Ortsbeschreibungen und Gedankengänge?

[Alihadzi]

Ich weiß nicht, ob diese Themen schon mal in diesem Forum besprochen wurden – zumindest habe ich keine Beiträge hierzu gefunden, was aber nichts heißen mag...

Ortsbeschreibungen: Geht es Euch ähnlich wie mir? Ich liebe es, Dialoge und Handlungen niederzuschreiben, aber mindestens genauso gerne verfalle ich dem Beschreiben der diversen Handlungsorte. Irgendwie unterliege ich dem inneren Wunsch, dem Leser die Szene so zu vermitteln, wie ich sie vor meinem geistigen Auge erlebt habe. Und ich befürchte, dass ich teilweise ziemlich langatmig beschreibe... Wie seht Ihr das? Wie geht Ihr mit diesem Thema um?

Gedankengänge: Hiermit ziele ich auf die Gedankengänge der Hauptfiguren ab. Ich lasse meine Figuren gerne mal über Dinge grübeln, zeige damit innere Konflikte auf, enthülle damit Wesenszüge, die in Dialogen vielleicht nicht so deutlich werden, philosophiere über dies und das. Das kann durchaus auch mal über eine Buchseite hinaus gehen. Hier fühle ich eine gewisse Unsicherheit, ob das nicht zu viel des Guten ist. Klar, es herrscht künstlerische Freiheit. Dennoch würde ich gerne mal Eure Meinung dazu hören.

[Formorian]

Ortsbeschreibungen: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich hier wohl der absolute Minimalist bin. Ich gebe vielleicht ein paar kleine Hinweise, etwa dass sich die Handlungsfigur zu Füßen eines offenen Torbogens zu Boden setzt oder dass die Wurzeln des Baumes, unter dem sie steht, vom Wasser des nahen Flusses halb frei gespült sind, doch den Rest überlasse ich dem Kopfkino des Lesers. Als Leser finde ich endlos ausufernde Detailbeschreibungen eher ermüdend und langweilig und den Lesefluss hemmend. Ich will gar nicht wissen, wie etwa das Schwert in der Hand des Prota aussieht (für mich selbst weiß ich es ja längst ), sondern was er damit vorhat.

Gedankengänge: Hier allerdings geh ich gern in die Vollen. Meine Prota zweifeln oft und ausgiebig über den Sinn oder die Rechtmäßigkeit ihres Tuns (und werden hin und wieder dafür auch mit einem Aha-Erlebnis belohnt). Oft halten sie sich selbst für die Herren ihrer Entscheidungen, bis sie erkennen dass sie eigentlich nur von Anderen wie Figuren über ein Spielfeld geschoben werden. Dann beginnt die Rebellion, und sie kämpfen um ihre wirkliche Befreiung oder gehen beim Versuch dabei drauf. Wackere Strahlemänner, die stets von der Richtigkeit ihres Tuns felsenfest überzeugt sind, ohne jemals irgendetwas zu hinterfragen sind mir absolut pfui. Sie haben niemals gelernt, eigene Gedanken zu denken.
Ich hasse Zombiestorys.

[Alihadzi]

Minimalistische Ortsbeschreibungen finde ich absolut nicht schändlich! Wie Du schon sagtest, die Fantasie des Lesers ist somit gefordert. Guter Gedanke! Vielleicht nehme ich dem Leser zu viel Denkarbeit ab, indem ich es stellenweise mit den Beschreibungen übertreibe...hm, wie immer ist das goldene Mittelmaß gefragt...und das jeweils situationsbezogen (bei Kampfhandlugen wäre die Beschreibung von Sternbildern am nächtlichen Himmel vielleicht nicht ganz angemessen...) :-)

Bei den Gerdankengängen sind wir uns offensichtlich sehr ähnlich... :-)

[Formorian]

Detailreiche Ortsbeschreibungen können durchaus hilfreich sein, für Kids die es gewohnt sind irgend einen Screen anzustarren und daher gewaltige Probleme mit dem 3-D-Denken haben. Aber alles und jedes kleine Detail muss wirklich nicht erwähnt werden, erst recht nicht wenn der Leser mit dem beschriebenen Gegenstand vertraut sein sollte.
Jules Verne beschreibt etwa auf zwei Seiten, wie eine Kerosinlampe aussieht und funktioniert. Zu Vernes Zeiten mag dies Hi-Tech gewesen sein, aber heute könnte man diese Stelle getrost herausnehmen (bitte alle Verne-Puristen um Vergebung ).

[Alihadzi]

Ja klar, zuviele Details schränken die Phantasieentfaltung des Lesers ein - typische Nebenwirkung.

Trotz allem mag es hier und da hilfreich oder gar notwendig sein, dem Leser bstimmte Bilder "vorzugeben", die im Verlauf der Geschichte essentiell sind.

Mein persönliches Fazit (bis dato): Detailreichtum dort, wo es für das Verständnis der Geschichte sinnvoll oder notwendig erscheint, ansonsten ein "gesundes Mittelmaß" an Details, welches den Lesern noch genügend Freiraum bietet, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen.