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Zu abgedreht?

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  #1  
Alt 12.06.2011, 20:49
Lúthien Yávëtil Lúthien Yávëtil ist offline
Inspirator aller Magier
 
Registriert seit: 12.2007
Beiträge: 1.886
Zu abgedreht?

Hi,
hab vor kurzem ne Idee zu einer Geschichte bekommen und einfach mal angefangen zu schreiben. Es sollte eigentlich nur ne Kurzgeschichte werden, aber irgendwie umfasst allein der Anfang bis jetzt schon 4 Word-Seiten. Die Story ist auch etwas anders geworden, als ich es eigentlich geplant hatte, aber das muss ja alles nicht umbedingt was schlechtes sein.
Irgendwie bräuchte ich mal eine Zwischenmeinung, was ihr so von den ersten zwei Seiten haltet.
Zu abgedreht? Zu durcheinander erzählt? Andere Verbesserungsvorschläge oder Kritik?
Seid ruhig ehrlich, ich verkrafte das

Ach ja: kursiv sind Gedanken und fett sind Erinnerungen
________


Ich bin nackt.

Das war mein erster Gedanke, als die Welt für einige Sekunden aufgehört hatte sich wie verrückt im Kreis zu drehen.

Blinzelnd schlug ich die Augen auf und erlitt einen erneuten Schwindelanfall, jedoch nicht so heftig wie beim ersten Mal. Am Himmel über mir konnte ich tausende tanzende Lichter erkennen.
Glühwürmchen schoss es mir durch den Kopf, aber ich konnte mich nicht entsinnen, was dieser Begriff zu bedeuten hatte. Mit der Zeit schärfte sich mein Blick mehr und mehr, aber in meinem Hirn herrschte weiterhin gähnende Leere. Die tanzenden Lichter nahmen Gestalt an und entpuppten sich als hundertstellige Zahlenreihen, die mit beängstigender Geschwindigkeit über einen gigantischen Bildschirm rasten. Dieser befand sich auch nicht, wie zuerst gedacht, über mir, sondern war an der Wand des runden Turmes angebracht, in dem ich mich befand. Mühsam begab ich mich in eine sitzende Position. Ein tiefes, blubberndes Grollen ertönte und ich brauchte einige volle Sekunden um zu verstehen, dass es aus meinem Magen gekommen war. Hunger dachte ich und es fühlte sich gut an, so vertraut. Ganz im Gegensatz zu all den anderen Dingen in diesem Raum.

Wände wie Decke waren mit vernieteten Edelstahlplatten ausgekleidet, auf denen kleine Kupferdrähte verliefen und komplexe schimmernde Muster bildeten. Hier und da blinkten kleine Dioden auf und von der hohen Decke hingen Kabel so dick wie ein Kinderarm. Ich glaubte ein leises beständiges Summen zu hören, das die Luft zum Vibrieren brachte, und ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut bescherte mir eine Gänsehaut am ganzen Körper.

„Wie kannst du dir so sicher sein, dass ich es schaffe?“, fragte ich mutlos.
„Hab keine Angst“, sagte sie und ihre haselnussfarbenen Augen fixierten die meinen. „Du wirst siegen. Das Schicksal hat dich dazu bestimmt in dem Moment, als es dich von den Sternen zu uns hinab gesandt hat. So besagt es die Prophezeiung. Du bist der Auserwählte.“
„Die Prophezeiung!“, rief ich aus und musste lachen. Ein kaltes, verbittertes Lachen. „An Prophezeiungen glaube ich schon lange nicht mehr.“


Die Bilder waren so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen waren. Was war hier los? Wo war ich? Wer war das Mädchen aus meiner Erinnerung?

Und wer bin ICH?

Fröstelnd schlang ich meine Arme um die angewinkelten Knie. Der Boden, auf dem ich saß, war unangenehm kühl und fühlte sich an als sei er aus zusammengepresster Erde. Mit der linken Hand fühlte ich darüber und spürte mehrere kleine Unebenheiten. Was war das? Ein Muster? Nein, das waren Zeichen… Buchstaben.

K I R O

Verwundert kratzte ich mich mit der anderen Hand am Kopf und spürte einen stechenden Schmerz. Neugierig betrachtete ich meinen rechten Zeigefinger. Er war von einer Kruste aus Dreck und etwas Blut bedeckt, anscheinend war der Nagel eingerissen. Ähnliche Spuren fanden sich auch auf der Schrift. Hatte ich etwa…

„Du bist wach, wie ich sehe“, hallte in dem Moment eine krächzende Stimme durch den Raum.

