte und ob ich Ophelia bitten sollte... ach was. Ich frage sie einfach.
„Ophelia?“
„Ja?“
„Wirst du heute mitkommen? Ich spüre es... das Feuer naht und ich bin mir der Gnade der Elda nicht sicher. Vielleicht erregte ich durch irgendeine Tat ihren Zorn?“ Ich lies meine Worte langsam ausklingen und wandte mich zu Ophelia um. Sie sah nachdenklich aus.
„Ich bin mit ihrer Gnade sicher, Liebling. Doch wenn dich dein Gefühl drängt zu gehen so zögere nicht.“ Lächelnd blickte sie mich an und zog die letzten Schnüre fest.
„Ich kann doch zurückkommen?“
„Aber natürlich mein Kind. Du weiß, du bist wie eine Tochter für mich und immer Willkommen unter meinem Dach. Die Türen stehen dir offen. Jederzeit, auch wenn du in naher Zukunft dein eigenes Heim besitzen wirst“ Die rundliche Frau drückte mich an ihre weiche Brust und ich verweigerte es nicht. Es war tröstlich. Doch für was brauchte ich Trost? Damals wusste ich es selbst noch nicht.
Nachdem Ophelia meinen Raum verlassen hatte und ich fertig angekleidet war, nahm ich meine lederne Tasche und verstaute die wichtigsten Habseligkeiten in ihr. Vorsichtig schlug ich die Rituskerzen und die Kristallkugel in feines Seidenpapier ein, um sie ja nicht zu zerbrechen. Darüber legte ich eine Schicht Wolle und stapelte anschließend das kunstvoll verzierte Kästchen mit den Runenknochen, das Buch und den kleinen Kessel darauf. Den Stein behielt ich nah an meinem Herzen, eingenäht in eine winzige Tasche in meinem Korsett. Zu guter Letzt packte ich den silbernen Handspiegel und den dazugehörigen Kamm ein, die Ophelia mir zu meinem zehnten Wiegenfest schenkte. Sie würden mich immer an meine Ziehmutter erinnern.
Ich stieg die leicht knarrenden Holztreppen hinab, ging in die Speisekammer und schnürte mir ein Essensbündel mit getrocknetem Fleisch, Brot und etwas Obst. Nun, das würde für einige Tage reichen. Ich konnte ja nicht wissen wie lange die Elda vorhatten, das Feuer wüten zu lassen. Als ich das Essen in mein Bündel gepackt hatte, überlegte ich was ich noch alles brauchen könnte. Die Geschenke hatte ich allesamt verstaut. Da ich nicht genau wusste, wie lange ich Trîan verlassen würde, beschloss ich nach der versteckten Keksdose zu suchen. Ich rückte die schweren Schütten voller Kartoffeln, Äpfeln und Karotten zur Seite und holte die alte Dose heraus. Hier drinnen war alles an Gold, das ich über die Zeit gespart hatte. Ophelia hatte mir schon mit vier Jahren das Nähen beigebracht und so hatte ich mir nebenbei ein Taschengeld verdient. Ich trug eine kleine Geldkatze am Gürtel und steckte zwei Hände voll Gold ein. Die Keksdose stellte ich wieder an ihren ursprünglichen Platz, wer weiß für was ich das restliche Gold noch einmal brauchen würde?
Letztendlich besuchte ich Ophelia in ihrer Nähkammer um Abschied zu nehmen. Die dunkelhaarige Frau lächelte ein trauriges Lächeln, als hätte sie damals schon gewusst wie sich mein Leben von nun an entwickeln würde. Ich erwiderte es zögernd und kehrte ihr und dem Leben das sie mir geboten hatte doch leicht wehmütig den Rücken zu.
