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Wächter Laomys - Die geheime Königin

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  #1  
Alt 16.11.2009, 22:38
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Bardin Bardin ist offline
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Wächter Laomys - Die geheime Königin

Dies ist bei weitem nicht meine erste Geschichte.
Aber die erste, die über 20 Seiten hinausging und eine Aussicht darauf hat, auch vollendet zu werden. Der aktuelle Stand sind 60 Seiten.

Die Geschichte spielt in einer Welt, die ich mir selber ausgedacht habe. Hauptvolk sind die Menschen, es gibt jedoch auch andere Völker wie Elfen und die Echejen (ein von mir selbst ausgedachtes Volk).
Bis auf eine Ausnahme sind Drachen ausgestorben, andere Wesen gibt es jedoch in Hülle und Fülle. Regiert wird das Land, in dem die Geschichte spielt, von einem König. Wichtigste Instanz darunter ist die Gilde des Magischen Auges, in der Magier ausgebildet werden.
Magie ist nicht standesabhängig, sondern existiert in unterschiedlich starker Begabung. Magiebegabte Menschen kommen an diese Gilde, um erst "allgemeine Magie" zu erlernen, und anschließend ihr besonderes Gebiet.
Dieses Gebiet bezieht sich auf den Teil der Magie, in dem jemand begabt ist. Möglich sind Seher (die in Vergangenheit und Zukunft sehen können), Heiler (die sich dem Leben verschrieben haben), Krieger, und Wandler (die Materie in andere verwandeln können).

Daneben existieren noch diverse andere Begabungen - sei es, dass jemand die Schwerkraft überwinden kann, die eigene Gestalt ändern, und und und. Diese Begabungen sind aber seltener.

Meine Welt kennt auch Götter, die sich an Tag und Nacht orientieren und "Augen" genannt werden.
Es gibt "Himmelsauge", den Gott des Tages, der durch die Sonne symbolisiert wird. Seine Zeichen sind Löwe und Adler, beide golden.
"Nachtauge" ist die Göttin der Nacht, mit einem sanfteren Wesen. Ihr Symbol ist der Mond, Zeichen sind Taube und Einhorn - beide silbern.

Und dann gibt es noch zwei weitere Wesen, die die Welt beeinflussen:

Die Mischlinge...

Wer die sind?

Lasst mich erzählen...
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Allein die Existenz von irgendetwas ist das größte Wunder; die Materie, die sich selber formt, das größte Geschenk; die Materie aber, die auf sich selbst herabblickt und denkt, das größte Paradoxon.

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Geändert von Bardin (17.11.2009 um 09:20 Uhr)
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  #2  
Alt 16.11.2009, 22:40
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Bardin Bardin ist offline
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Vor 16 Jahren…

Ein Blitz durchzuckte die Nacht. Zwei Sekunden lang glühte die Welt in einem grellen Licht, dann wurde es wieder finster. Laut rollte der Donner über den Himmel und durch den Wald.
Aryuna zitterte und duckte sich unter einen Baum. In den Armen hielt sie ein Stoffbündel, das sie fest an sich presste. Es wimmerte leise.
Liebkosend hielt sie es an ihr Gesicht.
„Ihr Götter, verzeiht mir“, hauchte die junge Frau flehend.
Ein weiterer Blitz zerriss den Himmel.
„Verzeiht mir…“
Doch im Herzen Aryunas erklangen nicht die Namen der Götter…
Laomy… Laomy, verzeih mir!
Sie fror in ihren durchnässten Kleidern, doch nun hastete sie weiter durch den strömenden Regen. Ein Stein brachte sie zum Stolpern. Unbeirrt rappelte sie sich auf und lief noch schneller. Das Wasser, das von ihren Kleidern hinuntertropfte, färbte den Boden rot. Rot wie Blut.
Laomy!
Eine Träne rollte ihre Wange hinunter und wurde vom Regen augenblicklich fortgespült. Sie drückte ihr Kind noch fester.
Sie stolperte über einen Ast und fiel hin. Hilflos versuchte sie, das gerade erst begonnene Leben in ihren Armen zu schützen. Das Wimmern wurde zu einem Schluchzen.
Aryuna kniete nun auf dem Boden, ihr Kind, das letzte, was ihr auf der Welt geblieben war, so fest an sich gepresst, dass keine Macht der Welt sie hätte trennen können
Aus ihrer Brust rann dunkles Blut.
Sie riss ihre Augen von dem Anblick los und sah sich um.
Wohin?
Es gab hier nichts als Wald. Doch irgendwo in der Ferne… ein Leuchten.
Abermals stand sie auf und rannte weiter.
Verzeih mir!
Im nächsten Blitz erkannte sie eine kleine Häuseransammlung, die sich in die Nische unter einem großen Felsen duckte. Ihr Atem wurde heftiger.
Gehetzt sah sie sich um. Die Fensterläden waren geschlossen. Es war so düster wie überall sonst im Wald.
Natürlich nicht…
Sie keuchte auf. Ein größerer Schwall Blut floss an ihr herunter.
Halb blind vor Schmerz versuchte sie noch etwas zu erkennen, und legte ihr Kind vor einer der Türen ab. Liebevoll wickelte sie es enger in das nasse, blutdurchtränkte Tuch und versuchte es vor weiterem Regen zu bewahren. Ein weiterer Schwächeanfall brachte sie fast zum Stürzen, doch sie gab nicht auf.
Weinend nahm sie Abschied. Dann hielt sie nichts mehr an diesem Ort.
Befreit von ihrer Last rannte sie durch den Wald, über Stock und Stein, und hinterließ eine langsam verebbende rote Spur…
Sie brach zusammen.
Und irgendwo in den Tiefen ihrer Seele ertönte zum allerletzten Mal noch ein Name:
k’Chonaton… warum habe ich dir nur geglaubt…