Fast wie von selbst wanderte mein Blick zu dem großen Bildschirm, aber bis auf die schrecklich verwirrenden Zahlenkolonnen konnte ich weiterhin nichts unnatürliches Erkennen, geschweige denn den Ursprung der Stimme ausmachen.
„Ich weiß zwar nicht wer ihr seid, aber ich verlange ein paar Antworten. Und etwas Nahrung“, rief ich irgendwo in Richtung Decke. „Und eine Hose“, fügte ich schnell noch hinzu.

„Du befindest dich nicht in der Position Forderungen zu stellen“, erklärte die Stimme herablassend. „Bis jetzt haben wir dich verschont und das werden wir auch weiterhin tun, falls du unseren Anweisungen Folge leistest. Solltest du jedoch auf die Idee kommen unsere wertvolle Zeit durch Lügen oder ähnliche Sperenzchen zu verschwenden, werden wir die Verbindung kappen und dich hier vergammeln lassen.“

Dieser Kerl war eindeutig wahnsinnig, aber mir blieb nichts anderes übrig als mich auf sein Spiel einzulassen.

„Nun gut, Fremder“, fuhr dieser fort. „Woher kommst du?“

Wenn ich das nur wüsste.

Tatsächlich hatte ich nicht die geringste Ahnung, auf welche Art und Weise ich in diesen Turm gekommen und was davor geschehen war, und so klammerte ich mich an den merkwürdigen Tagtraum, meinen einzigen Anhaltspunkt.

„Ich wurde von den Sternen herabgesandt“, sagte ich und meine Stimme zitterte mehr als es mir lieb war. Der Satz klang seltsam lächerlich, als er einmal ausgesprochen war.
Ein heiseres Kichern entsprang der Kehle des Fremden.

„Wohl war, der große Automat formte unsere Vorfahren aus der Schwärze der Nacht. Von den Sternen kommen wir und zu den Sternen gehen wir. Sehr philosophisch“, sagte er, und ich meinte einen kleinen Funken Anerkennung darin zu hören.
„Wir hätten nicht damit gerechnet, dass wir es mit einem Gelehrten zu tun haben. Zu welchem Zweck bist du hier?“

Er hats gefressen.
Ich beschloss alles auf eine Karte zu setzen.
„Das Schicksal hat es so bestimmt. Ich komme um die Prophezeiung zu erfüllen.“

Lange Zeit blieb es still, sodass ich schon befürchtete, er habe das Interesse verloren. Dann aber ertönte ein Rascheln und Knacken und die Stimme meldete sich erneut.

„Wie ist dein Name?“, fragte sie.

Ich war verunsichert. DAS hatte mir das seltsame Mädchen aus meiner Erinnerung nicht gesagt.

„Mein Name ist…äh….mein Name ist…“, stammelte ich. Mein Blick glitt nervös über meine Umgebung und blieb schließlich an den Einkerbungen vor mir im Boden hängen.

„Kiro. Mein Name ist Kiro. Ich bin der Auserwählte.“

Erneute Stille, diesmal bedeutend länger als zuvor.
Ich hatte keinerlei Zeitgefühl, deswegen konnte ich nicht sagen ob Minuten oder Stunden vergangen waren, als sich plötzlich eine Klappe knapp unter der Decke öffnete und ein riesiger schwarzer Schatten pfeilschnell auf mich herabzustürzen begann.

Geändert von Lúthien Yávëtil (15.06.2011 um 14:15 Uhr)
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  #2  
Alt 13.06.2011, 22:36
Benutzerbild von Lafàith
Lafàith Lafàith ist offline
projektjongleurin
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klingt wirklich etwas abgedreht, aber trotz allem interessant. ich würde nicht ganz so ewig lange sätze machen, wie:

Mit der Zeit schärfte sich mein Blick mehr und mehr, aber in meinem Hirn herrschte weiterhin gähnende Leere, unterbrochen nur durch vereinzelte zusammenhanglose Gedanken, die wie Gitarrensaiten angeschlagen wurden und wieder verklangen, ohne irgendeine Wirkung zu hinterlassen.

aber das ist an sich nicht allzu schlimm. der anfang ist schon ungewöhnlich, macht dafür aber lust auf mehr. ob es zu abgedreht ist, würde sich zeigen, wenn die erklärung für die vorkommnisse unverständlich sind- und soweit konnte man bisher nicht lesen
__________________
"Heute stehen wir vor dem Abgrund - morgen sind wir einen Schritt weiter."


>> Ich bin nicht die Signatur, ich putz hier nur! <<
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  #3  
Alt 13.06.2011, 23:20
Benutzerbild von Orendarcil
Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
Registriert seit: 01.2010
Beiträge: 1.090
Hi,
habe mal angefangen zu Lesen, weil ich selbst gerne mal verworrene oder "seltsame" Geschichten schreiben^^
Also interessant klingt es schonmal, aber du nimmst mit einigen Formulierungen teilweise Tempo und Spannung aus der Geschichte, sodass sie hier und da nur dahinplätschert, obwohl du noch mehr daraus hättest machen können.
Wie Lafàith schon sagte sind einige Sätze zu lang, manche musste man zweimal lesen, damit sich einem der Sinn des Satzes erschlossen hat oder um herauszufinden wo welcher Nebensatz beginnt und wieder aufhört.
Bei manchen Formulierungen hättest du es einfacher und knapper schreiben können, wodurch es besser und eindrücklicher wirkt ;)
Das sie nicht weiß, was das Wort "Glühwürmchen" bedeutet halte ich auch für ein bissle übertrieben
Wie sich die Idee weiter entwickelt kann ich nicht sagen, klingt aber nach einer interessanten Auflösung^^
Aus einigen deiner Sätze und damit der Geschichte an sich, kannst du aber denk ich noch mehr rausholen ;)

Viele Grüße
__________________
"Vieles geht dahin und stirbt, doch die Wahrheit bleibt,
auch wenn sie oft im Verborgenen liegt und schweigt."

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  #4  
Alt 15.06.2011, 14:07
Lúthien Yávëtil Lúthien Yávëtil ist offline
Inspirator aller Magier
 
Registriert seit: 12.2007
Beiträge: 1.886
Danke fürs Lesen, Lafaith und Orendarcil :)
Ich editier eben den Teil den ich rein gestellt habe wegen den "Teleskopsätzen" und dann kommt vielleicht noch ein bisschen mehr, ich editiers dann rein.
Ach ja, @ Orendarcil: der "Ich-Erzähler" sollte eigentlich männlich sein...findest du er benimmt sich zu weiblich?



EDIT: wenn jemand weiter lesen möchte, hier
____________

Statt über mich herzufallen und mich in kleine Stücke zu zerreißen, wie ich es eigentlich erwartet hatte, landete das Monster vor mir auf den Boden und sah mich aus großen blauen Vogelaugen neugierig an.
Mit seinem fast komplett schwarzen Gefieder hatte es Ähnlichkeit mit einem Raben, wäre da nicht diese Federhaube auf seinem Kopf gewesen. Die Federn auf seiner Stirn waren unnatürlich lang und ragten schwungvoll in die Höhe, was fast lächerlich ausgesehen hätte, wäre das Tier nicht so groß gewesen. Der Abstand von ausgebreiteter Flügelspitze zu Flügelspitze würde bestimmt etwa das Anderthalbfache meiner eigenen Körpergröße betragen!
In seinem weißgetupften Schnabel hielt es ein paar braune Fetzen, die es vor meinen Füßen zu Boden fallen ließ. Es legte erwartungsvoll den Kopf schief.
Zu ängstlich, mich herabzubeugen, stocherte ich mit dem Fuß darin herum.

„Was soll ich damit tun?“, fragte ich an die Stimme gerichtet, die sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr gemeldet hatte.

„Zieh das an“, sagte jemand, aber es klang anders als die Male davor. Nicht ganz so krächzend, etwas leiser und irgendwie…weiblicher. Entgeistert starrte ich erst den Stoffhaufen, dann das riesige Vogelvieh vor mir an

„Nun mach schon.“

Ganz eindeutig. Dieses Tier hatte soeben seinen Schnabel bewegt und dabei Laute hervorgebracht - und ich hatte sie verstanden. Auch mein Mund klappte auf und wieder zu aber kein Ton kam mir über die Lippen. Ich kam mir unsagbar dumm vor. Ich ging in die Hocke und stellte zu meiner Überraschung fest, dass dort tatsächlich eine ziemlich ausgebeulte und ziemlich hässliche Stoffhose sowie eine Art provisorischer Lendenschurz lagen.
Ein Oberteil gab es nicht. Unbeholfen und verschämt legte ich beides an, als mich der lange kalte Schnabel am Hosenbund packte und hinter den Hals des Vogelweibchens bugsierte. Ehe ich wusste, wie mir geschah, erhob sie sich in die Luft und wir verließen durch die immer noch geöffnete Klappe den Turm und damit das mir bis dahin bekannte Universum.