Schon als ich aus dem Haus trat, hörte ich die nervösen Rufe der anderen. Mit ruhigen Schritten verließ ich mein Achtel von Trîan und begab mich in das Gebiet der Fischer. Die Menschen waren allesamt aufgeregt und schnatterten wild durcheinander. Ein sicheres Fortkommen war kaum möglich. Überall standen kleine Kinder im Wege, nicht selten kam es vor, das welche weinten und sich die Tränenspuren über die schmutzigen Gesichter zogen. Es stank, wie immer nach Fisch und Verwesung aus den Abwasserkanälen. Ich dachte, dass es seit dem letzten Feuer nicht mehr so schlimm gewesen war. Doch so wie es aussah hatte ich mich getäuscht, es musste wirklich wieder mal ein Feuer die Stadt von ihrem Schmutz reinigen. Ein Schwarm Krähen wurde von einem schreienden Baby aufgeschreckt. Sie stoben mit lautem Krächzen wie wild auseinander und flüchteten sich in die endlosen Weiten des Himmels. Sie waren frei. Gerne wollte ich so frei sein wie sie, nicht ständig diese Last mit mir herumschleppen müssen und einfach davonfliegen, alles hinter mir lassen. Andererseits, ich würde Ophelia doch vermissen und ich kann nicht einfach meinem Schicksal entfliehen. Ich bin eine Auserwählte.
Langsam drängte ich mich durch das dichte Gewühl in Richtung Stadtkern. Ich versuchte den Körperkontakt mit diesen stinkenden und schmutzigen Fischern und ihren Familien größtenteils zu vermeiden. Als der Duft von Verwesung penetranter durch die Gassen zog, wandelte sich mein Gesicht in eine Maske des Abscheus. Ich stolperte und als ich zu Boden blickte, starrte mich ein kleiner, dreckiger Junge aus großen hellgrünen Augen an. Ich versuchte nicht hinzuhören, als er mit leisem Stimmchen zu reden begann. Ich wollte wahrlich nicht hören, was dieses Kind zu sagen hatte, hielt es mich doch nur auf. Doch dieser Blick hatte etwas an sich, das mich in seinen Bann zog und ich fast zwangsweise begann in den Worten zu lauschen. Es war allerdings zu spät, denn der kleine Junge blickte mich nur mehr an. Etwas an dem Ausdruck in seinen hellgrünen Augen war seltsam, doch ich erkannte nicht was es war. Abrupt brach ich den Blickkontakt ab und setzte meinen Weg eilig fort.
Meine Schritte führten mich durch die verschlungenen und engen Gassen des Fischerachtels, bis ich endlich das Herz von Trîan erreichte, die Marktstraße. Von hier aus kommt man zu den beiden Haupttoren Trîans. Auch wenn nur eines davon geöffnet ist und man nur durch jenes Tor die Stadt auf legalem Wege verlassen kann. Im Nordwesten der Stadt, im Gebiet der Viehbauern, gibt es auch noch ein verschlossenes Tor welches nicht bewacht wird. Hierdurch verschwinden oft genug die Wolfsmenschen bei Nacht. Auch der Abschaum benutzt es um draußen in Landriar seinen Geschäften nachzugehen ohne dass die Wachen davon erfahren. Zumindest glaubt der Abschaum Trîans dies. Jeder in Trîan weiß, dass es immer bemerkt wird, wenn man durch dieses Tor verschwindet, doch dem Pöbel ist das wohl egal.
Ich bevorzuge das offene Haupttor, schließlich zähle ich mich ja auch zu den höhergestellten Menschen. Ich war ja auch im Bezirk der Näher, Schneider, Kürschner, Färber und Gerber aufgewachsen. Auch wenn jenes Achtel in der Nähe der Fischergebiete liegt war es ein schöner Ort für Kinder. Jedenfalls, für jene, die dort Freunde hatten. Ich hatte nie welche gehabt. Ich war stets eine Einzelgängerin gewesen – und würde es wahrscheinlich auch immer bleiben.
Tief sog ich die nun frischere Luft in meine Lungen und orientierte mich. Die Marktstraße, auf der ich mich befand, war eigentlich keine richtige Straße, sondern ein riesengroßer, gepflasterter Platz. Dies hier war das Herz von Trîan. Vom Markt aus konnte man alles erreichen. In jede der vier Himmelsrichtungen führte eine breite Straße, auch viele kleine Straßen und verzweigte Gassen verbanden die unterschiedlichsten Orte der Stadt miteinander. Einerseits war es wirklich praktisch, denn so konnte man auf schnellem Wege von einem Ort zum nächsten kommen und andererseits musste es so sein, denn das Gesetz verlangte, dass von jedem Haus in dieser Stadt die Tempel der Elda zu erreichen waren.
