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Grenzen in der Literatur

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  #1  
Alt 16.06.2013, 16:20
Benutzerbild von Cassandra
Cassandra Cassandra ist gerade online
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
Registriert seit: 02.2012
Ort: Faerûn
Beiträge: 15.541
Grenzen in der Literatur

Mir ging gerade die Frage durch den Kopf, ob es eigentlich Grenzen geben sollte, innerhalb derer sich ein literarisches Werk bewegen darf.
Klar, ich darf in einem Roman nicht schreiben, dass Volk X scheiße ist und am besten geschlossen über die Klinge springen sollte. Auch darf ich nicht zum Mord an Person Y aufrufen usw. - das versteht sich von selbst.
Auch wenn es immer wieder Autoren gibt, die sich auf ihre künstlerische Freiheit berufen und darauf hinweisen, dass es sich bei ihrem Roman lediglich um Fiktion handelt, sind die Parallelen zu irgendeinem aktuellen Geschehen idR. überdeutlich. Meistens bekommen diese Autoren dann eine aufs Dach und verschwinden wieder in der Versenkung.

Mir geht es hier aber um etwas anders: es kommt immer wieder vor, dass hierzulande aus bestimmten Büchern ein regelrechtes Politikum gemacht wird und z.B. Kinderbücher hautpsächlich wegen angeblicher rassistischer und fremdenfeindlicher Tendenzen aus den Regalen verschwinden sollen.

Ein Beispiel: "Der Struwwelpeter" (erschienen 1845). Immer wieder kam es zu Diskussionen wegen Brutalität (da verbrennt z.B. ein Mädchen, nachdem es das Verbot der Mutter ignoriert hatte und mit Zündhölzern spielt. Und dem Daumenlutscher werden kurzerhand die Daumen abgeschnitten, damit mit dem Genuckel schluss ist) und angeblichem Rassismus - hier geht es um die Geschichte mit den drei Buben, die den "Mohren" wegen seiner Hautfarbe verspotten und als Strafe vom Nikolaus in ein Tintenfass getunkt werden.
Verteidiger des Buches weisen zum einen auf das Entstehungsdatum hin und warten dann mit folgendem Argument auf: "Der Struwwelpeter steht daher in einer aufklärerischen Erziehungstradition, wonach das Kind eine Strafe nicht als Willkürakt der Erziehenden begreifen soll, sondern als unmittelbare Folge seiner eigenen Handlungen. Das 'Böse' birgt seine Strafe schon in sich. "

Weitere Beispiele die regelmäßig für Streit sorgen sind "Die kleine Hexe" von Ottfried Preußler, Astrid Lindgrens "Pippi Langstrumpf" und natürlich Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" in dem der kleine "Negerjunge" Jim zusammen mit Lukas Abenteuer erlebt.
Mich wundert es eigentlich, dass bisher noch nicht beanstandet wurde, wie hier ein erwachsener Mann mit einem kleinen Jungen durch die Weltgeschichte zieht und auch noch Seite an Seite mit diesem in dem engen Führerhaus der Lokomotive schläft ...
Auch "Der Herr der Ringe" soll ja gespickt sein mit Rassimus bzw. dem Hinweis auf höhere und niedere Rassen. Selbst wenn es immer wieder Tolkien-Kennern gelingt, jedes einzelne dieser "Argumente" zu wiederlegen, tauchen früher oder später neue "Beweise" contra Tolkien auf ...

Sind all diese Bücher und viele weitere Opfer des, in den letzten Jahren stetig anwachsenden Hanges zur "Political correctness" und der damit einhergehenden Pseudo-Moral unserer Gesellschaft, oder haben die Kritiker doch ein wenig recht mit ihren Befürchtungen hinsichtlich des Inhaltes?
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Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


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Geändert von Cassandra (16.06.2013 um 16:24 Uhr)
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  #2  
Alt 16.06.2013, 17:04
Benutzerbild von Orendarcil
Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
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Beiträge: 1.090
Da ich grad lerne nur ein kleiner Einwurf.
Die kleine Hexe und soweit ich weiß wurde auch "der Negerjunge" in Lukas und der Lokomotivführer beanstandet.
Soweit ich weiß wurden oder werden verschiedene Bücher Preußlers momentan umgeschrieben (oder wurden...weiß grad nicht mehr).

Hatte dazu hier i.wo einen Artikel gepostet...weiß aber nicht mehr wo. Müsste man über google mal wieder suchen
Hab einen gefunden: "Hotzenplotz" und Co.: "Negerlein" aus Otfried Preußlers Kinderbüchern gestrichen - Panorama - Aktuelle Nachrichten zum Thema Boulevard, TV, Prominente, Musik. - Augsburger Allgemeine
Da gibts aber sicher noch mehr und ausführlicherere^^
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"Vieles geht dahin und stirbt, doch die Wahrheit bleibt,
auch wenn sie oft im Verborgenen liegt und schweigt."