Damals erfuhr ich zum ersten Mal, dass ich anscheinend unter Höhenangst litt.

Als ich es wieder wagte, die Augen zu öffnen, fand ich mich in einem Raum wieder, der an Größe und Form dem ähnelte, den ich soeben verlassen hatte. Ich nahm an, dass er sich direkt darüber gelegen befand.
Statt Metall war hier allerdings Bimsstein das vorherrschende Baumaterial gewesen, zumindest bestanden die umstehenden Säulen am Rand der Plattform daraus. Sie trugen ein leicht morsches, aus Brettern gezimmertes Kuppeldach.
Zwischen den Säulengängen konnte ich den vanillefarbenen Himmel sehen. Anscheinend ging die Sonne bald unter.
„Der König wird dich in ein paar Minuten empfangen, bis dahin solltest du etwas essen um zu Kräften zu kommen.“
Damit meinte sie wohl die drei Näpfe, die sich vor mir befanden. In ihnen befanden sich jeweils Beeren, Körner und etwas, das ich für getrocknete Käferkadaver hielt. Neugierig nahm ich einen davon heraus und begutachtete ihn näher. „Was ist das?“
„Leuchtkäfer“, erklärte sie in zurückhaltend vorwurfsvollen Ton, „die größten und saftigsten noch dazu. Du solltest die Beine und das Hinterteil jedoch vor dem Verzehr entfernen, die sind ungenießbar.“

Ich hatte keine Ahnung, was in meinem vorherigen Leben meine Leibspeise gewesen war oder wovon ich mich überhaupt normalerweise ernährte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Insekten nicht dazu gehörten.

Irgendetwas sagte mir auch, dass dieser Vogel ganz genau davon wusste und mich nur bloßstellen wollte.
Trotzig nahm ich mir also einen der gepanzerten Käfer, entfernte wie beschrieben Unterleib und Beine, steckte mir den Rest in den Mund und kaute vorsichtig. Nein, schlecht schmeckten sie wirklich nicht, außerdem hätte ich bei dem Hunger so gut wie alles gegessen.
Ich war so in den Verzehr vertieft gewesen, dass ich das Flattern gar nicht bemerkt hatte, mit dem ein weiterer Vogel gelandet war. Er hatte sich anscheinend bis zu dem Zeitpunkt irgendwo in dem Gebälk über uns aufgehalten.
Er war filigraner gebaut als die mit der Federhaube, auch reichte er ihr insgesamt gerade bis zum Hals. Sowohl Bauch als auch Teile der Flügel waren bei ihm weiß und seine kleinen Augen von einem linkischen Schwarz. Um seinen Hals trug er seltsamerweise eine zweireihige glitzernde Silberkette und an seinen Krallen mehrere Ringe.
„Ara, Ejua!“, grüßte er das Vogelweibchen, „ Ich hoffe du hast gut für unseren Gast gesorgt?“
„Ara, Korax, mein König“, sagte diese mit einer Verbeugung und deutete stumm auf mich und die drei Näpfe.
„Kiro… endlich begegnen wir uns persönlich“, zwitscherte Korax, anscheinend besagter König, vergnügt. Es bestand kein Zweifel, dass er es war, mit dem ich zuvor über die Lautsprecher gesprochen hatte. „Wie wir sehen haben dir unsere Glühwürmchen geschmeckt. Das freut uns…“

Glühwürmchen. Ein Maulbeerbaum. Ein Mädchen. Ein Kuss.
Der Angriff.


„Was ist los?“, fragte Ejua misstrauisch.
Angesichts der Welle an Emotionen, die mich plötzlich übermannt hatte, hatte ich mir ein erschrockenes Luftholen nicht verkneifen können. Schnell tarnte ich es als ein Gähnen.

„Ach, nichts. Ich bin nur müde….und etwas durstig“, setzte ich hinzu, weil es stimmte.

