|
Falsche Tür
Als Klaus Noreik in die Hölle kam, war er sehr glücklich.
Zugegeben, am Anfang war es etwas ungewohnt und verwirrend. Etwa, dass es hier niemals Wind gab, oder irgend eine andere Wettererscheinung. Auch von der Vorstellung von Tag und Nacht durfte er sich verabschieden. Oder dass man nirgends wo hingehen konnte, ohne eine Decke über dem Kopf zu haben. Das schwierigste jedoch waren die Tausende von Tausenden Türen, jede mit einer großen Zahl in freundlichem Schwarz darauf.
Jede dieser Türen führte in einen Raum; mancher mehr oder weniger eine Besenkammer, andere jedoch Sääle von solch ausladenden Dimensionen, dass es schon eine echte Wanderung war, um aufs Klo zu kommen. Und jeder dieser Räume war eine abgeschlossene kleine Welt für sich. Sein persönlicher Favorit war das Schwimmbad mit Sauna und angeschlossenem Wellnessbereich, eine Schar prächtiger Häschen hing da immer ab, aber auch der Filmpalast war nicht übel, wo es jeden jemals gedrehten Film auf Wunsch gab - ungekürzt, Director`s Cut! Auch das Restaurant, das alle Küchen der Welt bot, war absolute Edelsahne. Und wo es den besten Schluck und das feinste Dope gab hatte er ebenfalls schnell herausgefunden.
Die Hölle war ein gigantischer Bienenkorb mit unzähligen Waben darin, und alle boten sie etwas Leckeres. Der Trick war es halt, an die richtige Tür zu klopfen. Natürlich gab es hin und wieder auch mal eine unliebsame Überraschung, so wie den Debattierclub "Nihilistische Implikationen in der antarktischen Zone", Mann, hatte ihm der Kopf geraucht!
Es war von unschätzbarem Wert, sich hier mit jemanden anzufreunden, der schon länger hier war und sich auskannte, und darum war er auch so froh, Koze kennengelehrnt zu haben. Koze war der persönliche Leibfriseur von Idi Amin gewesen...bis er ihn eines Tages beim Rasieren schnitt. Koze kannte im Umkreis von geschätzten dreihundert Räumen alles und jeden.
Gerade hatten sie mal wieder beschlossen, etwas Feines zum Kauen einzufahren, und saßen in dem bekannten Restaurant. Koze hatte sich für ein Boueff Stroganoff entschieden, Klaus bestellte Curry-Satay Issanart. "Und zum Trinken?" fragte das Serviceteufelchen diensteifrig.
"Einen Absinth, karamelisiert," sagte Klaus. Ihm war einfach nach etwas Perversem.
"Absinth?" entfuhr es dem Teufelchen. "Zu Satay? Du lieber Gott!"
Rasch tauchte ein weiteres Teufelchen auf, packte das Schandmaul beim Genick und zog es in die Küche. Klaus lachte. "Jetzt waschen sie ihm das lose Mundwerk sicher mit Bimsstein aus."
Koze prüfte die Konsistenz der Soße mit der Gabel und meinte: "Geschieht dem Nigger recht."
Mit einem Ruck knallte Klaus das Glas auf den Tisch. "Hey!"
"Is`was?"
"Was soll das böse N - Wort?"
"Wenn ich was watschelndes und quakendes seh, nenn ich es Ente."
"Könnte es dir entgangen sein, dass du selbst schwarz bist?"
"Mhm, das macht mich aber nicht zum Nigger, Krötenbauch. Möcht mal wissen, wer diesen Bock mit dir geschossen hat..."
Klaus`Gesichtsausdruck nahm etwas Lauerndes an. "Was soll das heißen?"
"Das heißt: mit dir ist hier der richtige Mann am falschen Platz," sagte Koze und ließ sein strahlenstes Du-mich-auch-Grinsen aufblitzen. "Im Ernst, du ergreifst Partei in Dingen, die dich überhaupt nicht betreffen, bietest Hilfe an, wo keiner danach gefragt hat, mäkelst über Sachen, denen du dich selbst nicht aussetzen musst undundund...du führst dich hier auf wie ein Alien auf dem Bahnhofsklo. Irgend wer hat da `nen Riesenfehler mit dir gemacht."
"Soll das heißen, ich sollte besser auf irgend einer Wolke sitzen und eine verkackte Leier zupfen? Willst du mir das sagen?"