Ich stand beim Nordpfeiler des Platzes und musste quer durch das normalerweise fröhliche und laute Getümmel zum Südpfeiler, denn nur dort konnte ich mich als Ausreisende einschreiben lassen. Eigentlich war der Markt ein wirklich schöner Ort, wenn man es mochte unter Menschen zu sein. Die kleinen Stände, an denen die Waren angepriesen werden - in diesen bunten und abwechslungsreichen Farben mit den Fähnchen an den Dächern. Jeder gestaltete seinen kleinen Holzstand speziell um genau das zu zeigen, was er gerne verkaufen würde. Betrachtete man die Stände der Fischer, waren sie mit Netzen behangen. Bei den Teehändlern duftete es nach den verschiedensten Teesorten und erst bei den Metzgern - der verführerische Duft nach frischen Fleisch oder das Aroma frisch gebackenen Brotes an den Ständen der Bäcker und der Höhepunkt des Marktplatzes: das lachende und jauchzend fröhliche Volk, welches sich durch die engen Gassen schlängelte, die durch die zahlreichen Stände entstanden.
Doch am heutigen Tage war alles anders. Jeder hastete eilig durch die engen Gassen. Die Atmosphäre war angespannt, so wie schon im Fischerachtel. Die Bevölkerung gab sich streitlustig, jeder wollte noch unbedingt die letzten Besorgungen erledigen, bevor sie ebenfalls ausreisten, sich versteckten oder sich sicher waren, unter dem Schutz der Elda zu stehen.
Beim näheren Hinsehen bemerkte ich allerdings, das es nicht nur das Volk von Trîan war, das sie hier am Markt aufhielt. Einige Wolfsmenschen aus Brengan waren zum Handeln hier. Ich erkannte sie an den langen zotteligen Haaren. Denn hier in Trîan mussten alle ansässigen Wolfsmenschen ihre Haare kurz scheren, sodass sie sich ungern verwandeln. Da sie in ihrer Menschengestalt so wenige Haare hatten, wirkte sich das auch auf ihr Fell in Wolfsgestalt aus. Und kein Wolf läuft freiwillig ohne Fell, sprich fast nackt herum. Doch die freien Wolfsmenschen, die nicht ihre Tage hier in Trîan verbringen, werden davon ausgenommen, schließlich sind sie genau genommen auch keine Bürger Landriars, sondern nur Händler und Reisende.
Einige Gesandte des Zwergenclans ‚Kriegshammer’ aus dem Kreola’ Gebirge waren ebenfalls anwesend und priesen lautstark ihre Waffen an und sogar ein paar Bauern aus Raszija feilschten hier am Markt um Waren. Diejenigen schien das bevorstehende Feuer nicht zu kümmern. Vielleicht wussten sie gar nichts davon?
Doch das kümmerte mich wenig. Ich wollte einfach nur zu den Wachen um mich austragen zu lassen und die Stadt endlich zu verlassen. Das leichte Ziehen in meinem Bauch trieb mich zur Eile. Ich raffte meine Röcke und schlängelte mich weiter durch das Treiben des Marktplatzes – immer darauf bedacht so wenig Wesen wie möglich zu berühren.
Rechtschreibfehler und Grammatikfehler können noch vorkommen, da es die erste Fassung ist und ich es noch nicht bearbeitet habe.
Ich würde mich wieder über ehrliche Kritik und Verbesserungsvorschläge freuen!
EDIT: DIE NEUESTE VERSION KÖNNT IHR HIER LESEN. Danke für euer Feedback und die Hilfe!
Kapitel 1 – Cyrilla
Die Geschichte, die ich euch erzähle, begann nicht ganz siebzehn Winter später.
Der Tag des großen Feuers war gekommen. Ich war mir nicht bewusst, dass seit dem letzten Mal schon wieder zehn Jahre vergangen waren. Jede volle Dekade schicken die Elda ein großes Feuer über Trîan. Vielleicht auch über die anderen Städte Landriars, aber darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Das wichtige daran ist nur, das es eine Auslese darstellen soll. Das Feuer ist Symbol der Reinigung und durch das magische Feuer wird die Stadt regelmäßig vom schlimmen Abschaum befreit - den Menschen, die nichts beitragen und denjenigen, die sich den Zorn der Elda zugezogen haben. Ihre Häuser und ihr Besitz werden nahezu vollkommen vernichtet. Sollten sie es schaffen, sich wieder eine Existenz aufzubauen, stehen sie unter dem wachsamen Auge der Elda. Sie haben zwar gezeigt, dass sie doch etwas zur Gesellschaft und zum Leben miteinander beitragen können, doch ist es natürlich nicht klar, ob sie nicht wieder in ihre alten Lebensweisen zurückfallen.
