Arthor
Khálaturin
Kapitel 1 - Ferlos
Zweiunddreißig Jahre vor diesem erschreckenden Ereignis wurde am 18. Mittsommer 453 v.St 2.Ära ein Menschenjunge geboren. Er lebte hoch im Norden in Hargrem am Fuße des Frostgebirges. Sein Name, Ferlos Dämmernacht. Er war, wie jedes andere Kind, ein normaler Bürger von Silberdach. Er wurde in einem kleinen Haus geboren, dass im östlichen Viertel stand. Seine Mutter hatte unangenehme Schmerzen bei seiner Geburt. Sie schrie so laut, dass alle Bewohner in der Stadt aus ihrem Schlaf gestört wurden. Der Schrei klang wie der einer Todesfee. Die Leute dachten sie wurde angegriffen, sie hasteten zu ihrem Haus um sie zu beschützen, selbst der Bürgermeister kam mit seinen Dienern und Schwertern. Lange dauerte es bis das Kind draußen war, die Mutter, Viola Dämmernacht, wollte, dass es aufhörte. Sie verlangte sogar, dass man sie umbrachte, nur damit diese schlimmen, schrecklichen Schmerzen ein Ende hatten. Als sie dachte es ginge nicht mehr und die Leute anfingen laut die Tür einzubrechen, wie die Streitdornaffen im Süden, war das Kind frei von ihrem Bauch. Die stechenden Schmerzen hörten endlich auf, damit auch der Schrei von Viola. Ihre Mutter, Fierona, welche die einzige war, die Viola bei der Geburt beigestanden war, bedeckte das Kind mit einem Tuch und nahm es in ihre Arme. Viola war müde, ächzte immernoch und war gleichzeitig auch glücklich, dass ihr Kind lebte und sie es in den Armen tragen konnte – und nicht im Bauch.
Das Baby schrie, wie jedes andere Kind, das beruhigte Viola. Ihre Mutter bückte sich leicht und legte es neben ihr hin. Viola sah das Kind an, ihren größten Schatz, den sie sich schon immer holen wollte. Sie lächelte, umarmte es und brach in Freudentränen aus.
Die Leute demolierten die Tür und sahen Fierona mit dem Jungen in ihrem Arm. Der Bürgermeister stand entgeistert vor ihrer Türschwelle. Das Kind schrie und den Leuten wurde klar, was passiert war. Und als es ihnen klar wurde, kam ihnen ein mildes Lächeln. Der Bürgermeister bat um das Kind, und wandt sich zu seiner Stadt. Fierona flüsterte ihm noch den Namen des Kindes ins Ohr. „Liebe Bürger und Bürgerinnen“, berichtete er, „wir wurden aus unseren bequemen und warmen Betten verjagt. Nicht weil diese Familie bedroht wurde. Nein, diesem Kind wurde das Leben geschenkt. Ein Junge in Silberdach. Hiermit stelle ich Euch Ferlos vor. Den Lichtbringer. Er wird eines Tages ein großer und mutiger Soldat Silberdachs sein und sich unserer Gemeinschaft einen ehrenvollen Namen machen. Auf das Wohl des Ferlos!“
Die Bürger wiederholten laut und mehrmals „auf das Wohl des Ferlos“. Der Bürgermeister gab das Kind zurück zu seiner Großmutter und ging zurück zu seinem Anwesen. Die Bürger Silberdachs verschwanden wieder in ihre Häuser und machten gleichzeitig das Licht aus.
Die Lage in Silberdach verschlechterte sich. Bei einem Überraschungsangriff von Barbaren wurden Häuser zerstört, Gold geraubt und manche Bürger, sowohl auch der Bürgermeister ermordet. Das Rathaus war verbrannt, und alle Mitglieder der Abgeordneten verschwanden. Die Stadt musste also ohne Gesetze und Geld auskommen. Da der Bürgermeister keine Kinder oder enge Freunde hatte, wurde kein neuer Mann gewählt. Viele verließen Silberdach wegen dem kalten nahenden Winter. Aber auch viele blieben, weil sie keine Verwandten oder kein Geld besaßen um sich eine Hütte zu mieten. Die Gassen stanken nach Urin und Erbrochenem. Die Zeiten des Hungers kamen rasch voran, denn es kamen fast so gut wie nie Händler. Die Männer waren zu schwach um jagen zu können. Und bald starben die ersten Menschen im Sitzen in Seitengassen. Niemandem kümmerten die Leichen, die einfach da lagen und nach Verwesung stanken. Schließlich häuften sich Leichenberge, so dass manche Straßen nicht mehr frei waren um auf ihnen richtig zu laufen. Die Leichenbergerstraße im südlichen Viertel hatte dadurch ihren Namen bekommen. Der Winter trat nach Silberdach und bedeckte viele Häuser mit Schnee, so kalt und so grausig wie Eistrolle. Die meisten Häuser waren nicht winddicht und warm. Pelze waren so viel wert wie Brot, also so viel wert wie ein Schloss bei ihnen, weil es nur wenig Mäntel gab. Und so schlecht es den Menschen und Elben dort ging, waren Tage Monate, und Monate ein Jahrhundert.
Doch Ferlos scherte es nicht, dass Menschen starben, dass der Winter Schnee brachte, dass er arm war und dass er kein richtiges Zuhause hatte. Auch wenn Ferlos wie ein ganz normaler, schwarzhaariger, dünner und starker Junge aussah, spürte er die eisige Kälte nicht. Er hungerte auch nicht wie die anderen in der Gasse und aus irgendeinem Grund liebte er es zuzusehen wie Menschen und Elben starben. Sein Herz pulsierte dabei, seine Adern flossen schneller und seine Freunde erzählten manchmal, dass seine Zähne und Augen dabei ...ungewöhnlich aussahen. Er verstand nie was für ein Schabernack sie überhaupt sprachen.
