Ich bin gerade dabei ein Buch zu schreiben und dachte mir ich stelle zumindest das erste Kapitel online, um mir einmal die ehrliche Meinung unvoreigenommener Personen anzuhören. Ich weiß, dass das Ganze noch etwas klischeehaft klingt, was ich aber, zumindest am Anfang des Buches, absichtlich so eingefädelt habe. Ist es nicht am Schönsten, wenn man glaubt wieder einmal den selben klischeehaften Mist vorgesetzt zu bekommen, nur um dann eines Besseren belehrt zu werden? Nun, hoffentlich mag mir das auch gelingen.
Ach ja, und wenn ihr Rechtschreibfehler oder noch wichtiger grammatikalische Fehler findet, dann haltet damit nicht hinterm Berg.
Kapitel 1 - Treffpunkt
Eisige Kälte lag in der Luft, was recht ungewöhnlich für diesen Teil des Landes war, da sich der Winter bereits dem Ende nährte. Die Bäume des Eichenwaldes waren mit einer Eisschicht überzogen, denn über Nacht hatte es Frost gegeben, Schnee lag hingegen nur noch wenig. Trotz der funkelnden Eiskristalle konnte man den verspäteten Einzug des Frühlings nicht leugnen, doch warum sollte man das tun, wurde der Beginn der neuen Jahreszeit von den höher gestellten Bürgerlichen und denen adliger Herkunft, die ihre Vorfreude auf die bevorstehenden Feste und Bälle kaum mehr zügeln konnten doch geradezu herbeigesehnt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten verspürten zwar auch das Verlangen nach der wärmeren Jahreszeit, doch ihnen ging es um etwas vollkommen anderes. Es war eine lange und vor allem viel zu kalte Winterperiode gewesen, folglich waren die Vorratskammern der Bauern so leer wie ihre Mägen, der Hunger allgegenwärtig.
Einzelne Wassertropfen glitten von den noch wenigen, frisch gesprossenen Knospen der Pflanzen und benetzten den nunmehr nur noch stellenweise gefrorenen Boden. Die meisten Straßen und Wege, außer in Stadtnähe allesamt ungepflastert, waren durch die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brachen, bereits zu weichen Matschpfaden verkommen, noch tückischer als ihre gefrorenen Gegenstücke; schwer passierbar für Mensch wie auch Tier.
Wer sich unter diesen Umständen vor die Tür wagte war entweder ein Händler mit reich beladenem Wagen, welcher von weit her seinen Weg zurück nach Hause gefunden hatte, was in dieser Gegend jedoch eher unwahrscheinlich erschien, oder führte diverse Ausbesserungen und Reparaturen an seinem Heim aus, bevor es möglich wurde die Felder zu bestellen und für diese Tätigkeit keine Zeit mehr blieb.
Umso verwunderlicher war mit anzusehen, wie eine Gruppe von Reitern, sieben an der Zahl, welche mit zwei Ausnahmen, die in wiesengrüne Umhänge gehüllt waren, alle weiße Gewänder trugen, gedachten den Wald zu durchqueren. Sie waren offensichtlich nicht freiwillig hier. Die Reittiere schnauften schwer und nach der der Strecke, die sie im Galopp zurückgelegt hatten, hätte ihnen jeder Besitzer eine Rast gegönnt, woran den Sieben jedoch nicht gelegen schien. Ganz im Gegenteil trieben sie sie unbarmherzig voran, auch wenn sie das Tempo von dem schnellen Spurt zu einem mäßigen Trap gedrückt hatten. Auch andere Anzeichen ließen zu dem Schluss kommen, dass die bestrittene Strecke in Hast bewältigt worden war, beispielsweise die mit Schlamm bespritzten Gewänder, welche mit Erdkrusten überzogen waren und nur wenig des ursprünglich grellweißen und sanftgrünen Stoffes erkennen ließ. Kein normaler Mensch würde diese Tage seine Tiere zur Höchstleistung antreiben, aus Angst es könnte auf den aufgeweichten Pfaden straucheln und sich einen verstauchten oder gebrochenen Fuß einhandeln, was auch für den Reiter ein Risiko war, denn ein Sturz konnte leicht tödlich verlaufen.
Noch anderes machte die Mitglieder dieser seltsamen Prozession zu etwas für dieses Teil des Reiches ganz Außergewöhnliches: sie alle ritten auf edlen Schimmeln und Hellfüchsen, ein unverkennbares Hinweis auf den Reichtum, der ihr Eigen sein musste. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich außerdem über den Umstand gewundert, dass keines der Pferde in den teilweise aufgetauten Pfaden einsank, wie es ja eigentlich anzunehmen wäre. Als würden die Pferde instinktiv wissen welche Teile des Waldweges ihre ursprüngliche Konsistenz behalten hatten und somit begehbar waren, lenkten sie ihre Schritte ohne zu zögern auf eben diese Stellen; ein Zeichen für das gute Training, welches sie durchlaufen hatten. In ihren Augen spiegelte sich zudem eine beinahe beängstigende Intelligenz, während die ihrer Reiter in den Schatten ihrer Kapuzen verborgen blieben, was ein Urteil über sie unmöglich machte. Einzelne Haare, genau wie ihre Umhänge mit Schlamm verdreckt, bei näherem Hinsehen jedoch sehr gepflegt, lugten unter ihren Überwürfen hervor und umspielten mit der aufkommenden Priese ihre Gesichter; bleich, aber die Wangen gerötet vor Anstrengung. Das Wenige, was von ihren Köpfen sichtbar war, waren spitz zugeschnittene Gesichter mit feinen, aristokratisch anmutenden Zügen.
Man mochte sich fragen, wo der Ursprungsort oder das Ziel ihrer Reise lag, doch würde jemand sie beobachten, fiele ihm zuerst etwas gänzlich anderes auf. Etwas an den Sieben war, um es vorsichtig auszudrücken, anders, obwohl man es nicht wirklich in Worte fassen konnte. Es war wie ein für das Auge unsichtbares Leuchten, welches von ihnen ausging, eine Art Aura, wenn man es denn so nennen wollte, ein Gefühl, dass die Seele berührte, aber mit keinem der herkömmlichen Sinne zu fassen war. Sie verstrahlten Frieden, der jedoch von der Präsenz ihrer Waffen, die gewöhnlich unter ihren langen Mänteln verborgen waren, gehemmt wurde, wenn man denn einen Blick auf sie erhaschte.
Das Aufblitzen der Scheide ihre Schwerter währte nur kurz und auch nur dann, wenn die Wolken sich anschickten den Wind sein Werk tun zu lassen und die uralten Eichen des sie umschließenden Waldes ihre Äste in den Luftströmen wogen ließen und somit vereinzelte Sonnenstrahlen das sonst undurchdringliche, kahle Geäst durchbrechen konnten. Doch trotz des Augenblicks, der nur nur die Zeit in Anspruch nehmen konnte, welche ein Liedschlag dauerte, musste man erkennen, wie fein gearbeitet das Metall, wie wunderschön verarbeitet das helle Fell war, welches die Scheide bedeckte, und mit wie viel Geschick und Hingabe die weiß bemalten Bögen gefertigt waren, die ebenfalls fast unsichtbar am Sattel der Pferde hingen. Die gleich daneben baumelnden Köcher waren gefüllt mit Pfeilen, jedoch nicht nicht vollständig; zumindest nicht mehr.
Einer der Reiter hob seinen Kopf an und entblößte seine Gesicht, wobei ihm die Kapuze vom Kopf glitt. Die Sonne spiegelte sich in seinen blau glitzernden Iriden wieder und verlor sich schließlich in seinen tiefschwarzen Pupillen, die beinahe hoffnungsvoll in den Himmel starrten. Nur einen kurzen Augenblick lang genoss er die milde Wärme, welche die brennende Scheibe auf die Erde fallen ließ, bevor er sein Gesicht wieder in den Schatten verbarg. Er sehnte sich danach zu rasten, genau wie sie alle, doch sie alle waren sich bewusst, dass ihnen dies nicht vergönnt war und welche Folgen es haben würde, wenn sie es dennoch täten. Einmal war es unvermeidbar gewesen und so sehr es ihnen auch missfallen hatte, es war ihnen keine andere Wahl geblieben, als in einem Dorf der vielerorts mit Wald überzogenen Hügelebene einzukehren. Sie hatten diese Verzögerung bereut, doch ihr Proviant war zur Neige gegangen, da sie auf ihrer Flucht einiges zurücklassen mussten, und dies war ihre einzige notdürftige Möglichkeit diesen Umstand auszugleichen. Ihre Mienen gaben keinen Aufschluss darüber, doch die Besitzer der Pferde wie auch die Tiere selbst waren hungrig, müde und von den zurückliegenden Ereignissen mental angeschlagen. So schleppten sie sich dahin ihre Müdigkeit verborgen hinter der aufrechten, erhabenen Haltung und ihren graziösen Bewegungen.