Damals, beim letzten Feuer, musste ich mich nicht ängstigen. Ophelia hielt mich in ihren Armen und sang mir mit ihrer weichen Stimme etwas vor. Als ich aus dem tiefen Schlummer erwachte, war das Feuer bereits durch die Stadt gezogen. Einige Häuser unsere Achtels bestanden nur noch aus Trümmern. Die Familien hatten sich wohl durch irgendetwas den Zorn der Elda zugezogen, denn in unserem Achtel war es nahezu undenkbar, dass es Abschaum gab.
Ophelias Haus trug keinen Schaden davon. Damals verstand ich es noch nicht, jetzt schon. Sie hatten mich beschützt, weil sie mich wollten. Noch ein Grund mehr, es vor allen geheim zu halten. Das Feuer vor zehn Jahren konnte mir nichts anhaben. Ich war besonders. Ich war eine der Auserwählten und ich war anders. Anders als alle zuvor. Ich wusste selbst nicht warum ich es konnte. Ich sah es als Gabe. Jedoch als gefährliche Gabe, die über mein Leben entscheiden könnte, wenn die Informationen darüber in die falschen Hände geraten würden. Deswegen bin ich vorsichtig... und sehr misstrauisch. Jeder könnte mich verraten. Sogar die Elda wussten nichts, obwohl ich sie zutiefst verehre. Doch selbst da war ich mir nicht sicher, schließlich sind sie immer noch die Elda. Die Gemeinschaft der stärksten und begabtesten Magier Landriars, nein, ganz Panraijrs. Wenn sie es erfahren wollten, dann würde es ihren auch irgendwie zu Ohren kommen. Vielleicht ahnten sie wirklich etwas... warum sonst hätten sie mich ausgewählt?
Die Elda sind mein Leben und ich würde alles dafür tun endlich eine von Ihnen zu werden. Wenn ich müsste, würde ich sogar töten. Ich benutze meine Gabe nicht häufig, ich will nicht auffallen. Aber wenn ich sie mir zu Eigen mache, dann helfen mir die Geschenke der Elda sehr dabei. Diese Geschenke bekommen alle Auserwählten – also nicht viele Menschen. Die Geschenke helfen dabei sich daran zu gewöhnen einmal zu ihrer unbezwingbaren Gilde zu gehören. Ophelia war bestürzt, nein, dass ist nicht das richtige Wort dafür. Sie war... voller Entsetzen, Reue und Panik als ich zu meinem fünfzehnten Geburtstag das erste Geschenk erhielt. Runenknochen aus schillerndem Elfenbein. Knapp ein halbes Jahr später erreichte mich das zweite Geschenk. Auf einem etwas ungewöhnlichem Weg – aber durchaus verständlich für die Elda. Erstmals öffnete sich die geheimnisvolle Klappe in Ophelias Haus. Und dort lag sie, die Kristallkugel gefüllt mit geheimnisvollem hellgrauem Rauch.
In den weiteren Jahren fanden noch vier weitere Elda-Geschenke den Weg zu mir: der kleine Kessel aus glänzendem Kupfer; das in hellbraunes Leder eingebundene, dicke Buch, welches sich nicht öffnen lässt; sieben strahlend weiße, stets nach Salbei und Lavendel duftende, kleine Rituskerzen und zu guter letzt: der Stein. Die wichtigste Habseligkeit einer fast vollwertigen Elda. Ein kleiner, unebener, gewöhnlicher, rauchgrauer Kieselstein und doch ist er unendlich wertvoll. Dieser Stein ist gefüllt mit unsichtbarer Lebensenergie die Elda Pflanzen und Tieren entziehen um sich selbst zu stärker. Das klingt grausamer als es ist. Sie töten nicht, sie stehlen nur einen kleinen Teil deiner Energie. Zumindest wäre nu nie in Umlauf geraten, dass sie töten würden. Aber selbst das wäre mir egal – es ist notwenig um die Herrschaft über Landriar zu behalten.