Sein Freund sah ihn lange an, dann griff er in eine Hosentasche und warf einen Button auf den Tisch, auf dem eine Nummer gedruckt war: sechsundachtzig. "Das ist die Nummer vom "Club Ahriman". Dort sind ein paar interessante Leute, die ich dir gern vorstellen würde. Komm gleich mal rüber, wenn du hier fertig bist. " Er erhob sich und wandte sich zum Gehen. "Werde sie mal behutsam vorbereiten."
"Diese Leute wollen mit mir reden?" rief Klaus ihm nach. "Woher willst du wissen, ob ich dieses Bedürfnis mit ihnen teile?"
"Weil sie dir die Durchblickbrille verpassen können," meinte Koze, ehe er zur Tür hinaus war. "Komm oder bleib dumm."
Zur Hölle mit ihm, dachte Klaus und verschluckte sich vor Lachen an seinem Absinth. Was denkt der denn, was ich nötig hätte...
Bald darauf stand er vor der Tür mit der Nummer 86 und trat ein. Der erste Eindruck war der von rußiger roter Finsternis, und dass der Raum völlig überheizt war. Flackernde Flammen warfen zitternde Schatten an die Wände, und verhaltenes Wimmern, Flashsounds wie von Peitschenschlägen und gelegentliches lautes Aufschreien bildeten die Geräuschkulisse. Wow, abgefahrenes Ambiente, dachte er.
Dann tauchte auch schon das erste Dienstteufelchen auf. Oder eher Dienstteufel, genauer gesagt. Oha, echt ein Prachtkerl von monsteriösem Oberdienstteufel hoch drei! "Entschuldigung, ich hätt gern..." begann Klaus.
"Ich weiß verdammt genau, was du willst, gottloser Abschaum!" brüllte der Rote Riese los, griff mit seinen schwarzen Krallen nach seinem Arm und schleuderte ihn wie eine Puppe zu Boden. Der harte Aufprall presste Klaus die Luft aus dem Leib, und hilflos wie eine Krabbe auf dem Rücken schnappte er nach heißem Atem, als der erste Peitschenschlag ihn traf. Und der zweite, und dritte. "Nein", krächzte er.
Das Monster verhielt und wandte sich nach einem weiteren baumlangen Teufel um, der aufgetaucht war. "Der Pisser hat nein gesagt."
"Lies mal das Handbuch, du Eule," meinte der Zweite. "Nein heißt ja. Ist einer von der ganz verkorksten Sorte."
"Ach so," sagte der Erste und peitschte munter weiter drauflos. Verzweifelt versuchte Klaus, mit den Armen sein Gesicht zu schützen, während sein gemarterter Leib allmählich in hellen Flammen stand. "Nicht, aufhören!"
"Was sagte er?"
"Nicht aufhören. Ich mach schon mal die Eisen heiß."
"Was zur Hölle soll das?" schrie Klaus in höchster Verzweiflung.
"Willkommen eben dort, Sünder!" Scha-Klack! "Neider!" Scha-Klack! "Hurenbock!" Scha-Klack! "Gu...! Ah, Mist..." er wandte sich zu Nr. 2 um. "He, Larry, was kam noch mal nach Hurenbock?"
"Weiß nicht...Lästerer?"
"Danke. Ich hasse dieses Mistbuch! Lästerer!" Scha-Klack!
Und in diesem Moment tauchte Koze wie vom Himmel geschickt auf. "Halt, stopp mal, das ist ein verdammter Irrtum hier! Der Typ gehört zu mir, Leute." Er half Klaus auf die Beine, der noch immer stocksteif die Arme vor das Gesicht presste. "Ist ja wirklich toll; ich warte mir mit den anderen die Beine in den Bauch, und du vertreibst dir die Zeit mit Masospielchen. Wusste doch, dass du seltsam bist."
"Seltsam?" krächzte Klaus wütend, während sie zum Ausgang gingen. "Ich sollte dich erschießen! Wer hat mich denn in diese Folterkammer geschickt..."
"Das warst du selbst. Du Freak hast den Button verkehrt rum gehalten. Der Club Ahriman hat die Nummer 98."
"Wie nett! Und darauf hättest du mich nicht anders bringen können?"
"Hätt ich wohl, wenn du in der Stimmung gewesen wärst zuzuhören. Nimm es einfach als neue Erfahrung, hm? Im Club wird es dir gleich besser gehen, die Weiber da könnten einen Toten erwecken."
"Ah...wenn das dort nicht der Club war, was in Satans Namen war es dann?"
Koze lachte schallend. "Die Christenlounge. Die wollen nichts anderes."
Geändert von Formorian (16.01.2012 um 15:29 Uhr)
|
)