Der Antlitz der Sonne hatte sich erst vor kurzem über die Gipfel des in der Ferne in die Höhe ragenden Gebirges vorgetastet, die Schwärze der Nacht sich dem Licht noch nicht lange ergeben. Der Wald durch den sie ritten, wurde von vielen wegen des Unbehagens, das er verströmte, gemieden. Die sieben Reiter wussten jedoch nicht um die alten Legenden, die sich um diese Bäume rankten und an den Lagerfeuern der umliegenden Dörfer von deren Bewohnern als Schauergeschichten erzählt wurden, folglich hielten sich ihre Befürchtungen in Grenzen. Nicht das dieses Wissen einen Unterschied gemacht hätte, denn was konnte man schon auf das Wort einiger ungebildeter Dörfler geben. Außerdem gab es andere Dinge, die wichtiger waren, andere Gegebenheiten, die sie zu fürchten hatten. Nur noch ein paar Tage und all die Schrecken hätten ein Ende, nur ein paar Tage. Nicht mehr lange und sie wären wieder Zuhause und konnten jene wiedersehen, die ihnen etwas bedeuteten, jene, die sie liebten.
Ihre Nackenhaare stellten sich in der Vorfreude auf ihre Heimat auf, als sie einen Vogel zwitschern hörten, der dort heimisch war. Seltsam, hätte er dafür doch das Felsmassiv überqueren oder umgehen müssen, welches die natürliche Grenze zu ihrem Land bildete. Dies erinnerte sie nur allzu gut an den Umstand, dass sie noch ein gutes Stück des Weges vor sich hatten und noch dazu das anstrengendste, doch daran wollten sie jetzt nicht denken, die Reise war schon kräftezehrend genug gewesen. Zudem schien es, als würde sich der Wald gegen sie auflehnen, schien er ihren Weg doch mit Sträuchern und Wurzeln aller Art, die auf den Weg ragten und ihn somit noch tückischer werden ließen, zu behindern. Das war es zumindest, was die Pferde nun denken mussten, denn die Gedanken ihre Besitzer waren schon weitergewandert.
Sie hofften sich bald mit einer anderen Gruppe zu treffen, um dann endlich nach Osten aufzubrechen, wo ihre Heimat lag. Dort wäre es um diese Jahreszeit warm und man würde sie mit offenen Armen empfangen, ganz im Gegensatz zu den Dörfern, in denen es meistens Komplikationen mit den Einwohnern gegeben hatte. Hier lebte wohl nichts anderes als Abschaum und Gesindel, das alles stehlen wollte, was rechtmäßig anderen gehörte; verachtenswert.
Die Gruppe kam ins stocken, als das Gebüsch raschelte und sich ihre Gesichter der Quelle des Geräusches zuwandten. Der Reiter, der an der Spitze des Zuges ritt, gab ein Zeichen und die Pferde kamen zum Stillstand. Er schlug seien Umhang zurück, unter dem ein prachtvoll gearbeitetes Schwert in einer Scheide an seiner Linken zum Vorschein kam. Ebenso war nun auch der leichte Brustpanzer zu erkennen, der an vielen Stellen mit Runen übersät war - Schutzzeichen womöglich? Die Rüstung gewährt dem Träger nur minimalen Schutz, aber schränkte dessen Bewegungsfreiheit so gut wie nicht ein, was beim Kampf zu Pferde von Vorteil war. Außerdem wurden die Reittiere ebenso wenig eingeschränkt wie ihr Besitzer, wodurch eine zurückzulegende Strecke um ein vielfaches schneller bestritten werden kann.
Der Anführer lies seine rechte Hand auf den Schwertgriff gleiten, die andere legte er halb auf die Klinge direkt unter dem Griff und halb auf dem Ansatz der Scheide, um kein Geräusch zu verursachen sollte er seine Waffen kampfbereit machen müssen. Seine Augen fokussierten sich auf den Busch und es schien als würde er kein Hindernis für seine Blicke darstellen. Die anderen Anwesenden ließen ein Anzeichen von Anspannung erkennen, was nicht gerade typisch für sie war. Das Rascheln erklang erneut, verstummte, dann entspannte sich der Anführer sichtlich. Nur ein Hase, gab er den anderen zu verstehen. Dies hätte nur allzu leicht eine Behinderung ihres Zeitplanes darstellen können und nach all dem Blut war ihnen nicht nach kämpfen zumute. Der Krieger ließ von der Waffe ab, hüllte sich wieder in seinen Umhang und gab ein Zeichen, woraufhin sich der stille Zug der sieben wieder in Bewegung setzte und in die tieferen Teile des Waldes vordrang.
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Die Plane des Zeltes wurde zurückgeschlagen. „Clanführer...“, flüsterte der in dunkelgrün gekleidete, gerade eintretende Mann einem zweiten fragend zu, die mit ineinander gelegten Händen in der Mitte ihres Zeltes kniete und ihm schlagartig ihren Kopf zuwandt, was ihn mitten im Satz stocken ließ. Er warf der Gestalt, die im Eingang des Zeltes nur als dunkle Silhouette zu erkennen war, einen Blick zu, der seine Erwartung ausdrückte, bevor er sich von seinen Knien erhob um sich zu seiner vollen Größe aufzurichten, die beachtlich war. Er überragte den Späher, der nicht gerade als kleingewachsen bezeichnet werden konnte, um gut eine ganze Kopfhöhe. „Was hast du zu berichten“, war die raue und dunkle Stimme des Anführers zu vernehmen und gab seinem Gegenüber damit die Erlaubnis zu sprechen.
Die Gestalt trat ein und ließ Respekt vor dem Mann, den die Krieger und Späher des in aller Hast aufgebauten Rastplatzes nur mir Clanführer ansprachen, erkennen, indem sie sich verbeugte . Sein Status war zwar viel mehr der eines Generals, trotz allem wurde ihm diese Ehre zuerkannt, da er sich in der Schlacht bewiesen hatte und sein Vater der Führer eines Clans war, wenn auch nur eines vergleichbar kleinen. Er, der wie sein Gegenüber einen in einem dunklen Grünton gehaltenen Umhang trug, fragte sich, ob er gute Nachrichten zu erwarten hätte, denn er war das Warten und die Unsicherheit leid.
„Ich habe die zweite Gruppe auswendig gemacht. Sie sind auf dem Weg hierher, sieben an der Zahl", verkündete der Späher mit starrem Blick, aber dem Anflug von Stolz in der Stimme.
„Gut, sehr gut. Wir haben sie also doch nicht verfehlt“, flüsterte der General, wobei diese Aussage an niemanden bestimmten gerichtet war, außer vielleicht ihn selbst. Dann sprach er lauter, gebieterischer: „Geh und sag den Kriegern sie sollen sich auf einen weiteren Kampf vorbereiten und lass jemanden zu mir kommen. Er soll mir meine Rüstung bringen und sich damit gefälligst beeilen!“ Der Späher entfernte sich mit einer weiteren, diesmal hastigen Verbeugung und tat wie ihm geheißen. Der General verharrte noch kurz und dachte kurz über etwas nach, dann verließ er kurz darauf ebenfalls das Zelt und bewegte sich auf die Mitte der Lichtung zu.
Dort angekommen atmete tief ein, wobei ihm ein metallischer Geruch in die Nase stieg; Blut. Er blickte auf den toten Körper des verhassten Anführers einer Gruppe hinab, der genau wie die sechs anderen Reiter in seiner Begleitung in ein weißes Gewand gekleidet gewesen war. Viel war von dem einst so schön anzusehenden Antlitz nicht mehr übrig und die wenigen Flecken seiner Bekleidung, die nicht mit seinem eigenen Lebenssaft und Schlamm besudelt waren, versuchten vergeblich den Eindruck von Reinheit zu vermitteln. Der Tote wies schwere Verwundungen auf. Einige davon hätte er überlebt, wenn ihm der Todesstoß erspart geblieben wäre, doch so viel Gnade hatte er nicht zu schenken vermocht. Dann lies der General seinen Blick über die Lichtung schweifen, wo er die sechs anderen Leichen, die von seine eigenen Krieger auf äußerst präzise Weise getötet worden waren, erblickte. Sie hatten sie überrascht und so hatte es nur wenige Tote auf ihrer Seite gegeben, weshalb er sie jedoch nicht minder bedauerte. Sie würden ein würdiges Begräbnis bekommen. Die sechs Körper ihrer Feinde hingegen waren auf einen Haufen geschmissen worden, den für sie, wie für den toten Anführer, der etwas abseits der anderen lag, würde man noch Verwendung finden. Er wandte sich ab und ging auf sein Zelt zu, wo seine Rüstung und sein Schwert bereits auf ihn warten würden. Sie würden sterben, sie alle. Erst diese Sieben, dann der Rest ihres Volkes.