Vielleicht ist euch mittlerweile bewusst geworden, dass ich keine gewöhnliche Frau bin. Selbst mein Aussehen ist andersartig. Meine stechend blauen Augen, die zum Rand hin immer heller werden, sind schon ziemlich unnatürlich, dazu mein weißblondes, lockiges Haar und die leicht angespitzten Ohren. Nein, ich weiß schon was ihr jetzt denkt. Ich bin keine Elfe – das Volk der Elfen ist vor langer Zeit untergegangen. Ich bin ein Mensch, aber für ein Menschenmädchen ist es trotzdem sehr ungewöhnlich die Gewalt zu lieben und genau das ist es was ich tue. Ohne die alltägliche Gewalt könnten die Elda nicht an der Herrschaft bleiben. Sie ist notwendig und schrecklich schön. Ohne die Gewalt und das entziehen von Energie könnten sie die Meute nicht beherrschen. Die Elda tragen die Verantwortung für ganz Landriar. Sie müssen die Menschen, Zwerge, Halblinge und Wolfsmenschen beschützen und jene danken ihnen noch nicht einmal. Deshalb ist die Gewalt ein wichtiger Teil ihrer Regierung. Sie zwingt denjenigen, die sich nicht richtig verhalten Gehorsam auf. Das magische Feuer ist der erste Bestandteil davon...
Sosehr ich die auch Elda verehre und ihre Gewalt liebe, umso mehr bin ich auch unsicher und verwundbar, doch mein offen getragener Stolz überspielt alles...
Ophelia hat versucht mir das Leben zu bieten, das einer Auserwählten der Elda würdig ist. Selbst wenn sie es wahrlich nicht gut hieß. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, doch eine Tat würde ich ihr wohl nie verzeihen können. Ein einziges Mal in meinem Leben hatte ich sie nach meiner Mutter gefragt. Ihre Antwort traf mich unvorbereitet und hinterließ trotz der Gefühllosigkeit, die ich sonst an den Tag legte, ein schmerzendes Loch in meiner Brust. Ophelia schrie mich an, dass ich nie wieder über meine Erzeugerin reden solle. Sie kreischte sich die Seele aus dem Leib, dass die Frau die mich geboren hatte noch in derselben Nacht verschwunden war mit den Worten „Pass auf sie auf und sorge für sie als wäre sie dein.“
Das diese Frau nie zurückgekommen sei und dass es Unglück über alle Welt bringen würde, wenn ich noch weiter über sie wüsste. Nach ihrem Ausbruch sank Ophelia in sich zusammen und begann herz zerreißend zu schluchzen. Und ich? Ich tat etwas was ich noch nie zu tun imstande gewesen war. Ich umarmte einen Menschen, ich umarmte Ophelia. Ich verabscheue Körperkontakt und vermeide ihn wann immer es auch geht. Doch dieses eine Mal fühlte ich mich dazu verpflichtet, da sie mich, liebend wie eine Mutter, aufgezogen hatte. Ich bereue es auch nicht, was mir ehrlich gesagt ziemliche Sorgen bereitet. Verliere ich etwa mein kaltes Herz?
Heute war der Tag gekommen. Ich spürte es schon, als ich morgens meine Augen aufschlug. Ein unangenehmes Ziehen im Bauch, welches mich vor einer herannahenden Gefahr warnt. Dazu die leichte Nervosität, die von mir Besitz ergriffen hatte. Dieses Mal sollte ich vielleicht wirklich gehen, nicht dass Sie vergessen die Schutzzauber über mich und Ophelia zu sprechen. Die Elda können auch sehr launisch sein. Möglichweise habe ich doch irgendwie ihren Zorn erregt. Ich wüsste keinen Grund, keine Tat, aber man kann es auch nie wissen. Als kleines Kind hatte ich mir darum noch keine Sorgen gemacht. Sie verurteilen keine Kinder.