Nur seine Mutter war ihm das Wichtigste. Auch sie fing an zu hungern, als er gerade mal vierzehn Jahre alt war, und er wusste, dass sie bei einem solchen Lebensstil nicht überleben konnte. Also ging er heimlich in den Wald und schnitzte einen Bogen mit mehreren Pfeilen. Die Kunst der Schnitzerei lernte er von einem Schmied, als Silberdach noch eine schöne Stadt war. Jetzt sind sie alle zu gierig und kalt um überhaupt mit ihm zu reden. Deshalb hasste er die meisten in seiner Heimat. Er ging des öfteren jagen, wenn es sich gut anbot heimlich aus der Stadt zu schleichen. Er wollte nicht, dass andere ihn bemerkten und baten, etwas mitzubringen. Er kletterte jede Nacht auf Bäume um von oben nicht so leicht entdeckt zu werden und um besser seine Beute zu beobachten. Er ging immer darauf sicher, dass niemand ihn störte oder ihm folgte. Dann hatte er mehrere Tötungstechniken. Die eine Möglichkeit war, sich mit einem Messer auf seine Beute fallen zu lassen, je nachdem wie groß das Tier war. Falls es einen Hirsch oder ein Schneebulle war. Die zweite Variante war, sein Ziel mit dem Bogen zu erschießen, aber nur wenn das Tier ihn gefährden konnte. Zum Beispiel ein Säbelzahntiger, ein Höhlenbär oder ein Bergwolf. Ferlos hatte viele Methoden um zu jagen, aber die waren meist kompliziert oder aufmerksamkeitserregend. Das Fleisch brachte er in einem Sack wieder nach Hause. Er legte Holzscheite in den Ofen, zündete das Feuer mit zwei Steinen an und brat so das Fleisch. Somit konnte er seine Mutter gut versorgen. Doch die Zeit kam, in der seine Mutter plötzlich Blutgifthusten bekam und ihr nur noch wenig Zeit blieb um zu überleben, es sei denn er hätte genug Geld um sich Medizin zu holen, die alles problemlos heilen konnte. Aber weder seine Künste im Taschendiebstahl noch Straßenspiele konnten viel Geld herzaubern. Er fing an zu zweifeln und zerbrach sich den Kopf deswegen. Er wollte sich ablenken und jagte deshalb große Tiere.
Eines Tages erwischte ihn sein bester Freund Valorian, ein Dunkelelb, bei der Jagd als er gerade ein Rudel Todeskatzen jagen wollte. Ferlos wunderte es nicht, denn er hatte ihn kommen hören, schon bevor er den Wald betrat.
„Was willst Du?“, fragte Ferlos kalt.
„Ich will wissen, was Du um diese Zeit im Wald tust.“, sagte Valorian. “Ich sehe Dich immer nachts herumschleichen. Du weißt, dass Du um diese Zeit nicht aus der Stadt darfst!“
„Willst Du mich deswegen aufhalten? In dieser Stadt kümmert es niemanden, dass ich fortgehe.“
„Und weshalb schleichst Du?“
„Damit niemand sieht, dass ich totes Fleisch mitbringe, es ist für meine Mutter gedacht und nicht für die Bastarde auf der Straße!“ Ferlos klang zornig und Valorian fühlte sich gekränkt.
„Du nennst uns also alle Bastarde. Alle?“, fragte der Dunkelelb gebrochen. Ferlos änderte seine Miene.
„Nein, nein, ich habe nicht Dich gemeint, es tut mir leid. Bitte, Du weißt, dass ich Dich niemals beleidigen würde. Es liegt...“
„Es liegt an deiner Mutter, stimmt’s?“, sagte Valorian. „Ich höre sie manchmal keuchen, sie hat Blutgifthusten. Ich verstehe schon, tut mir leid.“
Ferlos seufzte. „Was soll ich nur tun, Val? In dieser Stadt findest so gut wie keine Arbeit. Und einfach abhauen kann ich nicht. Ich kann meine Mutter nicht im Stich lassen, sie bedeutet mir so viel. Wenn ich doch nur Geld hätte um sie versorgen zu können, dann ..., ach, ich weiß nicht. Wir leben in schlimmen Zeiten!“
„Weißt Du, Ferlos“, meinte Valorian. „Ich glaube eher, dass wir in einem schlimmen Ort leben. Was wenn es Orte in der Nähe gibt, wo Du Arbeit findest. Ich denke, es wäre ein Versuch wert, hinter den Kamm im Althumtal zu sehen. Dort findest Du sicher Großstädte.“
„Und eine Horde Bergwölfe und Höllenhunde!“, erinnerte Ferlos lachend. „Wenn es nicht so viele Biester da draußen gäbe, hätten wir Krieg, weil wir uns um Reichtum streiten. Und wenn ich es mir recht überlege, ist mir das Getier lieber.“
„Ich sage das ungern, aber ich muss mich dir anschließen.“ Val grinste und beide stimmten zu einem Lachen. Sie schwiegen eine Weile.
Ferlos überlegte, wer er wäre, wenn er Silberdach längst verlassen hätte. Wäre er immer noch arm und von Schmutz gekleidet, oder hätte er ein glückliches Leben mit seiner Mutter als Jäger irgendwo in der Nähe von Melandren. Er wusste nicht, wo er stehen würde, doch irgendwas in seinem Kopf sagte ihm, dass er keins von beiden sein würde.
Valorian begann wieder zu reden. „Ich habe eine Bitte an Dich, Ferl.“, sagte er. „Ich möchte mit Dir auf die Jagd gehen. Ich und meine Familie haben Hunger, und es wird sicher irgendwann die Zeit kommen, in der wir gegen das kämpfen müssen, wofür wir dienten und lebten. Und wenn ich ehrlich sein muss ...“ Er schaute über seine Schultern und ging mit Ferlos ein paar Schritte. „ ...ich habe eine dunkle Vorahnung, die mich nie schlafen lässt. Irgendwas Großes wird passieren!“
„Was denn ...für eine Vorahnung?“ Ferlos wurde neugierig.
„Ich ...ich kann das nicht erklären. Manchmal habe ich Visionen von einem Tor!“
„Ein Tor? Was?“
„Nicht irgendein Tor! Ein riesengroßes Tor, so groß wie ein Berg. Es war schwarz und aus Stein. Es besaß funkelnde Stellen, und es hatte Gravierungen von eigenartigen Zeichen, die ich noch nie gesehen habe. Und sie flüsterte in einer eigenartigen Sprache, die wie Zischen und Knirschen klang.“
Ferlos war komisch zumute, nicht nur weil er diesen Nonsens verstand, sondern weil ihm das vertraut vorkam. Er wusste allerdings nicht mehr woher.
