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Figuren, Charaktere und Klischees

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  #21  
Alt 10.04.2013, 12:12
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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Noch ein kleiner Nachtrag, da ich mir beim Posten meines letzten Textes so viel Zeit gelassen habe, dass Elyan schneller war als ich.

Ich denke ebenfalls, dass man als Autor bei der Konzeption seiner Figuren schnell mal des Guten -oder des Bösen, je nachdem - zu viel tun kann, dabei über das Ziel hinausschießt und seine Leser damit verliert.
Ich habe z.B. vor einiger Zeit eine Geschichte gelesen, wo der Bösewicht - der bis dahin, wie ich fand, in seiner Bösartigkeit durchaus angemessen rüberkam - in einer Szene in den Kerker geht, wo er einen Gefangenen verhört. Bei diesem Verhör kam dann derart plötzlich ein Umschlag in wirklich abstoßenden, pornographisch gefärbten Sadismus, dass die Geschichte sofort für mich gestorben war. Ich hatte dem Autor auch so geglaubt, dass der Bösewicht wirklich böse war, aber es scheint, als wäre sich der Autor selbst nicht so sicher gewesen, weshalb er noch eine so derbe Schippe Niedertracht oben draufgepackt hat, dass die Figur nur noch auf ekelhafte Weise bizarr, aber nicht mehr glaubwürdig war - unabhängig davon, dass man als Autor natürlich immer auch seine angepeilte Zielgruppe im Auge behalten sollte, und nicht alle Fantasy-Leser stehen auf Hardcore-Sadismus (hoffe ich wenigstens!).
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  #22  
Alt 10.04.2013, 12:59
Benutzerbild von Elyan
Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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Der Göttin sei Dank, es gibt eine Editierfunktion ... ich sollte nicht versuchen, zusammenhängende Sätze vor dem ersten Kaffee zu verfassen (weiha)

Zu Hennen ... mal abgesehen von dem Punkt mit den Nebencharakteren ziehe ich vor dem Autor wirklich meinen Hut ... das, was er geschaffen hat, muss ein Schreibender erst einmal auf die Beine stellen!

Meine Anmerkung bezieht sich auf seinen Roman Die Elfen. In diesem epischen Schlaraffenland für Elfenbegeisterte war nach gefühlten 300 Seiten klar, dass sobald ein Nebencharakter eingeführt und nicht weiter beschrieben wurde, dieser das Zeitliche segnet. Beispiel: bei der Suche nach dem Sohn von Noroelle trifft der Trupp auf Guillaume. Als erstes erwischt es Gelvuun, auf der Flucht aus der Stadt muss dann die Nebendarstellerin Nomja (die weit später als Wiedergeburt wieder auftauchen wird) dran glauben ... beide waren für meinen Geschmack zuvor nur grob skizziert ... irgendwann war das für mich etwas zu durchschaubar.

Zu der Glaubwürdigkeit von Charakteren: ich finde, Du bringst es hier gut auf den Punkt. Wenn die Autorin/ der Autor unsicher ist, fängt das schlingern mit den Charakteren an.
Mir fiel bei meinen eigenen Texten auf, dass ich bei Unsicherheiten häufiger auf Formulierungen wie "es schien so und so" oder "scheinbar war dies und jenes so" zurück griff. Beim Korrigieren fragte ich mich dann natürlich ernsthaft, wieso es denn nur so schien und es nicht so und so war.
Einen Charakter dann allerdings noch über die Klippe zu schupsen und sie oder ihn in ein Superwesen oder Maso-Brutalo-Splatter-Ding zu verwandeln kann u.U. leichter passieren als man sich das wünscht, ist jedoch absolut tödlich ... und zwar tödlich langweilig.
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  #23  
Alt 10.04.2013, 19:03
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
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Zitat:
Zitat von Elyan Beitrag anzeigen
06:20 Uhr meine Güte, Du stehst früh auf ...
Ich stehe um 5:00 Uhr auf. Um 6.20 habe ich meine Frühstückspause ...