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„Yvain“, fragte eine weiche und melodische Stimme, die jeden Mann in ihren Bann gezogen hätte, „werden wir rasten sobald wir die anderen treffen?“
“Wir müssen, allein schon der Pferde wegen. Eine Nacht werden wir ruhen und am frühen Morgen aufbrechen, um schnellstmöglich in Vidhnuar anzukommen", antwortete eine weniger helle, aber nicht minder schön klingende Stimme. „Ich kann nur hoffen, dass sie zum verabredeten Zeitpunkt dort erscheinen, denn ich muss dir ja wohl kaum erklären, was sonst passiert.“
Die beiden verstummten abrupt, als würde es ihnen Unbehagen bereiten über dieses Thema zu sprechen oder als ob sie fürchteten, was geschehen könnte. Nach einem kurzen Ritt in Stille, nur durchbrochen von Hufgeklapper und dem Schnauben der Pferde, kamen sie an eine Stelle, an der sich der Weg in zwei kleinere Waldpfade spaltete. „Jetzt ist es nicht mehr weit“, ließ der Mann, der kurz zuvor als Yvain bezeichnet worden war, von sich vernehmen. Ohne zu zögern schlugen sie den linken Weg ein, der beidseitig mit nahezu undurchdringlichem Gebüsch und hohen Bäumen gesäumt war, die auch ohne ihre Blätter ein dichtes Dach über dem Pfad bildeten. Die ohnehin nur sehr rar gesäten Sonnenstrahlen konnten den Weg nicht erhellen, somit war es dunkel und eine bedrückende Stimmung hätte sich breit gemacht, wären sie nicht sowieso schon durch dunkle Gedanken betrübt. So waren sie alle, wenn sie es auch nicht zugeben würden, froh als sie bemerkten, dass sich das Gestrüpp langsam lichtete was bedeutete sie kamen einem offene Platz näher, der in diesem Fall durch die Lichtung repräsentiert wurde. Sie ließen die Pferde in einen Trap verfallen, um diesen ungastlichen Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen zu können und sich endlich ein wenig mehr in Sicherheit wägen zu können. Die ersten Sonnenstrahlen erhellten ihre Umhänge und die Hoffnung ihre Freunde nach so langer Zeit wieder zu sehen bewahrheitete sich, jedoch auf eine ganz andere Weise als sie es sich erhofft hatten.
Als sie die Lichtung erreichten setzten ihre Herzen für einen Schlag aus. Was sich ihren Augen darbot war so unbeschreiblich so gräßlich, dass keiner von ihnen es wagte zu sprechen. Sechs Krieger der Gruppe mit der sie sich treffen sollten lagen niedergestreckt um einen mit der Spitze voran in den Boden gerammt Speer. Sie alle wiesen schreckliche Wunden auf und waren teilweise verstümmelt, was jedoch nicht einmal das Schlimmste war. Der Anführer der Gruppe war auf dem Speer aufgespießt worden, sein abgetrennter Kopf auf das Ende des Stabes gesetzt. Das Gesicht war noch zu erkennen, aber zu einer schrecklichen Fratze verzogen, die nichts von der Schöhnheit seines früheren Ichs mehr besaß, wie sie es in Erinnerung hatten. Vier der in weiß Gekleideten wanden sich ekelerregt von so viel Grausamkeit ab, den drei anderen war dies schlichtweg nicht möglich.
„Was nur würde solch eine Tat rechtfertigen“, schwirrte es Llewelyn durch den Kopf. Ihr rann eine einzelne Träne über die Wange, doch kein Laut drang zwischen ihren Lippen hervor, während sich ihre Hände zu Fäusten verkrampften. Es war ihr unmöglich sich zu rühren und dieses Gewicht das ihr auf die Brust drückte schien ihr die Luft aus den Lungen zu pressen.
Die Stimme ihres Anführers durchschnitt die Stille, die sich wie ein Schleier über die Lichtung gelegte hatte. Es war nur wenig mehr als ein Flüstern, aber es genügte um die anderen aus ihrer Erstarrung zu lösen.
„Zieht die Waffen, vielleicht sind ihre Mörder noch in der Nähe.“
Mörder war in diesem Kontext eindeutig nicht das richtige Wort, den ein Mörder tötete sein Opfer zumindest präzise, diese Leichen waren jedoch einfach nur aus Spaß am Töten
verstümmelt und aufs grausamste hingerichtet worden. Sogleich war das Klirren von Waffengurten zu hören und Schwerter, die das Licht auf eben so wundersame Weise brachen wie ihr Kleidung, wurden gezogen, um sieh auf den womöglich bevorstehenden Kampf vorzubereiten. Doch bevor die letzte Waffe die Scheide verließ, kam der Tod auf leisen Schwingen. Es war nur ein Sirren zu vernehmen als die Schwarz gefiederten Pfeile aus den umliegenden Gebüschen hervorschossen und zwei der Reiter samt Pferde mit Pfeilen spickten. Die weisen Gestalten gingen mit einem Aufschrei nieder, was die Krieger in den umliegenden Gebüschen wohl als Zeichen sahen direkt in den Nahkampf überzugehen. Neun der in Grün Gekleideten stürzten aus ihrem Versteck hervor und auf die nun nur noch fünf Überlebenden zu, welche zwar noch geschockt, aber nichtsdestotrotz kampfbereit waren. Einer der Krieger, der als einziger nicht aus dem Gehölz gesprungen war, sondern es fast gemächlich verlassen hatte, war als ihr Anführer zu erkennen, da mit seiner Größe viele der anderen überragte und als einziger eine schwere Rüstung trug, die große Teile seines Körpers bedeckte, jedoch die untere Hälfte des Gesichtes und die Gelenke der Arme und Beine frei ließ, um dem Kämpfer etwas mehr Freiheit beim Führen der Waffe zu gewähren. Außerdem hielt er sich vorerst im Hintergrund, um nicht als erster den schmalen und schnell zu führenden Klingen der Reiter zum Opfer zu fallen.
Yvain gab ein Zeichen, woraufhin die Krieger, mit Ausnahme von Llewelyn, die einzige Frau der Gruppe, die wir paralysiert auf die Toten starrte, ihre Pferde auf die ihnen nur allzu bekannten Feinde zustürmen ließen. Diese ließen sich jedoch nicht beirren und die drei Vordersten rammten die langen Speere, welche sie bei sich trugen, vor sich in den Boden und hielten sie so, dass deren Spitzen auf die Reiter gerichtet waren. Einer der Angreifer wurde von den Hufen der Pferde einfach niedergetrampelt, als sich die Speere fast wie von selbst gerade so weit zur Seite zu biegen schienen, dass sie die sich nährenden Berittenen nicht aufspießten, und zwei weitere vielen den von Meisterhand geführten Klingen zum Opfer. Einer der Reiter wollte gerade einen weiteren Schlag anbringen, um seine toten Kameraden zu rächen, als sich einer der in dunkelgrün Gekleideten blitzschnell unter der Klinge hinwegdrehte und ihm die seine knapp unter der Rüstung in den Magen trieb, woraufhin der Krieger vom Ross glitt und regungslos auf der Erde verharrte. So in ihrem Glaube an einen schnellen Sieg bestärkt brachten ihre Feinde zwei weitere Pferde zu Fall. Einer der Reiter hatte sein Leben ausgehaucht noch bevor er auf dem Boden aufschlug, der andere rollte sich stattdessen auf der halb gefrorenen Erde ab und nutzte den dadurch entstehenden Schwung, um seinem folgenden Schlag die nötige Stärke zu verleihen. Er schlitzte seinem Angreifer den Umhang auf Brusthöhe auf, fügte ihm jedoch keinen ernsthaften Schaden zu, da dieser genau wie er selbst eine Rüstung trug. Trotz allem zeigte der Schlag Wirkung, indem er den Krieger zurücktaumeln ließ, was dem in weiß Gekleideten die nötige Zeit gab, um
einen zweiten Schlag anzubringen, dem sein Gegenüber nichts entgegenzusetzen hatte und ihm zum Opfer fiel.
