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Figuren, Charaktere und Klischees

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  #1  
Alt 25.03.2013, 03:03
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
Registriert seit: 03.2013
Beiträge: 85
Figuren, Charaktere und Klischees

Ich habe neulich eine Rezension eines E Books bei Amazon gelesen, in dem der Verfasser kritisierte, dass die Charaktere dort weitgehend den Klischees entsprachen.

Aber ist das Klischee nicht oft die Wahrheit?
Z.B. ein Professor oder ein Erfinder ist oft zerstreut und in anderen Dingen realitätsfern.


Ich kenne zwei Leute persönlich, die mir bestätigen, dass das Klischee oft der Wahrheit entspricht.
Der Diplom-Ingenieur scheint scheinbar alles zu wissen. Neulich rief er mich an und fragte mich nach einer Straße namens "Alter Römerweg". Dann erfolgte ein über halbstündiger Vortrag über die Geschichte der Römer und das Hermannsdenkmal.
Erinnert mich sehr an Mr. Spock :-) Man gebe ihm ein Stichwort und er breitet alle Fakten aus, mit korrekten Jahresdaten.
Andererseits ist er vollkommen chaotisch, in seinem Auto sammeln sich der Müll und der Staub von fünf Jahren und er pinkelt unterwegs in eine Flasche statt in die Büsche. Er begründet dies damit, dass die Polizei ihn erwischen könnte, wenn er an einen Busch uriniert und das würde dann Geld kosten.
Er dreht jeden Cent fünfmal um, obwohl er nicht gerade arm ist und hat sein Auto auch von außen noch nie gesäubert. Waschstraße kostet ebenfalls Geld.

Der Computerfreak trägt eine Brille, ist morgens genauso verschlafen wie ich und hat ein wenig zu viel SciFi gelesen. Er hortet Unmengen von Konservendosen in seiner Wohnung, damit er genug Notvorräte hat, wenn die Aliens unseren Planeten besetzen.

Wie steht ihr zu diesen Klischees, oder kennt ihr Leute, die bestätigen, dass das Klischee in den meisten Fällen der Wahrheit entspricht?
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  #2  
Alt 25.03.2013, 15:50
Benutzerbild von Hobbyschreiber
Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
Registriert seit: 05.2010
Ort: Zumindest nicht mehr hier!
Beiträge: 1.048
Bestimmt gibt es Tatsachen über Menschen und Ereignisse, die Klischees entsprechen. Aber ich würde nicht beides gleich setzen. Ein Klischee ist ja im Grunde ein Vorurteil. Vorurteile können zwar zutreffen, müssen es aber nicht.

Für jeden zerstreuten Wissenschaftler gibt es garantiert einen, der hellwach und beweglich ist. Für jeden Computerfreak, der nachts vor dem Rechner sitzt und tagsüber verpennt ist, gibt es bestimmt auch einen, der ein gesundes und sportlich aktives Leben führt.

Aber ich denke, dass Leser IN GRENZEN gewisse Klischees in einem Buch erwarten. Klar, man kann über den 80jährigen genialen Software-Entwickler der ersten Stunde schreiben, der immer noch den Uni-Frischlingen etwas vormacht. Er würde vielleicht durch seine umfassende Kenntnis mit den jahrzehntelang betreuten Programmen der militärischen Abwehr einen Hack sofort erkennen und blocken können, so dass es gar nicht erst zu einem Computerverbrechen kommt. Ein Arbeitstag wie jeder andere. Aber wen interessiert so etwas schon?

Oder die Fantasy-Geschichte in einem mittelterlichen Setting, in der ein Dorf sich erfolgreich gegen den Angriff einer Barbarenhorde wehrt, so dass es NICHT niedergebrannt wird und alle Einwohner bis auf einen auserwählten Jüngling sterben, der daraufhin einen Rachefeldzug beginnt, den er später in eine Rettungsaktion der ganzen Wolt vor dem Oberschurken umändert. Stell Dir vor, Luke Skywalker oder auch Eragon wären von ihren jeweiligen Ausflügen nach Hause gekommen und es wäre alles in Ordnung gewesen. Der jeweilige Imperator hätte von einem umsichtigen Verhandlungsführer davon überzeugt werden können, dass weder vom Drachenreiter, noch vom Lichtschwert Deines Vaters Gefahr für das Imperium ausgeht. Öde!

Allerdings mehren sich auch die Leserstimmen, die nach Büchern verlangen, die nicht NUR aus Klischees bestehen. Im "Fantasy-Forum" gibt es eine geniale Diskussion über bekannte und häufig verwendete Fantasy-Klischees. Ich träume davon, irgendwann einmal eine Fantasy-Parodie zu schreiben, in der ich sie alle verwende. "Die Abenteuer des XY und die Schlacht um den Salat der Ewigkeit" oder so.

Geändert von Hobbyschreiber (25.03.2013 um 15:53 Uhr)
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  #3  
Alt 25.03.2013, 16:19
Benutzerbild von Laura
Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
Erforscher der Welten
 
Registriert seit: 09.2012
Ort: Blubb
Beiträge: 2.406
Also ich persönlich mag Klischees sehr gerne, solange sie nicht verbunden mit bösartigen Vorurteilen sind, sondern - zwar immer noch in die Kategorie Vorurteile einzustufen - schrullig und amüsant. Man fühlt sich eben wohl wenn man über Dinge liest, die man kennt oder besser gesagt zu kennen glaubt. Ein genialer Prof. zum Beispiel, muss für mich unbedingt durchgeknallt sein.
Dennoch ist es auch interessant ein Klischee zu brechen. Das wäre für mich zum Beispiel ein Elb der sich am Ende als richtiger Finsterling herausstellt oder ein abgewrackter Typ, ungesellig, zornig, boshaft, der am Ende zum Helden wird.^^

Hobbyschreiber, falls du dieses Projekt wirklich beenden und veröffentlichen solltest, bitte sag bescheid. Den ersten Abnehmer hast du mit mir schon gefunden.^^

Edit: Ich wäre übrigens für den Salat.
__________________
Du ahnst nicht wie kostbar das Leben sein kann, solange du nicht selbst Leben erschaffen hast.

Geändert von Laura (25.03.2013 um 16:22 Uhr)
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  #4  
Alt 25.03.2013, 19:19
Khaleesi Khaleesi ist offline
Reisender aus der Zukunft
 
Registriert seit: 03.2013
Ort: Sigmaringen
Beiträge: 6
Hmmmmm, die Sache mit dem Klischee....
Warum muss die Blondine immer doof sein, der Schotte immer geizig, der Ire immer rothaarig?
Dabei gibt es so viele Beispiele die ein Klischee wiederlegen.
Wenn ein Autor Klischee´s einbaut, dann ließt oder schreibt es sich auf alle Fälle leichter.
Bleiben wir beim Professor
- in meinem Kopf taucht sofort das übliche Bild auf:
Albert Einstein-Typ, riecht leicht Pfefferminzig, wohnt im Chaos, ist aber trotzdem total knuddelig.

Dazu brauch ein Autor nicht viel zu schreiben, jeder hat sofort ein Bild im Kopf und sofort Symphatie mit der Figur.

Anderst, wenn man den "Anti-Held" zum Superheld macht - da fällt mir spontan der Vampir Bill aus Sookie Stackhouse/True Blood ein ^^
Ich persönlich werde nicht mit dem Kerl warm, egal wieviel Seiten von seinen Vorzügen schwärmen.
Er ist einfach nicht der gutaussehende, leicht böse angehauchte Vorzeige-Vampir, den Ich persönlich erwartet habe.... ;-)

Manchmal geht es auch gar nicht ohne Klischee.
Etwa, wenn aus dem Held eine Heldin wird, die in einer männlichen Domäne Ihren Weg finden muss.
Was wäre sie ohne "helfende Elfe" ohne arrogante Babaren, die nicht verstehen, daß das Mädel zum Pinkeln in die Büsche geht ?

Will sagen, Klischee´s regen die Fantasie an, bringen uns zum Lachen, schaffen Symphatie, Atmosphäre etc.
So blöde auch manche sein mögen, gehören sie doch in jede gute Geschichte ;-)
Soooo...Schluss mit dem Geschwafelt :-D

wünsche euch einen schönen Abend mit vielen herrlichen Klischee´s im Abendprogramm ;-)
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  #5  
Alt 27.03.2013, 10:54
Benutzerbild von Nephthys
Nephthys Nephthys ist offline
Bewahrer des Friedens
 
Registriert seit: 08.2011
Ort: ~
Beiträge: 5.745
Klischées ... interessantes Thema.

Mich regen sie auf

Die blonde Dumme, der zerstreute Professor, der bebrillte Nerd ... laaaaaahngweilig.
Wobei: ich gucke grade "the big bang theorie" - Klischées en masse
Und ich mag die Scheibenwelt - ebenfalls Klischées en masse

So gesehen scheine ich Klischées im komödiantischen Zusammenhang zu tollerieren

Zusammenfassend:
Klischées sind laaaaaahngweilig, sofern sie nicht der Belustigung dienen


Mein Wort zum Mittwoch

Es grüßt

Nephthys
__________________
.
Wieso eigentlich ... sind Drachen weise? Das sind Echsen, liebe Leute. Echsen! Habt ihr euch schon mal nen Gehirn von einer Echse angeguckt? Himmel! Da haben meine Meerschweinchen größere Gehirne - und die finden nicht mal den Weg aus ihrem Käfig raus.
.
Wer sich für Fantasy, Kurzgeschichten, Betrachtungen zur Sci-Fi, darstellerisches Handwerk, Computerkunst, Rezensionen, Biologie, Histologie, Taxonomie ... interessiert, der wird hier fündig: Marinas (fantastische) Welt
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  #6  
Alt 27.03.2013, 11:42
Benutzerbild von Orendarcil
Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
Registriert seit: 01.2010
Beiträge: 1.090
Naja, aber sich absichtlich gegen Klischees zu stellen, damit man sie nicht erfüllt ist in meinen AUgen auch falsch.