Die Drachengeschichte kommt eventuell noch in diesem Jahr. Das ist davon abhängig, wie schnell ich die Überarbeitung schaffe, und wieviel das Lektorat noch zu meckern hat.
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  #24  
Alt 10.04.2013, 20:10
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Elyan Elyan ist offline
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UM WIEVIEL ... Uhr ... röchel ... ... Frühstück um ... ... ... ...
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  #25  
Alt 10.04.2013, 22:51
Janine Janine ist offline
Ritter der Tafelrunde
 
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Zitat:
Zitat von Elyan Beitrag anzeigen
UM WIEVIEL ... Uhr ... röchel ... ... Frühstück um ... ... ... ...
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  #26  
Alt 10.04.2013, 23:20
Janine Janine ist offline
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Die Szene, die ich gelesen haben, war genau das, was Susanne eben erwähnte: "Abstossender, pornographisch gefärbter Sadismus!"
Das ganze kam gegen Ende der Leseprobe, fiel das Buch für mich bis dahin noch in die Kategorie "nicht überragend, aber könnte man eventuell lesen" war es mit dieser Szene für mich gestorben.
Einen Charakter (von dem ich allerdings nicht weiß, ob er für den Fortgang der Handlung noch von Bedeutung ist) so einzuführen......ne. Es sei denn, das Buch wäre ein Hardcoreporno gewesen....

Ja, ja, meine Figuren und meine jumping journey :-)
Es fällt mir manchmal auch nicht leicht, genau abzustecken, in welches Genre meine Story fällt. Es ist eine Mischung zwischen MilitarySF, Space Opera (ab dem zweiten Teil spielt ein Großteil der Handlung auf einem gigantischen Raumschiff), Fantasy (es geht bisweilen auch um Bestimmung und Schicksal, den Sinn des Lebens und Wiedergeburt). Es sind Kampfszenen dabei und ein Schuß Romantik, würde mal sagen es ist ein bunter großer SciFi-Abenteuerroman. :-)
Und dementsprechend bunt ist auch meine Reihenfolge. Ich wusste zum Beispiel ganz am Anfang, dass meinen Hauptpersonen irgendwann auf ihrer Reise Ereignis X widerfahren würde. Aber halt nicht am Anfang, sondern mittendrin. Ereignis X wird sich jetzt im zweiten oder dritten Buch wiederfinden, aber die Szenen dafür habe ich schon für über einem Jahr geschrieben. Und manchmal fällt mir dann spontan etwas ein, was gut in die Handlung von Ereignis X passt, obwohl ich eigentlich gerade ganz wo anderes zu Gange bin.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu verwirrend. :-)

Geändert von Janine (10.04.2013 um 23:22 Uhr)
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  #27  
Alt 11.04.2013, 10:25
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Elyan Elyan ist offline
Drachentoeter
 
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Doch, dass kann ich gut verstehen. Ich bin allerdings auch eher ein chronologischer Schreiber ... das ist für mich wichtig, da ich so die Entwicklung eines Protas oder einer Figur hautnah miterleben kann ... und bei einem Vorweggriff hätte ich die Sorge, dass ich da was entscheidendes verpasse.

Aber in klein (also in klitzeklein) habe ich solche Szenensprünge auch ... so gibt es in meiner Geschichte eine Ratsversammlung, in der eine entsetzliche Wahrheit über den König offen ausgesprochen wird ... die Szene hatte ich einfach im Kopf und die wollte da nicht mehr raus, passte aber gar nicht in den ersten Band ... so steht sie (noch) da als eine einsame Reisende und wartet darauf, von dem Haupt-Erzählzug abgeholt zu werden

Bei Deiner Frage an Dich selbst, welches Genre sich da eigentlich auf Papier bringt ... ich finde, diese Genre-Einteilung schwimmt eh ...

Was ist Fantasy? Immer nur dann, wenn ein Elf oder Ork durchs Bild läuft? Neulich erzählte jemand von einem Roman, in dem die Prota ein (vielleicht?) verrücktes Mädchen ist, die ihre Mutter für eine Hexe hält ... aber ... ist sie wirklich verrückt? Ist ihre Mutter doch eine Hexe? Eine Frage, die bis zum Ende nicht aufgelöst wird ... und ja, das Buch läuft unter Fantasy ...
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  #28  
Alt 11.04.2013, 12:06
Benutzerbild von Susanne Gavenis
Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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@Janine: Deine Arbeitsweise ist für mich schon ziemlich verwirrend, aber auch faszinierend und spannend. Ich muss sagen, dass ich schon sehr neugierig wäre, irgendwann mal die fertige Geschichte lesen zu können, die diesem komplexen kreativen Chaos entsprungen ist.