Ein Todesschrei entrann seiner Kehle, welcher Llewelyn ihre Starre überwinden ließ. Instinktiv griff sie nach ihrem Bogen, der seitlich am Sattel ihres Pferdes befestigt war. Zwar war sie in den Künsten des Bogenschießens, wie auch der Heilung ausgebildet und hatte somit schon viel Leid gesehen, aber das hier war einfach zu viel für sie gewesen. Die Verletzungen, die sie zuvor behandelt hatte, basierten meist auf Schürf- und selten auch auf tieferen Wunden oder Brüchen. Doch nun war die Zeit der Trauer vorerst vorüber, der Kampf wartete. Man merkte schon daran wie sie den Bogen hielt, dass sie eine meisterliche Schützin war, die viele Trainingsstunden investiert haben musste. Der Verdacht wurde bestätigt als sie einen Pfeil auf die Sehne legte und ohne merkliches Zielen auf einen der Angreifer schoss, welcher jedoch mit tödlicher Präzision niedergestreckt wurde. Bevor sie einen zweiten Schuss anbringen konnte hörte sie ein Ast des Gebüschs hinter sich knacken, duckte sich aus einem Reflex heraus und entging so dem Pfeil, der nicht minder genau als der ihre abgefeuert worden war, sich jedoch ohne Wirkung in einen der Bäume bohrte. Der Schütze, der wie aus dem Nichts hinter ihr aus dem Unterholz gebrochen war, wollte einen weiteren Schuss anbringen, konnte aber mit der Geschwindigkeit von Llewelyn nicht mithalten. Die Sehne ihres Bogens sirrte und ein zu einem tödlichen Geschoss gearbeitete Stück Holz fuhr dem Späher durch den Hals, was ihn zu einem Baum zurücktaumeln ließ, an dem er keuchend zusammenbrach; der Pfeil hatte seine Luftröhre durchtrennt, weshalb er vergeblich versuchte nach Luft zu schnappen. Sie richtete ihren Blick zurück auf das Kampfgeschehen, wo nur noch zwei verbleibende Reiter mit den letzten Feinden fochten, konnte jedoch keine in eine Rüstung gehüllte Gestalt unter den Toten ausmachen. „Wir müssen weg von dieser Lichtung“, rief Yvain ihr zu, „vielleicht gibt es noch mehr von ihnen.“ Die drei, die das Massaker überlebt hatten, ließen von ihren Feinden ab, was diese nicht verhindern konnten, und ritten auf den Waldweg zu von dem sie ursprünglich kamen. Gerade in dem Moment als sie die Lichtung verließen sprang eine Gestalt aus dem umliegenden Gestrüpp und noch bevor einer von ihnen die Waffe erheben konnte rammte sie einem der Überlebenden einen Dolch in den ungeschützten Hals. Mit weit aufgerissenen Augen stürzte der Getroffene von seinem Schimmel und prallte gegen eines der anderen Pferde, welches daraufhin scheute und seinen weiblichen Reiter abwarf. Indem Llewelyn aus ihrem Sattel fiel entging sie dem tödlichen Schlag, der für sie bestimmt war, welcher nun knapp über ihrem Kopf die Luft durchschnitt. Yvain sprang kampfbereit von seinem Pferd, um sich dem Angreifer im Zweikampf entgegenzustellen und lenkte ihn somit von Llewelyn ab, die durch den unvorhergesehenen Sturz benommen am Boden lag. Von Hass und Verzweiflung getrieben schlug er seinen Feind mit nur drei Schwerthieben nieder, was ihm jedoch nicht den endgültigen Sieg brachte, denn er erhofft hatte. Aus Richtung der Lichtung nahte der Ritter in seiner Ganzkörperrüstung, langsam, so als wüsste er, dass Yvain niemals fliehen würde, solange auch nur einer seiner Begleiter am Leben war. Die beiden ungleichen Gegner, der eine schmächtig, der andere ein wahrer Hüne, umkreisten sich.
„Ich habe euch unterschätzt“, war die von Hass verzerrte Stimme aus Richtung des Unbekannten zu vernehmen, „alle meine Männer sind tot, dafür zahlt ihr mit eurem Leben.“
Dann sah der in Metall Gehüllte seine Chance und sprang ohne Vorwarnung auf seinen Feind zu, der seine Waffe im letzten Moment hochriss um den Hieb abzufangen. Die Schwerter klirrten aufeinander und Yvain, der der unmenschlichen Muskelkraft seines Gegners nicht gewachsen war musste mehrere Schritt zurückweichen um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Sein Gegenüber wollte diese Gelegenheit nutzen um den entscheidenden Schlag anzubringen, doch Yvain tänzelte leichtfüßig ein paar weitere Schritte zurück und lies den Angriff somit wirkungslos
durch die Luft gleiten. Der Hüne, durch seinen eigenen Hieb nun ebenfalls aus dem Gleichgewicht gebracht versuchte den folgenden Schwertstreich zu parieren, jedoch vergeblich. Er traf ihn am linken Arm und fügte ihm eine tiefe Schnittwunde in der Ellenbeuge zu, die ihn zu Verwunderung seines Gegenüber nicht zu stören schien. Yvain, nun mit Siegesgewissheit erfüllt, doch seinen Gegner nicht unterschätzend, traktierte diesen nun mit einer Kombination aus schnellen Stichen und
Schlägen. Mit einer solchen Rüstung konnte er mit der Geschwindigkeit von Yvain unmöglich mithalten, selbst wenn dieser so erschöpft war, wie jetzt.
Dann führte der Unbekannte eine Bewegung aus, die völlig ungewöhnlich für einen Schwertkämpfer seines Kalibers war. Er strecke seinen rechten Arm mitsamt Schwert viel zu weit nach rechts aus, wahrscheinlich um kraftvoll auszuholen. Yvain, die Chance auf den Sieg wahrnehmend, stach auf die Stelle zwischen Schulter und Brustkorb zielend zu, denn hier lag die Bindung der Rüstung und dort war er somit am verletzlichsten. Dies war ein schwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn er hatte nicht mit einer Finte gerechnet. Der Ritter lehnte sich leicht nach links und ließ das Schwert an seiner Rüstung entlanggleiten, um die Waffe anschließend zwischen seiner Rüstung und seinem Schwertarm einzuklemmen. Die freie und mit Metall bekleidete Hand zuckte in seine Richtung und fand ihr Ziel. Der Schlag traf Yvain an der Schläfe und lies ihn, erschöpft wie er war, mit einem ungläubigen Blick besinnungslos in sich zusammensacken. Sich seinem auf diese Weise entledigten Feind, wandte sich der Sieger des Duells der einzigen noch bestehenden Gefahr zu, die sich in Gestalt von Llewelyn manifestierte, welche mittlerweile ihre Benommenheit abgeschüttelt hatte. Er kam mit großen Schritten auf sie zu und sie konnte den Hass, den er zu emittieren schien, förmlich spüren. Mit zitternder Hand griff sie nach ihrer einzigen verbliebenen Waffe, einem kleinen Dolch, der an ihrem Gürtel befestigt war, denn ihr Bogen war ihr bei dem Sturz abhanden gekommen und lag einige Spann von ihr entfernt auf dem Boden, was in dieser Situation eine unüberwindbare Distanz darstellte. Sie erblickte die Wunde an seinem Arm, die ihn jedoch nicht sonderlich behinderte, während er sich ihr unaufhaltsam nährte. Sie kam sich nackt vor mit dem Dolch, dessen Klinge nicht einmal ein Viertel der Länge der Schwertklinge des Riesen maß. Sie hatte zu wenig Kampferfahrung und war weder richtig im Nahkampf ausgebildet, noch wäre das in dieser Situation von Nutzen gewesen.
Sie stach mit dem Dolch auf seinen ohnehin schon verletzen Arm zielend zu, als er in Reichweite kam, nur um diesen von seiner gepanzerten Faust aus der Hand geschlagen zu bekommen. Selbige rammte er ihr auf den Brustkorb, was sie auf die Knie zwang. Er hob sein Schwert und fügte ihr einen Schnitt am linken Arm zu, anstatt sie sofort hinzurichten. Genoss er es sie zu quälen bevor er sie töten würde?
Die Verletzung fing plötzlich an zu brennen, mehr noch als es bei einer normale Wunde der Fall wäre, ganz so als hätte man ihr Salz in die Wunde gestreut. Sie blickte auf die Verletzung an ihrem Arm und sah eine dunkle Flüssigkeit in der Wunde schimmern, die unmöglich ihr eigenes Blut sein konnte, weclhes eine hellrote Farbe besaß. Ihr Arm wurde schwer und sie glaubte nicht, dass dieses Gefühl allein von der Verletzung selbst ausging. Sie konnte geradezu spüren wie sich die flüssige Substanz durch ihren Körper fraß und sie lähmte. Er packte sie an den Haaren und schleuderte sie brutal zu Boden, brach jedes bisschen Kampfeswillen, dass ihr noch geblieben war. Auf dem Rücken liegend verharrte sie ohne die Möglicht zu haben die Situation auch nur ihm Geringsten zu beeinflussen, während das Gift unaufhörlich durch ihren Körper kroch.
Aus den Augenwinkeln erblickte sie Yvain, der immer noch ohne Bewusstsein auf dem Boden verharrte und sich wahrscheinlich auch nie mehr von ihm erheben würde; von hier war keine Hilfe zu erwarten. Schwarze Punkte tanzten ihr vor ihren Augen und sie konnte nur noch schemenhaft erkennen wie jemand über sie trat, sein Schwert beidhändig mit der Klinge auf ihren Brustkorb zielend packte und selbiges in die Luft erhob. Breitbeinig stand er über ihr, seinen Erfolg auskostend.