Das mit den Professoren kenn ich auch sehr gut. Natürlich sind nicht alle so. Aber ich kenn min 1/3 der Professoren, die dieses voll und ganz erfüllen.

Oder mal ganz einfach der Informatiker. Lange Haare, spielt Rollenspiele, mag Fantasy und PC-Spiele und bevorzugt Fertignahrung.
Was soll ich sagen... ich kenn da einen besonders gut von der Sorte und kenn auch noch einen Haufen weiterer die da voll reinfallen

Es kommt in meinen Augen also ganz auf das Klischee an.
Blondinen meistens blöd...nö...dummes Klischee.
Frauen fahren schlechter Auto... auch dummes Klischee
Kinder mögen gern Schokolade... warum sollte man lügen und es verneinen
Streber sind meist Einzelgänger und machen wenig geselliges bis spät in die Nacht.... joar...warum sollte man lügen... ich erkenne an, was sie erreichen, ich würd so aber nicht verfahren, um 0,2 Notenpunkte besser als andere zu sein
Professoren haben seltsame Eigenarten, sind oft zerstreut, viel beschäftigt und können zumindest in ihrem Gebiet in der Regel mit viel Wissen punkten .... auch das stimmt sehr oft.


Es kommt in meinen Augen ganz klar darauf an um welches Klischee es sich handelt. Manche sind echt dämlich und resultieren aus nicht haltbaren Vorurteilen.
Aber manches stimmt eben (wenn auch nicht in allen Punkten...aber grob eben) und sich dagegen zu sträuben, aus Prinzip, ist ja auch nicht das wahre
__________________
"Vieles geht dahin und stirbt, doch die Wahrheit bleibt,
auch wenn sie oft im Verborgenen liegt und schweigt."

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  #7  
Alt 04.04.2013, 18:54
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
Registriert seit: 04.2012
Beiträge: 133
Ich stimme den bisherigen Meinungen voll zu. Ein Roman oder ein Film, der von Anfang bis Ende sowohl bei der Konzeption der Figuren als auch bei der Handlung nur aus Klischees besteht, wo man überhaupt gar nichts Eigenes und Individuelles findet, was die Geschichte von anderen unterscheidet, ist für mich definitiv das Ödeste, das es gibt. Ich denke, für einen Romanautor oder Drehbuchschreiber besteht die Kunst darin, die Figuren und Handlungsmuster einerseits für den Leser oder Zuschauer so vertraut zu machen, dass er sich damit wohl fühlt, und sie andererseits so geschickt mit Neuem und Unvertrautem anzureichern, dass man das Gefühl hat, beim Verfolgen der Story auch überrascht werden zu können.
Ich habe neulich in einem Anfall von Nostalgie beispielsweise Lust gehabt, mir nach vielen Jahren mal wieder eine Folge des A-Teams anzusehen, was ich als Teenie durchaus ganz unterhaltsam fand. Nach gerade mal einer Viertelstunde allerdings habe ich genervt aufgegeben, weil sowohl die Figuren als auch die Story derart standardisiert und eindimensional daherkamen, dass ich mich zu Tode gelangweilt und mich gefragt habe, was ich jemals daran gefunden habe.
Dagegen habe ich letztens nach einem Anfall akuter Schlaflosigkeit nachts mal in die Computerspiel-"Doom"-Verfilmung reingeschaut, die vor ein paar Jahren entstand, und siehe da, neben allen Klischees, die man natürlich bei einer Verfilmung eines Computerspiels erwartet, war ich angenehm überrascht, wie sehr die Drehbuchschreiber doch auch versucht haben, die gängigen Muster abzuwandeln und für eine kleine, aber spürbare Brise Überraschung zu sorgen. Ein Space Marine, der eben mal kein kerniger Rambo-Verschnitt ist, sondern wissenschaftlichen Diskussionen und den schönen Künsten frönt, ist so unerwartet, dass ich sofort mehr Interesse daran hatte mitzuverfolgen, wie er sich in der weiteren Handlung bewährt.
Das Kleben gerade vieler Fantasy-Autoren an den altbekannten Klischees hat bei mir für einige Zeit dazu geführt, dass ich nur noch sehr wenig Fantasy gelesen habe, weil ich der ganzen "Dunkler Herrscher auf dunklem Thron"-Geschichten mit dem von Tolkien sattsam bekannten und bewährten Figurenset in all seinen Variationen derart überdrüssig war, dass ich meine Liebe für die kurzen, überschaubaren Geschichten entdeckt habe, die keine 10.000 Seiten brauchen, um am Ende zu einem Finale zu gelangen, das man ohnehin bereits am Anfang erwartet hatte.
Natürlich gibt es, wenn man als Autor eine spannende Geschichte erzählen möchte, viele vertraute Handlungsmuster, die sich allein dadurch bewährt haben, dass sie es ermöglichen, die Figuren in konflikthafte und dramatische Ereignisse hineinzuwerfen (worauf Hobbyschreiber mit dem Luke Skywalker- und Eragon-Ausgangsszenario hingewiesen hat). Diese Ausgangssituationen sind sicherlich klischeehaft in dem Sinne, dass darin viele Elemente auf eine ähnliche Weise kombiniert werden. Das allerdings, was an Figurenentwicklung und konflikthafter Handlung aus diesen Szenarien hervorgeht, entscheidet m.E. letztlich darüber, ob eine Geschichte als Ganzes eher klischeehaft ist oder eben nicht.
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  #8  
Alt 05.04.2013, 00:34
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
Registriert seit: 03.2013
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Ja, ja, das A-Team, die Helden meiner Jugend :-)
Ich mag die Jungs immer noch, aber ich gebe Dir Recht. Jeder ist auf seine Rolle festgelegt und die Handlung läuft immer nach Schema F ab. Trotzdem sehr amüsant, vor allem Murdock. Aber eigentlich weiß man vor jeder Folge ziemlich genau, was einen erwartet.