Ich lag in meinen weichen Bettfellen und streckte mich. Mein Gefühl sagte mir, dass ich noch etwas Zeit hatte, bevor ich gehen müsste, doch ich wollte nichts riskieren. Gähnend erhob ich mich und lies mich an meinem Frisiertisch nieder. Der Spiegel war seltsam angelaufen, aber nach einem schnellen Wischen über die spiegelnde Fläche, konnte ich mich wieder gut erkennen. Meine weißblonden Locken steckte ich mit einfachen Haarnadeln am Hinterkopf fest, sodass sie mich nicht stören würden. Ich lächelte mein Spiegelbild versuchsweise an und das Ergebnis war einigermaßen zufrieden stellend.
„Ophelia?“, rief ich. Sogleich vernahm ich das leise Knarren der Treppen, als sie zu meinem Zimmer heraufkam und den Kopf zur Tür herein steckte. Sie lächelte mich an und ihre Augen schimmerten warm.
„Guten Morgen Cyrilla. Soll ich dir beim Ankleiden helfen?“
„Gerne.“
Während sie mir das Korsett schnürte, überlegte ich welche persönlichen Dinge ich mitnehmen sollte und ob ich Ophelia bitten sollte... ach was. Ich frage sie einfach.
„Ophelia?“
„Ja?“
„Wirst du heute mitkommen? Ich spüre es... das Feuer naht und ich bin mir der Gnade der Elda nicht sicher. Vielleicht erregte ich durch irgendeine Tat ihren Zorn?“ Ich lies meine Worte langsam ausklingen und wandte mich zu Ophelia um. Sie sah nachdenklich aus.
„Ich bin mit ihrer Gnade sicher, Liebling. Doch wenn dich dein Gefühl drängt zu gehen so zögere nicht.“ Lächelnd blickte sie mich an und zog die letzten Schnüre fest.
„Ich kann doch zurückkommen?“
„Aber natürlich mein Kind. Du weiß, du bist wie eine Tochter für mich und immer Willkommen unter meinem Dach. Die Türen stehen dir offen. Jederzeit, auch wenn du in naher Zukunft dein eigenes Heim besitzen wirst“ Die rundliche Frau drückte mich an ihre weiche Brust und ich verweigerte es nicht. Es war tröstlich. Doch für was brauchte ich Trost? Damals wusste ich es selbst noch nicht.
Nachdem Ophelia meinen Raum verlassen hatte und ich fertig angekleidet war, nahm ich meine lederne Tasche und verstaute die wichtigsten Habseligkeiten in ihr. Vorsichtig schlug ich die Rituskerzen und die Kristallkugel in feines Seidenpapier ein, um sie ja nicht zu zerbrechen. Darüber legte ich eine Schicht Wolle und stapelte anschließend das kunstvoll verzierte Kästchen mit den Runenknochen, das Buch und den kleinen Kessel darauf. Den Stein behielt ich nah an meinem Herzen, eingenäht in eine winzige Tasche in meinem Korsett. Zu guter Letzt packte ich den silbernen Handspiegel und den dazugehörigen Kamm ein, die Ophelia mir zu meinem zehnten Wiegenfest schenkte. Sie würden mich immer an meine Ziehmutter erinnern.
Ich stieg die leicht knarrenden Holztreppen hinab, ging in die Speisekammer und schnürte mir ein Essensbündel mit getrocknetem Fleisch, Brot und etwas Obst. Nun, das würde für einige Tage reichen. Ich konnte ja nicht wissen wie lange die Elda vorhatten, das Feuer wüten zu lassen. Als ich das Essen in mein Bündel gepackt hatte, überlegte ich was ich noch alles brauchen könnte. Die Geschenke hatte ich allesamt verstaut. Da ich nicht genau wusste, wie lange ich Trîan verlassen würde, beschloss ich nach der versteckten Keksdose zu suchen. Ich rückte die schweren Schütten voller Kartoffeln, Äpfeln und Karotten zur Seite und holte die alte Dose heraus. Hier drinnen war alles an Gold, das ich über die Zeit gespart hatte. Ophelia hatte mir schon mit vier Jahren das Nähen beigebracht und so hatte ich mir nebenbei ein Taschengeld verdient. Ich trug eine kleine Geldkatze am Gürtel und steckte zwei Hände voll Gold ein. Die Keksdose stellte ich wieder an ihren ursprünglichen Platz, wer weiß für was ich das restliche Gold noch einmal brauchen würde?