@Elyan: Das mit dem Schlingern bei Charakteren kenne ich durchaus auch aus meiner eigenen Erfahrung. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ich konsequent durchgeführte Gewalt in meinen Geschichten beschreiben muss. Offenbar bin ich ein so friedliebender Mensch, dass ich gerade bei diesen Szenen regelmäßig nachbessern und ein paar mehr Kohlen ins bis dahin nur müde vor sich hinschwelende Brutalitätsfeuerchen schaufeln muss (man denke nur an das Kätzchen!).
Gerade das Schreiben von (körperlichen) Gewaltszenen bedeutet für mich von daher immer auch ein Stück weit eine Konfrontation mit meinen eigenen persönlichen Überzeugungen, weswegen ich meinen Probelesern besonders in dieser Hinsicht für ihre schonungslose Kritik sehr dankbar bin.

Das Problem mit den Rothemden-Elfen bei Hennen kann ich gut verstehen. Es ist manchmal schon eine schwierige Frage für einen Autor, das Verhältnis zwischen einer detaillierten Ausarbeitung eines Nebencharakters, von dem man weiß, dass er ohnehin bald wieder aus der Handlung verschwinden wird, und einer aus diesem Grund lediglich skizzenhaften Darstellung seiner Persönlichkeit nicht in eine zu einseitige Schieflage geraten zu lassen.
Die Kunst besteht sicherlich darin, diese Figuren mit wenigen spezifischen Details und Pinselstrichen für den Leser so individuell und plastisch zu machen, dass sie gegenüber den Hauptcharakteren der Geschichte nicht zu viel an Substanz verlieren und man das Gefühl bekommt, dass der Autor sie nur deshalb eingeführt hat, um auf eine billige Weise eine gefährliche Situation zu erzeugen, indem er sie vom Bösewicht umbringen lässt.
Ich denke, wenn eine Nebenfigur erkennbar vom Autor auf eine bloße Funktion hin konzipiert worden ist, kann beim Leser schnell dieses Gefühl der Vorhersehbarkeit entstehen, das eben keine Spannung erzeugt, sondern irgendwann einfach nur noch langweilt.
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  #29  
Alt 11.04.2013, 13:12
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Cassandra Cassandra ist offline
Abyssus abyssum invocat
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Ich kann mich erinnern, dass ich mich einmal gefragt habe, wie wohl ein Roman bzw. eine Geschichte ohne jegliche Klischees aussehen würde und ob dies überhaupt umsetzbar sei. Vermutlich nicht, denn sobald man anfängt, seine Charaktere durch die Handlung zu treiben, werden sie sich früher oder später in einer Situation wiederfinden, die der Leser u.U. als klischeehaft empfindet oder die Figur selbst entspricht in der Art ihres Agierens einem Klischee usw.

Ein Professor von mir hat mal gesagt, dass es seit Shakespeare nichts neues mehr gegeben hat was Intrigen, Bösewichter, hoffnungslose Gutmenschen, tragische Helden, Liebe, Hass usw. angeht. Und auch Shakespeare selbst hat im Grunde auch nur die klassischen griechischen Tragödien aufgewärmt.

Von daher werden wir wohl nicht um Klischees herum kommen und wenn wir ehrlich sind: das reale Leben entspricht schließlich oft genug einem Klischee; warum also sollte es in Romanen anders ein? ^^

Nur sollten die klischeehaften Handlungen/ Figuren nicht überhandnehmen, sodass und man als Leser irgendwann das Gefühl hat, der gesamte Plot sei nur noch angefüllt mit 08/15-Figuren von der Stange.
Auf der anderen Seite, haben in klassischen Fantasyromanen mit ... was weiß ich ... Zwergen und Elfen meinetwegen, gerade diese Figuren oftmals rassetypische Eigenschaften, die sie z.B. sofort als Zwerge ausweisen. Von daher könnte man auch hier schon von einem Klischee sprechen (ähnlich z.B. dem Klischee vom deutschen Urlauber, der sein Revier stets mit einem Handtuch kennzeichnet ^^ ), aber würde ein Autor plötzlich eine andere Schiene fahren und seine Zwerge beispielsweise als zwei Meter große, fröhliche Ackerbauern zeichnen, wäre wohl kaum ein Leser damit einverstanden.
__________________

Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (11.04.2013 um 13:14 Uhr)
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  #30  
Alt 11.04.2013, 13:26
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Elyan Elyan ist offline
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@ Susanne: Das sind spannende Anmerkungen ... wieweit, wie detailliert muss ein Nebencharakter sein ... sind gerade wenige und feine Linien viel sinnvoller, um der Phantasie des Lesenden den Rest zu überlassen, kommt es viel mehr auf eine emotional sauber entworfene Situation an ... hmm ... ich sollte diesbzgl. meine Texte mal durchgehen (stöber!) ...