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  #3  
Alt 16.06.2013, 17:12
Benutzerbild von Cassandra
Cassandra Cassandra ist gerade online
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
Registriert seit: 02.2012
Ort: Faerûn
Beiträge: 15.541
Ich kenne die Artikel und sie waren auch der Grund für den Thread hier. ^^
Deshalb meine Frage, was die anderen hier im Forum davon halten. Sollen jetzt wirklich alle möglichen Kinderbücher auf "moralisch-ethisch wertvoll" getrimmt werden?
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  #4  
Alt 16.06.2013, 23:15
Benutzerbild von Tjured
Tjured Tjured ist offline
Devanthars Kind
Hueter des heiligen Grals
 
Registriert seit: 03.2011
Beiträge: 4.061
Hatte zufälligerweise diese Woche auch gerade ne kleine Diskussion über das Thema.. dort haben wir Pinocchio als Beispiel aufgeführt. In seiner Geschichte geht es ebenfalls um die Erziehung der Kinder und was gut und schlecht ist. Wir sind dann dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass es einfach veraltete Ansichten sind und nicht mehr der heutigen Zeit entsprechen.

Meiner Meinung nach handelt es sich um diese Geschichte um geschichtliches Kulturgut, welches aber heute Niemand mehr ernst nehmen sollte. Aber es wäre sehr Schade, wenn die alten Kinderbücher einfach so verschwinden würden. Sie sollten unbedingt weiter erhalten bleiben.

Wenn eine Person ein neues Buch schreibt, sollte er sich etwas darauf achten, auch wenn es rein künstliche Grenzen sind. Ich verstehe aber jedoch nicht, wieso man rassistische Merkmale in Bücher wie Herr der Ringe sucht, welche vor etwa 70 Jahre geschrieben wurden.
__________________



Zitat:
Zitat von kyria Beitrag anzeigen
...hat ein Federvieh in der Signatur
Zitat:
Zitat von deggro Beitrag anzeigen
Hat ein Federvieh in der Signatur
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  #5  
Alt 17.06.2013, 06:42
FlorianClemens FlorianClemens ist offline
Reisender aus der Zukunft
 
Registriert seit: 06.2013
Beiträge: 4
In meinen Augen ist diese Thematik in unserer gesellschaft direkt paradox.
Auf der einen Seite werden die Menschen Hypersensibel was Rassismus und Toleranz anbelangt. Bei Büchern wird sofort aufgeschrien wenn nur ein kleiner Funke rassistisch sein könnte. Es gibt aber auch in anderen Sparten dieses Problem. Denn nicht nur Bücher werden zensiert, umgeschrieben etc. sondern auch musikalische Werke.
Auf der anderen Seite werden glaube ich, viele Menschen eben durch diese Hypersensibilisierung taub gegenüber den wahren Problemen.
Die Frage ist doch ... ist ein Kind gefährdet, Rassist zu werden, wenn es über zehn kleine Negerlein singt? Ich gleube nicht, denn da spielen hunderte andere Faktoren mit. Wichtiger sind eine kluge Einwanderungspolitik, Integration und Kurse, die diese erleichtern ...

Viel Lärm um nichts also. Und ganz ehrlich, mich als Autor würde es sehr sehr an***gehen wenn jemand in meinen Werken plötzlich nach irgendwelchen rassistischen Passagen usw sucht und diese dann ändert. Da schießt man am Ziel vorbei.

LG Florian
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  #6  
Alt 17.06.2013, 07:49
Kaeptn Kaeptn ist offline
Bewahrer der Traenen des Lebens
 
Registriert seit: 03.2012
Beiträge: 168
Ich lese ja meinen Kindern regelmäßig vor und bei Tom Sawyer beispielsweise hatte ich da schon ein bisschen Probleme damit, wie über die "Niggern" gesprochen wird. Denn da damals selbstverständlich, wird die Sklaverei in dem Buch nicht weiter thematisiert. Man muss den zuhörenden Kindern dann also erstmal erklären, warum da so abfällig über dunkelhäutige gesprochen wird und warum man das heute nicht mehr tut.
Die Frage ist dann weniger, ob man das Werk ändern sollte, sondern eher, ob es in der heutigen Zeit noch für die ursprünglcihe Altersgruppe geeignet ist - wobei es weniger um Worte als um vermittelte Wertvorstellungen bzw. vorausgesetztes Wissen gehen sollte.
Alles Dinge die ich z.B. bei der kleinen Hexe, Jim Knopf usw nicht problematisch finde.

Aber man muss nicht unbedingt in der Vergangenheit suchen, um Bücher mit fragwürdigen Botschaften zu finden. Ich habe mich z.B. sehr über Honky Tonk Pirates von Wilde-Kerle-Autor Masannek aufgeregt, weil es den Krieg verharmlost und ein minderjähriges Mädchen als Sexobjekt dargestellt wird, nach dem sich alle Männer die Finger lecken. Ständig wird über ihre Oberweite fabuliert und natürlich erfüllt sie alle Chauvi-Vorurteile. wenn sie Stunden braucht, um sich für neue Klamotten zu entscheiden.
Sowas möchte ich meinen Kindern nicht vorlesen. Ich hab da ganze Passagen übersprungen (denn natpülich wollten sie wissen wie es ausgeht) und habe keinen weiteren Band geliehen. Für die Zielgruppe ab 10/12 war das jedenfalls denkbar ungeeignet (und auch sonst eher schwach).

Generell finde ich, sind Kinderbücher da eher problematisch als Erwachsenenbücher, weil die junge Zuhörerschaft Inhalte eben kaum hinterfragt und auch gern nachahmt, was positiv dargestellt wird.
__________________
Kaeptn

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  #7  
Alt 17.06.2013, 07:53
Benutzerbild von Laura
Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
Erforscher der Welten
 
Registriert seit: 09.2012
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In meinen Augen ist es ein Frevel sich an alten Büchern zu schaffen zu machen, ihren Inhalt zu ändern oder gar Passagen daraus zu streichen. Ebenso bei Liedern oder anderen Dingen, die schon so lange bestehen. Es handelt sich dabei doch nicht um rassistische oder politische Propaganda.
Pinocchio soll in irgendeiner Form die heutigen Erziehungsmethoden negativ beeinflussen?
Hotzenplotz....*Haare rauf* diese Geschichten sind da um Kindern und auch Erwachsenen Freude zu bereiten. Sie haben meist einen tieferen Sinn und übermitteln mehr Moral als viele andere Geschichten, die womöglich nicht Worte wie "Negerlein" enthalten aber dafür platt, sinnfrei und manchmal voll von versteckter Gewalt sind.
Diese Modernisierung geht mir schon gewaltig auf den Sender.
Im Fernsehen zum Beispiel, Yu gi oh und der ganze Schwachsinn, wenn ich das seh, stellt es mir die Haare zu Berge.

Oder nehmen wir doch mal unsere gute alte Biene Maja. Hiiiilfe! Was haben sie mit der nur angestellt? Computeranimiert schleudert diese neue Version mit Ausdrücken um sich, da kommt einem das Grausen.
Schön modern halt...

Ich halte das für völligen Blödsinn, dieser ganze Aufruhr.
Wie Florian schon sagte, man sollte sich an die wirklich wichtigen Dinge halten und sich nicht in etwas verbeißen wo nichts ist.
Für mich hat es immer den Anschein als hätten die Führungspositionen unserer Gesellschaft einfach keine Lust etwas wirklich sinnvolles zu tun, da dies viel Aufwand und eine Menge Engagement erfordert.
Stattdessen halten sie sich mit so einem Firlefanz auf um den Anschein zu erwecken sie würden irgendetwas tun.

Ich hatte mal eine Arbeitskollegin, die hat es auch ungefähr so gemacht.
Die rannte immer herum wie irre, machte ein finsteres Gesicht und regte sich über Kleinigkeiten auf, nur um zu verschleiern, dass sie in Wahrheit gar nichts arbeitete.
Sie war Faul und hatte keine Lust. Doch für Außenstehende hatte es den Anschein, als würde sie sich vor Stress überschlagen.

Naja ich werde meinen Kindern bestimmt nur die Originale kaufen und vorlesen.
Ich werde mich der Modernisierung garantiert nicht anpassen.
Alles Schwachsinn.

Edith:
Die Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn mochte ich für meinen Teil gar nicht und das von Haus aus.^^
Die hatten für mich keinen Reiz...
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Du ahnst nicht wie kostbar das Leben sein kann, solange du nicht selbst Leben erschaffen hast.

Geändert von Laura (17.06.2013 um 08:22 Uhr)
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  #8  
Alt 17.06.2013, 09:22
Benutzerbild von Elyan
Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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Hmm ... naja, ich weiß nicht, ob ich das Thema für mich als Augenwischerei weglegen möchte ... ursprünglich fand ich das ganze gegendere ziemlich überkandidelt ... was für einen Unterschied macht es letztlich, dachte ich. Die letzten Jahre habe ich mich jedoch sehr intensiv mit Gender auseinandergesetzt, mit Judith Butler wie auch dem Gleichstellungsgesetzt (übrigens erst 2006 [in Deutschland] in Kraft getreten) usw. ... umso mehr ich mich damit beschäftigt habe umso erschreckender fand ich, wie subtil mit Sprache Normen gesetzt und erhalten werden. "Das ist ebenso!" heißt es dann, "das macht man so und nicht anders" wird dann verbreitet ... Ermutigend ist in dem Fall, dass durch einen bewussten Umgang mit Worten, mit Sprache und Texten diese Normen in eine wertfreie Vielfältigkeit verwandelt werden können.

Natürlich kann alles übertrieben werden (wie immer ... HdR oder Pippi Langstrumpf ... manche Kirche muss einfach auch mal im Dorf stehen bleiben) ... einen sensiblen Umgang mit Sprache und Normen finde ich hingegen außerordentlich wichtig. Wir sind es, die diese Welt in der wir leben formen. Insofern finde ich auch die Diskussion um das Umschreiben von Kinderbüchern wichtig. Nicht weil es immer geschehen sollte, sondern damit bewusst mit dem Handwerkszeug umgegangen wird, das unser Bewusstsein wesentlich prägt: Sprache.

Ich schließe mich da der Meinung von Kaeptn an ... manche Bücher gehören einfach nicht mehr in die Abteilung Kinder- oder Jugendbuch. Und bei aktueller Literatur sind wir alle in einem gemeinsamen Lernprozess und uns vermutlich in dem Punkt einig, dass Mädchen keine niedlichen, hilflosen Wesen sind und dass die Hautfarbe nicht über Freund oder Feind entscheidet.
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  #9  
Alt 17.06.2013, 10:18
Benutzerbild von Laura
Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
Erforscher der Welten
 
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Ja da hast du auch recht aber die Überreaktionen in eben genau diesen Gebieten bringen die Kinder doch dazu, darauf negativ zu reagieren. Ich will jetzt nichts verharmlosen, ich spreche von wirklich unzulänglichen Dingen.
Es geht jetzt um eben solche Geschichten wie Pinocchio usw...
Als ich klein war habe ich diese Bücher auch vorgelesen bekommen oder die Filme gesehen und ich habe dabei keinerlei rassistische Ambitionen mit auf dem Weg bekommen oder dadurch eine falsche Erziehung genossen.
Mich hat niemand darauf aufmerksam gemacht, es hat mich gar nicht interessiert. Ich fand einfach die Geschichte klasse.
Also ich wurde von den Geschichten in keinster Weise negativ beeinflusst.

Natürlich kann man jetzt in der heutigen Zeit als Autor diese Sachen miteinbeziehen. Es gibt Dinge die damals vielleicht noch moralisch vertretbar waren, heute jedoch nicht mehr. Und eben das kann und sollte man HEUTE berücksichtigen.
Ich finde es jedoch nicht gut Werke zu ändern, die schon so lange existieren.
Im Grunde gibt es immer noch die Eltern, die entscheiden können ob sie ihren Kindern diese Geschichten zeigen wollen oder nicht.

Und was ich eben auch falsch finde ist, das man sich mit solchen Dingen aufhält,
wo es doch so viel dringenderes zu ändern gäbe, das für die Kinder und auch für die Gesellschaft im allgemeinen einen größeren Nutzen hätte und bei weitem sinnvoller wäre.
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Geändert von Laura (17.06.2013 um 10:22 Uhr)
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  #10  
Alt 08.07.2013, 14:33
Benutzerbild von FrankSonnebach
FrankSonnebach FrankSonnebach ist offline
Kobold
 
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Meiner Meinung nach sollte ein Autor genau das Schreiben, was er persönlich als richtig erachtet, solange dadurch nicht die Persönlichkeitsrechte Einzelner angegriffen werden.

Prinzipiell steht es jedem frei, ein Buch zu lesen oder im Regal stehen zu lassen, bei Kinderbüchern treffen die Eltern die Entscheidung. Kein Schriftstück der Welt kann im Geist eines Kindes Schaden anrichten, wenn in der Erziehung ansonsten alles glatt gelaufen ist. Das Formen moralischer Werte kann nicht durch die Zensur von Büchern ersetzt werden, ebenso wenig das Vermitteln einer gesunden Weltanschauung. Ein gefestigter Geist mit allerhand Umgehen, ohne dabei den Realitätsbezug zu verlieren. Ich halte es für problematischer, ein Kind vor Allem beschützen zu wollen, da auf diese Weise nie der richtige Umgang erlernt werden kann.

Medienvielfalt ist etwas wunderbares und sollte mit allen Kuriositäten und Facetten erhalten bleiben. Wirklicher Müll scheitert heutzutage ohnehin an den Ansprüchen des Verlages.

Darüber hinaus sind Gewalt, Aggressivität und Grausamkeit sind grundlegende Erfahrungen unseres Lebens, die jeder Mensch versteht und wahrscheinlich schon erlebt hat (im kleinen Rahmen). Global betrachtet ist Gewalt allgegenwärtig, sowohl in der Vergangenheit, als auch in Gegenwart und Zukunft. Eine Welt ohne Gewalt ist mittelfristig unvorstellbar.

Ein Universum, vor allem im Fantasybereich (wo häufig der Schein eines Mittelaltersettings vermittelt wird), wirkt ohne dieses Element äußerst hölzern, fast schon unwirklich.

Wie bei fast allen Elementen einer Handlung, kommt es auch beim Einsatz von Gewalt auf das richtige Maß an. Reine Gewaltorgien mag ich ebenso wenig wie weichgezeichnete Regenbogenwelten, die an unangenehmen Stellen die Szene wechseln.

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, was ich meine.

Viele Grüße,

Frank

Geändert von FrankSonnebach (08.07.2013 um 14:39 Uhr)
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  #11  
Alt 08.07.2013, 15:57
Benutzerbild von Hobbyschreiber
Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Meine Meinung ist die, dass gerade die Bücher, auch Kinderbücher, die aus heutiger Sicht politisch unkorrekt sind, eine wunderbare Möglichkeit bieten, diese Themen zu ... äh, thematisieren. Gerade im Zusammenhang mit Onkel Toms Hütte oder Tom Sawyer kann man das ganze entsetzliche Elend der Sklaverei aufarbeiten.

Ungleichbehandlung muss aus beiden Perspektiven erlebbar sein, um nachvollziehbar und somit fundiert beurteilbar zu sein. Auswendig gelernte Normen herzubeten hilft nicht bei der Meinungsbildung, man prägt sich dadurch höchstens unkritisch irgendwelche Dogmen ein. So etwas ist höchstens einer mittelalterlichen Gesellschaft angemessen. Um Maßstäbe zu entwickeln, muss man auch die Ausschläge nach oben und unten selber erkennen können und wissen (nachvollziehen können), warum es Ausschläge sind.

Ich kriege immer einen dicken Hals, wenn auf einer Demo gegen Neonazis nur Parolen skandiert werden und irgendwelche Autonome vermummt Passanten anpöbeln oder sogar anrempeln. Mit sowas spielen diese Idioten den kultiviert und wohlerzogen auftretenden Nazis in die Hände. Dogmen kann man nur bekämpfen, wenn man sie als hohle Phrasen entlarvt, nicht wenn man ihnen andere Parolen entgegenstellt. Dann gewinnt nämlich nicht der mit den besseren Argumenten, sondern mit den lauteren Stimmen. Um Parolen als Phrasen entlarven zu können, muss man aber denken und hinterfragen können. Und um das zu können, muss man es üben, zum Beispiel mithilfe von politisch unkorrekter Literatur.

"Medienvielfalt ist etwas wunderbares und sollte mit allen Kuriositäten und Facetten erhalten bleiben. Wirklicher Müll scheitert heutzutage ohnehin an den Ansprüchen des Verlages."
Dieser Aussage möchte ich allerdings widersprechen. Verlage wählen nicht die anspruchsvollen Manuskripte aus, sondern die, von denen sie sich den größten Gewinn versprechen. Das ist leider manchmal (natürlich nicht immer) genau das Gegenteil von anspruchsvoll. Man denke zum Beispiel an die Flut von dämlicher, platter Romantasy im Gefolge des Twilight-Booms (Unsterblicher/Untoter/Übermensch verliebt sich in unscheinbares Menschenmädchen) oder die aktuell anrollende Soft-SM-Welle im Gefolge von "50 Shades of Grey". Es wird das gedruckt, was der Leser/die Leserin scheinbar haben will. Anfragen in Leserforen im Sinne von "Wer kennt Bücher, die genauso sind wie xxx. Ich bin ein totaler Fan davon!" sprechen für sich.

Geändert von Hobbyschreiber (08.07.2013 um 16:13 Uhr)
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  #12  
Alt 08.07.2013, 16:52
Benutzerbild von FrankSonnebach
FrankSonnebach FrankSonnebach ist offline
Kobold
 
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Zitat:
Zitat von Hobbyschreiber Beitrag anzeigen
Dieser Aussage möchte ich allerdings widersprechen. Verlage wählen nicht die anspruchsvollen Manuskripte aus, sondern die, von denen sie sich den größten Gewinn versprechen. Das ist leider manchmal (natürlich nicht immer) genau das Gegenteil von anspruchsvoll. Man denke zum Beispiel an die Flut von dämlicher, platter Romantasy im Gefolge des Twilight-Booms (Unsterblicher/Untoter/Übermensch verliebt sich in unscheinbares Menschenmädchen) oder die aktuell anrollende Soft-SM-Welle im Gefolge von "50 Shades of Grey". Es wird das gedruckt, was der Leser/die Leserin scheinbar haben will. Anfragen in Leserforen im Sinne von "Wer kennt Bücher, die genauso sind wie xxx. Ich bin ein totaler Fan davon!" sprechen für sich.
Okay, aus dieser Sichtweise betrachtet gebe ich dir vollkommen Recht. Ich hatte zugegebenermaßen eine Stufe tiefer gedacht. Sicherlich ist die von dir angesprochene "Trendliteratur" nicht immer anspruchsvoll, doch eine grundlegende Selektion erfolgt trotzdem. Ich denke wir stimmen über ein, dass selbst in solchen Extremfällen wie der Romantasy-Welle nicht mehr als 1% der eingesandten Manuskripte den Schritt zum Buch geschafft haben. Diejenigen, die am Ende in der Buchhandlung stehen, verfügen über ein inhaltliches und sprachliches Grundniveau, dass sich an den Wünschen der Zielgruppe orientiert.
Denn auch diese Leser möchten sich in ihre Welt hineindenken und mit den Charakteren fühlen. Damit das funktioniert, muss der Autor über bestimmte Fertigkeiten verfügen, selbst wenn das Konzept der Handlung nichts neues bietet.

Extreme Tabubrüche (Exzessive Gewaltorgien ohne roten Faden, Buchpornos ohne Anschein einer Handlung und Charakterentwicklung) werden denke ich meistens durch die Verlage herausgefiltert.
Trotzdem gebe ich dir Recht, da ein Verlag in erster Linie finanzielle Interessen verfolgt, wird nicht immer nach Anspruch entschieden.


Zitat:
"Meine Meinung ist die, dass gerade die Bücher, auch Kinderbücher, die aus heutiger Sicht politisch unkorrekt sind, eine wunderbare Möglichkeit bieten, diese Themen zu ... äh, thematisieren. Gerade im Zusammenhang mit Onkel Toms Hütte oder Tom Sawyer kann man das ganze entsetzliche Elend der Sklaverei aufarbeiten.
Ungleichbehandlung muss aus beiden Perspektiven erlebbar sein, um nachvollziehbar und somit fundiert beurteilbar zu sein."
Den Teil finde ich ganz große Klasse! Eine richtige Auseinandersetzung mit einem Thema ist nur dann möglich, wenn Medien existieren, die es "erlebbar" machen. Reine Information ist zuwenig.

Grüße,

Frank

Geändert von FrankSonnebach (08.07.2013 um 16:55 Uhr)
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  #13  
Alt 08.07.2013, 18:41
Benutzerbild von Hobbyschreiber
Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Zitat:
Zitat von FrankSonnebach Beitrag anzeigen
Den Teil finde ich ganz große Klasse! Eine richtige Auseinandersetzung mit einem Thema ist nur dann möglich, wenn Medien existieren, die es "erlebbar" machen. Reine Information ist zuwenig.
Eben. Und zeitgenössische Texte sind nun einmal am dichtesten an der jeweiligen Atmosphäre und Weltanschauung. Auch wenn es aus unserer heutigen Sicht extreme Negativbeispiele sind.

Charles Lindberg hat laut bericht seines damaligen Kindermädchens seinem kleinen Sohn (ein oder zwei Jahre) Metallkappen über die Daumen ziehen (und dort fixieren) lassen, um ihm das Lutschen daran unttraktiv zu machen, und hat ihn auch stundenlang allein und mit nur einem einzigen Spielzeug in den Laufstall sperren lassen, damit der Junge lernt, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Wenn das nicht Orginal Struwwelpeter-Pädagogik ist, dann weiß ich es nicht.

Vieles, was in früheren Zeiten als ganz selbstverständlich angesehen wurde, könnten wir uns ohne die Orginal-Kindergeschichten gar nicht mehr vorstellen. Dass es sie weiterhin gibt, heißt ja nicht, dass man heute noch genauso handeln und denken soll. Noch meine eigenen Eltern waren und sind der Meinung, dass ein neugeborenes Baby noch keine Psyche hat, kein Denkvermögen. Deshalb halten sie es für völlig okay, es abends brüllen zu lassen, bis es vor Erschöpfung einschläft, sofern alle physischen Bedürfnisse (satt und sauber zu sein) erfüllt sind. Die instinktive Einsamkeit, Verzweiflung, Verlassensangst, TODESangst (!) des völlig von seiner Mutter abhängigen "Nesthockers" Mensch spielten für dieses aus ihrer Sicht ausschließlich "vegetativ" existierende kleine Wesen keine Rolle.

Der für seine Zeit und sein kulturelles Umfeld (Mitteleuropa an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert) sehr tolerante und "Eingeborenen"-freundliche Karl May hat dennoch "Neger" als zwar anständige Menschen, aber doch dumm und kindlich dargestellt. Indianer waren zwar keine tierähnlichen Wilden, sondern verdienten Respekt für ihre unzweifelhaft vorhandenen menschlichen Qualitäten, aber ihre Kultur hielt er für primitiv und nicht bewahrenswert. Das Ziel musste sein, die Indianer nicht auszurotten, sondern auf "unseren" Stand der Zivilisation und in unsere christliche Religion emporzuheben. Winnetou war die Lichtgestallt, die diesen Schritt bereits bewältigt hatte. Obwohl May seiner Zeit mit dieser menschenfreundlichen Einstellung weit voraus war (wir erinnern uns, dass Anfang des 20. Jahrhunderts von der US-Regierung noch Prämien für Indianerskalps gezahlt und "Strafexpeditionen" gegen Indianer-Siedlungen mit Frauen und Kindern angeordnet wurden), sah er die vorhandenen Kulturen als primitiv und ersetzenswert an. Aus unserer heutigen Sicht menschenverachtend. Aber man muss Meinungen und Handlungsweisen vor dem Hintergrund ihrer Zeit sehen, und dazu muss man diese kennen.

Dinge ändern sich, auch die kleinen über die die Wissenschaft nicht berichtet. Woher sollen später lebende Menschen davon erfahren, wie es früher war, wenn nicht aus zeitgenössischen Quellen?

Geändert von Hobbyschreiber (08.07.2013 um 18:59 Uhr)
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  #14  
Alt 08.07.2013, 18:54
Benutzerbild von AngelikaD
AngelikaD AngelikaD ist offline
Zauberlehrling
 
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Ich denke, wer die alten Texte im Original studieren will, soll sie immer noch finden, in Archiven. Damit verschwinden sie ja nicht.

Ich denke auch, dass, bevor ich als Nicht-Betroffene (weder dunkelhäutig noch Nachfahrin von Sklaven) von oben herab erkläre, dass Neger okay zu sein hat, weil es eben ein altes Buch ist, lieber die Meinung von Betroffenen hören möchte, was sie empfinden, wenn in einer Kindergruppe ihr Kind als Neger tituliert wird, weil das ja von der Lehrerin so vorgelesen wurde und damit stimmen muss.

Ich denke, dass die Kindererziehung zu einer Zeit, in der etwas wie Struwelpeter geschrieben und gezeichnet wurde, nichts, aber auch gar nichts nachahmenswertes hat und nur weil diese gräulichen Geschichten alt sind, gehören sie trotzdem nicht in die Kinderzimmer von heute, genauso wie wir uns wehren würden, wenn von Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen die Erziehungsmethoden von 1845 an unseren Kindern ausgeübt würden.

Für Literaturinteressierte dürfen die Geschichten gern so bleiben wie sie sind. Ich persönlich würde einem kleinen Kinder aber nie Struwelpeter vorlesen.
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  #15  
Alt 08.07.2013, 19:41
Benutzerbild von Laura
Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
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Geändert von Laura (08.07.2013 um 19:45 Uhr)
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  #16  
Alt 08.07.2013, 19:41
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Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
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Naja wenn wir jetzt von "von oben herab" sprechen.
Tatsächlich zählen zu meinem Freundeskreis ein paar dunkelheutige Leute und die stören sich an solchen Dingen keines Wegs, im Gegenteil, sie finden die ganze Sache eher lächerlich, was ich weiß weil ich sie erst letztens nach der Diskussion in diesem Threat darüber ausgefragt habe.

Einer davon war darüber sogar etwas verärgert weil er meinte, so etwas komme von solchen, die in ihrer "Gutmütigkeit" versuchen die "Schwächeren" zu beschützen und für ihre Rechte einzustehen. Ja und genau darüber hat er sich aufgeregt weil diese Leute eben solche Menschen wie ihn automatisch eine Stufe niedriger stellen mit ihrer geheuchelten Anteilnahme und ihrem überbetütelten Wunsch nach Gerechtigkeit.

Stattdessen sollten sie da agieren wo wirklich was geändert werden müsste.
Und das erreicht man nicht in dem man ein paar Kinderbücher umschreibt.

In einem Zeitalter in dem man mindestens einmal in der Woche in der Zeitung liest "Bruder hat Schwester mit Papas Pistole unabsichtlich in den Kopf geschossen" oder wie heute bei uns auf dem Titelblatt "Vater erschießt Sohn (8Jahre) weil er eine Zielscheibe verfehlt hat". Das sind Dinge die in Angriff genommen gehören. Was haben so verdammte Schusswaffen in der Nähe eines Kindes zu suchen?

Oder die Umgangssprache die mittlerweile in unseren Regionen herrscht, da ist Negerlein wirklich das geringste Übel. Und ich denke nicht, dass die Jugendlichen diese Ausdrucksweise haben weil sie ein Kinderbuch gelesen haben, sondern sie haben es von ihren Eltern. Es gibt so viele Haushalte in denen sich die Eltern gegenseitig aufs übelste beschimpfen.

Oder was ist mit den Medien, sprich TV? Kinder dürfen stundenlang jeden möglichen Dreck kucken weil Muttern so mehr Zeit für sich hat und schnappen Sachen auf, dagegen sind die Kinderbücher doch Mückensch....
Nein tut mir leid für mich ist und bleibt diese Art von Zensur einfach nur lächerlich und ist reine Zeitverschwendung. Wenn ich als Elternteil nicht will, dass mein Kind so eine Geschichte liest, dann gebe ich ihm das Buch nicht und fertig.
Noch effektiver wäre es jedoch gleich den Fernseher aus dem Fenster zu werfen.
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Geändert von Laura (08.07.2013 um 19:47 Uhr)
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  #17  
Alt 08.07.2013, 20:42
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Ich denke auch, dass, bevor ich als Nicht-Betroffene (weder dunkelhäutig noch Nachfahrin von Sklaven) von oben herab erkläre, dass Neger okay zu sein hat, weil es eben ein altes Buch ist, lieber die Meinung von Betroffenen hören möchte, was sie empfinden, wenn in einer Kindergruppe ihr Kind als Neger tituliert wird, weil das ja von der Lehrerin so vorgelesen wurde und damit stimmen muss.
Ich glaube, dass da die Meinung bei den "Betroffenen" recht weit auseinander gehen dürfte. Als ich an der Uni und während meiner Ausbildung Afroamerikaner kennengelernt hatte, war ich am Anfang ziemlich baff, als sich einige von ihnen gegenseitig als Nigger bezeichnet haben im Sinne von "Ey, Nigger-Man, komm' mal her" usw. Auf der anderen Seite habe ich schon Leute getroffen - davon einige aus der Muskiszene - die das nicht so toll finden. Ist vermutlich eine Frage des persönlichen Umgangs.

Aber um auf das "von oben herab" zu kommen: was wäre denn Deiner Meinung nach eine "ideale" Bezeichnung? "Dunkelhäutiger", "Mensch mit afrikanischen Wurzeln" (wobei nicht jeder Schwarze aus Afrika kommen muss - von daher müsste man den Typen vorher glatt fragen. Vielleicht ist er ja auch ein "Mensch mit karibischen Wurzeln" ...) usw. In meinen Ohren klingt das verkrampft und gewollt.

Wenn ich die Asylbewerber mit denen ich arbeite danach frage (viele von ihnen kommen aus afrikansichen Ländern), so machen die idR. Rassismus nicht an Äußerungen fest oder zumindest nicht ausschließlich. Ausgrenzung hat viele Gesichter und ich schätze mal, auch Grundsatzdiskussionen à la "Darf man Jim Knopf als kleinen Neger bezeichnen" gehören dazu.

Diskriminierung gibt es in vielen Bereichen und Gründe wie Hautfarbe, Herkunft oder Konfession sind meiner Meinung nach ohnehin nur vorgeschoben. Im Grunde geht es immer um Ignoranz und sonst gar nichts. Aber der werde ich nicht Herr, in dem ich Kinderbücher umschreibe. Damit beseitige ich Symptome, aber nicht die Krankheit.