Ich selber habe in meiner Geschichte auch ein paar Klischees verbaut, aber die Figuren entwickeln sich definitiv weiter.
Der abgedrehte Professor ist irgendwie ein Muß für mich, wenn er ganz normal und umgänglich wäre, wäre es auch irgendwie langweilig. So sind Konflikte vorprogrammiert.

Unverblümtes Zitat einer guten Freundin zu einem meiner anderen Charaktere: "Das mir dieser widerliche Schleimbolzen im Fortgang der Handlung so sympathisch wird, hätte ich nie gedacht!" :-)
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  #9  
Alt 05.04.2013, 16:43
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Ich finde es auch sehr schön, wenn sich gerade Bösewichter oder Unsympathen im Verlauf einer Geschichte überraschend und (noch wichtiger) dabei auch noch glaubwürdig zu Figuren entwickeln, die mir als Leser am Ende richtig ans Herz gewachsen sind.

Das Gegenteil ist leider weniger prickelnd - wenn zu Beginn sympathische Figuren durch die Entscheidungen, die sie treffen, im Verlauf der Handlung immer weniger Identifikationsmöglichkeiten für mich besitzen. Das krasseste Beispiel, das ich in dieser Hinsicht erlebt habe, ist die Artefakte der Macht-Tetralogie von Maggie Furey, wo mir der erste Band hervorragend gefallen hat, mit einer Menge richtig netter Figuren, die alle ihre unterschiedlichen (auch moralischen) Konflikte hatten, und bei denen ich absolut neugierig war zu erfahren, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen würden. Bedauerlicherweise hat sich dann herausgestellt, dass auch wirklich jede dieser Figuren in den folgenden drei Bänden in jeder Situation, in der sie moralisch integer hätte handeln müssen, die unsympathischste und menschlich armseligste Wahl getroffen hat, und ich habe nur deshalb bis ganz zum Schluss durchgehalten, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass die Autorin das tatsächlich durchziehen würde. Hat sie aber getan.

Ich freue mich ja immer, wenn Autoren die Erwartungen ihrer Leser durchkreuzen und ihre Geschichte entgegen der üblichen Klischees entwickeln, aber wenn ich als Leser das Gefühl habe, dass dieses Gegen-das-Klischee-Bürsten zum reinen Selbstzweck wird, bei dem eine ursprünglich gute Geschichte verhunzt wird, die mit ein klein wenig mehr Klischees auch eine gute Geschichte geblieben wäre, dann ärgert mich das doch sehr.
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  #10  
Alt 06.04.2013, 00:50
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
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Mir sind meine Hauptcharaktere unglaublich ans Herz gewachsen. Habe beim Schreiben einiger Szenen Tränen gelacht, bei anderen widerum wirklich Tränen vergossen.
Ich bin mir im Fortlauf der Handlung noch nicht sicher, ob es wirklich nötig ist und ob ich es übers Herz bringe, einen von ihnen sterben zu lassen. Schlimmer innerer Konflikt mit mir selber. :-)

Die Handlungen der Figuren müssen für mich logisch nachvollziehbar sein und wenn nun ein am Anfang vermeintlicher Sympathieträger auf einmal völlig gegen jede Logik handelt und Entscheidungen trifft, bei denen der Leser die Hände über dem Kopf zusammenschlägt....so ein Fortgang der Handlung kann einem jedes vorher noch so interessante Buch verleiden.