Eine andere Sache ist das seltsame Eigenleben einiger Charakter: ich arbeite gerade an einem Nebencharakter, den ich gar nicht auf dem Schirm hatte ... eine Botin kniet vor dem Antagonisten ... die Szene setzt nach ihrem Bericht ein ... und eigentlich sollte sie nun verschwinden. Aber sie ist so kristallklar, so lebendig ... ich kann das schwierig beschreiben ... aber sie ist wichtig ... und sie war beim plot noch nicht einmal annähernd auf dem Schirm ... eigentlich war sie lediglich dazu da, um eine vorher stattfindende Situation wirklich brenzlig werden zu lassen. Als mein Sohn die letzte Szene hörte, wies er ihr gedanklich gleich eine Schlüsselrolle zu ... ich finde es spannend, auch und gerade beim Schreiben, dass die Figuren lebendig, elektrisierend sind (das ist mein Anspruch, hinter dem ich natürlich immer wieder zurückbleibe ... *sfz*).

Das mit der Gewalt ist auch so eine Sache ... sie muss glaubwürdig sein, schmerzen, befreien, Spannung erzeugen ... und es kommt sehr darauf an, für welche Zielgruppe die Szene verfasst ist ... für Jugendbücher ist Gewalt ein noch viel sensibleres Thema als für den Erwachsenenbereich, finde ich ... Generell ist hier m.E. fast wieder die emotionale Echtheit das ausschlaggebende Element ... da ist ein normal Sterblicher, der zu einem kettensägenden Berserker und Splatter-Super-Kracher wird, genauso unglaubwürdig wie ein Höllenhund, das als niedliches Welpen das Licht der Welt erblickt ... obwohl ... ... letzteres haben Neil Gaiman und Terry Pratchett umzusetzen gewagt (vom Feinsten)

@ Cassie: zwei Meter große fröhliche Ackerbauen ... (lach) ... schöne Idee!!! All zu große Brüche in der Erwartungshaltung sind in der Tat schwierig. (*Nick*) Spannend bleiben Charakter allerdings nur dann, wenn auch trotz vorgefasster Bilder diese nicht zu billigen Nachahmungen von Vorstellungen werden ... wobei die Betonung auf billig, sprich eindimensional, liegt.

Geändert von Elyan (11.04.2013 um 13:38 Uhr)
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  #31  
Alt 11.04.2013, 14:55
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
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Meiner Meinung nach sollte man die gängigen Klischees schon im Kopf haben, sei es, um sie zu verwenden, sei es, um sie gezielt zu vermeiden. Wie vielfach hier erwähnt wurde, gibt es einfach gängige Vorstellungen, die man als Leser und Auch-Autor einfach im Kopf hat.

Der ackerbauende 2-m-Zwerg, womöglich schöngeistig interessiert, würde niemals als Zwerg durchgehen, wenn die anderen humanoiden Bewohner dieser Fantasy-Welt nicht noch größer sind. Zwerge sind physisch nun mal kleiner, wenn auch nicht schwächer. Punkt. Wenn man einen Zwerg anders beschreibt, dann muss das mit Maßen geschehen und nachvollziehbar sein, sonst erkennt der Leser in dem Geschöpf keinen Zwerg mehr und der Autor gibt ihm (dem Geschöpf) besser einen anderen Namen.

In meinem aktuellen Projekt habe ich einen Zwerg als Bibliothekar eingesetzt, aber das passt ganz gut, finde ich. Die Bibliothek befindet sich in einem weitläufigen Gewölbe unterhalb einer Burg, ist sehr alt und in dieser Fantasy-Welt sind Zwerge die Perfektionisten und Techniker. Bendamar Bleigießer ist nun mal kein Metall-Handwerker, sondern hat seine Berufung in der Erhaltung der z.T. uralten Schriften gefunden. Ihn leichtfüßig durch die Wälder laufen und mit einem schlanken Bogen auf die Jagd gehen zu lassen, wäre dagegen nicht so glaubhaft.

Mit Gefühl und guten Ideen kann man Klischees auch herrlich auf den Kopf stellen und parodieren. Pratchett hat das auch aus meiner Sicht sehr oft genial hingekriegt. Man denke nur an den vierten Reiter der Apokalypse: Umweltverschmutzung, der eingesprungen ist, als Pestilenz sich nach der Entdeckung der Antibiotika zur Ruhe gesetzt hat. Oder der schrieb, von Königen hält er nichts, weil die in der englischen Geschichte schon zu viel Schaden angerichtet haben, und Helden ist auch nicht zu trauen.

Es gibt inzwischen recht viele Fantasy-Autoren, die sich bemühen, aus der Klischee-Falle auszubrechen und trotzdem gut zu schreiben.

Da gibt es Hexen, die meinen, dass Magie nicht geeignet ist, Probleme zu lösen.

Ein Krieger erlebt, dass ein Ork-Raudenführer nicht gerade wegen seiner Körpergröße und -kraft in seine Position gekommen ist.

Ein Schwertkampflehrer hat eine (allseits tolerierte) Liebesbeziehung zu einem Priester.

Eine schöne Zauberin verzichtet auf die Fortsetzung ihrer Beziehung zum Protagonisten und damit auf das Happy-End, weil sie ihn nicht für den Richtigen hält.

Ein geständiger Vergewaltiger bleibt unbestraft, sein Opfer verschwindet unschuldig im Gefängnis.

Der Eroberer gibt die Krone hinterher widerstandslos , ja erleichtert wieder ab.

Heldentaten bleiben erfolglos oder unbekannt. Der Böse gewinnt

Das Überstehen der Geschichte mit allen Schwierigkeiten führt nicht zur Belohnung der Protagonisten, sondern nur dazu, dass sie sich weiter quälen können, statt tot zu sein.

Es gibt sie, die anderen Fantasy-Geschichten, wenn auch nicht in den Schaufenstern und Regalen der Bahnhofsbuchhandluingen. Man muss schon ein bisschen suchen.
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  #32  
Alt 12.04.2013, 17:34
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Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
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@Hobbyschreiber: Das sind wirklich hervorragende Beispiele für Möglichkeiten, ein gängiges Klischee zu unterlaufen.
Gerade die letzten paar Beispiele werfen dabei, wie ich finde, eine schwierige Frage auf. Wieviel Abkehr vom Klischee darf man sich als Autor erlauben, ohne seine Leser damit zu verlieren? Neben überzogenen und deplatzierten Gewaltdarstellungen jeglicher Art, die lediglich die Geschichte ruinieren und die eigentliche Zielgruppe verschrecken (was oben ja bereits angesprochen wurde), stellt sich diese Frage vor allem dann noch einmal in aller Dringlichkeit, wenn es darum geht, Entscheidungen für das Ende seiner Geschichte zu treffen.
Tut es meiner Geschichte wirklich gut, im finalen Kampf alle meine Hauptfiguren vom Bösewicht abschlachten zu lassen und eine 1000jährige Herrschaft des Terrors über die Welt zu verhängen, und tut es vor allem den Lesern gut, dieses Ende zu lesen?
Wenn wie in deinem Beispiel etwa der Vergewaltiger am Ende fröhlich pfeifend seines Weges schlendert und sein Opfer in den Kerker geworfen wird, würde mich als Leser zum einen rasende Wut über eine derartige Ungerechtigkeit packen (was sicher dazu führen würde, dass ich diese Geschichte nicht sofort wieder vergesse), zum anderen jedoch würde ich vermutlich von diesem speziellen Autor nie mehr ein Buch anrühren, weil mir die Art, wie dieser Autor die Menschen und ihr Ringen um eine positve Sinnhaftigkeit ihres Lebens betrachtet, zuwider wäre.
Natürlich weiß ich sehr wohl, dass es im realen Leben nicht immer gerecht zugeht, dass oft der Böse triumphiert und es kein - oder nur ein sehr gebrochenes - Happy End gibt. Daneben gibt es aber auch genug Beispiele, wo ein Mensch über sich hinauswächst, alles gibt und dafür auch belohnt wird, und als Leser hasse ich Bücher, wo ich das Gefühl habe, dass der Autor am Ende nur deshalb alles Gute kaputt schlägt, weil er unbedingt zeigen will, wie "realistisch" seine Geschichte doch ist, während in Wirklichkeit nicht so sehr sein Bemühen um eine bewusste Abkehr von gängigen Klischees seine Feder führt, sondern viel mehr seine sehr subjektive, resignative und desillusionierte (und desillusionierende) persönliche Weltsicht.
Auch ich bin kein Freund von übertriebenen Zuckerguss-Happy Ends, aber ich gebe ehrlich zu, dass ich einen Roman nicht lese, um mich am Ende schlecht zu fühlen, wieder mal schonungslos um die Ohren gehauen bekommen zu haben, wie verkommen und ungerecht die Welt doch ist, wie sinnlos, ja geradezu weltfremd und naiv jedes Bemühen um etwas Positives im Leben ist und wie machtlos der Mensch in seinem Ringen um dauerhaftes Glück. Hier berührt m.E. die Frage: Klischee oder nicht? so sehr die persönliche Weltanschauung des Autors (und später auch des Lesers), dass es ab einem gewissen Punkt weniger darum geht, Klischees in seinen Geschichten zu vermeiden oder geschickt zu variieren, sondern lediglich darum, eine bestimmte, subjektive Sichtweise zu verkaufen, die man für die wahre und realistischste hält (was, wie ich denke, gemeint ist, wenn in manchen Schreibratgebern von der "Stimme des Autors" gesprochen wird).

@Elyan: Deine Bemerkungen über die Botin in deiner Geschichte finde ich sehr interessant. Wenn dein Empfinden beim Schreiben dieser Szene, was die Bedeutung deiner Figur betrifft, so intensiv war (und dein Sohn das gleiche Gefühl hatte!), solltest du, wie ich finde, unbedingt darauf hören und mal versuchen in die Figur hineinzuspüren, um zu schauen, welche Rolle vielleicht auf sie wartet und in welcher Form sie die Geschichte bereichern könnte. Bei meinen eigenen Geschichten habe ich jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass es immer höchst sinnvoll war, auf solche Gefühle zu hören, und es hat sich jedes Mal herausgestellt, dass die Geschichte und die Figuren besser als ich wussten, was für die Handlung gut war.
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  #33  
Alt 13.04.2013, 18:19
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Elyan Elyan ist offline
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@ Susanne: jap, dass ist auch meine Erfahrung ... Charaktere wissen auf eigentümliche weise sehr genau, wie sie sich entwickeln ... kleinere Änderungen sind häufig egal ... ob der Leuchter nun links oder rechts steht ... wenn interessiert's ... ABER: einen Charakter, der dies nicht will, aus der Geschichte zu kicken ... hey, die "Botin" würde mir höchstpersönlich aus den Seiten springen und mir die eiskalte Klinge an meinen Hals setzen ... (lach) ...

Ich hatte das einmal an einer anderen Stelle ... ich wollte eine Figur aus spannungstechnischen Gründen ermorden ... meine Hände zitterten noch von der grauenhaften Tat ... als der Betroffene sehr zu meiner Verwunderung wieder auferstand und mir höchstlebendig zu lächelte ... Geschichten sind bis zu einem gewissen Grad formbar ... aber nicht grenzenlos ... und die Figuren, ihre Lebendigkeit ... das finde ich schon sehr faszinierend.
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  #34  
Alt 13.04.2013, 20:09
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Das ist wahr, man kann aus einer Geschichte immer eine Menge machen, ... bis zu dem Moment, in dem man sie an den Verlag abschickt. Das ist das Gute daran. Ich selber mag mich auch durch das Lesen lieber besser fühlen, als schlechter. Geschichten mit einem guten Ausgang ziehe ich vor.

Diese Geschichte mit dem Vergewaltiger (nicht meine) ... das stand übrigens nicht im Mittelpunkt. Der Mann war in einer schrecklichen Situation, und das Mädchen scheinbar daran mitschuldig. Unmittelbar hinterher hätte er sich am Liebsten selber dafür umgebracht. Ein anderer Charakter der Geschichte hat ihn dann aber verpflichtet durchzuhalten, weil er für das Überleben der Stadt in einer Krisensituation unentbehrlich wäre, und seine Schuldgefühle zugunsten der Bevölkerung zu ertragen. Dieser Andere war auch dafür verantwortlich, dass die Vergewaltigung vertuscht wurde. Das ganze Buch handelte vom Verhalten und der persönlichen Verantwortung in einer Krisensituation. Hochinteressant, auch für die Bewertung eigenen Handelns im Sinne von "Was hättest Du in der Situation gemacht?".