„Das klingt verrückt und unsinnig.“
„Ich weiß das es so klingt. Aber Du musst mir vertrauen. Ich glaube nämlich, dass die Tür, äh Tor – ach, was auch immer – etwas bewacht, oder sogar versperrt. Etwas Großes.“
„Weißt Du, warum ich Dir diesen Schabernack glaube? Weil Du mein bester Freund bist und ich Dir mehr anvertrauen kann als der ganzen Welt.
„Ich danke Dir, Ferlos Dämmernacht, Lichtbringer unserer Zeit.“
Ferlos seufzte ermüdend, wenn er nur das Wort Lichtbringer hörte. „Val, Du weißt, ich hasse diesen Begriff!
„Oh ähm, ja natürlich. Verzeih mir!“
„Es gibt keine Begründung dafür.“ Ferlos schmunzelte.
„Was ich Dir damit sagen will ist, dass wir auf alles vorbereitet sein müssen, egal was kommt. Und genau deshalb möchte ich jagen gehen und von dir lernen.“
Ferlos staunte und willigte sofort ein, und er erklärte ihn sofort zum Schüler. Er beschloss, den Unterricht sofort anzufangen. Doch bevor sie überhaupt anfingen, brauchte der Dunkelelb eine geeignete Waffe selbstverständlich. Das hieß ersteinmal, einen passenden, starken und biegsamen Ast finden. Ihn in die richtige Bogenform schnitzen und eine Sehne zu basteln. Dabei hatte Ferlos zufällig mehrere Schnüre dabei, die er zusammen wickelte. An jedem Ende der Sehne war eine Schlaufe, die er an den Wurfarmen einhängte. So entstand Vals Bogen, kleiner, konnte dafür aber besser zielen. Valorian betrachtete den Bogen und war beeindruckt von der Herstellung. „Hier, nimm ein paar von meinen Pfeilen.“, sagte Ferlos und reichte ihm welche. Sie waren krumm, die Federn unterschiedlich groß, und die Spitzen stumpfwinklig und eingekerbt. „Sind zwar nicht perfekt, aber sollten reichen.“
„Ich danke Dir ..., Meister.“, sagte Valorian glücklich.
„Nett, Dich kennenzulernen, nenne mich aber Ferlos.“, scherzte er.
Valorian brauchte ein wenig Zeit um Ziele perfekt treffen zu können. Es war komisch für Ferlos. Er war es gewohnt, dass die Elben die Meisterschützen von ganz Aerdez waren. Und jetzt war sein erster Lehrling ein Dunkelelb, der noch nicht einmal einen richtigen Kampf gesehen hatte. Eigenartig und lustig zu gleich. Falls Ferlos älter sein würde, musste er es unbedingt seinen Söhnen und Töchtern erzählen. Ironie des Schicksals, konnte er sich sagen.
Es war bald Sonnenuntergang, und er wollte nicht mit leeren Händen heimkehren. „Komm, bevor es dunkel wird!“, rief Ferlos Valorian zu.
„Ki’l mala sek hadnikh kenesh!“ „Ich folge Dir auf Schritt und Tritt!“, antwortete er.
Sie liefen mit leisen Schritten mit den Bögen in ihren Händen einen kleinen Pfad. Es ging steil einen Kamm hinauf, dank der zahlreichen Bäumen hielten sie sich fest und rutschten nicht ab. Sie folgten weiter dem Pfad, der nur aus Kies bestand. Es fing schon an zu schneien, und bald wehte ein Sturm, der ihre Sicht bedeckte. „Ich glaube das war’s mit dem Klettern“, meinte der Lehrer. „Ein andernmal, versprochen.“
„Kein Problem.“
Es wurde dunkel und mit dem Sturm zugleich sahen sie fast gar nichts. Sie verirrten sich und verbrachten Stunden im Wald. Valorian wurde kalt, doch Ferlos schien es nicht zu kümmern, was der Winter mit ihm machte. Es waren auch nirgendswo Tiere zu sehen, welche sich erkenntlich zeigten oder irgendwelche Rufe ausstöhnten. Ferlos sorgte sich mehr um Val als um sich selber. Er gab ihm seinen Mantel um ihn zu wärmen, auch so wurde Ferlos nicht kalt, er spürte überhaupt nichts. „Ferlos, geht ...es Dir gut?“
„Mich stört eher die Sorge um Dich als die Kälte, sie kann mir nichts anhaben, ...warum auch immer.“
„Nein! Lege den Mantel wieder an, ich will nicht, dass Du sirbst um mich zu retten.“
„Ach, mein lieber Freund. Wenn mir kalt wäre, wäre ich sofort erfroren, ich spüre nicht den leisesten Frost um mich.“
„Wenn Du das so sagst, bitte schön“, meinte der Dunkelelb. „Aber sage nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt.“
Ferlos lachte.
Der Sturm legte sich, es schneite nur ein wenig. Doch Ferlos verlor die Orientierung und konnte sich und seinem Freund nicht helfen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf einen Baum zu klettern und von oben aus sich umzusehen. Gesagt, getan. Er stieg hinauf und seine Handschuhe klebten sich mit Baumharz und Nadeln voll. Seine Kleidung war grüngefärbt. Er stand hoch oben auf einem Nadelbaum und beobachtete wie die Nacht sich mit Sternen füllte. Er sah vor sich das Frostgebirge mit den gigantischen Bergen, wie große Eiszapfen standen sie engeinander und bedrohlich wirkte ihr Aussehen. Weiter nach links sah er Hasgul den Eistod, wie Legenden und Geschichten ihn nannten. Einst lebte in Silberdach ein Mann namens Orif, der den Berg fürchtete. Seine Familie wurde später von Hexen entführt und in den Berg gebracht. Er wollte aber nicht alleine in den Berg, so heuerte er ein Dutzend Mann an, und sie folgten ihm in den Berg. Dort angekommen wurden sie von Schneetrollen angegriffen. Einige Mann starben, doch die Trolle waren besiegt. Sie stiegen dann weiter hinauf. Jedoch endete die Geschichte an dieser Stelle, denn niemand wusste, was danach geschah. Eine alte Geschichte, die Ferlos als kleiner Junge hörte.