„Du hast schon lange genug geschlafen, Auserwählter“, sagte sie und betonte das letzte Wort so abfällig wie sie nur konnte.
Was geht hier nur vor?
„Nimm die Beeren, die stillen den Durst.“

„Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun.“

Wer hatte das gesagt?
Es war nicht der König gewesen und Ejua schon gar nicht.
Verwundert sah ich auf. Ein dritter Vogel war auf der Plattform gelandet, anscheinend war er von draußen zwischen zwei Säulen hindurch hereingeflogen.

„Ara“, grüßte er und senkte für einige Sekunden seinen Hals. Sein zerrupftes Gefieder war komplett schwarz, nur sein außergewöhnlich dicker Schnabel hatte eine gelbgräuliche Färbung und das eine Auge einen milchigen Einschlag. Wahrscheinlich war es blind.

„Ara, Falzur. Anscheinend hast du doch noch die Zeit gefunden uns mit deiner Anwesenheit zu beehren“, krächzte Korax herablassend. „Und warum sollte 'der Auserwählte' deiner Meinung nach unsere Beeren nicht essen dürfen?“

„Er ist ein Mensch“, antwortete Falzur und sah mich dabei direkt an. „Auch wenn diese Beeren uns gut bekommen mögen, ihn könnten sie krank machen oder zumindest für einige Zeit außer Gefecht setzen.
Wie ihr wisst haben wir diese Zeit nicht.“

„Da sprichst du ein wahres Wort. Momente wie diese erinnern uns daran, warum wir dich zu unserem obersten persönlichen Berater gemacht haben.“

Ich hatte mich immer noch nicht ganz an den majestätischen Plural gewöhnt, in dem Korax andauernd von sich sprach.

„Wir müssen jetzt diversen königlichen Geschäften nachgehen. Ejua, du berichtest dem Rest der Wache von…den jüngsten Ereignissen.
Falzur, du unterrichtest ihn hier in seiner Aufgabe.
Wir wollen nicht gestört werden.“

Mit den Worten erhob er sich wieder ins Gebälk und ich meinte ein Glitzern hinter einem der Balken zu sehen.
Falzur und ich waren allein.

„Du bist also der Auserwählte“, begann er.

Dieser Titel gefällt mir von Mal zu Mal weniger… dachte ich.

„Hör mal, ähm, Falzur? Ich glaube hier liegt ein großes Missverständnis vor. Ich bin nicht wirklich DER Auserwählte, ich meine, ich..."

„Das tut nichts zur Sache.“

„…Was?“

„Es gibt keine Prophezeiung, und es gibt auch keinen 'Auserwählten'.“

„Aber… was tue ich dann hier?“

„Du bist einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort. Auch wenn es nicht genau DU bist, auf den wir gewartet haben, war es gewiss einer wie du.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Komm mit“, sagte der Riesenvogel, legte einen Flügel um meine Schulter und drängte mich in Richtung der Säulenbögen.
Mir war eigentlich immer noch ein bisschen schwindelig von meinem Flug auf Ejua und ich verspürte kein besonders großes Bedürfnis, mich dem gähnenden Abgrund zu nähern. Aber die starken Federn drückten mich unermüdlich weiter, bis mich nur noch wenige Zentimeter vom Rand der Plattform trennten.
Der atemberaubende Anblick ließ mich meine Angst für einige Sekunden vergessen.
Unter mir erstreckte sich etwas, das wohl einst eine Stadt gewesen war. An einigen Stellen konnte man noch Häuserfassaden oder ruinenhafte Grundgerüste erkennen, aber der Großteil war von Efeu und ähnlichen Kletterpflanzen überwuchert. Die wenigen Gebäude, die noch gut erhalten waren, zeichneten sich als skurile geometrische Figuren aus Metall und Stein gegen den unwirklich gelb leuchtenden Himmel ab.
Auf einem großen Haufen kantiger Felsbrocken, die wohl einmal eine Mauer gebildet hatten, wuchs doch tatsächlich ein Baum. Seine Wurzeln hielten die Steine fest umschlungen - es wäre unmöglich gewesen einen davon zu entfernen.
Es war wie ein Kampf der Natur gegen die Technik - und die Natur hatte die Oberhand.