~ * ~

„Tot?!“
„Ermordet.“
Der alte Mann runzelte unter der weißen Kapuze die Stirn.
„Wie konnte das passieren? Außer uns wusste niemand von ihr!“
Er blickte fragend in die Runde der weiß gekleideten Gestalten, die betroffen den Kopf senkten.
Sie hatten sich um Aryunas Leichnam gruppiert, der verkrümmt unter einem Baum lag. Die tote Frau hatte die Augen geschlossen, ihr braunes Haar floss über die Wurzeln des Baumes und ihr Gesicht flehte die umstehenden Wächter stumm an.
„Anscheinend doch“, ertönte nun unter einem weiteren weißen Umhang die Stimme einer jungen Frau.
„Oder aber… jemand von uns.“
Schlagartig wurde es so still, dass man nur noch das Rauschen der Bäume in der Ferne hören konnte. Alle Augenpaare ruhten auf dem groß gewachsenen, alten Mann.
„Es stimmt doch“, setzte er nun fort, „Niemand wusste von ihr. Menschen wie sie sind nicht gesellig. Und was für einen Grund sollte ihre Ermordung schon haben?“
„Worauf wollt Ihr hinaus?!“, rief jemand empört.
„Dass jemand sie loswerden wollte.“ Er spuckte die Worte fast aus. „Wusste sie zuviel?“
„Zuviel von was?“, fragte ein anderer.
Der Blick des Mannes wurde auf einmal unschuldig. Verdächtig unschuldig.
„Ich weiß nicht. Woher sollte ich auch?“
Die Gestalten hatten einen Kreis um ihn gebildet. Nun traten sie näher.
„Es sind gefährliche Worte die Ihr da sprecht, l’Fehan“, erklärte einer.
„Ich weiß. Aber irgendjemand muss sie doch aussprechen, nicht wahr?“
„Er war es nicht.“ Der Stimme nach ein junger Mann.
Aus dem Kreis der weißen Gestalten trat eine Frau heraus und stellte sich schützend zu l’Fehan.
„Woher wisst Ihr dann wen er meint?“, fragte sie.
„Weil ihr schon lange so von ihm redet. Zu lange.“
Mit geschmeidigen Schritten ging sie auf den Sprecher der Worte zu.
„Vielleicht“, zischte sie, „haben wir auch einen Grund!“
„Habt ihr immer noch nicht genug davon?!“
„k’Chonaton ist unschuldig!“, rief ein anderer aus der Menge.
„Er ist nicht hier. Wo dann?“, übernahm wieder l’Fehan das Wort.
„Ich? Ich bin hier.“
Abermals schwieg die Gemeinschaft und machte Platz für ein weiteres Mitglied, das nun die Lichtung betrat. Selbstgefällig lächelnd ging der Mann in die Mitte des Kreises, streifte seine Kapuze ab und schüttele kurz seine halblangen, schwarzen Haare.
„Warum redet ihr von mir?“
L’Fehan, der sich zuvor noch beschwert hatte, sah ihn an, als würde er gleich auf ihn losgehen. Beschwichtigend legte ihm die Frau ihre Hand auf die Schulter.
„Lass es“, flüsterte sie kaum hörbar.
Doch es war zu viel.
„Was habt Ihr mir Aryuna gemacht?“
„Was hätte ich mit ihr tun sollen?“
K’Chonaton zögerte kurz, streifte dann jedoch auch den weißen Umhang ab, warf ihn achtlos neben sich und trat nah an l’Fehan heran.
„Ich habe ihr nichts getan. Bei den Göttern schwöre ich das!“
Er atmete schwer vor Wut. Als er den Mund wieder öffnete, war seine Stimme etwas ruhiger, bekam aber einen gefährlichen Unterton.
„Es reicht mir. Eure Anschuldigungen kann ich nicht mehr ertragen.“ Nun nahm er auch die Kette mit der einzelnen Perle ab, die um seinen Hals hing, und warf sie zu Boden.
Die kurze Stille war unerträglich.
„Ich trete aus.“
Stille.
„Das könnt ihr nicht machen!“
„Warum nicht? Wurde ich auf lebenslang verpflichtet? Hier hält mich nichts mehr.“
„Und Laomy…?“, warf ein anderer ein.
„Ich vertraue auf euch.“
Der spöttische Unterton war kaum zu hören. Unter seinem Umhang ballte l’Fehan die Hände, als k’Chonaton sich gelassen umdrehte und die Versammlung wieder verließ.
„Er war es“, flüsterte er, „Ich weiß, dass er es war!“
„Er hat sie geliebt“, sagte die Frau neben ihm.
„Ich weiß. Aber für ihn zählt das nicht.“
„Ihr solltet endlich damit aufhören“, mischte sich ein Mann ein, dessen eisblaue Augen unter dem Schatten der Kapuze hervor blitzten, „Ihr schadet euch doch nur selbst.“
„Du glaubst ihm“, entgegnete l’Fehan vorwurfsvoll.
„Er hat wegen euch beiden die Wächter verlassen!“
„Er hätte es auch so getan.“
Zwischen ihren Augen fand ein unsichtbares Kräftemessen statt. Schließlich blickten beide zu Boden. Die Frau sah fast flehentlich zwischen den beiden hin und her.
Sie setzte zum Sprechen an, doch ein Husten hinter ihnen unterbrach das Gespräch und sie drehten sich um.
„Ihr wisst, dass das Konsequenzen haben wird“, erklärte ein Mann, dessen hohes Alter trotz der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze deutlich zu spüren war. Der Angesprochene senkte betroffen die Augen.
„Ich bin mir sicher, dass ich die Wahrheit sage.“
„Das seid nur Ihr und Eure Frau. Ihr habt noch keine Beweise bringen können.“
„Natürlich nicht“, entgegnete die Frau vorwurfsvoll, „Zwei Menschen alleine können das nicht. Ihr lasst uns keine Möglichkeit.“
„Wie dem auch sei, die Ermordung Aryunas, wie unbekannt sie den meisten auch gewesen sein mag, wird nach außen dringen. Ich bin mir sicher, das Gericht wird sich dem annehmen.“
„Das Gericht?! Und was ist mit den Wächtern?“
„Die Wächter müssen nicht zwingend in diesen Sachverhalt als Wächter verwickelt sein.“
„Nicht zwingend“, entgegnete l’Fehan, „aber vielleicht eben doch. Und wenn dem so ist – dann kann das Gericht nicht das richtige Urteil treffen.“
„Ihr habt Angst?“
L’Fehan brauchte eine Weile, bis er begriff.
„Ich war es nicht!“ erklärte er mit etwas zu lauter Stimme. Dann riss er sich wieder zusammen: „Aber ja – ich habe Angst.“
Die Blicke des Ältesten blieben hart.
„Das Gericht wird das Urteil fällen.“
Und mit diesen Worten verließ er die Lichtung.
Die drei sahen ihm hinterher.
„Hilfst du uns?“, wandte sich die Frau an den anderen Mann.
Der Mann mit den blauen Augen starrte sie eine zeitlang an und sagte dann: „Nein. Ich werde aussagen was ich weiß, und das mag für oder gegen euch sprechen.“
„Du glaubst ihm wie alle anderen…“ Die Stimme von der Frau hatte jede Hoffnung verloren.
„Ich glaube das, was man mir beweisen kann.“
„Dann wird er siegen… und wir untergehen…“
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Geändert von Bardin (22.11.2009 um 11:14 Uhr)
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  #3  
Alt 17.11.2009, 09:09
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klingt schonmal sehr vielversprechend, hast es auch schön übersichtlich gepostet^^ großes lob, denn das vergessen viele hier. also mich würde es schon interessieren, wie es weitergeht, denn es stellen sich natürlich einige fragen. z.b. wer diese leute sind etc...
also ich finds wirklich gut und interessant :)
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  #4  
Alt 17.11.2009, 09:22
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Danke :-)

Fortsetzung folgt.

Aber mit der Antwort darauf, wer diese Leute sind, musst du dich erstmal gedulden...

Übrigens: Selbstverständlich ist Kritik erlaubt und sogar gewünscht!
Ich hänge an dieser Geschichte... sie soll so gut und mitreißend wie möglich werden...
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  #5  
Alt 17.11.2009, 14:26
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Fortsetzung

Und jetzt…

Die heißen Strahlen der Mittagssonne brachen sich im Laub der Bäume und malten helle Flecken auf den Boden. Ein kühler Luftzug fegte durch das Gebüsch, begleitet von einem sanften Rauschen.
Krejan blickte sich nachdenklich um. Nejeno war ihm schon etwas voraus, aber ihm war nicht danach sich zu beeilen. Eigentlich hatte er es kaum erwarten können, gemeinsam mit seinem Freund in den Wald zu gehen und die Höhle zu besichtigen, die dieser angeblich gefunden hatte. Nun aber drückte eine seltsame Schwere auf ihm. Er war müde und hätte sich am liebsten irgendwo hingelegt. Aber darüber war mit Nejeno natürlich nicht zu reden.
Das Knacken von Ästen ließ ihn zusammenfahren. Erschrocken drehte er sich um, um den Verursacher ausfindig zu machen.
Aber da war nichts.
Gerade wollte er sich wieder beruhigen und sein Herz dazu überreden, langsamer zu schlagen, als wieder das Knacken ertönte.
Gleich darauf flatterte etwas Schwarzes durch die Luft direkt auf ihn zu.
Unwillkürlich trat Krejan nach hinten und erkannte endlich, was ihm gerade entgegenkam.
„Kjaf!“
Er lachte auf und legte den Kopf etwas zur Seite. Dankbar nahm das Fliesel die Einladung an, ließ sich auf seiner Schulter nieder und schüttelte den kleinen Kopf. Mit seinen zwei krallenbewehrten Füßen klammerte es sich vorsichtig fest. Es schmatzte vernehmbar.
„Wo hast du dich nur wieder rumgetrieben, Kjaf“, lächelte Krejan gutmütig, „Hast du wieder Spinnen gefressen?“
Statt eine Antwort zu geben, machte es sich Kjaf auf der Schulter gemütlich und begann sich zu putzen.
Der Junge seufzte leise und legte nun doch etwas an Tempo zu, denn Nejeno war schon hinter einer Biegung verschwunden.
Der wartete dort auf ihn und warf einen beiläufigen Blick auf das Fliesel.
„Ist sie dir also doch gefolgt.“
„Konnte ich doch nicht wissen. Wahrscheinlich ist sie uns voraus geflogen. Hatte wohl keine Lust, mit Estana zum Markt zu gehen.“
„Wahrscheinlich. Kann es jetzt weitergehen? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Musst du immer so hetzen?“
Nejeno verdrehte genervt die Augen.
„Sonst bist du doch der Schnellere.“
„Schon gut.“ Krejan wollte nicht streiten.
Er streichelte kurz über das samtig schwarze, mit blauen Flecken versehene Fell seines Haustiers und folgte Nejeno.
Es ging nun querfeldein.
Krejan wurde immer nervöser. Obwohl er den Wald üblicherweise als beruhigend empfand, machte er ihm nun Angst. Immer öfter blickte er sich um. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, man musste es noch meterweit hören… Das Klopfen ging nun über in ein heftiges Pochen, das seinen Kopf durchdröhnte. Er fasste sich an die Schläfe und stöhnte leise auf.
„Beim Auge des Himmels, Krejan, was ist denn los mit dir?!“
„Ich weiß nicht…“
Dieses ständige Pochen – warum hörte es nicht auf? Es wurde lauter und lauter, er konnte gar nichts mehr hören, es überdeckte alles – nein, nicht alles.
Was waren das für Stimmen? Rau und heiser drangen sie in seine Ohren. Wo kamen sie her?
„Hörst du das?“
„Was?“
„Die Stimmen.“
„Welche Stimmen?“
„Du hörst sie nicht?“
„Nein.“
Krejan stöhnte nochmals und setzte sich auf einen Baumstumpf.
„Männer“, sagte er leise, „Irgendwelche Männer reden. Ich kann sie hören!“
„Was sagen sie denn?“ Nejeno klang irritiert.
„Ich…ich weiß nicht. Irgendwas.“
„Soll das jetzt ein Witz sein?“
Krejan wollte ihm am liebsten an die Kehle gefahren – warum beim Auge sollte er jetzt Witze machen?! – aber er ließ nur den Kopf in seine Hände sinken. Kjaf flatterte verstört auf und setzte sich auf einen Ast.
Er war einfach zu müde.
Der Schwall der Stimmen nahm wieder zu.
Nejeno bewegte die Lippen, wahrscheinlich sagte er gerade etwas, aber Krejan konnte ihn nicht hören.
„Wir….Geld………du? Nein….gute ……kein schlechter Fang…….Geld und Schmuck ….. zurück …..Dorf, im Wald…. gute Beute…“
Wie eine Welle rauschten sie durch seinen Kopf, mal lauter, mal leiser. Schmutziges Gelächter, unflätige Witze, Waffengeklirr – Krejan hielt sich verzweifelt die Ohren zu, aber das machte alles nur noch schlimmer. Ihm war danach zu schreien, irgendwie musste er sie übertönen, er öffnete den Mund und heraus kam nur ein hilfloses Krächzen.
Nicht einmal seine eigenen Gedanken konnte er noch hören.
Kiiiiiiiiiiiiiiiaaaaaaaack!
Kiiiiack! Kiiiiiiack!
Er zuckte zusammen. Die schrillen Schreie von Kjaf hatten fast sein Trommelfell zerrissen. Unsicher stand er da. Jeden Moment erwartete er, dass die Stimmen wieder kamen und ihn nun völlig einnehmen würden. Doch nichts dergleichen geschah.
Nejeno sah ihn fragend an.
„Geht es dir jetzt besser?“
Er nickte. Es ging ihm wirklich besser, da nun auch die Müdigkeit von ihm gewichen war. Aber die Unsicherheit war geblieben.
Irgendetwas würde geschehen, er war sich nun sicher.
„Komm.“
„Wohin?“
„Komm einfach!“
Er hechtete zu einem nahen Gebüsch. Das Fliesel folgte ihm mit schnellen Flügelschlägen – wahrscheinlich hatte es seine Gedanken gelesen. Oder zumindest die Fluchtgedanken wahrgenommen.
Sorgsam kauerte er sich hinter die dichten Blätter und suchte nach einer kleinen Lücke zum Durchsehen. Kjaf drängte sich ängstlich an seinen Kopf. Mit ihren gelben, pupillenlosen Augen starrte sie angestrengt auf den Weg. Ihre riesigen Ohren drehten sich unruhig nach allen Richtungen. Krejan spürte, dass sie leise zitterte. Er hob die Hand und kraulte ihren Kopf, wobei er einige beruhigende Laute murmelte.
„Was ist eigentlich mit dir los?“
Er blickte auf. Nejeno war ihm gefolgt und blickte wütend auf ihn hinab, die Hände in die Hüften gestemmt. Er griff nach Krejans Arm und versuchte ihn hochzuziehen. Krejan entriss sich ihm ärgerlich. Mühsam versuchte Kjaf das Gleichgewicht zu halten und schlug ihre vogelähnlichen Krallen in seine Schulter.
„Ich meine es ernst. Es ist kein Scherz“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Die Stimmen erklangen wieder in weiter Ferne. Sie waren weitaus undeutlicher als zuvor, aber noch immer empfand sie Krejan als etwas Bedrohliches.
Etwas würde geschehen, und das sehr bald.
~~~
Nejeno betrachtete ihn unsicher. Krejan scheute sich niemals, irgendwelche Scherze zu machen, und das hier wirkte genauso wie die vielen zuvor.
Aber etwas beunruhigte ihn, etwas, das anders war. Er brauchte eine Weile, bis er begriff: Kjaf war dabei.
Er saß schon auf dem Boden, als er den Gedanken vollendete: und Kjaf hatte Angst. Entsetzliche Angst.
Ein Seitenblick offenbarte ihm das leichte Vibrieren ihres Körpers. Sie sah schreckensstarr geradeaus, spähte durch die Blätter und folgte dabei Krejans Blick, der nichts anderes mehr wahrzunehmen schien.
So hatte er die beiden noch nie gesehen.
Er fühlte sich in gewisser Weise ausgeschlossen, als nähmen die beiden etwas wahr, das über sein Verständnis hinausging. Aber so sehr es ihn ärgerte – es war besser, der seltsamen Wahrnehmung der beiden zu folgen.
Also wartete er. Krejan murmelte leise Worte, während er in Gedanken offensichtlich ganz woanders war. Dort, wo die Stimmen herkamen…
Nejeno ruckelte unruhig hin und her, als seine Füße einschliefen.
Das Rauschen der Blätter wurde lauter. Wie ein Vorbote strich der Wind durch die Bäume…
Und dann hörte Nejeno es auch.
Stimmen. Rau, heiser, begleitet von entschlossenen Schritten.
Kjaf flatterte mit ihren knochigen Flügeln und stieß einen furchtsamen Laut aus. Krejan fluchte leise und nahm sie von seiner Schulter. Sie zappelte, aber es gelang ihm die Arme um sie zu schlingen und sie so festzuhalten. Resigniert ergab sie sich ihrem Schicksal.
Stumm beobachtete die kleine Gruppe, wie die Räuber an ihnen vorbeizogen. Sie sahen entsetzlich aus, ungewaschen und in zerrissenen Kleidern. Einige trugen Säbel bei sich, Schwerter, Dolche, und einer sogar eine Keule.
Und sie redeten.
~~~
Krejan wurde blass, als er einige Worte heraushören konnte. Genau das hatte er gehört – mehrere Minuten früher, bevor es überhaupt geschehen war.
Er schluckte.
Andere Leute konnten das. Andere Leute weit entfernt und in einer anderen Stadt…
Sie warteten, bis die Räuberbande außer Hörweite war, und standen auf. Kjaf flog sofort los und Krejan nutzte die Gelegenheit, um sich an einen Baum zu lehnen. Erschöpft legte er die Hände auf seine zitternden Knie.
Noch niemals in seinem Leben war er so erschöpft gewesen.
Nejeno sah ihn unsicher an.
„Du hast es gehört?“
„Was?“
„Du hast es wirklich gehört? Genau das gleiche?“
Krejan nickte müde. Er wollte den Rest gar nicht hören.
„Du hast etwas gehört, das erst später überhaupt passiert ist.“
Krejan nickte abwesend, ohne seinen Freund anzusehen.
„Können wir dann los? Ich möchte gehen.“
Nejeno sah aus, als wollte er noch etwas sagen, aber ein Blick in Krejans Augen genügte um zu wissen, dass dieser für den gesamten Tag mehr als genug erlebt hatte.
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln drehten sie sich um und liefen zurück. Ein jeder hing seinen Gedanken nach.

Sie hatten die Stadt schon fast erreicht, als Nejeno seinen Freund in die Rippen stieß.
„Schau mal!“
„Wo?“
„Da oben auf dem Berg! Siehst du das nicht?!“
Krejan wollte schon bemerken, dass Nejeno die Stimmen selber ja nicht gehört hatte, aber dann sah er es.
Auf dem Berg stand ein Mann in weiten, dunklen Kleidern. Der Anblick hatte etwas Triumphierendes und Majestätisches an sich. Das war bestimmt kein einfacher Mann, dessen Gewand ihn umwogte in einem stürmischen Wind.
Die beiden Jungen standen da und blickten nach oben, sahen, wie der Mann eine Hand hob, um seine Augen vor der Sonne zu schützen.
Er blickte in ihre Richtung.
Krejan erstarrte.
Er konnte das Lächeln des Mannes spüren.
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Geändert von Bardin (22.11.2009 um 11:20 Uhr)
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  #6  
Alt 17.11.2009, 14:51
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gefällt mir auch schon ziemlich gut. mir fehlen nur ein paar beschreibungen... im moment scheinst du sehr dialoglastig zu schreiben, da fehlt mir dann doch bisschen die mimik und gestik und umgebung.
aber abgesehen davon. aus wessen perspektive schreibst du? krejan oder nejeno? du wechselst zwischendrin und ich musste zweimal lesen, bis ich zuordnen konnte zu wem was gehört.
trotzdem schon ein netter anfang :)
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  #7  
Alt 17.11.2009, 15:32
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Zitat:
Zitat von Lafàith Beitrag anzeigen
gefällt mir auch schon ziemlich gut. mir fehlen nur ein paar beschreibungen... im moment scheinst du sehr dialoglastig zu schreiben, da fehlt mir dann doch bisschen die mimik und gestik und umgebung.
Das haben auch schon andere gesagt, und ich habe schon haufenweise verbessert. Mimik und Gestik wird aber schwierig... ihre Gesichter kann man hinter den Kapuzen so schlecht erkennen, und sie sind zwar schockiert, aber gefasst und ruhig - stehen deshalb eigentlich nur da und reden.
Sie sollen bis jetzt auch noch nicht genau beschrieben werden, die meisten davon kenn nicht mal ich selber ^^

Aber vllt sollte ich mal versuchen, wenigstens einige Besonderheiten der einzelnen Personen festzuhalten und ihre Gefühlslage besser durchscheinen zu lassen... sowieso bessere Beschreibung der Umgebung.