Ach ja da fällt mir gerade noch ein typisches Hollywoodfilmklischee ein. Eine Gruppe, oftmals vorher nicht miteinander bekannter Personen gerät in eine Notsituation (Naturkatastrophe, Geiselnahme, Terroranschlag etc.) Ein Männlein und ein Weiblein aus der Gruppe verlieben sich ineinander und ....oh Wunder... :-) das frischgebackene Liebespaar überlebt, während die anderen Unglückseligen einer nach dem anderen das zeitliche segnen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich das in dieser Form schon gesehen habe.
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  #11  
Alt 07.04.2013, 11:36
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Zweifellos, die innere Logik der Figuren muss immer gewahrt bleiben, vor allem, wenn sie sich im Verlauf der Geschichte sehr stark entwickeln und verändern. Erstaunlicherweise habe ich das auch da erlebt, wo ich (wie ich hier an anderer Stelle schon mal erwähnt hatte) Figuren für meine eigenen Geschichten konzipiert hatte, die sich dann entgegen meiner bewussten Planung in eine völlig andere Richtung entwickelt haben und bei denen diese Entwicklung in der Rückschau für mich dennoch psychologisch plausibel gewesen ist. Es scheint fast, als hätten manche Figuren ihr eigenes Bedürfnis, sich von den Klischees, die die Autoren ihnen in ihrer Planung aufzwingen wollen, zu befreien und Wege einzuschlagen, die mehr des in ihnen latent angelegten Potentials zur Entfaltung gelangen lassen.

Dein erwähntes Hollywood-Klischee von der Gruppe, deren Mitglieder nach und nach niedergemetzelt werden, findet sich ja leider in gefühlter einer Million austauschbarer Teenie-Slasher-Filme, deren Figuren nur eingeführt werden, um möglichst grausam umgebracht werden zu können. Obwohl in diesen Filmen ja wirklich eine Menge getan wird, um den Zuschauer zu erschrecken, sind sie für mich persönlich dennoch extrem langweilig, weil ich mich von vornherein überhaupt nicht auf die Figuren einlassen kann, sie ohnehin meist nur aus den rudimentärsten Klischees bestehen (das Mädel mit den knappen Shorts z.B. wird nie am Anfang umgebracht, sondern meist gegen Ende, damit der (männliche) Zuschauer möglichst lange was zu Gucken hat) und ich mich nicht frage, ob die Figuren überleben (und dann auch mit ihnen mitfiebern könnte), sondern nur, wie lange.
In diesen Filmen liegt der Schwerpunkt meist derart einseitig auf den Schockeffekten oder, je nach Film, auf dem Ekel-und Sadismusfaktor, dass jegliche Entwicklung der Figuren, die sie von ihrer klischeehaften Konzeption wegführen könnte, auf der Strecke bleibt.

Bei deiner Geschichte solltest du dich auf jeden Fall fragen, ob der Tod eines deiner Hauptcharaktere die Handlung in sinnvoller Form voranbringt und ihr neue Impulse verleiht, und ob dieser Tod die anderen Figuren in einen inneren und/oder äußeren Konflikt stürzen würde, der für den Leser interessant und für die Entwicklung der Figuren wichtig wäre. Wäre der Tod deiner Figur ein reiner Schockeffekt, um deine Leser zu erschrecken, oder würdest du sie nur deshalb sterben lassen, weil du plötzlich beim Schreiben an einen Punkt gekommen bist, wo du nicht mehr weiter weißt, würde ich persönlich mit dem Henkersbeil noch warten.
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  #12  
Alt 08.04.2013, 01:47
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
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Ja, es ist manchmal erstaunlich, was man für Einfälle hat. Auch bei mir hat sich einiges anders entwickelt, als ich es vorgesehen hatte.

Ich habe noch so viele Baustellen und Szenen die weiter ausgearbeitet werden müssen. Das mit dem Henkersbeil kann ich mir noch mal überlegen, es würde erst gegen Ende des zweiten Teils oder im dritten Teil aktuell.

Irgendwie verrückt, einige der Szenen, die ich als allererstes im Kopf hatte, finden sich nun auf Seitenzahlen im vierstelligen Bereich wieder. (Wenn ich fortlaufend nummeriert hätte, aber ich habe das ganze in mehrere Abschnitte unterteilt, um nicht die Übersicht zu verlieren)
Ich springe oft zwischen den Handlungsträngen hin und her. Wenn ich z.B. gerade an Seite zweihundert arbeite, fällt mir spontan etwas ein, das sich dann auf Seite achthundert wiederfinden wird.