„Hasgul, Frostgebirge, dann muss Silberdach ...“ Er drehte sich um und sah kleine Schatten mit ein paar Lichtern. „Ja, gerettet!“
Er stieg hinunter, wo ihn gleich Val erwartete. Er berichtete, was er sah und lief zusammen mit Val den Pfad hinunter. Und erstaunlicherweise sah Ferlos die einzelnen Umrisse der Bäume und den Schnee um sich herum viel besser und genauer. „Besser kann es uns nicht gehen, der Mond erhellt uns den Weg.“
„Was? Ich sehe weder einen Mond noch irgendwas anderes!“, sagte der Dunkeleb.
„Moment, ...ähm?“ Valorian hatte recht, da war kein Mond. Nur Sterne. „Nun denn, kein Mond. Ist auch egal, ich kann sehen, das genügt uns.“
Er nahm ihn beim Arm und zerrte ihn mit sich, als er den Hügel herab rannte. Es ging viel schneller voran, als Ferlos dachte. Sie waren in unter fünfzehn Minuten am Hang gewesen, wo Ferlos den Bogen für Valorian schnitzte. Dann hörte er ein fremdes Rufen eines Tieres. Das Echo war laut und tief. Es war also noch in der Nähe. Das war für Ferlos die einzige Chance noch Essen holen zu können. Das Tier klang groß, sehr groß.
„Warte hier!“, befahl er dem Dunkelelb.
„Moment, warte. Wo willst Du hin?“, fragte er überrascht.
„Ich hole mir Abendessen.“
„Moment, Ferlos!“
Es war zu spät ihn einzuholen, er rannte wie der Wind nach oben. Er folgte dem Ruf des Tieres. Was auch immer es war, Ferlos kannte es nicht. Aber was er wusste, war, dass es gefährlich und groß war. Also stieg Ferlos auf einen Baum, sprang von Ast zu Ast, kletterte höher und wurde von unten unsichtbar, wie ein Schatten. Leise und tödlich. Es verging eine Zeit lang, da war er am Ort des Tieres, und was er sah, beeindruckte ihn und brachte fast dazu, dass er stürzte.
Es war nicht ein Tier, es waren mehrere. Starke, große, kräftige Tiere mit Fell und dicken Beinen. Groß wie Häuser und stark wie Felsen. Die Rüssel so lang, wie Eisenschlangen. Die Stoßzähne dick und scharf wie Speere. Diese Wesen standen auf einer großen Fläche aus Eis am Fuße des Gebirges. Ihre Herde bedeckte das halbe Eis.
„Unglaublich, Mammuts!“, murmelte Ferlos und freute sich riesig darüber. Er sah noch nie zuvor Mammuts, nur in Geschichten war manchmal die Rede davon. Viele hielten sie für ausgestorben, andere sagten, sie wären nur reine Erfindung. Doch Ferlos fand sie, zufällig und überrascht. Wenn er eines tötete, konnte er beweisen, dass es sie gab, und immer noch gibt. Silberdach konnte die Stoßzähne und das Fell verkaufen und wieder reich werden. Ferlos wäre dann ein Held seiner Stadt. Aber er konnte es nicht mit so vielen aufnehmen. Er wusste nicht einmal, wie er eines töten sollte.
Er improvisierte und sprang vom Baum leise. Er wollte wissen ob sie friedlich oder aggressiv waren. Also ging er langsam und mit leisen Schritten auf sie zu. Er spürte wie der Boden unter ihm bebte, wenn einer der Mammuts einen Schritt machte. Es wäre sehr interessant herauszufinden, wie Mammuts auf Menschen reagieren. Er kam immer näher, und schon entdeckte ihn eins. Ferlos blieb stehen, damit er einen harmlosen Eindruck erwecken konnte. Das größte Mammut kam auf ihn zu, auch mit langsamen Schritten, die Herde folgte dem Anführer. Der Anführer stand dicht an Ferlos. Er spürte die Wärme des Tiers, als wäre es seine eigene. Ferlos legte die Hand vorsichtig auf den Stoßzahn des Großen. Es fühlte sich hart und warm an, obwohl Mammuts in frostigen Gegenden lebten. Bei Ferlos zeigte sich ein Lächeln, es fühlte sich toll an einen Koloss anzurühren, der einem nichts tut. Das Mammut schlang seinen Rüssel um Ferlos und hob ihn hoch. Der Wind durchwehte seine Haare, und er sah eine lange Reihe der Mammuts, sie reichte bis zum Gebirge. Da wusste er, dass diese großen Wesen aus den Ländern vom Norden kamen, welche nicht in ihren Karten gezeigt werden.
Es war irgendwie schade; solche Tiere werden früher oder später gefunden und getötet. Es konnte zwar seine Stadt retten, aber er wollte nicht, dass so eine Art wieder lang vergessen ging. Er wollte das aufhalten, nur wusste er nicht, was er tun sollte. „Kannst Du mich runterlassen, liebes Mammut?“, sagte er zum Anführer. Es ließ ihn runter. Ferlos bedankte sich und sagte ihm, dass er bald wieder zurückkomme. Er musste nach Hause zurück, Valorian machte sich bestimmt Sorgen.
Doch er konnte nicht nach Hause, denn als er in den Wald ging, stoßte ihn eine große Hand mit Krallen zurück. Er wurde gestoßen und bekam vier Kratzer in die Brust. Ein riesiger Wolf kam aus dem Saum und knurrte ihn an. Er war weiß und stand dann auf zwei Beinen. Es war ein Warfin. Die Warfin waren große Wölfe, die auf zwei Beinen standen und die Menschensprache beherrschten. „Was ist? Wolltest Du zurück zu Mama?“, sagte der Warfin. „Sie wird Dir nicht helfen!“ Ferlos wollte aufstehen, doch der Wolf hielt ihn fest und öffnete sein blutriechendes Maul. Doch ein Mammut kam und stoßte den Wolf weg. Ferlos stand auf und rannte zum Wald zurück. Als er schließlich den Hügel nach unten rannte, spürte er einen Schlag auf die Stirn und wurde ohnmächtig.