Geändert von Lúthien Yávëtil (15.06.2011 um 14:40 Uhr)
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  #5  
Alt 15.06.2011, 19:22
Benutzerbild von Orendarcil
Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
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Beiträge: 1.090
Hi,
bei dem "sie" (der Glühwürmchensatz) meinte ich "die Person"... gegen Ende hat sich mir erschlossen, dass es ein Mann war, vorher hab ich darin ein wenig geschwankt.
Wenn du möchtest, dass man als Leser recht weit am Anfang weiß, dass es ein Mann ist gibt einen Hinweis darauf, der keinen weiteren Spielraum zulässt.
Wenn dir kein Hinweis einfällt schreib sowas wie:
"Würde mich jemand so sehen, sähen sie einen gebrochenen Mann, seiner Identität und des klaren Verstandes beraubt, verwirrt und mutlos"
k.a. wo das reinpasst, soll aber nur als Beispiel dienen

Viele Grüße
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  #6  
Alt 15.06.2011, 19:31
Lúthien Yávëtil Lúthien Yávëtil ist offline
Inspirator aller Magier
 
Registriert seit: 12.2007
Beiträge: 1.886
Also ehrlich gesagt find ichs gut wenn der Leser nicht direkt zu Beginn alles weiß...
Es hätt mich halt nur interessiert, ob die Gedanken/Gefühle zu feminin sind :D
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  #7  
Alt 16.06.2011, 19:34
Benutzerbild von Telorion
Telorion Telorion ist offline
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Also alles in allem eine durchaus interessante Idee, die jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. Einige Punkte wurden ja schon angemerkt (z. B. zu lange Sätze) und du könntest bzw. solltest sprachlich mehr rausholen. Außerdem fehlt ein wenig die Stimmung. Zum Beispiel wird der Flug wegen der Höhenangst völlig unter den Tisch fallen gelassen und der Leser wird gleich in die nächste Begegnung geworfen. Das wirkt ein wenig plump. Trotz der lähmenden Höhenangst könnten die arbeitenen Muskeln des Tieres beschrieben werden, der peitschende Flugwind oder der "hüpfende" Magen, wenn es plötzlich steil nach unten geht, usw. Dein zweiter Textteil hat mir dennoch insgesamt besser gefallen, als der Einstieg.

Bleib einfach mal dran und schreib munter drauf los, denn nur wenn "Material" (= Text) da ist, kann man auch mit etwas arbeiten!
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  #8  
Alt 17.06.2011, 00:13
Lúthien Yávëtil Lúthien Yávëtil ist offline
Inspirator aller Magier
 
Registriert seit: 12.2007
Beiträge: 1.886
Wow, mehr Rückmeldungen als ich gedacht hatte!
@ Telorion:
Hm, die Sätze sind also immernoch zu lang? Ich versuch noch mal zu kürzen, aber zu hart will ich dabei auch nicht sein.
Zu der Flugangst, wie du siehst wird die in der folgenden Stelle noch genauer beschrieben, deswegen wollte ich darauf am Anfang noch nicht so sehr eingehen.
Du hast recht, die Geschichte steckt tatsächlich in "den Kinderschuhen", aber eure Kritik und Ratschläge helfen mir sehr
Zitat:
Bleib einfach mal dran und schreib munter drauf los, denn nur wenn "Material" (= Text) da ist, kann man auch mit etwas arbeiten!
Hab ich das richtig verstanden, du willst noch mehr Text? ^^
Ich hatte ein bisschen die Befürchtung euch hier mit seitenlangen Auszügen zu erschlagen die dann gar nicht mehr gelesen werden. ich häng einfach noch mal ein bisschen was dran.

______

„Habt ihr diese Stadt erbaut?“, staunte ich.

„Nein, das waren die Menschen, kurz bevor wir sie vertrieben haben. Jetzt zerfällt alles, weil wir nicht wissen, wie wir es in Stand halten können. Alles bis auf den Automaten zumindest.“

„Hier haben einmal Menschen gelebt? Menschen, so wie ich einer bin?“

„Ja, also fast. Ihre Haut war deutlich heller als deine, fast weiß, das weiß ich aus alten Niederschriften. Aber das ist schon lange her und von ihnen sind keine mehr am Leben. Uns gehört jetzt diese Stadt“, verkündete er nicht ohne Stolz.
„Komm, ich führ dich rum!“

„Nein, ich, bitte nicht…“, rief ich aus und wich ein paar Schritte zurück.