Zitat:
aber abgesehen davon. aus wessen perspektive schreibst du? krejan oder nejeno? du wechselst zwischendrin und ich musste zweimal lesen, bis ich zuordnen konnte zu wem was gehört.
Hmmmmm...
wurde auch schon oft angekreidet, Hier waren die Meinungen geteilt.
Tatsache ist, dass ich allgemein so schreibe (Angewohnheit) und der Blickpunktwechsel eigentlich auch in anderen Büchern vorkommt.
Hmm, wahrscheinlich einfach zu schnell. Ich denke, das überarbeite ich mal. Wenigstens das Mitkommen sollte doch funktionieren...
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  #8  
Alt 17.11.2009, 15:53
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wenn du das ganze nicht so ineinander fließen lässt, sondern einfach einen richtigen absatz machst, wird das schon besser verständlich finde ich...

so vllt:

Er blickte auf. Nejeno war ihm gefolgt und blickte wütend auf ihn hinab, die Hände in die Hüften gestemmt. Er griff nach Krejans Arm und versuchte ihn hochzuziehen. Krejan entriss sich ihm ärgerlich. Mühsam versuchte Kjaf das Gleichgewicht zu halten und schlug ihre vogelähnlichen Krallen in seine Schulter.
„Ich meine es ernst. Es ist kein Scherz“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Die Stimmen erklangen wieder in weiter Ferne. Sie waren weitaus undeutlicher als zuvor, aber noch immer empfand sie Krejan als etwas Bedrohliches.
Etwas würde geschehen, und das sehr bald.
*
Nejeno betrachtete ihn unsicher. Krejan scheute sich niemals, irgendwelche Scherze zu machen, und er das hier wirkte genauso wie die vielen zuvor.
Aber etwas beunruhigte ihn, etwas, das anders war. Er brauchte eine Weile, bis er begriff: Kjaf war dabei.
Er saß schon auf dem Boden, als er den Gedanken vollendete: und Kjaf hatte Angst. Entsetzliche Angst.
Ein Seitenblick offenbarte ihm das leichte Vibrieren ihres Körpers. Sie sah schreckensstarr geradeaus, spähte durch die Blätter und folgte dabei Krejans Blick, der nichts anderes mehr wahrzunehmen schien.
So hatte er die beiden noch nie gesehen.
Er fühlte sich in gewisser Weise ausgeschlossen, als nähmen die beiden etwas wahr, das über sein Verständnis hinausging. Aber so sehr es ihn ärgerte – es war besser, der seltsamen Wahrnehmung der beiden zu folgen.
Also wartete er. Krejan murmelte leise Worte, während er in Gedanken offensichtlich ganz woanders war. Dort, wo die Stimmen herkamen…
Nejeno ruckelte unruhig hin und her, als seine Füße einschliefen.
Das Rauschen der Blätter wurde lauter. Wie ein Vorbote strich der Wind durch die Bäume…
Und dann hörte Nejeno es auch.

*
Stimmen. Rau, heiser, begleitet von entschlossenen Schritten.
Kjaf flatterte mit ihren knochigen Flügeln und stieß einen furchtsamen Laut aus. Krejan fluchte leise und nahm sie von seiner Schulter. Sie zappelte, aber es gelang ihm die Arme um sie zu schlingen und sie so festzuhalten. Resigniert ergab sie sich ihrem Schicksal.
Stumm beobachtete die kleine Gruppe, wie die Räuber an ihnen vorbeizogen. Sie sahen entsetzlich aus, ungewaschen und in zerrissenen Kleidern. Einige trugen Säbel bei sich, Schwerter, Dolche, und einer sogar eine Keule.
Und sie redeten.
Krejan wurde blass, als er einige Worte heraushören konnte. Genau das hatte er gehört – mehrere Minuten früher, bevor es überhaupt geschehen war.
Er schluckte.
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  #9  
Alt 17.11.2009, 15:57
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Stimmt. Liest sich wesentlich besser.

Na, dann verbessere ich mal :-)

(Auf Rechtschreibfehler bei Entdeckung bitte auch hinweisen. Ich habe den Text tausendmal gelesen. Ich seh sie einfach nicht mehr...)
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  #10  
Alt 17.11.2009, 19:23
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Fortsetzung