Positiv zwischen all den klischeehaften Filmen ist mir "Das Boot" aufgefallen. Ein eher unerwartetes und trauriges Ende. Mal kein Happy End a la Hollywood. Es ist allerdings schon lange her, dass ich den Film gesehen habe, daher weiß ich nicht mehr, wie die Charaktere allgemein ausgelegt waren.
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  #13  
Alt 08.04.2013, 14:00
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Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Ja, "Das Boot" ist mir auch in sehr guter Erinnerung geblieben, auch wenn es bestimmt schon 20 Jahre her ist, dass ich es gesehen habe (wobei die mehrstündige Serie noch viel besser ist als der Film, da sie die Charaktere noch intensiver zur Geltung bringt).

Deine Beschreibung klingt, als würdest du mit 150 verschiedenen Szenen gleichzeitig jonglieren. Wieviel von deiner Geschichte hast du denn schon im Kasten? Und wer von deinen Hauptfiguren muss denn mit seinem baldigen oder mittelfristigen Ableben rechnen?
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  #14  
Alt 08.04.2013, 21:18
Benutzerbild von Elyan
Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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Ja, das mit den Klischees findet sich immer wieder in Rezensionen wieder ... interessant eigentlich ... weil letztendlich ist das Klischee gar nicht das entscheidende, finde ich, sondern vielmehr ob der Charakter authentisch ist ... und natürlich ob die Lesenden den gleichen Plot, die gleichen Figuren etc. schon x-tausendmal gehört, gelesen, erlebt haben oder ob etwas in dem Charakter der Figur ist, welches die Leserschaft packt, fasziniert. Wenn jemand also etwas von klischeehaften Charaktern schreibt, müsste hinterfragt werden, was denn hier die wirkliche die Kritik ist - Eindimensionalität? Schubladendenken (schon wieder eine Barbie, schon wieder ein Terminator-US-Veteran)?
Wenn ein Charakter wirklich authentisch ist, dann kann er Klischees bedienen, aber ist doch deutlich vielschichtiger ... und auch nicht Klischee-Perfekt, sondern zeigt Abweichungen, Eigenheiten, Tiefen.

Janine, kann gut verstehen, dass es schwer fällt Hauptfiguren über die Klinge springen zu lassen ... machst Du das denn?
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  #15  
Alt 08.04.2013, 23:29
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
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Im Moment konzentriere ich mich (oder versuche es zumindest) auf den ersten Teil des ersten Buches, der zu 80% fertig gestellt ist und am Ende ca. 220-240 Seiten umfassen wird. Für den zweiten Teil habe ich verschiedene unfertige Szenen, die ich noch ausarbeiten und in logischer Reihenfolge miteinander verknüpfen muss. (ca. 50% fertiggestellt) Der dritte Teil ist ebenfalls zu ca. 80% fertiggestellt, bildet den Abschluss des ersten Buches und endet mit einem Cliffhanger.
Während in Teil eins und drei maximal drei Handlungsstränge parallel ablaufen, herrscht in Teil zwei noch kreatives Chaos.
Und der Prolog......ich hatte zuerst nur ein schnödes Vorwort getippt (wobei mir gleich klar war, dass es in dieser Form keinen Bestand haben wird).
Und nach über einem Jahr(!) kam mir auf einmal ein Geistesblitz und habe das ganze umgeschrieben. Jetzt fehlen nur noch ein paar Feinheiten bis zur Endfassung.

Für den zweiten Teil habe ich diverse Szenen zusammen und einige Handlungsstränge im Kopf.
Mit dem Springen zwischen den Szenen ist das manchmal so eine Sache.....Beispiel: Auf Seite 200 lernt Person X Person Y kennen. Ich frage mich dann, in welcher Beziehung sie auf Dauer zueinander stehen werden. So kommt es dann dazu, das ich auf einmal im zweiten Buch lande und die Szene schreibe, in der sie zueinander finden. (Oder in der dann vielleicht das Henkersbeil kommt :-) )

Wie gesagt, ich habe noch ein wenig Zeit, um zu entscheiden, ob eine meiner geliebten Personen das zeitliche segnen muss. Ich habe neun Hauptcharaktere, die mal mehr, mal weniger im Mittelpunkt der Handlung stehen und einige Nebencharaktere die in gewissen Szenen häufiger vorkommen. (z.B. der abgedrehte Professor) :-)

Falls das Beil doch fällt, könnte es nicht unerhebliche Auswirkungen haben, denn die Person, die ich ins Auge gefasst habe, ist ein Sympathieträger und allseits sehr beliebt. Zudem steht sie in der Kommandohierarchie des Schiffes ziemlich weit oben.