Zweiunddreißig Jahre vor diesem erschreckenden Ereignis wurde am 18. Mittsommer 453 v.St 2.Ära ein Menschenjunge geboren. Er lebte hoch im Norden in Hargrem am Fuße des Frostgebirges. Sein Name, Ferlos Dämmernacht. Er war, wie jedes andere Kind, ein normaler Bürger von Silberdach. Er wurde in einem kleinen Haus geboren, dass im östlichen Viertel stand. Seine Mutter hatte unangenehme Schmerzen bei seiner Geburt. Sie schrie so laut, dass alle Bewohner in der Stadt aus ihrem Schlaf gestört wurden. Der Schrei klang wie der einer Todesfee. Die Leute dachten sie wurde angegriffen, sie hasteten zu ihrem Haus um sie zu beschützen, selbst der Bürgermeister kam mit seinen Dienern und Schwertern. Lange dauerte es bis das Kind draußen war, die Mutter, Viola Dämmernacht, wollte, dass es aufhörte. Sie verlangte sogar, dass man sie umbrachte, nur damit diese schlimmen, schrecklichen Schmerzen ein Ende hatten. Als sie dachte es ginge nicht mehr und die Leute anfingen laut die Tür einzubrechen, wie die Streitdornaffen im Süden, war das Kind frei von ihrem Bauch. Die stechenden Schmerzen hörten endlich auf, damit auch der Schrei von Viola. Ihre Mutter, Fierona, welche die einzige war, die Viola bei der Geburt beigestanden war, bedeckte das Kind mit einem Tuch und nahm es in ihre Arme. Viola war müde, ächzte immernoch und war gleichzeitig auch glücklich, dass ihr Kind lebte und sie es in den Armen tragen konnte – und nicht im Bauch.
Das Baby schrie, wie jedes andere Kind, das beruhigte Viola. Ihre Mutter bückte sich leicht und legte es neben ihr hin. Viola sah das Kind an, ihren größten Schatz, den sie sich schon immer holen wollte. Sie lächelte, umarmte es und brach in Freudentränen aus.
Die Leute demolierten die Tür und sahen Fierona mit dem Jungen in ihrem Arm. Der Bürgermeister stand entgeistert vor ihrer Türschwelle. Das Kind schrie und den Leuten wurde klar, was passiert war. Und als es ihnen klar wurde, kam ihnen ein mildes Lächeln. Der Bürgermeister bat um das Kind, und wandt sich zu seiner Stadt. Fierona flüsterte ihm noch den Namen des Kindes ins Ohr. „Liebe Bürger und Bürgerinnen“, berichtete er, „wir wurden aus unseren bequemen und warmen Betten verjagt. Nicht weil diese Familie bedroht wurde. Nein, diesem Kind wurde das Leben geschenkt. Ein Junge in Silberdach. Hiermit stelle ich Euch Ferlos vor. Den Lichtbringer. Er wird eines Tages ein großer und mutiger Soldat Silberdachs sein und sich unserer Gemeinschaft einen ehrenvollen Namen machen. Auf das Wohl des Ferlos!“
Die Bürger wiederholten laut und mehrmals „auf das Wohl des Ferlos“. Der Bürgermeister gab das Kind zurück zu seiner Großmutter und ging zurück zu seinem Anwesen. Die Bürger Silberdachs verschwanden wieder in ihre Häuser und machten gleichzeitig das Licht aus.
Die Lage in Silberdach verschlechterte sich. Bei einem Überraschungsangriff von Barbaren wurden Häuser zerstört, Gold geraubt und manche Bürger, sowohl auch der Bürgermeister ermordet. Das Rathaus war verbrannt, und alle Mitglieder der Abgeordneten verschwanden. Die Stadt musste also ohne Gesetze und Geld auskommen. Da der Bürgermeister keine Kinder oder enge Freunde hatte, wurde kein neuer Mann gewählt. Viele verließen Silberdach wegen dem kalten nahenden Winter. Aber auch viele blieben, weil sie keine Verwandten oder kein Geld besaßen um sich eine Hütte zu mieten. Die Gassen stanken nach Urin und Erbrochenem. Die Zeiten des Hungers kamen rasch voran, denn es kamen fast so gut wie nie Händler. Die Männer waren zu schwach um jagen zu können. Und bald starben die ersten Menschen im Sitzen in Seitengassen. Niemandem kümmerten die Leichen, die einfach da lagen und nach Verwesung stanken. Schließlich häuften sich Leichenberge, so dass manche Straßen nicht mehr frei waren um auf ihnen richtig zu laufen. Die Leichenbergerstraße im südlichen Viertel hatte dadurch ihren Namen bekommen. Der Winter trat nach Silberdach und bedeckte viele Häuser mit Schnee, so kalt und so grausig wie Eistrolle. Die meisten Häuser waren nicht winddicht und warm. Pelze waren so viel wert wie Brot, also so viel wert wie ein Schloss bei ihnen, weil es nur wenig Mäntel gab. Und so schlecht es den Menschen und Elben dort ging, waren Tage Monate, und Monate ein Jahrhundert.
Doch Ferlos scherte es nicht, dass Menschen starben, dass der Winter Schnee brachte, dass er arm war und dass er kein richtiges Zuhause hatte. Auch wenn Ferlos wie ein ganz normaler, schwarzhaariger, dünner und starker Junge aussah, spürte er die eisige Kälte nicht. Er hungerte auch nicht wie die anderen in der Gasse und aus irgendeinem Grund liebte er es zuzusehen wie Menschen und Elben starben. Sein Herz pulsierte dabei, seine Adern flossen schneller und seine Freunde erzählten manchmal, dass seine Zähne und Augen dabei ...ungewöhnlich aussahen. Er verstand nie was für ein Schabernack sie überhaupt sprachen.