Estana drängte sich durch die Masse vor, die sich vor dem Stand mit den Pelzen gebildet hatte. Eine Frau trat schimpfend zur Seite, doch das Mädchen beachtete sie nicht.
„Leona!“
Ihre Freundin drehte sich um, in der einen Hand ein Stück weißen Pelz.
„Ich muss selber noch etwas besorgen. Wir treffen uns an der Kreuzung!“
Leona nickte und hob die Hand zum Abschied.
„Bis später!“
Sie blickte dem schwarzen Lockenschopf hinterher, der sich energisch einen Weg durch die Menge bahnte. Estana galt als höflich, aber entschlossen, wenn sie ein Ziel vor Augen hatte.
In diesem Fall war ihr Ziel ein kleiner Stand etwas abseits, an dem eine Vielzahl von Messern angeboten wurde. Dahinter stand ein alter Mann mit langen, grauen Haaren.
Prüfend glitt ihr Blick über blitzende Klingen und kunstvoll gearbeitete Griffe.
„Sind die alle selbst geschmiedet?“
Der Mann horchte auf und blickte sie erstaunt an. Leicht verlegen hob er eine Hand an sein Ohr.
„Ich fragte: Selbst geschmiedet?“, wiederholte Estana geduldig etwas lauter.
Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Ich verkaufe nur meine Sachen“, nuschelte er durch die Reste seiner Zähne.
Estana hob eine Braue. Der Mann sah ungeheuer mager und gebrechlich aus, nicht in der Lage einen Schmiedehammer zu heben.
Aber die Messer gefielen ihr - sie wollte eines für sich, da sie ihren alten Dolch verloren hatte.
Ihr Blick fiel auf einen kleinen Dolch, dessen Griff die Form aneinander gelegter Flügel hatte, abgeschlossen wurde er durch einen Drachenkopf. Das Metall war grob gearbeitet und fast schwarz, die Augen des Drachen aber waren blank geputzt und blitzten in der Sonne, ebenso wie die Klinge. Als Estana sie prüfte, schnitt sie sich leicht in den Finger. Sie verzog das Gesicht.
„Gefällt es dir?“
Sie sah den alten Schmied an. Nach kurzem Überlegen holte sie ihren Geldbeutel hervor.
„Wie viel kostet der Dolch?“
„Zehn Kupferlinge.“
Estana stutze und starrte ihn ungläubig an. Das war ein Hungerlohn, fraglich, ob er alleine den Wert des Metalls entsprach. Von so etwas konnte kein Mensch leben.
Der Mann musste ihre Gedanken erahnt haben.
„So viel und nicht mehr. Du musst dir keine Sorgen machen.“
Sie lächelte unwillkürlich, zahlte aber trotzdem mehr. Ihr Blick ließ dabei keine Widerrede zu.
„Soll ich ihn einpacken?“, fragte der Mann und griff schon unter die Theke.
Das Mädchen errötete leicht, als sie sich bewusst wurde, dass die Lederscheide ihres alten Dolches immer noch an ihrem Gürtel hing. Sie hatte sich davon nicht trennen können.
„Nein, nein“, murmelte sie verlegen, „Ich stecke ihn gleich ein.“
Mit diesen Worten griff sie nach ihrem neuen Dolch und ging weiter.
Mit zügigen Schritten steuerte sie nun auf die Kreuzung zu, an der sie sich mit Leona verabredet hatte. Estana meinte schon, zu spät zu sein, stellte aber fest, dass diese immer noch nicht da war. Sie lehnte sich an eine Hauswand und wartete.
Es dauerte einige Zeit, bis ihre Freundin endlich auftauchte. Das ergatterte Stück Pelz hatte sie in einen Beutel gesteckt, einige Strähnen ihrer blonden Haare hingen ihr lose ins Gesicht. Sie hatte sich beeilt.
„Also gut, ich hab’s endlich geschafft. Gehen wir jetzt weiter?“
„Du hast es heute aber eilig.“
„Gar nicht. Aber ich will möglichst viel gesehen haben bevor er wieder vorbei ist.“
„Also hast du es eilig“, schloss Estana kompromisslos, „Wo möchtest du denn als nächstes hin? Ich habe alles was ich brauche.“
„Ich eigentlich auch. Aber komm, bummeln wir noch ein bisschen.“
Sie nahm Estana am Arm und zog sie mitten in die Menge hinein. Diese fügte sich, sie kannte Leonas Begeisterung für den Markt. Vor dem Ende war sie nicht davon wegzubringen.
Als sie gemütlich an den Ständen vorbeischlenderten, erregte ein Schmuckstand ihr Interesse. Feine Arbeiten glänzten verheißungsvoll in der Sonne. Alles war liebevoll drapiert, und die rundliche Frau dahinter lachte die jungen Gestalten freundlich an.
~~~
Während sich die Mädchen den Schmuck anschauten, glitt der geübte Blick der Verkäuferin über die Gegensätze, die vor ihr standen.
Leona, mit ihrer blonden glatten Haarpracht und Augen blau wie das Meer, galt überall als Schönheit. Sie war zudem sehr groß und hatte lange, schmale Finger.
Estana, obwohl nicht hässlich, war in ihrem Aussehen etwas eigenwilliger. Ihre Gesichtszüge waren markant und wurden von einem wirren schwarzen Lockenschopf umrahmt. Sie war ebenfalls groß, aber sehr viel kräftiger, mit dunklerer Haut und gröberen Händen, die auch harte Arbeit gewohnt waren. Ihre warmen braunen Augen waren das einzig mädchenhafte an ihr.
Das hielt sie aber nicht davon ab, auch Gefallen an Schmuck zu finden. Eine kurze, goldene Kette mit grünen Steinen gefiel ihr besonders gut. Sie legte sie sich probeweise um den Hals und betrachtete sich in dem bereitgestellten Spiegel.
Leona hatte sich inzwischen einen breiten Silberring an den Finger gesteckt, ihre Ohren schmückten lange tropfenförmige Steine. Mit einem Finger strich sie bedächtig durch die lange Reihe der Armbänder. Ihre Begeisterung für den Markt wurde nur von ihrer Begeisterung für Schmuck übertroffen.
~~~
Estana musste bei dem Anblick etwas schmunzeln. Die Stücke gefielen ihr und die Kette könnte sie gut zu besonderen Anlässen tragen, im Alltag hielt sie Schmuck jedoch für unpraktisch. Leona dagegen konnte nur selten ohne Kette oder zumindest einen Ring angetroffen werden.
Estana warf noch einmal einen Blick in den Spiegel, legte dann aber die Kette wieder zurück. Leona allerdings war vom Kauf nicht abzuhalten, sie entschied sich für die Ohrringe.
„Kommst du jetzt endlich?“, fragte Estana ungeduldig.
„Gerade hast du noch gesagt, dass ich es eilig habe.“
„Ja klar, aber jetzt habe ich Hunger!“, verkündete Estana fröhlich und deutete zu einem Stand, von dem ein süßlicher Geruch ausging, „Willst du denn nichts? Die haben bestimmt auch Makanüsse.“
Leona sog den verführerischen Duft genüsslich ein. Gegen etwas zu Essen hatte sie nichts einzuwenden.
Die Freundinnen reihten sich in die Schlange der Wartenden ein. Es ging zügig voran und bald verließen die beiden den Stand mit je einer dampfenden Schüssel in der Hand.
Nicht weit entfernt fanden sie eine leere Bank und setzten sich.
„Wo ist eigentlich Kjaf?“, wollte Leona wissen, während sie sich einen Löffel in den Mund schob, von dem die blaue Früchtesoße hinuntertropfte.
„Ich vermute mal, sie ist bei Krejan“, überlegte Estana, „Du weißt doch, dass sie bei so vielen Menschen immer durchdreht.“
„Ich hätte nie gedacht, dass Fliesel so zahm werden.“
„Sie ist so anhänglich wie ein Welpe. Außerdem kann sie Gedanken lesen, sie weiß, dass wir ihr nichts tun.“
„Gedanken lesen hin oder her, ich bleibe dabei, sie sieht aus wie eine Fledermaus mit Katzenkopf. Wie könnt ihr eine Fledermaus mit Katzenkopf in eurem Haus halten?“
„Sie ist nur selten in unserem Haus. Dafür ist sie immer noch zu wild. Außerdem verlangt niemand von dir, sie selbst zu halten.“
„Glaube mir, ich bin nur froh darüber.“
Dazu schwieg Estana. Sie fand das Fliesel mit dem samtig schwarzen, blau gepunkteten Fell eigentlich sehr schön. Die gelben Augen faszinierten sie – kein Tier der Welt konnte so schauen wie ein Fliesel. Obwohl die Pupillen fehlten, konnte sie inzwischen jede Regung ihres Haustieres erkennen. Der Gelbton der Augen veränderte sich leicht und bildete manchmal sogar zarte Muster.
In Gedanken versunken nahm sie einen weiteren Löffel in den Mund und blickte um sich.
Auf einmal zuckte sie zusammen. Der Bissen blieb ihr im Halse stecken und sie musste husten. Ihre Augen tränten, aber sie konnte sie nicht von dem Anblick loslassen, der sich ihr bot.
Eine graue, durchscheinende Gestalt schob sich durch die Menschen. Sie benahm sich betont unauffällig, wären ihre Umrisse nicht so verschwommen, hätte Estana sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Es war unmöglich zu erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Keiner der umstehenden Personen schenkte der Gestalt Beachtung, und so konnte sie unbemerkt bis zum Schmuckstand vordringen.
Estana wurde von einem weiteren Hustenanfall geschüttelt. Leona klopfte ihr auf den Rücken, aber das nahm diese kaum war. Der Platz vor ihr war zwar einigermaßen frei, trotzdem behinderten einige Menschen ihre Sicht. Sie beugte sich etwas zu Seite, um die Gestalt besser sehen zu können. Dann hatte sie die seltsame Gestalt wieder gefundenen, sie war direkt vor dem Schmuckstand. Estana kniff die Augen zusammen, noch immer konnte sie nichts Genaues erkennen. Es reichte aber, um eine immer wiederkehrende Bewegung in Richtung des ausgestellten Schmuckes zu sehen. Estana sog die Luft ein und musste noch einmal husten.
„Geht es dir gut?“, fragte Leona besorgt.
Estana nickte und blinzelte die Tränen weg.
„Siehst du das denn nicht?“
„Was soll ich denn sehen?“
„Na, diese seltsame Gestalt vor dem Schmuckstand. Es ist bestimmt ein Dieb!“
Leona verrenkte sich etwas, als sie zu dem Stand blickte.
„Ich erkenne nichts.“
„Da unter dem Baum… er steht direkt im Schatten. Ich bin mir sicher, dass er stiehlt!“
Ihre Freundin sah noch einmal zum Schmuckstand und blickte dann zu Estana.
„Und du bist wirklich sicher, dass du überhaupt jemanden siehst?“, meinte sie zweifelnd.
„Habe ich dich jemals belogen?“ In Estanas Stimme schwang ein beleidigter Ton.
„Nein, natürlich nicht“, erklärte Leona beschwichtigend und warf noch einen vielsagenden Blick auf Estana.
Der entging dem Mädchen nicht. Wütend stand sie auf und stellte ihre Schüssel auf die Bank
„Und ich sage dir, da ist ein Dieb und niemand bemerkt ihn!“
„Außer dir“, merkte Leona trocken an.
Das war zu viel. Ohne ein weiteres Wort drehte sich Estana um und stiefelte davon, im Visier die eigenartige Gestalt.
Die war noch immer beschäftigt. Aber dann blickte sie zur Seite – sie musste jemanden gesehen haben, denn mit einem Mal rannte sie fort.
Estana zögerte keinen Augenblick und rannte hinterher.
„Haltet den Dieb!“, rief sie, „Haltet ihn!“
Die Leute um sie herum blickten sie erstaunt an. Keiner rührte sich.
„Da rennt er!“, rief Estana nochmals, aber wesentlich leiser als zuvor.
Alle Blicke waren auf sie gerichtet, und es war eigenartig still geworden. Estana meinte, die Leute in ihrer Nähe tuscheln zu hören.
Die Gestalt war schon längst fort. Wenn sie überhaupt existierte. Auf einmal wurde Estana bewusst, dass sie sich zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gemacht hatte. Vor Scham wäre sie am liebsten im Boden versunken.
Geistesgegenwärtig preschte Leona vor und zog ihre Freundin hinter sich her bis zu einer kleinen Seitengasse.
„Was ist los mit dir? Warum machst du so etwas?!“
Estana starrte sie nur trotzig an. Ihr fiel keine vernünftige und glaubwürdige Erklärung ein.
„Sag doch was! Du bist doch sonst nicht so.“
„Ich kann es dir nicht erklären“, beharrte Estana, „Du würdest mir sowieso nicht glauben.“
„Du willst mir also wirklich weismachen, dass du diesen Dieb gesehen hast?“
„Ja.“
Leona lachte verwirrt. „Den Dieb gibt es nicht.“
„Und ob es ihn gibt!“
„Na klar, und nur du kannst ihn bemerken.“
Die Worte fielen schärfer aus als sie beabsichtigt hatte, und Estana zuckte zusammen.
„Du musst es mir nicht glauben, es wäre nur besser so. Verrückt bin ich nicht!“
Leona blieb keine Zeit für eine Antwort, denn Estana riss sich los und ging vor Wut kochend davon. Bald war sie im Labyrinth der Gassen verschwunden.
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Geändert von Bardin (22.11.2009 um 11:30 Uhr)
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  #11  
Alt 18.11.2009, 09:01
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das war von den beschreibungen her schon viel besser :) und auch die ~ beim blickwinkelwechsel haben gepasst^^ ich nehme allerdings an, dass du, als die beiden mädchen am schmuckstand stehen und äußerlich beschrieben werden, du aus dem blickwinkel der händlerin erzählst? das solltest du vllt noch klar machen...