Ich versuche den Gedanken daran vorerst zu verdrängen und mich ganz auf das erste Buch zu konzentrieren, damit ich bis zum Sommerurlaub die vorläufige Endfassung vorliegen habe und dann in unserem Ferienhaus an der Nordsee die komplette Handlung in Ruhe Revue passieren lassen kann.
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  #16  
Alt 09.04.2013, 05:20
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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In meiner Drachengeschichte lasse ich einen wichtigen Nebencharakter sterben, und das ist entscheidend für Dramatik und Logik des Plots. Schon im zweiten Band meiner Reihe habe ich mich mehr oder weniger von einem Betaleser (dankeschön, Michael!) überreden lassen, jemand sterben zu lassen, für den das ursprünglich nicht geplant war. Es hat der Geschichte gut getan weil es ihr ein süßlich-rosarotes Happy-End ersparte.

Eine starke Charakteränderung würde ich aber nur sehr dosiert einsetzen wollen. Immerhin ist es ja auch eine Kunst, einen Charakter glaubhaft aufzubauen. Ihn dann nachvollziehbar wieder zu demontieren ohne dass das Buch leidet, kann schon eine Hauptaufgabe für den Autor sein.
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  #17  
Alt 09.04.2013, 19:30
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Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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06:20 Uhr meine Güte, Du stehst früh auf ...

Ich bin schon gespannt auf die Veröffentlichung Deiner Drachengeschichte (habe gerade in dem anderen thread Deine Auszüge gefunden ... wirklich schöner Schreibstil, gefällt mir!)
... und ansonsten beamt mich die Vorstellung an Janines jumping journey durch ihr 1000seitiges Werk wirklich völlig weg ... und macht Lust, mich wieder intensiver an mein Werk zu setzen. Nach all dem Expose verfassen, kürzen, auf-Essenz-eindampfen fällt mir das entfalten nicht ganz so leicht ...

Der Tod von Protagonisten ist natürlich schon ziemlich heftig und ich finde auch, dass das gut überlegt sein sollte. Bei Nebenfiguren fällt das natürlich etwas leichter, wenn es allerdings so absehbar wird, dass eine nicht sauber eingeführte Nebenfigur immer die ist, die dran glauben muss (ist mir gerade bei einem Roman von Hennen so gegangen), wird es schnell unecht ... Schreiben ist wie das echte Leben - immer eine Gradwanderung.
Hier den Abstand zu seinen eigenen Geschöpfen zu wahren ist gar nicht so einfach ... bin echt erleichtert zu lesen, wie auch ihr mit euren Figuren mitgeht ... und ehrlich gesagt ... gerade das volle eintauchen in die Figuren und die Geschichte, das mitweinen und lachen, gerade das macht für mich das Vergnügen des Schreibens aus
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  #18  
Alt 09.04.2013, 19:56
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
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Beiträge: 85
Huch! 6.20Uhr, das ist ja noch mitten in der Nacht! :-)
Zumindest für so einen Nachtmenschen wie mich. Ich habe das große Glück, erst zwischen 8.30 und 9.00 Uhr aufstehen zu müssen. Naja, aber dafür schreibe ich auch meistens bis 3.00 Uhr nachts und am Wochenende die ganze Nacht durch bis 7.00Uhr morgens. :-)

@Elyan "und ansonsten beamt mich die Vorstellung an Janines jumping journey durch ihr 1000seitiges Werk wirklich völlig weg" Coole Formulierung :-)

Manchmal fällt mir auch länger nichts ein oder ich weiß nicht, wie ich die Szene, die mir vorschwebt am besten in Worte fassen kann. Dann lese und korrigiere ich stundenlang an älteren Texten herum und ärgere mich hinterher, dass ich nichts zu Papier (eher zu Bildschirm:-)) gebracht habe.

An anderen Tagen hingegen packt es mich, da fliessen die Gedanken nur so und die Finger rasen auf der Tastatur hin und her! :-)

Ja, ich liebe meine Charaktere. Neulich habe ich in einer Leseprobe bei Amazon etwas total abartiges, perverses gelesen (das ich hier nicht weiter ausführen möchte und das meiner Meinung nach in einer SciFi-Story nichts zu suchen hat). Für mich wäre es undenkbar, meine Figuren so handeln zu lassen. Sie sind zwar keine Heiligen, aber auch nicht abartig veranlagt. :-)
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  #19  
Alt 10.04.2013, 10:24
Benutzerbild von Elyan
Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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Beiträge: 1.217
Guten Morgen Janine *wink*

für manche Genres oder Altersgruppen verbieten sich verschiedene Charakterzüge, finde ich ... hinzu kommt, dass die Charakteren auch noch glaubhaft sein müssen ... (ich weiß ja nicht, was du gelesen hast) ... zumeist werden Figuren, die völlig abdrehen oder übergriffig werden, für den Lesenden nicht mehr nachvollziehbar. Das ist aber auch die Kunst, finde ich ... wie oft sitze ich an einem Charakter, schüttle den Kopf und denk: "Ne, das passt jetzt überhaupt nicht mehr!" ... das genaue Nachzeichnen, Vertiefen und Mit-Leben-füllen kostet mich fast genauso viel Zeit wie das erste Schreiben der Geschichten selbst.