Nur seine Mutter war ihm das Wichtigste. Auch sie fing an zu hungern, als er gerade mal vierzehn Jahre alt war, und er wusste, dass sie bei einem solchen Lebensstil nicht überleben konnte. Also ging er heimlich in den Wald und schnitzte einen Bogen mit mehreren Pfeilen. Die Kunst der Schnitzerei lernte er von einem Schmied, als Silberdach noch eine schöne Stadt war. Jetzt sind sie alle zu gierig und kalt um überhaupt mit ihm zu reden. Deshalb hasste er die meisten in seiner Heimat. Er ging des öfteren jagen, wenn es sich gut anbot heimlich aus der Stadt zu schleichen. Er wollte nicht, dass andere ihn bemerkten und baten, etwas mitzubringen. Er kletterte jede Nacht auf Bäume um von oben nicht so leicht entdeckt zu werden und um besser seine Beute zu beobachten. Er ging immer darauf sicher, dass niemand ihn störte oder ihm folgte. Dann hatte er mehrere Tötungstechniken. Die eine Möglichkeit war, sich mit einem Messer auf seine Beute fallen zu lassen, je nachdem wie groß das Tier war. Falls es einen Hirsch oder ein Schneebulle war. Die zweite Variante war, sein Ziel mit dem Bogen zu erschießen, aber nur wenn das Tier ihn gefährden konnte. Zum Beispiel ein Säbelzahntiger, ein Höhlenbär oder ein Bergwolf. Ferlos hatte viele Methoden um zu jagen, aber die waren meist kompliziert oder aufmerksamkeitserregend. Das Fleisch brachte er in einem Sack wieder nach Hause. Er legte Holzscheite in den Ofen, zündete das Feuer mit zwei Steinen an und brat so das Fleisch. Somit konnte er seine Mutter gut versorgen. Doch die Zeit kam, in der seine Mutter plötzlich Blutgifthusten bekam und ihr nur noch wenig Zeit blieb um zu überleben, es sei denn er hätte genug Geld um sich Medizin zu holen, die alles problemlos heilen konnte. Aber weder seine Künste im Taschendiebstahl noch Straßenspiele konnten viel Geld herzaubern. Er fing an zu zweifeln und zerbrach sich den Kopf deswegen. Er wollte sich ablenken und jagte deshalb große Tiere.
Eines Tages erwischte ihn sein bester Freund Valorian, ein Dunkelelb, bei der Jagd als er gerade ein Rudel Todeskatzen jagen wollte. Ferlos wunderte es nicht, denn er hatte ihn kommen hören, schon bevor er den Wald betrat.
„Was willst Du?“, fragte Ferlos kalt.
„Ich will wissen, was Du um diese Zeit im Wald tust.“, sagte Valorian. “Ich sehe Dich immer nachts herumschleichen. Du weißt, dass Du um diese Zeit nicht aus der Stadt darfst!“
„Willst Du mich deswegen aufhalten? In dieser Stadt kümmert es niemanden, dass ich fortgehe.“
„Und weshalb schleichst Du?“
„Damit niemand sieht, dass ich totes Fleisch mitbringe, es ist für meine Mutter gedacht und nicht für die Bastarde auf der Straße!“ Ferlos klang zornig und Valorian fühlte sich gekränkt.
„Du nennst uns also alle Bastarde. Alle?“, fragte der Dunkelelb gebrochen. Ferlos änderte seine Miene.
„Nein, nein, ich habe nicht Dich gemeint, es tut mir leid. Bitte, Du weißt, dass ich Dich niemals beleidigen würde. Es liegt...“
„Es liegt an deiner Mutter, stimmt’s?“, sagte Valorian. „Ich höre sie manchmal keuchen, sie hat Blutgifthusten. Ich verstehe schon, tut mir leid.“
Ferlos seufzte. „Was soll ich nur tun, Val? In dieser Stadt findest so gut wie keine Arbeit. Und einfach abhauen kann ich nicht. Ich kann meine Mutter nicht im Stich lassen, sie bedeutet mir so viel. Wenn ich doch nur Geld hätte um sie versorgen zu können, dann ..., ach, ich weiß nicht. Wir leben in schlimmen Zeiten!“
„Weißt Du, Ferlos“, meinte Valorian. „Ich glaube eher, dass wir in einem schlimmen Ort leben. Was wenn es Orte in der Nähe gibt, wo Du Arbeit findest. Ich denke, es wäre ein Versuch wert, hinter den Kamm im Althumtal zu sehen. Dort findest Du sicher Großstädte.“
„Und eine Horde Bergwölfe und Höllenhunde!“, erinnerte Ferlos lachend. „Wenn es nicht so viele Biester da draußen gäbe, hätten wir Krieg, weil wir uns um Reichtum streiten. Und wenn ich es mir recht überlege, ist mir das Getier lieber.“
„Ich sage das ungern, aber ich muss mich dir anschließen.“ Val grinste und beide stimmten zu einem Lachen. Sie schwiegen eine Weile.
Ferlos überlegte, wer er wäre, wenn er Silberdach längst verlassen hätte. Wäre er immer noch arm und von Schmutz gekleidet, oder hätte er ein glückliches Leben mit seiner Mutter als Jäger irgendwo in der Nähe von Melandren. Er wusste nicht, wo er stehen würde, doch irgendwas in seinem Kopf sagte ihm, dass er keins von beiden sein würde.
Valorian begann wieder zu reden. „Ich habe eine Bitte an Dich, Ferl.“, sagte er. „Ich möchte mit Dir auf die Jagd gehen. Ich und meine Familie haben Hunger, und es wird sicher irgendwann die Zeit kommen, in der wir gegen das kämpfen müssen, wofür wir dienten und lebten. Und wenn ich ehrlich sein muss ...“ Er schaute über seine Schultern und ging mit Ferlos ein paar Schritte. „ ...ich habe eine dunkle Vorahnung, die mich nie schlafen lässt. Irgendwas Großes wird passieren!“
„Was denn ...für eine Vorahnung?“ Ferlos wurde neugierig.
„Ich ...ich kann das nicht erklären. Manchmal habe ich Visionen von einem Tor!“
„Ein Tor? Was?“
„Nicht irgendein Tor! Ein riesengroßes Tor, so groß wie ein Berg. Es war schwarz und aus Stein. Es besaß funkelnde Stellen, und es hatte Gravierungen von eigenartigen Zeichen, die ich noch nie gesehen habe. Und sie flüsterte in einer eigenartigen Sprache, die wie Zischen und Knirschen klang.“
Ferlos war komisch zumute, nicht nur weil er diesen Nonsens verstand, sondern weil ihm das vertraut vorkam. Er wusste allerdings nicht mehr woher.
„Das klingt verrückt und unsinnig.“
„Ich weiß das es so klingt. Aber Du musst mir vertrauen. Ich glaube nämlich, dass die Tür, äh Tor – ach, was auch immer – etwas bewacht, oder sogar versperrt. Etwas Großes.“
„Weißt Du, warum ich Dir diesen Schabernack glaube? Weil Du mein bester Freund bist und ich Dir mehr anvertrauen kann als der ganzen Welt.
„Ich danke Dir, Ferlos Dämmernacht, Lichtbringer unserer Zeit.“
Ferlos seufzte ermüdend, wenn er nur das Wort Lichtbringer hörte. „Val, Du weißt, ich hasse diesen Begriff!
„Oh ähm, ja natürlich. Verzeih mir!“
„Es gibt keine Begründung dafür.“ Ferlos schmunzelte.
„Was ich Dir damit sagen will ist, dass wir auf alles vorbereitet sein müssen, egal was kommt. Und genau deshalb möchte ich jagen gehen und von dir lernen.“
Ferlos staunte und willigte sofort ein, und er erklärte ihn sofort zum Schüler. Er beschloss, den Unterricht sofort anzufangen. Doch bevor sie überhaupt anfingen, brauchte der Dunkelelb eine geeignete Waffe selbstverständlich. Das hieß ersteinmal, einen passenden, starken und biegsamen Ast finden. Ihn in die richtige Bogenform schnitzen und eine Sehne zu basteln. Dabei hatte Ferlos zufällig mehrere Schnüre dabei, die er zusammen wickelte. An jedem Ende der Sehne war eine Schlaufe, die er an den Wurfarmen einhängte. So entstand Vals Bogen, kleiner, konnte dafür aber besser zielen. Valorian betrachtete den Bogen und war beeindruckt von der Herstellung. „Hier, nimm ein paar von meinen Pfeilen.“, sagte Ferlos und reichte ihm welche. Sie waren krumm, die Federn unterschiedlich groß, und die Spitzen stumpfwinklig und eingekerbt. „Sind zwar nicht perfekt, aber sollten reichen.“
„Ich danke Dir ..., Meister.“, sagte Valorian glücklich.
„Nett, Dich kennenzulernen, nenne mich aber Ferlos.“, scherzte er.
Valorian brauchte ein wenig Zeit um Ziele perfekt treffen zu können. Es war komisch für Ferlos. Er war es gewohnt, dass die Elben die Meisterschützen von ganz Aerdez waren. Und jetzt war sein erster Lehrling ein Dunkelelb, der noch nicht einmal einen richtigen Kampf gesehen hatte. Eigenartig und lustig zu gleich. Falls Ferlos älter sein würde, musste er es unbedingt seinen Söhnen und Töchtern erzählen. Ironie des Schicksals, konnte er sich sagen.
Es war bald Sonnenuntergang, und er wollte nicht mit leeren Händen heimkehren. „Komm, bevor es dunkel wird!“, rief Ferlos Valorian zu.
„Ki’l mala sek hadnikh kenesh!“ „Ich folge Dir auf Schritt und Tritt!“, antwortete er.
Sie liefen mit leisen Schritten mit den Bögen in ihren Händen einen kleinen Pfad. Es ging steil einen Kamm hinauf, dank der zahlreichen Bäumen hielten sie sich fest und rutschten nicht ab. Sie folgten weiter dem Pfad, der nur aus Kies bestand. Es fing schon an zu schneien, und bald wehte ein Sturm, der ihre Sicht bedeckte. „Ich glaube das war’s mit dem Klettern“, meinte der Lehrer. „Ein andernmal, versprochen.“
„Kein Problem.“
Es wurde dunkel und mit dem Sturm zugleich sahen sie fast gar nichts. Sie verirrten sich und verbrachten Stunden im Wald. Valorian wurde kalt, doch Ferlos schien es nicht zu kümmern, was der Winter mit ihm machte. Es waren auch nirgendswo Tiere zu sehen, welche sich erkenntlich zeigten oder irgendwelche Rufe ausstöhnten. Ferlos sorgte sich mehr um Val als um sich selber. Er gab ihm seinen Mantel um ihn zu wärmen, auch so wurde Ferlos nicht kalt, er spürte überhaupt nichts. „Ferlos, geht ...es Dir gut?“
„Mich stört eher die Sorge um Dich als die Kälte, sie kann mir nichts anhaben, ...warum auch immer.“
„Nein! Lege den Mantel wieder an, ich will nicht, dass Du sirbst um mich zu retten.“
„Ach, mein lieber Freund. Wenn mir kalt wäre, wäre ich sofort erfroren, ich spüre nicht den leisesten Frost um mich.“
„Wenn Du das so sagst, bitte schön“, meinte der Dunkelelb. „Aber sage nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt.“
Ferlos lachte.
Der Sturm legte sich, es schneite nur ein wenig. Doch Ferlos verlor die Orientierung und konnte sich und seinem Freund nicht helfen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf einen Baum zu klettern und von oben aus sich umzusehen. Gesagt, getan. Er stieg hinauf und seine Handschuhe klebten sich mit Baumharz und Nadeln voll. Seine Kleidung war grüngefärbt. Er stand hoch oben auf einem Nadelbaum und beobachtete wie die Nacht sich mit Sternen füllte. Er sah vor sich das Frostgebirge mit den gigantischen Bergen, wie große Eiszapfen standen sie engeinander und bedrohlich wirkte ihr Aussehen. Weiter nach links sah er Hasgul den Eistod, wie Legenden und Geschichten ihn nannten. Einst lebte in Silberdach ein Mann namens Orif, der den Berg fürchtete. Seine Familie wurde später von Hexen entführt und in den Berg gebracht. Er wollte aber nicht alleine in den Berg, so heuerte er ein Dutzend Mann an, und sie folgten ihm in den Berg. Dort angekommen wurden sie von Schneetrollen angegriffen. Einige Mann starben, doch die Trolle waren besiegt. Sie stiegen dann weiter hinauf. Jedoch endete die Geschichte an dieser Stelle, denn niemand wusste, was danach geschah. Eine alte Geschichte, die Ferlos als kleiner Junge hörte.