Ergänzung: das klingt jetzt alles ein bisschen herb, ist aber nicht so gemeint . Ich weiß schon, worauf Du hinaus willst und wo Dein Problem liegt. Nur ich denke eben, dass die Probleme oftmals ganz wo anders liegen, als der "Laie" manchmal annimmt. Wenn Du beispielsweise den sozialen Bereich nimmst, laufen manche Sozialarbeiter o.Ä. vor Mitleid mit den "Bedürftigen" jedesmal fast über - nur, ist es eben nicht immer angebracht und hilft den Leuten auch nicht weiter
Jemanden zu einem Opfer zu machen, obwohl er eigentlich keines ist, stellt für mich die schlimmste Art von Diskriminierung dar. Aber das ist - wie gesagt - nur meine Meinung.
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Geändert von Cassandra (08.07.2013 um 20:49 Uhr)
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  #18  
Alt 09.07.2013, 08:06
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Ich persönlich würde einem kleinen Kinder aber nie Struwelpeter vorlesen.
Das ist dein gutes Recht, finde ich. Ebenso möchte ich die Freiheit besitzen, meinen Kindern die Inhalte zuzutrauen, wenn ich der Meinung bin, sie sind dazu bereit.
Man könnte über eine Änderung der Deklaration "Kinderbuch" nachdenken, nachträgliches Umschreiben halte ich jedoch für höchst verwerflich. Da geht nicht nur der Zeitgeist verloren, auch dem Autor gegenüber ist es höchst unfair. Ich würde jedem was husten, der meine Bücher umschreiben möchte, weil sie nicht in seine Moralvorstellungen passen.
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  #19  
Alt 09.07.2013, 09:10
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Zitat von FrankSonnebach Beitrag anzeigen
Man könnte über eine Änderung der Deklaration "Kinderbuch" nachdenken, nachträgliches Umschreiben halte ich jedoch für höchst verwerflich. Da geht nicht nur der Zeitgeist verloren, auch dem Autor gegenüber ist es höchst unfair.
Stimmt, das ist auch noch so eine Sache: gerade die Vielfalt und der oft gewaltige Unterschied zum Stil heutiger Tage macht doch den Reiz bei älteren Werken aus. Dass es immer wieder Stellen gibt, bei denen man als "moderner und aufgeschlossener" Mensch schlucken muss, ist im Hinblick auf den Wandel innerhalb der Gesellschaft zu erwarten.
Und das ist doch das Spannende: wenn ich meinen (in meinem Fall nichtexistenten Kindern ^^ ) erklären kann, worin die Unterschiede bestehen, warum Menschen damals so dachten, was sie damit meinten usw. wird ihnen doch erst so richtig bewusst, wie weit wir uns z.B. hierzulande gesellschaftlich weiterentwickelt haben. Wie sah das Geschlechterverhältnis noch vor 50 Jahren aus und wie das Rechtssystem? Was bedeutet Gleichheit für alle? All' diese Themen und noch mehr kann und sollte man im Zusammenhang mit beispielsweise dem "Struwwelpeter" erörtern.

Seinen Kinder diese und ähnliche Bücher zu verbieten, das Fernsehen nur auf "kinderfreundliche" Sendungen zu beschränken, Gewalt und alles, was das Kind erschrecken könnte, von diesem fernzuhalten, ist kein guter Weg, es auf das Leben vorzubereiten.
Damit meine ich jetzt nicht, dass man seinem Kind jeden Tag eine gehörige Portion Schrecken einjagt, indem man ihm die neuesten Meldungen aus aktuellen Kriegsgebieten in Bild und Wort vorführt oder sich mit ihm zusammen den neuesten Splatter ansieht ... Ich denke einfach an den ganz alltäglichen Wahnsinn, mit dem jedes Kind vermutlich bereits im Kindergarten erste Erfahrungen machen wird. Und Bücher mit kontroversen Inhalten sind meiner Meinung nach prima als Einstand geeignet, um mit dem Kind ins Gespräch zu kommen.
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  #20  
Alt 09.07.2013, 10:16
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Ich denke auch, dass, bevor ich als Nicht-Betroffene (weder dunkelhäutig noch Nachfahrin von Sklaven) von oben herab erkläre, dass Neger okay zu sein hat, weil es eben ein altes Buch ist, lieber die Meinung von Betroffenen hören möchte, was sie empfinden, wenn in einer Kindergruppe ihr Kind als Neger tituliert wird, weil das ja von der Lehrerin so vorgelesen wurde und damit stimmen muss..
Jede Menge Leute bezeichnen uns Deutsche immer noch pauschal als Nazis, insofern haben auch wir unsere Schublade, in der wir uns nicht so richtig wohlfühlen können.

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Zitat von AngelikaD Beitrag anzeigen
Für Literaturinteressierte dürfen die Geschichten gern so bleiben wie sie sind. Ich persönlich würde einem kleinen Kinder aber nie Struwelpeter vorlesen.
Ich auch nicht. Ich würde ihn aber auch nicht umschreiben wollen, damit er mit meiner Erziehungsphilosophie harmoniert. Irgendwo habe ich mal eine Satire gelesen, ... war die von Kishon? ... in der eins von den Grimmschen Märchen der jeweiligen aktuellen gesellschaftlichen Grundstimmung angepasst wurde. Ich habe mich seinerzeit bepinkelt vor Lachen, aber in unsere Diskussion hier würde es prima hineinpassen.
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