Sie richtete ein Gebet an ihre gnädige Göttin Aylya, dann schloss sie ihre Augen, um nicht noch länger den Mörder von dreizehn unschuldigen Leben erblicken zu müssen. „Warum“, wollte sie fragen, doch dafür war es zu spät, als die gnädige Ohnmacht sie umfing. Ein Schwertstich beendete das Leben des letzten verbleibenden Mitgliedes einer Gruppe, die niemand in diesen Landen vermissen würde.
Ach ja, und wenn ihr Rechtschreibfehler oder noch wichtiger grammatikalische Fehler findet, dann haltet damit nicht hinterm Berg.
Kapitel 1 - Treffpunkt
Eisige Kälte lag in der Luft, was recht ungewöhnlich für diesen Teil des Landes war, da sich der Winter bereits dem Ende nährte. Die Bäume des Eichenwaldes waren mit einer Eisschicht überzogen, denn über Nacht hatte es Frost gegeben, Schnee lag hingegen nur noch wenig. Trotz der funkelnden Eiskristalle konnte man den verspäteten Einzug des Frühlings nicht leugnen, doch warum sollte man das tun, wurde der Beginn der neuen Jahreszeit von den höher gestellten Bürgerlichen und denen adliger Herkunft, die ihre Vorfreude auf die bevorstehenden Feste und Bälle kaum mehr zügeln konnten doch geradezu herbeigesehnt. Die ärmeren Bevölkerungsschichten verspürten zwar auch das Verlangen nach der wärmeren Jahreszeit, doch ihnen ging es um etwas vollkommen anderes. Es war eine lange und vor allem viel zu kalte Winterperiode gewesen, folglich waren die Vorratskammern der Bauern so leer wie ihre Mägen, der Hunger allgegenwärtig.
Einzelne Wassertropfen glitten von den noch wenigen, frisch gesprossenen Knospen der Pflanzen und benetzten den nunmehr nur noch stellenweise gefrorenen Boden. Die meisten Straßen und Wege, außer in Stadtnähe allesamt ungepflastert, waren durch die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brachen, bereits zu weichen Matschpfaden verkommen, noch tückischer als ihre gefrorenen Gegenstücke; schwer passierbar für Mensch wie auch Tier.
Wer sich unter diesen Umständen vor die Tür wagte war entweder ein Händler mit reich beladenem Wagen, welcher von weit her seinen Weg zurück nach Hause gefunden hatte, was in dieser Gegend jedoch eher unwahrscheinlich erschien, oder führte diverse Ausbesserungen und Reparaturen an seinem Heim aus, bevor es möglich wurde die Felder zu bestellen und für diese Tätigkeit keine Zeit mehr blieb.
Umso verwunderlicher war mit anzusehen, wie eine Gruppe von Reitern, sieben an der Zahl, welche mit zwei Ausnahmen, die in wiesengrüne Umhänge gehüllt waren, alle weiße Gewänder trugen, gedachten den Wald zu durchqueren. Sie waren offensichtlich nicht freiwillig hier. Die Reittiere schnauften schwer und nach der der Strecke, die sie im Galopp zurückgelegt hatten, hätte ihnen jeder Besitzer eine Rast gegönnt, woran den Sieben jedoch nicht gelegen schien. Ganz im Gegenteil trieben sie sie unbarmherzig voran, auch wenn sie das Tempo von dem schnellen Spurt zu einem mäßigen Trap gedrückt hatten. Auch andere Anzeichen ließen zu dem Schluss kommen, dass die bestrittene Strecke in Hast bewältigt worden war, beispielsweise die mit Schlamm bespritzten Gewänder, welche mit Erdkrusten überzogen waren und nur wenig des ursprünglich grellweißen und sanftgrünen Stoffes erkennen ließ. Kein normaler Mensch würde diese Tage seine Tiere zur Höchstleistung antreiben, aus Angst es könnte auf den aufgeweichten Pfaden straucheln und sich einen verstauchten oder gebrochenen Fuß einhandeln, was auch für den Reiter ein Risiko war, denn ein Sturz konnte leicht tödlich verlaufen.
Noch anderes machte die Mitglieder dieser seltsamen Prozession zu etwas für dieses Teil des Reiches ganz Außergewöhnliches: sie alle ritten auf edlen Schimmeln und Hellfüchsen, ein unverkennbares Hinweis auf den Reichtum, der ihr Eigen sein musste. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich außerdem über den Umstand gewundert, dass keines der Pferde in den teilweise aufgetauten Pfaden einsank, wie es ja eigentlich anzunehmen wäre. Als würden die Pferde instinktiv wissen welche Teile des Waldweges ihre ursprüngliche Konsistenz behalten hatten und somit begehbar waren, lenkten sie ihre Schritte ohne zu zögern auf eben diese Stellen; ein Zeichen für das gute Training, welches sie durchlaufen hatten. In ihren Augen spiegelte sich zudem eine beinahe beängstigende Intelligenz, während die ihrer Reiter in den Schatten ihrer Kapuzen verborgen blieben, was ein Urteil über sie unmöglich machte. Einzelne Haare, genau wie ihre Umhänge mit Schlamm verdreckt, bei näherem Hinsehen jedoch sehr gepflegt, lugten unter ihren Überwürfen hervor und umspielten mit der aufkommenden Priese ihre Gesichter; bleich, aber die Wangen gerötet vor Anstrengung. Das Wenige, was von ihren Köpfen sichtbar war, waren spitz zugeschnittene Gesichter mit feinen, aristokratisch anmutenden Zügen.
Man mochte sich fragen, wo der Ursprungsort oder das Ziel ihrer Reise lag, doch würde jemand sie beobachten, fiele ihm zuerst etwas gänzlich anderes auf. Etwas an den Sieben war, um es vorsichtig auszudrücken, anders, obwohl man es nicht wirklich in Worte fassen konnte. Es war wie ein für das Auge unsichtbares Leuchten, welches von ihnen ausging, eine Art Aura, wenn man es denn so nennen wollte, ein Gefühl, dass die Seele berührte, aber mit keinem der herkömmlichen Sinne zu fassen war. Sie verstrahlten Frieden, der jedoch von der Präsenz ihrer Waffen, die gewöhnlich unter ihren langen Mänteln verborgen waren, gehemmt wurde, wenn man denn einen Blick auf sie erhaschte.
Das Aufblitzen der Scheide ihre Schwerter währte nur kurz und auch nur dann, wenn die Wolken sich anschickten den Wind sein Werk tun zu lassen und die uralten Eichen des sie umschließenden Waldes ihre Äste in den Luftströmen wogen ließen und somit vereinzelte Sonnenstrahlen das sonst undurchdringliche, kahle Geäst durchbrechen konnten. Doch trotz des Augenblicks, der nur nur die Zeit in Anspruch nehmen konnte, welche ein Liedschlag dauerte, musste man erkennen, wie fein gearbeitet das Metall, wie wunderschön verarbeitet das helle Fell war, welches die Scheide bedeckte, und mit wie viel Geschick und Hingabe die weiß bemalten Bögen gefertigt waren, die ebenfalls fast unsichtbar am Sattel der Pferde hingen. Die gleich daneben baumelnden Köcher waren gefüllt mit Pfeilen, jedoch nicht nicht vollständig; zumindest nicht mehr.
Einer der Reiter hob seinen Kopf an und entblößte seine Gesicht, wobei ihm die Kapuze vom Kopf glitt. Die Sonne spiegelte sich in seinen blau glitzernden Iriden wieder und verlor sich schließlich in seinen tiefschwarzen Pupillen, die beinahe hoffnungsvoll in den Himmel starrten. Nur einen kurzen Augenblick lang genoss er die milde Wärme, welche die brennende Scheibe auf die Erde fallen ließ, bevor er sein Gesicht wieder in den Schatten verbarg. Er sehnte sich danach zu rasten, genau wie sie alle, doch sie alle waren sich bewusst, dass ihnen dies nicht vergönnt war und welche Folgen es haben würde, wenn sie es dennoch täten. Einmal war es unvermeidbar gewesen und so sehr es ihnen auch missfallen hatte, es war ihnen keine andere Wahl geblieben, als in einem Dorf der vielerorts mit Wald überzogenen Hügelebene einzukehren. Sie hatten diese Verzögerung bereut, doch ihr Proviant war zur Neige gegangen, da sie auf ihrer Flucht einiges zurücklassen mussten, und dies war ihre einzige notdürftige Möglichkeit diesen Umstand auszugleichen. Ihre Mienen gaben keinen Aufschluss darüber, doch die Besitzer der Pferde wie auch die Tiere selbst waren hungrig, müde und von den zurückliegenden Ereignissen mental angeschlagen. So schleppten sie sich dahin ihre Müdigkeit verborgen hinter der aufrechten, erhabenen Haltung und ihren graziösen Bewegungen.