„Hasgul, Frostgebirge, dann muss Silberdach ...“ Er drehte sich um und sah kleine Schatten mit ein paar Lichtern. „Ja, gerettet!“
Er stieg hinunter, wo ihn gleich Val erwartete. Er berichtete, was er sah und lief zusammen mit Val den Pfad hinunter. Und erstaunlicherweise sah Ferlos die einzelnen Umrisse der Bäume und den Schnee um sich herum viel besser und genauer. „Besser kann es uns nicht gehen, der Mond erhellt uns den Weg.“
„Was? Ich sehe weder einen Mond noch irgendwas anderes!“, sagte der Dunkeleb.
„Moment, ...ähm?“ Valorian hatte recht, da war kein Mond. Nur Sterne. „Nun denn, kein Mond. Ist auch egal, ich kann sehen, das genügt uns.“
Er nahm ihn beim Arm und zerrte ihn mit sich, als er den Hügel herab rannte. Es ging viel schneller voran, als Ferlos dachte. Sie waren in unter fünfzehn Minuten am Hang gewesen, wo Ferlos den Bogen für Valorian schnitzte. Dann hörte er ein fremdes Rufen eines Tieres. Das Echo war laut und tief. Es war also noch in der Nähe. Das war für Ferlos die einzige Chance noch Essen holen zu können. Das Tier klang groß, sehr groß.
„Warte hier!“, befahl er dem Dunkelelb.
„Moment, warte. Wo willst Du hin?“, fragte er überrascht.
„Ich hole mir Abendessen.“
„Moment, Ferlos!“
Es war zu spät ihn einzuholen, er rannte wie der Wind nach oben. Er folgte dem Ruf des Tieres. Was auch immer es war, Ferlos kannte es nicht. Aber was er wusste, war, dass es gefährlich und groß war. Also stieg Ferlos auf einen Baum, sprang von Ast zu Ast, kletterte höher und wurde von unten unsichtbar, wie ein Schatten. Leise und tödlich. Es verging eine Zeit lang, da war er am Ort des Tieres, und was er sah, beeindruckte ihn und brachte fast dazu, dass er stürzte.
Es war nicht ein Tier, es waren mehrere. Starke, große, kräftige Tiere mit Fell und dicken Beinen. Groß wie Häuser und stark wie Felsen. Die Rüssel so lang, wie Eisenschlangen. Die Stoßzähne dick und scharf wie Speere. Diese Wesen standen auf einer großen Fläche aus Eis am Fuße des Gebirges. Ihre Herde bedeckte das halbe Eis.
„Unglaublich, Mammuts!“, murmelte Ferlos und freute sich riesig darüber. Er sah noch nie zuvor Mammuts, nur in Geschichten war manchmal die Rede davon. Viele hielten sie für ausgestorben, andere sagten, sie wären nur reine Erfindung. Doch Ferlos fand sie, zufällig und überrascht. Wenn er eines tötete, konnte er beweisen, dass es sie gab, und immer noch gibt. Silberdach konnte die Stoßzähne und das Fell verkaufen und wieder reich werden. Ferlos wäre dann ein Held seiner Stadt. Aber er konnte es nicht mit so vielen aufnehmen. Er wusste nicht einmal, wie er eines töten sollte.
Er improvisierte und sprang vom Baum leise. Er wollte wissen ob sie friedlich oder aggressiv waren. Also ging er langsam und mit leisen Schritten auf sie zu. Er spürte wie der Boden unter ihm bebte, wenn einer der Mammuts einen Schritt machte. Es wäre sehr interessant herauszufinden, wie Mammuts auf Menschen reagieren. Er kam immer näher, und schon entdeckte ihn eins. Ferlos blieb stehen, damit er einen harmlosen Eindruck erwecken konnte. Das größte Mammut kam auf ihn zu, auch mit langsamen Schritten, die Herde folgte dem Anführer. Der Anführer stand dicht an Ferlos. Er spürte die Wärme des Tiers, als wäre es seine eigene. Ferlos legte die Hand vorsichtig auf den Stoßzahn des Großen. Es fühlte sich hart und warm an, obwohl Mammuts in frostigen Gegenden lebten. Bei Ferlos zeigte sich ein Lächeln, es fühlte sich toll an einen Koloss anzurühren, der einem nichts tut. Das Mammut schlang seinen Rüssel um Ferlos und hob ihn hoch. Der Wind durchwehte seine Haare, und er sah eine lange Reihe der Mammuts, sie reichte bis zum Gebirge. Da wusste er, dass diese großen Wesen aus den Ländern vom Norden kamen, welche nicht in ihren Karten gezeigt werden.
Es war irgendwie schade; solche Tiere werden früher oder später gefunden und getötet. Es konnte zwar seine Stadt retten, aber er wollte nicht, dass so eine Art wieder lang vergessen ging. Er wollte das aufhalten, nur wusste er nicht, was er tun sollte. „Kannst Du mich runterlassen, liebes Mammut?“, sagte er zum Anführer. Es ließ ihn runter. Ferlos bedankte sich und sagte ihm, dass er bald wieder zurückkomme. Er musste nach Hause zurück, Valorian machte sich bestimmt Sorgen.
Doch er konnte nicht nach Hause, denn als er in den Wald ging, stoßte ihn eine große Hand mit Krallen zurück. Er wurde gestoßen und bekam vier Kratzer in die Brust. Ein riesiger Wolf kam aus dem Saum und knurrte ihn an. Er war weiß und stand dann auf zwei Beinen. Es war ein Warfin. Die Warfin waren große Wölfe, die auf zwei Beinen standen und die Menschensprache beherrschten. „Was ist? Wolltest Du zurück zu Mama?“, sagte der Warfin. „Sie wird Dir nicht helfen!“ Ferlos wollte aufstehen, doch der Wolf hielt ihn fest und öffnete sein blutriechendes Maul. Doch ein Mammut kam und stoßte den Wolf weg. Ferlos stand auf und rannte zum Wald zurück. Als er schließlich den Hügel nach unten rannte, spürte er einen Schlag auf die Stirn und wurde ohnmächtig.