Geändert von Elyan (10.04.2013 um 12:13 Uhr)
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  #20  
Alt 10.04.2013, 11:40
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Dein Projekt ist wahrhaftig eine "jumping journey"! Ich finde es erstaunlich, dass du dabei den Überblick behältst, welche Szenen du schon in welcher Form geschrieben hast und an welcher Stelle irgendwann einfügen willst.

Im Gegensatz zu deiner Arbeitsweise bin ich ein ziemlicher Eins-nach-dem-anderen-Schreiber. Auch wenn meine Handlung in den wichtigsten Eckpunkten und Storywendungen bereits vor Beginn skizzenhaft feststeht, schreibe ich so gut wie immer in chronologischer Reihenfolge eine Szene nach der anderen. Plötzlich mal 500 Seiten nach vorne zu springen und dort eine Szene zu schreiben, würde ich wohl allein deshalb nicht tun, weil ich zu große Sorge hätte, ob die Geschichte und bestimmte Figuren sich bis zu diesem Punkt nicht bereits so abweichend von meiner Anfangsplanung entwickelt haben, dass ich diese Szene, wenn sie schließlich chronologisch an der Reihe wäre, ohnehin fast neu schreiben müsste, um sie an den vorherigen Handlungsverlauf anzupassen.

In Bezug auf Charakteränderungen kann ich dir, Hobbyschreiber, nur zustimmen. Ich finde es in Romanen auch immer wieder ärgerlich, wenn sorgfältig aufgebaute Figuren vom Autor entweder im Hauruck-Verfahren aus der Story geworfen werden, ohne dass ich als Leser einen wirklich sinnvollen Grund dafür erkennen würde, oder wenn diese Figuren durch die Ereignisse der Geschichte quasi von einer Sekunde auf die andere ihre Gesinnung um 180 Grad wenden, weil der Autor unbedingt eine Brise Düsternis und Abgründiges in seine Figurenentwicklung bringen wollte.
Bei der oben erwähnten "Artefakte der Macht"-Tetralogie von Maggie Furey ist dieser Versuch auf alle Fälle derart gründlich in die Hose gegangen, dass bis dahin glaubwürdige Figuren manchmal innerhalb einer Szene ohne erkennbaren Grund ihre niedersten Instinkte in sich entdeckt haben und dann bis zum Ende ein Saulus geblieben sind. Gut gemachte Figuren-Demontage ist eine faszinierende Sache, muss sich aber plausibel aus der Persönlichkeit der Figuren herleiten und darf dieser nicht einfach übergestülpt werden, weil der Autor gerade Bock drauf hatte.

In einer meiner Geschichten habe ich auch mal auf den (sehr energischen) Rat meiner Probeleser gehört und eine wichtige Figur umgebracht, die ich eigentlich hatte überleben lassen wollen. Meine Probeleser haben mich dann jedoch davon überzeugt, dass es durchaus ein wenig bedrohlicher wäre, wenn statt dem Haustier dieser Figur - ein Kätzchen - die Figur selbst vom Bösewicht der Geschichte grausam gefoltert und umgebracht werden würde. Sie hatten Recht damit. Im Sinne der Glaubwürdigkeit und Konsequenz der Story hatte ich keine andere Wahl, als das Kätzchen leben zu lassen und ihren Besitzer in die Grube zu schubsen (die Mieze ist mir übrigens bis heute dankbar dafür!).

@Elyan: Woher kam denn bei dir das Gefühl, dass die Nebenfigur bei Hennen nicht sauber eingeführt worden ist? Ich bin immer neugierig, wenn ich so etwas höre, da ich denke, dass man daran auch immer für sein eigenes Schreiben etwas lernen kann.

Noch mal zu den Klischees: Für mich bedeutet ein Klischee per definitionem Eindimensionalität. Eine Figur, die ausschließlich aus Klischees bestünde, wäre das Unauthentischste, was ich mir überhaupt vorstellen kann. Kein Mensch, weder im realen Leben noch in Geschichten, würde komplett von einem Klischee definiert werden können. Von daher denke ich ebenfalls, dass Authentizität vor allem dadurch entsteht, wenn das Klischeehafte vom Autor an den richtigen Stellen gebrochen wird und durch unerwartete Eigenschaften in einem anderen Licht erscheint. Ich denke auch, dass dies einem Charakter fast automatisch mehr Tiefe verleiht (wahrscheinlich hat mich deshalb die A-Team-Folge von neulich so genervt. Jede der Hauptfiguren war derart erkennbar ausschließlich auf ihre Funktion reduziert und bestand so sehr aus lediglich einer primären Eigenschaft, dass die Figuren von jeglicher Tiefe Lichtjahre entfernt waren.).
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