Letztendlich besuchte ich Ophelia in ihrer Nähkammer um Abschied zu nehmen. Die dunkelhaarige Frau lächelte ein trauriges Lächeln, als hätte sie damals schon gewusst wie sich mein Leben von nun an entwickeln würde. Ich erwiderte es zögernd und kehrte ihr und dem Leben das sie mir geboten hatte doch leicht wehmütig den Rücken zu.
Schon als ich aus dem Haus trat, hörte ich die nervösen Rufe der anderen. Mit ruhigen Schritten verließ ich mein Achtel von Trîan und begab mich in das Gebiet der Fischer. Die Menschen waren allesamt aufgeregt und schnatterten wild durcheinander. Ein sicheres Fortkommen war kaum möglich. Überall standen kleine Kinder im Wege, nicht selten kam es vor, das welche weinten und sich die Tränenspuren über die schmutzigen Gesichter zogen. Es stank, wie immer nach Fisch und Verwesung aus den Abwasserkanälen. Ich dachte, dass es seit dem letzten Feuer nicht mehr so schlimm gewesen war. Doch so wie es aussah hatte ich mich getäuscht, es musste wirklich wieder mal ein Feuer die Stadt von ihrem Schmutz reinigen. Ein Schwarm Krähen wurde von einem schreienden Baby aufgeschreckt. Sie stoben mit lautem Krächzen wie wild auseinander und flüchteten sich in die endlosen Weiten des Himmels. Sie waren frei. Gerne wollte ich so frei sein wie sie, nicht ständig diese Last mit mir herumschleppen müssen und einfach davonfliegen, alles hinter mir lassen. Andererseits, ich würde Ophelia doch vermissen und ich kann nicht einfach meinem Schicksal entfliehen. Ich bin eine Auserwählte.
Langsam drängte ich mich durch das dichte Gewühl in Richtung Stadtkern. Ich versuchte den Körperkontakt mit diesen stinkenden und schmutzigen Fischern und ihren Familien größtenteils zu vermeiden. Als der Duft von Verwesung penetranter durch die Gassen zog, wandelte sich mein Gesicht in eine Maske des Abscheus. Ich stolperte und als ich zu Boden blickte, starrte mich ein kleiner, dreckiger Junge aus großen hellgrünen Augen an. Ich versuchte nicht hinzuhören, als er mit leisem Stimmchen zu reden begann. Ich wollte wahrlich nicht hören, was dieses Kind zu sagen hatte, hielt es mich doch nur auf. Doch dieser Blick hatte etwas an sich, das mich in seinen Bann zog und ich fast zwangsweise begann in den Worten zu lauschen. Es war allerdings zu spät, denn der kleine Junge blickte mich nur mehr an. Etwas an dem Ausdruck in seinen hellgrünen Augen war seltsam, doch ich erkannte nicht was es war. Abrupt brach ich den Blickkontakt ab und setzte meinen Weg eilig fort.
Meine Schritte führten mich durch die verschlungenen und engen Gassen des Fischerachtels, bis ich endlich das Herz von Trîan erreichte, die Marktstraße. Von hier aus kommt man zu den beiden Haupttoren Trîans. Auch wenn nur eines davon geöffnet ist und man nur durch jenes Tor die Stadt auf legalem Wege verlassen kann. Im Nordwesten der Stadt, im Gebiet der Viehbauern, gibt es auch noch ein verschlossenes Tor welches nicht bewacht wird. Hierdurch verschwinden oft genug die Wolfsmenschen bei Nacht. Auch der Abschaum benutzt es um draußen in Landriar seinen Geschäften nachzugehen ohne dass die Wachen davon erfahren. Zumindest glaubt der Abschaum Trîans dies. Jeder in Trîan weiß, dass es immer bemerkt wird, wenn man durch dieses Tor verschwindet, doch dem Pöbel ist das wohl egal.