Aber kein Schnabel packte mich am Hosenbund und meine Füße blieben auf dem Boden.

Als ich die Arme wieder vom Gesicht nahm, erkannte ich erleichtert, dass Falzur nicht vorhatte mich auf seinen Rücken zu hieven. Stattdessen war er schon längst losgeflogen. Ob er wohl vergessen hatte, dass ich nicht einfach mit meinen Armen wedelnd hinterher flattern konnte?
Jetzt schien er es bemerkt zu haben. Er flog einen kleinen Bogen in der Luft…und raste mit vollem Tempo auf mich zu.
Und da verstand ich – er hatte nur Anlauf geholt!

Große graue Krallen packten meine Schultern und Sekunden später schwebten meine bloßen Füße hunderte von Metern über dem Boden.

Ich schrie.
Ich konnte nicht anders. Die Angst hatte mich überwältigt.

Falzur war darauf offensichtlich nicht vorbereitet gewesen. Er zuckte
zusammen und hätte mich beinahe fallen gelassen, was mich wiederum dazu veranlasste fast die Besinnung zu verlieren.
Ich schloss die Augen, doch es half nichts, zu deutlich sah ich das Bild meines zersplitternden Körpers vor mir.
Das Schreien hatte zwar aufgehört, aber mein Atem ging immer noch schnell und unregelmäßig, ich hatte einerseits das Gefühl keine Luft zu bekommen und andererseits den Eindruck, dass meine Lungen kurz vor dem Bersten waren.
Ich weiß nicht mehr genau wie es passierte, aber Falzur setzte mich irgendwo am Boden ab wo ich zu einem Busch torkelte und ausgiebig Glühwürmchen erbrach.

„Geht’s dir jetzt besser?“, fragte er, als ich nach ein paar Minuten wieder hergekommen war.

Das tat es tatsächlich, aber ich antwortete nicht – halb, weil seine Frage eindeutig sarkastisch gemeint gewesen war, halb, weil ich es trotzdem noch vorzog meinen Mund geschlossen zu halten. Zwar fühlte sich mein Magen wieder ziemlich entleert an, aber man weiß ja nie.

Den Rest der Stadtführung setzte ich für meinen Teil zu Fuß fort, während der Rabe immer ein Stück vorausflatterte und dann auf einem Dach, Giebel, oder Fensterrahmen stumm auf mich wartete.

Ich wurde das Gefühl nicht los beobachtet zu werden, aber die schmalen,
hoch aufragenden Behausungen standen alle leer. Die meisten waren auch viel zu morsch und zerfallen, um überhaupt noch bewohnbar zu sein. Bei einem fehlte ein ganzes Stockwerk, als wäre es von einer Explosion davon gerissen worden, und an einigen Stellen stand nur noch die hölzerne Fassade. Über ein paar Türen konnte ich runenartige Zeichen erkennen, die mal mehr und mal weniger kunstvoll hineingeritzt worden waren, aber ich hatte weder Zeit noch Muße mich näher mit ihnen zu befassen – Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Falzur nicht aus den Augen zu verlieren und trotzdem den unzähligen Flecken Vogelschiss auszuweichen, die der notdürftig befestigten Straße ein merkwürdiges Muster verliehen.

„Jetzt warte doch mal“, rief ich dem Vogel nach, aber dieser schien mich nicht zu hören.
„FALZUR“, schrie ich, deutlich lauter als zuvor. Meine Stimme hallte
unnatürlich laut durch die sonst so stille Gasse und ich hielt unwillkürlich inne um zu lauschen.

Bildete ich mir das nur ein oder erklang da ein leises Krächzen? Ich hörte genauer hin.
Nichts, nur Stille. Dabei hätte ich schwören können, dass vorhin etwas in dem Haus unmittelbar zu meiner Linken diese Laute ausgestoßen hatte. Es hatte irgendwie hilflos geklungen. Ohne recht zu wissen warum ging ich darauf zu. Mit nur wenigen Schritten hatte ich das gähnende Loch erreicht, in dem früher wohl mal eine Tür gewesen war.
Der Raum dahinter lag im Halbdunkeln, aber auch hier fiel das seltsame gelbe Licht durch einige Löcher in der Wand hinein. So bemerkte ich das zusammengekauerte beigebräunliche Wesen erst nicht, das ängstlich in einer der Ecken saß und mich aus kleinen schwarzen Augen anstarrte. Zumindest solange nicht, bis es plötzlich begann gellende Schreie auszustoßen, wieder und immer wieder.