Der Antlitz der Sonne hatte sich erst vor kurzem über die Gipfel des in der Ferne in die Höhe ragenden Gebirges vorgetastet, die Schwärze der Nacht sich dem Licht noch nicht lange ergeben. Der Wald durch den sie ritten, wurde von vielen wegen des Unbehagens, das er verströmte, gemieden. Die sieben Reiter wussten jedoch nicht um die alten Legenden, die sich um diese Bäume rankten und an den Lagerfeuern der umliegenden Dörfer von deren Bewohnern als Schauergeschichten erzählt wurden, folglich hielten sich ihre Befürchtungen in Grenzen. Nicht das dieses Wissen einen Unterschied gemacht hätte, denn was konnte man schon auf das Wort einiger ungebildeter Dörfler geben. Außerdem gab es andere Dinge, die wichtiger waren, andere Gegebenheiten, die sie zu fürchten hatten. Nur noch ein paar Tage und all die Schrecken hätten ein Ende, nur ein paar Tage. Nicht mehr lange und sie wären wieder Zuhause und konnten jene wiedersehen, die ihnen etwas bedeuteten, jene, die sie liebten.
Ihre Nackenhaare stellten sich in der Vorfreude auf ihre Heimat auf, als sie einen Vogel zwitschern hörten, der dort heimisch war. Seltsam, hätte er dafür doch das Felsmassiv überqueren oder umgehen müssen, welches die natürliche Grenze zu ihrem Land bildete. Dies erinnerte sie nur allzu gut an den Umstand, dass sie noch ein gutes Stück des Weges vor sich hatten und noch dazu das anstrengendste, doch daran wollten sie jetzt nicht denken, die Reise war schon kräftezehrend genug gewesen. Zudem schien es, als würde sich der Wald gegen sie auflehnen, schien er ihren Weg doch mit Sträuchern und Wurzeln aller Art, die auf den Weg ragten und ihn somit noch tückischer werden ließen, zu behindern. Das war es zumindest, was die Pferde nun denken mussten, denn die Gedanken ihre Besitzer waren schon weitergewandert.
Sie hofften sich bald mit einer anderen Gruppe zu treffen, um dann endlich nach Osten aufzubrechen, wo ihre Heimat lag. Dort wäre es um diese Jahreszeit warm und man würde sie mit offenen Armen empfangen, ganz im Gegensatz zu den Dörfern, in denen es meistens Komplikationen mit den Einwohnern gegeben hatte. Hier lebte wohl nichts anderes als Abschaum und Gesindel, das alles stehlen wollte, was rechtmäßig anderen gehörte; verachtenswert.
Die Gruppe kam ins stocken, als das Gebüsch raschelte und sich ihre Gesichter der Quelle des Geräusches zuwandten. Der Reiter, der an der Spitze des Zuges ritt, gab ein Zeichen und die Pferde kamen zum Stillstand. Er schlug seien Umhang zurück, unter dem ein prachtvoll gearbeitetes Schwert in einer Scheide an seiner Linken zum Vorschein kam. Ebenso war nun auch der leichte Brustpanzer zu erkennen, der an vielen Stellen mit Runen übersät war - Schutzzeichen womöglich? Die Rüstung gewährt dem Träger nur minimalen Schutz, aber schränkte dessen Bewegungsfreiheit so gut wie nicht ein, was beim Kampf zu Pferde von Vorteil war. Außerdem wurden die Reittiere ebenso wenig eingeschränkt wie ihr Besitzer, wodurch eine zurückzulegende Strecke um ein vielfaches schneller bestritten werden kann.
Der Anführer lies seine rechte Hand auf den Schwertgriff gleiten, die andere legte er halb auf die Klinge direkt unter dem Griff und halb auf dem Ansatz der Scheide, um kein Geräusch zu verursachen sollte er seine Waffen kampfbereit machen müssen. Seine Augen fokussierten sich auf den Busch und es schien als würde er kein Hindernis für seine Blicke darstellen. Die anderen Anwesenden ließen ein Anzeichen von Anspannung erkennen, was nicht gerade typisch für sie war. Das Rascheln erklang erneut, verstummte, dann entspannte sich der Anführer sichtlich. Nur ein Hase, gab er den anderen zu verstehen. Dies hätte nur allzu leicht eine Behinderung ihres Zeitplanes darstellen können und nach all dem Blut war ihnen nicht nach kämpfen zumute. Der Krieger ließ von der Waffe ab, hüllte sich wieder in seinen Umhang und gab ein Zeichen, woraufhin sich der stille Zug der sieben wieder in Bewegung setzte und in die tieferen Teile des Waldes vordrang.
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Die Plane des Zeltes wurde zurückgeschlagen. „Clanführer...“, flüsterte der in dunkelgrün gekleidete, gerade eintretende Mann einem zweiten fragend zu, die mit ineinander gelegten Händen in der Mitte ihres Zeltes kniete und ihm schlagartig ihren Kopf zuwandt, was ihn mitten im Satz stocken ließ. Er warf der Gestalt, die im Eingang des Zeltes nur als dunkle Silhouette zu erkennen war, einen Blick zu, der seine Erwartung ausdrückte, bevor er sich von seinen Knien erhob um sich zu seiner vollen Größe aufzurichten, die beachtlich war. Er überragte den Späher, der nicht gerade als kleingewachsen bezeichnet werden konnte, um gut eine ganze Kopfhöhe. „Was hast du zu berichten“, war die raue und dunkle Stimme des Anführers zu vernehmen und gab seinem Gegenüber damit die Erlaubnis zu sprechen.
Die Gestalt trat ein und ließ Respekt vor dem Mann, den die Krieger und Späher des in aller Hast aufgebauten Rastplatzes nur mir Clanführer ansprachen, erkennen, indem sie sich verbeugte . Sein Status war zwar viel mehr der eines Generals, trotz allem wurde ihm diese Ehre zuerkannt, da er sich in der Schlacht bewiesen hatte und sein Vater der Führer eines Clans war, wenn auch nur eines vergleichbar kleinen. Er, der wie sein Gegenüber einen in einem dunklen Grünton gehaltenen Umhang trug, fragte sich, ob er gute Nachrichten zu erwarten hätte, denn er war das Warten und die Unsicherheit leid.
„Ich habe die zweite Gruppe auswendig gemacht. Sie sind auf dem Weg hierher, sieben an der Zahl", verkündete der Späher mit starrem Blick, aber dem Anflug von Stolz in der Stimme.
„Gut, sehr gut. Wir haben sie also doch nicht verfehlt“, flüsterte der General, wobei diese Aussage an niemanden bestimmten gerichtet war, außer vielleicht ihn selbst. Dann sprach er lauter, gebieterischer: „Geh und sag den Kriegern sie sollen sich auf einen weiteren Kampf vorbereiten und lass jemanden zu mir kommen. Er soll mir meine Rüstung bringen und sich damit gefälligst beeilen!“ Der Späher entfernte sich mit einer weiteren, diesmal hastigen Verbeugung und tat wie ihm geheißen. Der General verharrte noch kurz und dachte kurz über etwas nach, dann verließ er kurz darauf ebenfalls das Zelt und bewegte sich auf die Mitte der Lichtung zu.
Dort angekommen atmete tief ein, wobei ihm ein metallischer Geruch in die Nase stieg; Blut. Er blickte auf den toten Körper des verhassten Anführers einer Gruppe hinab, der genau wie die sechs anderen Reiter in seiner Begleitung in ein weißes Gewand gekleidet gewesen war. Viel war von dem einst so schön anzusehenden Antlitz nicht mehr übrig und die wenigen Flecken seiner Bekleidung, die nicht mit seinem eigenen Lebenssaft und Schlamm besudelt waren, versuchten vergeblich den Eindruck von Reinheit zu vermitteln. Der Tote wies schwere Verwundungen auf. Einige davon hätte er überlebt, wenn ihm der Todesstoß erspart geblieben wäre, doch so viel Gnade hatte er nicht zu schenken vermocht. Dann lies der General seinen Blick über die Lichtung schweifen, wo er die sechs anderen Leichen, die von seine eigenen Krieger auf äußerst präzise Weise getötet worden waren, erblickte. Sie hatten sie überrascht und so hatte es nur wenige Tote auf ihrer Seite gegeben, weshalb er sie jedoch nicht minder bedauerte. Sie würden ein würdiges Begräbnis bekommen. Die sechs Körper ihrer Feinde hingegen waren auf einen Haufen geschmissen worden, den für sie, wie für den toten Anführer, der etwas abseits der anderen lag, würde man noch Verwendung finden. Er wandte sich ab und ging auf sein Zelt zu, wo seine Rüstung und sein Schwert bereits auf ihn warten würden. Sie würden sterben, sie alle. Erst diese Sieben, dann der Rest ihres Volkes.