Während sich die Mädchen den Schmuck anschauten, glitt der geübte Blick der Händlerin über die Gegensätze, die vor ihr standen.

ist eindeutiger, weil es ja alles weibliche personen in dieser szene sind und "ihr" mehrdeutig ausgelegt werden kann :)

PS: ich geb nur verbesserungsvorschläge, die musst du natürlich nicht einhalten. wenn es dich stört, dass ich nach jedem abschnitt etwas schreibe, geb bescheid. dann warte ich bis du alles gepostet hast, was du posten willst und sage dann ne gesamtmeinung. möcht nur helfen :)
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  #12  
Alt 18.11.2009, 09:12
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Was, stören?

Ich freue mich, wenn ich weiß, was verbessert gehört :-)

Eine Geschichte, die die Leser nicht anspricht und die sie nicht verstehen können, hat doch gar keinen Sinn ^^
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  #13  
Alt 18.11.2009, 09:16
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dann ists ja gut^^ habs nur schon erlebt, dass leute geschichten posten und dann eingeschnappt sind, wenn man kritik äußert... war aber nicht hier in diesem forum
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  #14  
Alt 18.11.2009, 09:17
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Du musst das Ziel mit geschlossenen Augen spüren können.
So hat es mir einmal ein Jäger gesagt.
Ich spanne den Bogen bis zum Anschlag an und blicke auf mein Ziel, eine kleine, schlanke Birke. Ich bin mir sicher, dass ich sie spüren kann. Dann lasse ich den Pfeil los. Sirrend durchschneidet er die Luft und trifft mit einem leisen ´tschock`.
Zufrieden lege ich den Bogen neben den schlafenden Soldaten. Er hat nichts bemerkt, und das ist auch gut so. Was hätte er sonst von mir gedacht? Es ist Nacht, und trotzdem kann ich alles erkennen. Meine Katzenaugen nehmen auch den kleinsten Rest des Lichts auf.
Ich blinzle einmal in die schmale Mondsichel und trabe davon. Der Waldboden dämpft die Schritte meiner Hufe. Die Baumkronen rauschen leise im Wind. Es ist sehr still, nur manchmal höre ich den Ruf einer Eule, und ein kleines Tier verschwindet raschelnd im Gebüsch.
Die Luft riecht nach Tannennadeln und feuchter Erde. Die Bäume stehen dicht und manche haben tief hängende Äste, die ich mit meinen Armen zur Seite streichen muss.
So trabe ich lange Zeit. Das Lied eines Vogels in der Ferne sagt mir schließlich, dass bald die Sonne aufgehen wird. Ich bleibe kurz stehen und blicke mich um. Der Wald beginnt sich zu lichten. Als ich noch weiter gehe, endet der Wald ganz und ich stehe auf einer großen Wiese, nass vom Tau.
Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und galoppiere in großen Sprüngen über die Wiese. Solche unbeobachteten Augenblicke auf freier Fläche sind selten genug. Ich lasse mir den Wind ins Gesicht blasen und spüre, wie meine Haare im Wind flattern.
Schließlich bleibe ich stehen, etwas außer Atem. Die Pupillen meiner Katzenaugen werden langsam zu schmalen Schlitzen, als sich die Sonne über den Horizont wagt. Ich lasse sie zu menschlichen Augen werden.
Dann blicke ich in den wolkenlosen Himmel, der einen herrlichen Tag verspricht. Die ersten Vögel flattern durch die Luft. Sehnsüchtig schaue ich ihnen nach.
Ich muss gar nicht wirklich nachdenken, mein Körper handelt wie von selbst. Aus meinen ausgestreckten Armen sprießen braune Federn, die größer und größer werden. Mein Pferdeleib schrumpft, und dass fuchsbraune Fell wird ebenfalls zu dunkelbraunen Federn. Ich spüre, wie meine mächtigen Hufe sich in kräftige, aber zierliche gelbe Vogelfüße verwandeln.
Ich breite probeweise meine Schwingen aus und ärgere mich über meinen menschlichen Kopf, bei dem nur die Augen an einen Adler erinnern.
Doch dann kann mich nichts mehr halten. Ich breite meine Flügel aus und schwinge mich in die Luft, der neuen Sonne entgegen.
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  #15  
Alt 18.11.2009, 09:19
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Fortsetzung