Ich bevorzuge das offene Haupttor, schließlich zähle ich mich ja auch zu den höhergestellten Menschen. Ich war ja auch im Bezirk der Näher, Schneider, Kürschner, Färber und Gerber aufgewachsen. Auch wenn jenes Achtel in der Nähe der Fischergebiete liegt war es ein schöner Ort für Kinder. Jedenfalls, für jene, die dort Freunde hatten. Ich hatte nie welche gehabt. Ich war stets eine Einzelgängerin gewesen – und würde es wahrscheinlich auch immer bleiben.
Tief sog ich die nun frischere Luft in meine Lungen und orientierte mich. Die Marktstraße, auf der ich mich befand, war eigentlich keine richtige Straße, sondern ein riesengroßer, gepflasterter Platz. Dies hier war das Herz von Trîan. Vom Markt aus konnte man alles erreichen. In jede der vier Himmelsrichtungen führte eine breite Straße, auch viele kleine Straßen und verzweigte Gassen verbanden die unterschiedlichsten Orte der Stadt miteinander. Einerseits war es wirklich praktisch, denn so konnte man auf schnellem Wege von einem Ort zum nächsten kommen und andererseits musste es so sein, denn das Gesetz verlangte, dass von jedem Haus in dieser Stadt die Tempel der Elda zu erreichen waren.
Ich stand beim Nordpfeiler des Platzes und musste quer durch das normalerweise fröhliche und laute Getümmel zum Südpfeiler, denn nur dort konnte ich mich als Ausreisende einschreiben lassen. Eigentlich war der Markt ein wirklich schöner Ort, wenn man es mochte unter Menschen zu sein. Die kleinen Stände, an denen die Waren angepriesen werden - in diesen bunten und abwechslungsreichen Farben mit den Fähnchen an den Dächern. Jeder gestaltete seinen kleinen Holzstand speziell um genau das zu zeigen, was er gerne verkaufen würde. Betrachtete man die Stände der Fischer, waren sie mit Netzen behangen. Bei den Teehändlern duftete es nach den verschiedensten Teesorten und erst bei den Metzgern - der verführerische Duft nach frischen Fleisch oder das Aroma frisch gebackenen Brotes an den Ständen der Bäcker und der Höhepunkt des Marktplatzes: das lachende und jauchzend fröhliche Volk, welches sich durch die engen Gassen schlängelte, die durch die zahlreichen Stände entstanden.
Doch am heutigen Tage war alles anders. Jeder hastete eilig durch die engen Gassen. Die Atmosphäre war angespannt, so wie schon im Fischerachtel. Die Bevölkerung gab sich streitlustig, jeder wollte noch unbedingt die letzten Besorgungen erledigen, bevor sie ebenfalls ausreisten, sich versteckten oder sich sicher waren, unter dem Schutz der Elda zu stehen.
Beim näheren Hinsehen bemerkte ich allerdings, das es nicht nur das Volk von Trîan war, das sie hier am Markt aufhielt. Einige Wolfsmenschen aus Brengan waren zum Handeln hier. Ich erkannte sie an den langen zotteligen Haaren. Denn hier in Trîan mussten alle ansässigen Wolfsmenschen ihre Haare kurz scheren, sodass sie sich ungern verwandeln. Da sie in ihrer Menschengestalt so wenige Haare hatten, wirkte sich das auch auf ihr Fell in Wolfsgestalt aus. Und kein Wolf läuft freiwillig ohne Fell, sprich fast nackt herum. Doch die freien Wolfsmenschen, die nicht ihre Tage hier in Trîan verbringen, werden davon ausgenommen, schließlich sind sie genau genommen auch keine Bürger Landriars, sondern nur Händler und Reisende.
Einige Gesandte des Zwergenclans ‚Kriegshammer’ aus dem Kreola’ Gebirge waren ebenfalls anwesend und priesen lautstark ihre Waffen an und sogar ein paar Bauern aus Raszija feilschten hier am Markt um Waren. Diejenigen schien das bevorstehende Feuer nicht zu kümmern. Vielleicht wussten sie gar nichts davon?
Doch das kümmerte mich wenig. Ich wollte einfach nur zu den Wachen um mich austragen zu lassen und die Stadt endlich zu verlassen. Das leichte Ziehen in meinem Bauch trieb mich zur Eile. Ich raffte meine Röcke und schlängelte mich weiter durch das Treiben des Marktplatzes – immer darauf bedacht so wenig Wesen wie möglich zu berühren.
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