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„Yvain“, fragte eine weiche und melodische Stimme, die jeden Mann in ihren Bann gezogen hätte, „werden wir rasten sobald wir die anderen treffen?“
“Wir müssen, allein schon der Pferde wegen. Eine Nacht werden wir ruhen und am frühen Morgen aufbrechen, um schnellstmöglich in Vidhnuar anzukommen", antwortete eine weniger helle, aber nicht minder schön klingende Stimme. „Ich kann nur hoffen, dass sie zum verabredeten Zeitpunkt dort erscheinen, denn ich muss dir ja wohl kaum erklären, was sonst passiert.“
Die beiden verstummten abrupt, als würde es ihnen Unbehagen bereiten über dieses Thema zu sprechen oder als ob sie fürchteten, was geschehen könnte. Nach einem kurzen Ritt in Stille, nur durchbrochen von Hufgeklapper und dem Schnauben der Pferde, kamen sie an eine Stelle, an der sich der Weg in zwei kleinere Waldpfade spaltete. „Jetzt ist es nicht mehr weit“, ließ der Mann, der kurz zuvor als Yvain bezeichnet worden war, von sich vernehmen. Ohne zu zögern schlugen sie den linken Weg ein, der beidseitig mit nahezu undurchdringlichem Gebüsch und hohen Bäumen gesäumt war, die auch ohne ihre Blätter ein dichtes Dach über dem Pfad bildeten. Die ohnehin nur sehr rar gesäten Sonnenstrahlen konnten den Weg nicht erhellen, somit war es dunkel und eine bedrückende Stimmung hätte sich breit gemacht, wären sie nicht sowieso schon durch dunkle Gedanken betrübt. So waren sie alle, wenn sie es auch nicht zugeben würden, froh als sie bemerkten, dass sich das Gestrüpp langsam lichtete was bedeutete sie kamen einem offene Platz näher, der in diesem Fall durch die Lichtung repräsentiert wurde. Sie ließen die Pferde in einen Trap verfallen, um diesen ungastlichen Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen zu können und sich endlich ein wenig mehr in Sicherheit wägen zu können. Die ersten Sonnenstrahlen erhellten ihre Umhänge und die Hoffnung ihre Freunde nach so langer Zeit wieder zu sehen bewahrheitete sich, jedoch auf eine ganz andere Weise als sie es sich erhofft hatten.
Als sie die Lichtung erreichten setzten ihre Herzen für einen Schlag aus. Was sich ihren Augen darbot war so unbeschreiblich so gräßlich, dass keiner von ihnen es wagte zu sprechen. Sechs Krieger der Gruppe mit der sie sich treffen sollten lagen niedergestreckt um einen mit der Spitze voran in den Boden gerammt Speer. Sie alle wiesen schreckliche Wunden auf und waren teilweise verstümmelt, was jedoch nicht einmal das Schlimmste war. Der Anführer der Gruppe war auf dem Speer aufgespießt worden, sein abgetrennter Kopf auf das Ende des Stabes gesetzt. Das Gesicht war noch zu erkennen, aber zu einer schrecklichen Fratze verzogen, die nichts von der Schöhnheit seines früheren Ichs mehr besaß, wie sie es in Erinnerung hatten. Vier der in weiß Gekleideten wanden sich ekelerregt von so viel Grausamkeit ab, den drei anderen war dies schlichtweg nicht möglich.
„Was nur würde solch eine Tat rechtfertigen“, schwirrte es Llewelyn durch den Kopf. Ihr rann eine einzelne Träne über die Wange, doch kein Laut drang zwischen ihren Lippen hervor, während sich ihre Hände zu Fäusten verkrampften. Es war ihr unmöglich sich zu rühren und dieses Gewicht das ihr auf die Brust drückte schien ihr die Luft aus den Lungen zu pressen.
Die Stimme ihres Anführers durchschnitt die Stille, die sich wie ein Schleier über die Lichtung gelegte hatte. Es war nur wenig mehr als ein Flüstern, aber es genügte um die anderen aus ihrer Erstarrung zu lösen.
„Zieht die Waffen, vielleicht sind ihre Mörder noch in der Nähe.“
Mörder war in diesem Kontext eindeutig nicht das richtige Wort, den ein Mörder tötete sein Opfer zumindest präzise, diese Leichen waren jedoch einfach nur aus Spaß am Töten
verstümmelt und aufs grausamste hingerichtet worden. Sogleich war das Klirren von Waffengurten zu hören und Schwerter, die das Licht auf eben so wundersame Weise brachen wie ihr Kleidung, wurden gezogen, um sieh auf den womöglich bevorstehenden Kampf vorzubereiten. Doch bevor die letzte Waffe die Scheide verließ, kam der Tod auf leisen Schwingen. Es war nur ein Sirren zu vernehmen als die Schwarz gefiederten Pfeile aus den umliegenden Gebüschen hervorschossen und zwei der Reiter samt Pferde mit Pfeilen spickten. Die weisen Gestalten gingen mit einem Aufschrei nieder, was die Krieger in den umliegenden Gebüschen wohl als Zeichen sahen direkt in den Nahkampf überzugehen. Neun der in Grün Gekleideten stürzten aus ihrem Versteck hervor und auf die nun nur noch fünf Überlebenden zu, welche zwar noch geschockt, aber nichtsdestotrotz kampfbereit waren. Einer der Krieger, der als einziger nicht aus dem Gehölz gesprungen war, sondern es fast gemächlich verlassen hatte, war als ihr Anführer zu erkennen, da mit seiner Größe viele der anderen überragte und als einziger eine schwere Rüstung trug, die große Teile seines Körpers bedeckte, jedoch die untere Hälfte des Gesichtes und die Gelenke der Arme und Beine frei ließ, um dem Kämpfer etwas mehr Freiheit beim Führen der Waffe zu gewähren. Außerdem hielt er sich vorerst im Hintergrund, um nicht als erster den schmalen und schnell zu führenden Klingen der Reiter zum Opfer zu fallen.
Yvain gab ein Zeichen, woraufhin die Krieger, mit Ausnahme von Llewelyn, die einzige Frau der Gruppe, die wir paralysiert auf die Toten starrte, ihre Pferde auf die ihnen nur allzu bekannten Feinde zustürmen ließen. Diese ließen sich jedoch nicht beirren und die drei Vordersten rammten die langen Speere, welche sie bei sich trugen, vor sich in den Boden und hielten sie so, dass deren Spitzen auf die Reiter gerichtet waren. Einer der Angreifer wurde von den Hufen der Pferde einfach niedergetrampelt, als sich die Speere fast wie von selbst gerade so weit zur Seite zu biegen schienen, dass sie die sich nährenden Berittenen nicht aufspießten, und zwei weitere vielen den von Meisterhand geführten Klingen zum Opfer. Einer der Reiter wollte gerade einen weiteren Schlag anbringen, um seine toten Kameraden zu rächen, als sich einer der in dunkelgrün Gekleideten blitzschnell unter der Klinge hinwegdrehte und ihm die seine knapp unter der Rüstung in den Magen trieb, woraufhin der Krieger vom Ross glitt und regungslos auf der Erde verharrte. So in ihrem Glaube an einen schnellen Sieg bestärkt brachten ihre Feinde zwei weitere Pferde zu Fall. Einer der Reiter hatte sein Leben ausgehaucht noch bevor er auf dem Boden aufschlug, der andere rollte sich stattdessen auf der halb gefrorenen Erde ab und nutzte den dadurch entstehenden Schwung, um seinem folgenden Schlag die nötige Stärke zu verleihen. Er schlitzte seinem Angreifer den Umhang auf Brusthöhe auf, fügte ihm jedoch keinen ernsthaften Schaden zu, da dieser genau wie er selbst eine Rüstung trug. Trotz allem zeigte der Schlag Wirkung, indem er den Krieger zurücktaumeln ließ, was dem in weiß Gekleideten die nötige Zeit gab, um
einen zweiten Schlag anzubringen, dem sein Gegenüber nichts entgegenzusetzen hatte und ihm zum Opfer fiel.