Mit einem lauten Knallen schlug Estana die Tür hinter sich zu.
Ihr Vater, der gerade an der Töpferscheibe saß und geschickt eine schlanke Vase formte, blickte erschrocken auf. Doch seine Tochter beachtete ihn nicht, sondern stapfte schnurstracks durch den Raum und verschwand im Wohnbereich dahinter.
Mürrisch ging sie durch den kurzen Flur, öffnete die Tür am Ende und knallte auch diese heftig zu„Was ist denn los?“, rief ihr ihre Mutter hinterher, aber Estana beachtete sie schon gar nicht mehr. Resigniert ließ sie sich auf ihr Bett fallen und bemerkte erst dann ihren Bruder, der sie erstaunt ansah.
„Ist irgendwas passiert?“
„Nein, gar nichts, ich habe mich nur gerade vor der ganzen Stadt zum Affen gemacht“, entgegnete Estana bissig, „Lass mich in Ruhe.“
Krejan schwieg eine Weile.
„Kann ich dir wenigstens etwas von dem erzählen, was ich erlebt habe?“
„Wenn’s dir Spaß macht.“
Estana legte sich auf ihr Bett und drehte ihm den Rücken zu. Sie wollte allein sein – aber alles war ihr recht, dass sie nur von ihrem Auftritt ablenkte.
Ihr Zwillingsbruder stutzte. So hatte sie sich noch nie benommen.
Aber mit seiner Geschichte konnte er sich trotzdem nicht zurückhalten.
„Weißt du, ich bin ja heute mit Nejeno in den Wald gegangen“, begann er.
„Ach“, meinte Estana nur.
„Nein, Estana, du wirst nicht glauben was passiert ist! Ich wollte eigentlich die Höhle sehen, die Nejeno entdeckt hatte. Aber dann habe ich auf einmal diese Stimmen gehört.“
„Ach so, Stimmen.“
Krejan hielt sich nur mit Mühe zurück. Das Desinteresse seiner Schwester ging ihm auf die Nerven.
„Ja, Stimmen! Aber… sie waren nur in meinem Kopf. Irgendwie. Nejeno konnte sie nicht hören.“
„Wie bitte?!“
Estana fuhr auf.
„Du hast richtig gehört, er konnte sie nicht hören. Nur ich. Und ich wusste einfach, dass diese Stimmen Gefahr bedeuteten. Ich wollte, dass wir uns verstecken, aber er hat mir natürlich nicht geglaubt. Trotzdem konnte ich ihn irgendwie überreden.“
„Und… was ist dann passiert?“ Estana saß kerzengerade auf ihrem Bett, aller Ärger schien verflogen.
„Es waren seltsame Stimmen, von Männern. Sie haben irgendwas von Beute geredet, das weiß ich ganz genau. Wir haben Ewigkeiten gewartet. Und dann – dann kamen sie!“
„Wer?!“
„Räuber! Und weißt du was? Sie haben genau das gesagt was ich vorher gehört hatte!“
„Nein.“ Seine Schwester starrte ihn mit großen Augen an. „Das heißt, es ist später wirklich passiert?“
„Ja.“ Krejan maß sie mit einem prüfenden Blick. Ihm wurde klar, dass sie gar nicht so sehr an sein Erlebnis dachte.
Estana blickte ihn weiter an, dann wanderte ihr Blick nachdenklich durch das Zimmer.
„Es ist also wirklich passiert – nur später?“, vergewisserte sie sich nochmals.
„Nur später“, wiederholte Krejan, „Warum?“
„Später“, flüsterte sie. Es klang wie eine Erlösung.
Dann stand sie mit einem Ruck auf.
„Ich geh nur kurz weg!“
Beschwingt lief sie aus dem Raum, rief ihren Eltern noch ein „Macht’s gut!“ hinterher und ging hinaus.
„Warte!“
Hastig zog sich Krejan seine Schuhe an und folgte ihr.
„Was hast du denn? Wohin willst du?“
„Zum Markt“, erklärte Estana.
Ihre Augen funkelten.
„Ich muss unbedingt zum Markt!“
Auf weitere Fragen ging sie nicht ein.
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Geändert von Bardin (07.01.2010 um 17:41 Uhr)
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  #16  
Alt 19.11.2009, 10:14
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Ruhig schritt s’Ochenon durch die Straßen. Er konnte sie riechen, ein intensiver, kraftvoller Geruch, der vor Leben strotzte. Sie hatten es bestimmt schon entdeckt. So etwas konnte nicht verborgen bleiben.
Die Menschenmenge teilte sich ehrfurchtsvoll vor ihm. Niemandem entging das aufgestickte Auge auf seinen weiten Gewändern.
Er nickte ihnen freundlich zu, schwieg aber ernsthaft. Eigentlich wollte er keine Aufmerksamkeit erregen, als Mitglied der Gilde blieb ihm jedoch nichts anderes übrig.
S’Ochenon folgte dem Geruch und gelangte schließlich auf einen kleinen Platz. Hier kam er nur langsam voran – die Menschen standen mit dem Rücken zu ihm. Etwas anderes fesselte ihre Aufmerksamkeit. Er hörte laute Stimmen, die einer aufgeregten Frau und die eines Mannes, der sich offensichtlich verteidigen wollte. Als er sich vorsichtig noch näher drängte, konnte er den Wachmann sehen, der hinter dem schreienden Mann stand und ihn festhielt.
Die Frau bei dem Stand fuchtelte aufgeregt mit den Händen. Es war kaum zu verstehen was sie sagte, aber ein Blick auf ihren Stand offenbarte den möglichen Grund. Der ausgestellte Schmuck war durcheinander geworfen worden und manches auf den Boden gefallen.
Gerade erhob der Wachmann das Wort, aber s’Ochenon hörte nun schon gar nicht mehr zu.
Ein Windstoß war aufgekommen und blies ihm einen wohlbekannten Duft vor die Nase. Er sah sich aufmerksam um.
Jemand quetschte sich gerade weniger rücksichtsvoll durch die Masse, manche der umstehenden Köpfe drehten sich ärgerlich nach dem Verursacher um. Schließlich reckte sich ein schwarz belockter Schopf nach vorne.
Die Augen der jungen Frau weiteten sich, als sie den Platz überblicken konnte. In ihnen lag Erstaunen, aber auch Triumph. Bald war auf ihrem Gesicht nur noch Begeisterung zu lesen.
S’Ochenon lächelte. Er musste keine Magie anwenden um zu wissen, dass der Geruch von ihr ausging.
Eine Gestalt zog die Frau am Ärmel und sie drehte sich um. Eine Weile steckten die beiden die Köpfe zusammen als würden sie sich etwas mitteilen, dann entschwanden sie wieder seinen Blicken.
S’Ochenon sah sich nochmals kurz um und folgte ihnen dann.
Als sie den Markt verlassen hatten, konnte der Magier die beiden endlich vollständig erkennen. Die Frau hatte auffällige schwarze Locken und war eigenartigerweise in Hosen. Darüber trug sie eine lockere Bluse, die in der Taille mit einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Sie redete laut und aufgeregt mit dem jungen Mann neben ihr, wobei sie mit den Händen wild gestikulierte.
Der Mann nickte nur dann und wann bestätigend. Er trug über seiner Hose ein dunkelgrünes Hemd, seine Haare waren kurz gehalten und ebenfalls schwarz. Er überragte die groß gewachsene Frau nur um wenige Zentimeter und sah ihr sogar von hinten sehr ähnlich.
Sie gingen durch kleine Gassen hindurch und gelangten schließlich zu einer Reihe einfacher Holzhäuser, deren Dächer mit Stroh bedeckt waren. Eines von diesen steuerten sie an.
Als sie an dem Baum daneben vorbeikamen, drang ein schriller Schrei aus dem Geäst und eine schwarze Gestalt schoss hervor. Heftig flatternd flog sie in einem kleinen Bogen über s’Ochenon hinweg, der sich erschrocken bückte und dabei einen kleinen Schrei ausstieß.
Die beiden drehten sich um – weniger überrascht über das Wesen als den unbekannten Mann vor ihnen.
S’Ochenon richtete sich ärgerlich auf und konnte noch beobachten, wie das Wesen die Köpfe der beiden umkreiste und schließlich auf der Schulter der Frau landete. Die gelben Augen sahen ihn erwartungsvoll an.
„Wer seid ihr?“, fragte der junge Mann forsch, verstummte aber sofort als er das aufgestickte Auge auf den dunkelblauen Kleidern erkannte.
„Entschuldigt“, schloss er, „Ich habe Euch nicht erkannt, Seher des magischen Auges.“ Dabei machte er eine schwungvolle Verbeugung.
Die Frau knickste etwas ungeschickt und das Fliesel bemühte sich um sein Gleichgewicht.
Der Magier neigte den Kopf. „Es ist mir eine Ehre euch zu treffen“, entgegnete er leise.
Die Geschwister sahen sich unsicher an.
„Was wollt Ihr?“
Er zögerte kurz.
„Ich glaube, das sollten wir lieber drinnen besprechen. Ich darf doch eintreten?“
Sie nickten.
„Unsere Eltern sind noch da“, erklärte die Frau.
„Ihr seid Geschwister?“
„Zwillinge.“
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht: „Soso. Zwillinge. Und wie alt?“
„Siebzehn“, erklärte der junge Mann knapp und schritt zur Haustür.
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S’Ochenon wusste, dass die Zwillinge nicht reich sein konnten. Ihre Kleidung war grob und einfach, und beide waren offensichtlich harte Arbeit gewohnt.
Das Haus entsprach seinen Erwartungen. Der Raum hinter der Tür entpuppte sich als Laden und Werkstatt in einem. Hinten stand in einer Ecke eine Drehscheibe, wohl noch unfertige, mit feuchten Tüchern bedeckte Arbeiten standen auf dem Tisch daneben. Auf den hölzernen Regalbrettern, die sich die Wände entlang zogen, standen etliche Töpferarbeiten, zumeist einfache Gefäße, wie sie nur arme Leute besaßen.
Hinter dem bräunlichen Vorhang am Ende es Raumes befand sich ein schmaler Flur, von dem aus drei Türen abgingen. Zwei davon mussten die Schlafzimmer sein, die er sich extrem eng vorstellte. Durch die dritte führten ihn die Zwillinge in einen kleinen Raum, in dessen Mitte ein Tisch gestellt war. An einer Seite standen ein einfacher Herd und daneben ein niedriges Schränkchen, wahrscheinlich für Töpfe, Essen und Geschirr. Die andere Seite bestimmte ein ziemlich großer Schrank.
Die Eltern saßen gerade am Tisch und redeten. Als sie ihre Kinder und den Magier eintreten sahen verstummten sie. Peinlich berührt standen sie auf.
„Seid gegrüßt, Seher. Es ist uns eine Ehre“, sagte der Vater und verbeugte sich. Er war sehr groß und überragte den Magier um einen halben Kopf.
„Die Ehre ist ganz meinerseits“, antwortete der Magier, „Mein Name ist s’Ochenon.“
„Ramecho“, stellte sich der Vater vor und deutete auf seine Frau, „und das ist Sjewanna.“
Die Zwillinge erröteten leicht als ihnen auffiel, dass sie sich dem mächtigen Magier noch gar nicht vorgestellt hatten.
S’Ochenon wandte sich an sie.
„Und eure Namen…?“
„Krejan und Estana.“
Er nickte und wiederholte die Namen gedanklich.
„Ihr erlaubt doch, dass ich mich setze? Ich habe euch etwas sehr Wichtiges mitzuteilen… es wird wohl etwas dauern. Es geht um eure Kinder.“
Die Mutter sah die Zwillinge vorwurfsvoll an.
„Habt ihr wieder -“
S’Ochenon unterbrach sie: „Ich kann euch versichern, dass sie nichts angestellt haben. Im Gegenteil. Die Nachricht, die ich euch bringe, ist sehr gut.“
Die Eltern blickten ratlos, aber Estanas Augen funkelten wieder. Ihr Bruder stieß sie aufgeregt in die Rippen. Sie setzten sich, beide die Aufmerksamkeit in Person.
Den Eltern war dieses Verhalten nicht entgangen und sie tauschten einen verwunderten Blick. Ihre Gesichter waren einzige Fragezeichen.
S’Ochenon biss sich auf die Lippe und überlegte, wo er anfangen sollte.
„Ich habe vor, eure Kinder als Novizen aufzunehmen“, erklärte er dann knapp.
Diese Aussage verfehlte ihre Wirkung auch bei den Zwillingen nicht und sie zuckten beide zusammen.
Sjewanna schüttelte ungläubig den Kopf: „Da muss ein Irrtum vorliegen.“
„Durchaus nicht. Sie haben beide die Gabe zu Sehern. Und heute ist diese Gabe erwacht.“
Der Vater sah seine Kinder an.
„Es kann unmöglich wahr sein.“
„Doch“, meinte Krejan leise, „ich habe heute sogar schon gesehen… irgendwie.“
„Und was genau?“, wollte s’Ochenon wissen.
„Ich war im Wald, mit meinem Freund… und auf einmal habe ich Stimmen gehört. Ich dachte, sie wären in meinem Kopf:“
„Und wenig später hast du sie wirklich gehört.“
Krejan nickte.
„Ich wollte, dass wir uns verstecken. Das haben wir auch getan… und dann kamen die Räuber vorbei. Es war eine ganze Bande, die da längs zog. Sie haben genau das gesagt was ich gehört habe. Jedes Wort.“
Seine Eltern starrten ihn an.
„Warum hast du davon nichts erzählt?“
„Ich konnte es ja selber nicht wirklich glauben. Außerdem war da noch Estana.“
„Was hat Estana damit zu tun?“
„Ich habe auch gesehen“, entgegnete diese leise, „aber… es war einfach nur unglaublich peinlich.“
„Warst du deshalb so wütend?“
„Ja.“
„Hast du das Gesehene für Wirklichkeit gehalten?“, fragte s’Ochenon.
Estana lachte unwillkürlich auf.
„Ja. Ja, ich habe es für Wirklichkeit gehalten. Ich dachte es wäre tatsächlich ein Dieb, ich bin ihm sogar hinterher gerannt. Aber da war niemand – die Leute haben nur gestarrt und getuschelt!“
„Ich kann mir gut vorstellen, was für eine Erleichterung das für dich gewesen sein muss als du gemerkt hast, dass es später dann doch passiert ist – ich habe dich dort gesehen“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage.
Die Eltern hörten nur ungläubig zu.
„Aber ihr könnt doch nicht einfach gehen!“, meinte der Vater erschrocken.
Die Zwillinge sahen ihn verzweifelt an. Man konnte deutlich sehen, dass diese sich nichts sehnlicher wünschten, als Seher zu werden. Aber ihre Eltern wollten sie nicht alleine lassen – sie wussten nur zu gut, dass diese auf ihre Mithilfe angewiesen waren.
S’Ochenon entging der innerliche Konflikt nicht.
„Sie werden euch nicht zur Last fallen“, erklärte er, „Außerdem sind sie wahrscheinlich bald selbst in der Lage, etwas Geld zu verdienen.“
„Wie sollten sie das tun?“, fragte die Mutter, „Sie sind doch nur Novizen!“
„Auch wenn die Ausbildung länger dauern wird – als Novizen werden sie in der Lage sein, einfache Zauber zu tätigen, und in Snechana gibt es genug Leute, die bereit sind für eine kleine Weissagung zu zahlen. Es ist natürlich nicht viel – aber für die Verpflegung wird auch so gesorgt.“
Und so können sie euch dieses Geld schicken, fügte er in Gedanken hinzu.
Der Satz tat ihm weh. Die Zwillinge hätten genug Gründe, um es selber auszugeben, er würde ihnen etwas Luxus gönnen. Aber ihm war klar, dass sie ihre Eltern nicht im Stich lassen konnten. Es gab keine andere Möglichkeit als diese Lösung aufzuweisen.
Auf allen Gesichtern zeigte sich Erleichterung.
„Wann soll es denn losgehen?“, überlegte die Mutter.
„Ich habe hier noch etwas zu erledigen, aber das geht recht schnell. Es wäre mir recht, morgen früh mit ihnen loszuziehen, zu Sonnenaufgang.“
„Morgen schon!“
Die Eltern waren sichtlich erschrocken.
„Wenn ihr wollt, kann ich auch noch etwas warten.“
„Nein – es geht schon.“ Sie tauschten unsichere Blicke.
„Aber die Reise wird wohl auch etwas dauern, nicht war?“
„Etwas mehr als eine Woche zu Pferd.“
„Wir haben keine-“
„Es wird kein Problem für mich sein, für Pferde zu sorgen.“
„Wirklich nicht?“
„Nein.“
Die Eltern nickten langsam. Dazu gab es nichts mehr zu sagen.
Sie sahen ihn an und der Seher stand auf.
„Ich will nicht länger stören.“
Die ganze Familie begleitete ihn zur Tür und sie verabschiedeten sich.
Stumm sahen sie ihm nach, als er die schmale Gasse entlangging.
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  #18  
Alt 19.11.2009, 20:56
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Fortsetzung