Alarmiert machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte wieder auf die Straße, als auch schon weitere Rufe wie Echos von allen Seiten zu kommen schienen.
Es waren vier von ihnen - aus jeder Himmelsrichtung eilten sie herbei um ihrem Artgenossen zur Hilfe zu eilen und die schrecklichen Rufe wollten nicht aufhören.

Ich überlegte nicht lange und nahm die Beine in die Hand.
Wie von Sinnen rannte ich die Straße hinab, spürte ihre stechenden Blicke im Nacken und den Wind unter ihren Flügeln. Sie waren dicht hinter mir, gleich würden sich ihre Krallen brutal in mein Fleisch schlagen. Sie würden mir die Augen auspicken, mein Herz durchbohren, meine Organe ausweiden und mich verspeisen wie ein erlegtes Kaninchen. Ich fuhr herum.

Niemand war hinter mir. Ich hatte sie abgehängt.
Ich sah wieder nach vorne und konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, um nicht mit Falzur zusammen zu stoßen.
"Was - was waren das den für... Kreaturen?", entfuhr es mir.
"Wir nennen sie Unglückshäher", antwortete er.
"Unglückshäher?"
"Keine Angst, sie sind harmlos. Aber du hast sie ganz schön erschreckt."
"'ICH hab also SIE erschreckt, ja?"

Es war ein seltsames Gefühl von einem Raben von Kopf bis Fuß gemustert zu werden. Er schien etwas sagen zu wollen, verkniff sich die Bemerkung aber.

"Komm jetzt", meinte er stattdessen, "ich muss dir etwas zeigen. Es ist bald soweit. Du solltest erfahren, wozu du hier bist."
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  #9  
Alt 19.06.2011, 20:04
Benutzerbild von Telorion
Telorion Telorion ist offline
Vampirjaeger
 
Registriert seit: 01.2010
Beiträge: 302
Zitat:
Zitat von Lúthien Yávëtil Beitrag anzeigen
Hab ich das richtig verstanden, du willst noch mehr Text? ^^
Ich hatte ein bisschen die Befürchtung euch hier mit seitenlangen Auszügen zu erschlagen die dann gar nicht mehr gelesen werden. ich häng einfach noch mal ein bisschen was dran.
Ich lese gern noch mehr, es war aber auch in erster Linie als Tip für dich gedacht. Einfach mal munter und ungehemmt drauf los schreiben, dann eine Weile ruhen lassen und dann noch mal selber lesen und überarbeiten. Aber wo eben nichts steht, kann man nichts überarbeiten ;)

Der nächste Textteil gefällt mir auch sehr gut. Da stecken schon viele gute Formulierungen drin (Beispiel: Es war ein seltsames Gefühl von einem Raben von Kopf bis Fuß gemustert zu werden. ) Jetzt dürfte auch bald der Ausblick eine vage Andeutung auf die Gesamtstory folgen, die den Leser erwartet
__________________
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  #10  
Alt 01.08.2011, 00:52
Teliare Teliare ist offline
Reisender aus der Zukunft
 
Registriert seit: 07.2011
Beiträge: 7
Hallo Luthien,

deine Geschichte weißt einige orginelle Ideen auf. Ich persönlich finde es besser, wenn Geschichten in der "Ich-Form" auch in der Gegenwartsform geschrieben werden, aber das ist Geschmacksache.
An einigen Stellen wirkt dein Erzählstil, wie schon von Telorion bemerkt etwas plump, bzw. holperig.

"...Wir müssen jetzt diversen königlichen Geschäften nachgehen..."
Ist ein Beispiel über das ich gestolpert bin.

Auch die Beschreibung von dem Unglückshäher lässt nicht darauf schließen, dass sie "... ihre Krallen brutal in mein Fleisch schlagen. Sie würden mir die Augen auspicken, mein Herz durchbohren, meine Organe ausweiden und mich verspeisen wie ein erlegtes Kaninchen...".

Mir hilft es, wenn ich Geschichten jemanden laut vorlese. Dabei merke ich über welche Sätze ich stolpere, Grammatik und Formulierungsschnitzer werden deutlicher.Und wenn der Zuhörer etwas nicht versteht, fragt er i. d. R. direkt nach. ;)
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