Ein Todesschrei entrann seiner Kehle, welcher Llewelyn ihre Starre überwinden ließ. Instinktiv griff sie nach ihrem Bogen, der seitlich am Sattel ihres Pferdes befestigt war. Zwar war sie in den Künsten des Bogenschießens, wie auch der Heilung ausgebildet und hatte somit schon viel Leid gesehen, aber das hier war einfach zu viel für sie gewesen. Die Verletzungen, die sie zuvor behandelt hatte, basierten meist auf Schürf- und selten auch auf tieferen Wunden oder Brüchen. Doch nun war die Zeit der Trauer vorerst vorüber, der Kampf wartete. Man merkte schon daran wie sie den Bogen hielt, dass sie eine meisterliche Schützin war, die viele Trainingsstunden investiert haben musste. Der Verdacht wurde bestätigt als sie einen Pfeil auf die Sehne legte und ohne merkliches Zielen auf einen der Angreifer schoss, welcher jedoch mit tödlicher Präzision niedergestreckt wurde. Bevor sie einen zweiten Schuss anbringen konnte hörte sie ein Ast des Gebüschs hinter sich knacken, duckte sich aus einem Reflex heraus und entging so dem Pfeil, der nicht minder genau als der ihre abgefeuert worden war, sich jedoch ohne Wirkung in einen der Bäume bohrte. Der Schütze, der wie aus dem Nichts hinter ihr aus dem Unterholz gebrochen war, wollte einen weiteren Schuss anbringen, konnte aber mit der Geschwindigkeit von Llewelyn nicht mithalten. Die Sehne ihres Bogens sirrte und ein zu einem tödlichen Geschoss gearbeitete Stück Holz fuhr dem Späher durch den Hals, was ihn zu einem Baum zurücktaumeln ließ, an dem er keuchend zusammenbrach; der Pfeil hatte seine Luftröhre durchtrennt, weshalb er vergeblich versuchte nach Luft zu schnappen. Sie richtete ihren Blick zurück auf das Kampfgeschehen, wo nur noch zwei verbleibende Reiter mit den letzten Feinden fochten, konnte jedoch keine in eine Rüstung gehüllte Gestalt unter den Toten ausmachen. „Wir müssen weg von dieser Lichtung“, rief Yvain ihr zu, „vielleicht gibt es noch mehr von ihnen.“ Die drei, die das Massaker überlebt hatten, ließen von ihren Feinden ab, was diese nicht verhindern konnten, und ritten auf den Waldweg zu von dem sie ursprünglich kamen. Gerade in dem Moment als sie die Lichtung verließen sprang eine Gestalt aus dem umliegenden Gestrüpp und noch bevor einer von ihnen die Waffe erheben konnte rammte sie einem der Überlebenden einen Dolch in den ungeschützten Hals. Mit weit aufgerissenen Augen stürzte der Getroffene von seinem Schimmel und prallte gegen eines der anderen Pferde, welches daraufhin scheute und seinen weiblichen Reiter abwarf. Indem Llewelyn aus ihrem Sattel fiel entging sie dem tödlichen Schlag, der für sie bestimmt war, welcher nun knapp über ihrem Kopf die Luft durchschnitt. Yvain sprang kampfbereit von seinem Pferd, um sich dem Angreifer im Zweikampf entgegenzustellen und lenkte ihn somit von Llewelyn ab, die durch den unvorhergesehenen Sturz benommen am Boden lag. Von Hass und Verzweiflung getrieben schlug er seinen Feind mit nur drei Schwerthieben nieder, was ihm jedoch nicht den endgültigen Sieg brachte, denn er erhofft hatte. Aus Richtung der Lichtung nahte der Ritter in seiner Ganzkörperrüstung, langsam, so als wüsste er, dass Yvain niemals fliehen würde, solange auch nur einer seiner Begleiter am Leben war. Die beiden ungleichen Gegner, der eine schmächtig, der andere ein wahrer Hüne, umkreisten sich.
„Ich habe euch unterschätzt“, war die von Hass verzerrte Stimme aus Richtung des Unbekannten zu vernehmen, „alle meine Männer sind tot, dafür zahlt ihr mit eurem Leben.“
Dann sah der in Metall Gehüllte seine Chance und sprang ohne Vorwarnung auf seinen Feind zu, der seine Waffe im letzten Moment hochriss um den Hieb abzufangen. Die Schwerter klirrten aufeinander und Yvain, der der unmenschlichen Muskelkraft seines Gegners nicht gewachsen war musste mehrere Schritt zurückweichen um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Sein Gegenüber wollte diese Gelegenheit nutzen um den entscheidenden Schlag anzubringen, doch Yvain tänzelte leichtfüßig ein paar weitere Schritte zurück und lies den Angriff somit wirkungslos
durch die Luft gleiten. Der Hüne, durch seinen eigenen Hieb nun ebenfalls aus dem Gleichgewicht gebracht versuchte den folgenden Schwertstreich zu parieren, jedoch vergeblich. Er traf ihn am linken Arm und fügte ihm eine tiefe Schnittwunde in der Ellenbeuge zu, die ihn zu Verwunderung seines Gegenüber nicht zu stören schien. Yvain, nun mit Siegesgewissheit erfüllt, doch seinen Gegner nicht unterschätzend, traktierte diesen nun mit einer Kombination aus schnellen Stichen und
Schlägen. Mit einer solchen Rüstung konnte er mit der Geschwindigkeit von Yvain unmöglich mithalten, selbst wenn dieser so erschöpft war, wie jetzt.
Dann führte der Unbekannte eine Bewegung aus, die völlig ungewöhnlich für einen Schwertkämpfer seines Kalibers war. Er strecke seinen rechten Arm mitsamt Schwert viel zu weit nach rechts aus, wahrscheinlich um kraftvoll auszuholen. Yvain, die Chance auf den Sieg wahrnehmend, stach auf die Stelle zwischen Schulter und Brustkorb zielend zu, denn hier lag die Bindung der Rüstung und dort war er somit am verletzlichsten. Dies war ein schwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn er hatte nicht mit einer Finte gerechnet. Der Ritter lehnte sich leicht nach links und ließ das Schwert an seiner Rüstung entlanggleiten, um die Waffe anschließend zwischen seiner Rüstung und seinem Schwertarm einzuklemmen. Die freie und mit Metall bekleidete Hand zuckte in seine Richtung und fand ihr Ziel. Der Schlag traf Yvain an der Schläfe und lies ihn, erschöpft wie er war, mit einem ungläubigen Blick besinnungslos in sich zusammensacken. Sich seinem auf diese Weise entledigten Feind, wandte sich der Sieger des Duells der einzigen noch bestehenden Gefahr zu, die sich in Gestalt von Llewelyn manifestierte, welche mittlerweile ihre Benommenheit abgeschüttelt hatte. Er kam mit großen Schritten auf sie zu und sie konnte den Hass, den er zu emittieren schien, förmlich spüren. Mit zitternder Hand griff sie nach ihrer einzigen verbliebenen Waffe, einem kleinen Dolch, der an ihrem Gürtel befestigt war, denn ihr Bogen war ihr bei dem Sturz abhanden gekommen und lag einige Spann von ihr entfernt auf dem Boden, was in dieser Situation eine unüberwindbare Distanz darstellte. Sie erblickte die Wunde an seinem Arm, die ihn jedoch nicht sonderlich behinderte, während er sich ihr unaufhaltsam nährte. Sie kam sich nackt vor mit dem Dolch, dessen Klinge nicht einmal ein Viertel der Länge der Schwertklinge des Riesen maß. Sie hatte zu wenig Kampferfahrung und war weder richtig im Nahkampf ausgebildet, noch wäre das in dieser Situation von Nutzen gewesen.
Sie stach mit dem Dolch auf seinen ohnehin schon verletzen Arm zielend zu, als er in Reichweite kam, nur um diesen von seiner gepanzerten Faust aus der Hand geschlagen zu bekommen. Selbige rammte er ihr auf den Brustkorb, was sie auf die Knie zwang. Er hob sein Schwert und fügte ihr einen Schnitt am linken Arm zu, anstatt sie sofort hinzurichten. Genoss er es sie zu quälen bevor er sie töten würde?
Die Verletzung fing plötzlich an zu brennen, mehr noch als es bei einer normale Wunde der Fall wäre, ganz so als hätte man ihr Salz in die Wunde gestreut. Sie blickte auf die Verletzung an ihrem Arm und sah eine dunkle Flüssigkeit in der Wunde schimmern, die unmöglich ihr eigenes Blut sein konnte, weclhes eine hellrote Farbe besaß. Ihr Arm wurde schwer und sie glaubte nicht, dass dieses Gefühl allein von der Verletzung selbst ausging. Sie konnte geradezu spüren wie sich die flüssige Substanz durch ihren Körper fraß und sie lähmte. Er packte sie an den Haaren und schleuderte sie brutal zu Boden, brach jedes bisschen Kampfeswillen, dass ihr noch geblieben war. Auf dem Rücken liegend verharrte sie ohne die Möglicht zu haben die Situation auch nur ihm Geringsten zu beeinflussen, während das Gift unaufhörlich durch ihren Körper kroch.
Aus den Augenwinkeln erblickte sie Yvain, der immer noch ohne Bewusstsein auf dem Boden verharrte und sich wahrscheinlich auch nie mehr von ihm erheben würde; von hier war keine Hilfe zu erwarten. Schwarze Punkte tanzten ihr vor ihren Augen und sie konnte nur noch schemenhaft erkennen wie jemand über sie trat, sein Schwert beidhändig mit der Klinge auf ihren Brustkorb zielend packte und selbiges in die Luft erhob. Breitbeinig stand er über ihr, seinen Erfolg auskostend.
Sie richtete ein Gebet an ihre gnädige Göttin Aylya, dann schloss sie ihre Augen, um nicht noch länger den Mörder von dreizehn unschuldigen Leben erblicken zu müssen. „Warum“, wollte sie fragen, doch dafür war es zu spät, als die gnädige Ohnmacht sie umfing. Ein Schwertstich beendete das Leben des letzten verbleibenden Mitgliedes einer Gruppe, die niemand in diesen Landen vermissen würde.
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