Wie ein Pfeil tauche ich durch diese blaue Welt. Meine Schwanzflosse – sie ist die eines Delfins – lässt mich durch das Wasser gleiten als wäre es Luft. Ein Schwarm Fische schwimmt an mir vorbei. Ihre silbrigen Leiber glänzen in den ersten, vom Wasser blau-grün gefärbten Strahlen der Sonne.
Ich strecke meinen Arm aus und kann sie mit den Fingerspitzen berühren. Für kurze Zeit folge ich ihnen. Ich blicke auf den steinigen Grund und erkenne etliche Algen, die leicht wogend der Strömung des Flusses folgen.
Dann richte ich meinen Blick auf die Wasseroberfläche. Die Morgensonne gleißt durch sie hindurch und blendet mich. Ein kräftiger Schlag mit der Schwanzflosse genügt, und ich schieße aus dem Wasser.
Die Luft ist warm und ein sanfter Wind lässt die Bäume rauschen. Etliche Vögel begrüßen die Sonne, die mir nun mein Gesicht wärmt. Ich schüttle meine silbrig-blauen Haare, und sie lässt die tausend Tröpfchen aufblitzen als wären es Diamanten.
Ich senke den Kopf und tauche wieder ins Wasser. Vielleicht begleiten mich ein paar Delfine auf meiner Reise durch den Fluss.
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  #19  
Alt 20.11.2009, 15:00
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Sjewanna blickte ihre Kinder traurig an.
„Ihr wollt wirklich gehen?“
Sie nickten schuldbewusst.
„Mutter“, erklärte Krejan, „das ist unsere Chance! Wir können Seher werden. Als Magier wird es uns bestimmt besser gehen.“
„Ich hoffe nur, dass dieser Traum auch wahr wird“, sagte Ramecho, „Noch ist nicht gesagt, dass ihr auch gut genug seid.“
„Willst du, dass wir hier bleiben?“
Der Vater sah ihn lange und ernsthaft an und schüttelte dann den Kopf.
„Nein. Das will ich euch nicht nehmen.“
Ein leises Lächeln huschte über Estanas Gesicht.
„Ihr könnt uns bestimmt besuchen kommen. Die Magier und Novizen dort kommen aus dem ganzen Land.“
Die Mutter stand auf.
„Wir müssen noch packen“, erklärte sie.
Sie sagte es als wolle sie sich ablenken.
Die Zwillinge sahen sich an und folgten ihr dann in das Zimmer.
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  #20  
Alt 20.11.2009, 15:02
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Fortsetzung

S’Ochenon eilte durch die Straßen. Er hatte noch einen halben Tag Zeit – und die Nacht.
Sein Atem ging schwer und er verfluchte sein Alter.
Aber er musste sich beeilen. Ihm blieb keine andere Wahl.
Die Straßen waren wie leergefegt. Er sah sich suchend um.
In einer kleinen Gasse fand er einen einfachen Schuppen. Probeweise drückte er gegen die Tür, die sich quietschend öffnete.
Der Magier sah hinein.
Im Grunde war es nur eine Abstellkammer. Ein kleiner Karren stand darin und mehrere Schränke die nicht mehr zu gebrauchen waren. Alles war von Spinnweben bedeckt. Eine dicke Staubschicht deutete an, dass hier schon seit Ewigkeiten niemand gewesen war.
Er trat ein und schloss die Tür vorsichtig hinter sich. Erdrückende Dunkelheit umgab ihn.
Er hob vorsichtig die Hand und ließ einen kleinen Feuerball entstehen, der fast bis zur Decke hinaufstieg und den Schuppen mit einem diffusen, flackernden Licht erfüllte.
Der Magier blickte noch mal zur Tür und riss sich dann die Kleider vom Leib.
Unter den weiten, kostbaren Gewändern kam einfache graue Kleidung zum Vorschein. Er bückte sich und zupfte seine Hose zurecht, bis sie richtig saß. Dann fuhr er sich durch die kurzen grauen Haare, die schon merklich weniger wurden.
Es gab keinen Spiegel, aber er sah kurz zur Wand und nickte zufrieden.
Seine Gewänder legte er zusammen und packte sie in eine Ecke, darauf bedacht, möglichst wenig Staub an sie zu lassen.
Als alles fertig war ging er wieder heraus. Beim Quietschen der Tür verzog er das Gesicht und sah sich erschrocken um. Er konnte niemanden entdecken und machte sie hinter sich zu.
Dann setzte er seinen Weg fort.
Nun humpelte er merklich. Er fand einen knorrigen Ast am Straßenrand und stützte sich darauf.
Das Klacken des Stockes begleitete die unsicheren Schritte eines armen Mannes in Holzschuhen, der sich mühsam die Gasse längs quälte.
Nichts erinnerte mehr an den mächtigen Magier, der er war.

Obwohl er belebte Straßen mied, traf er doch den ein oder anderen Menschen, der ihn mitleidig grüßte. Dem schenkte er aber kaum Beachtung. In Gedanken war er ganz woanders.
Bald kam er am Stadtrand an. Dort begann der Wald, der die ganze Stadt umgab.
Ein kleiner Feldweg schlängelte sich an den Bäumen vorbei.
Hier war niemand mehr.
s’Ochenon betrat den Pfad und verschwand im Dickicht der Bäume.
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