Geändert von Hobbyschreiber (13.04.2013 um 20:11 Uhr)
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  #35  
Alt 13.04.2013, 21:37
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Valar Dohaeris
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Also meiner Meinung nach lässt sich das eine oder andere Klischee in einer Geschichte nicht vermeiden. Vollkommen mit Klischees zu brechen wäre für mich persönlich sehr schwierig, da diese ziemlich tief in mir verwurzelt sind. Ich habe genug Geschichten gelesen in denen Figuren den typischen Klischees gefolgt sind und sie haben mich teilweise geprägt und sehr gut unterhalten. Warum also sollte ich bei meinen Geschichten auf das eine oder andere Klischee verzichten nur weil es gerade in Mode ist mit Klischees zu brechen. Natürlich ist es aufregend überrascht zu werden, es ist sehr erfrischend nicht immer nur der alten Leier folgen zu müssen. Aber eben diese Modeerscheinung zwingt viele Autoren dazu (besonders diejenigen die auf hohe Umsätze aus sind) Figuren danach umzugestalten, weshalb die Protas Gefahr laufen nicht nachvollziehbar zu sein. Ihre Handlungsweise ist oft unklar und es ist unmöglich einen Bezug zu ihnen aufzubauen. Das finde ich sehr schade. Das war es zu den Charakterklischees.

Was die ganz typischen Klischees betrifft - zum Beispiel, dass Zwerge kleinwüchsig sind - die sind nicht zu übergehen. Man kennt es einfach von klein auf und was anderes kann man nur schwer akzeptieren. Zumindest geht es mir so.

Ja und das Ende einer Geschichte. Hm, darüber hatten wir schonmal ein Thema aufgemacht. Ich persönlich finde es interessant wenn eine Geschichte nicht wirklich gut ausgeht oder zumindest zum Teil nicht gut endet. Jedoch habe ich kein gutes Gefühl dabei. Mir geht es immer ziemlich mies wenn jemand stirbt, den ich im Laufe der Geschichte ins Herz geschlossen habe. Dennoch wird sowas auch in meinen Geschichten vorkommen. In einer meiner Geschichten bringt der Tod einer geliebten Figur meine anderen Protas dazu über sich hinaus zu gehen. Es muss sein. Doch es wirkt keinesfalls gezwungen, da ich mich in diese Geschichte so hineingelebt habe, dass dabei all meine Gefühle zum Ausdruck kommen werden und daher glaube ich nicht, dass es für irgendjemanden aufgesetzt erscheinen wird.
Ein gutes Ende hängt nicht davon ab, wie es endet. Ein gutes Ende muss Gefühle im Leser freisetzen, egal ob positiv oder negativ. Es muss einem Leser im Gedächtnis bleiben, er muss sich danach an die Geschichte erinnern wollen. Das ist für mich ein gutes Ende.^^
__________________
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  #36  
Alt 14.04.2013, 01:43
Janine Janine ist offline
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Hui, hat sich ja ne ganze Menge getan hier. Werde mir morgen nacht alles in Ruhe durchlesen und antworten. Hab mir ne schlimme Erkältung eingefangen und sage und schreibe drei Tage nicht an meinem Buch gearbeitet.
Fühle mich heute auch noch nicht wesentlich besser, aber ich muss noch ein wenig was tun.
Ich habe schon Entzugserscheinungen :-)
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  #37  
Alt 14.04.2013, 09:17
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Hey, Janine, gute Besserung!

Zu dem Punkt "Prota, stirb!" ... auch seeeehr interessant. Ab wann kann/ muss eine Figur sterben, um das ganze Ding nicht in eine rosarote Heilewelt-Wolke mit Watteplüsch abdriften zu lassen ... ab welchem Punkt dreht sich - durch den Tod einer wesentlichen Handlungsfigur - die Geschichte selber knirschend den Hals um?

Wie entsetzlich schön war der Tod von Gandalf (erinnert ihr Euch, wie es beim ersten Lesen dieser Stelle Euch erging ... die Erinnerung jagt mir immer noch eine Gänsehaut über den Rücken ...), zum Beispiel ... nicht nur im Bereich Jugendroman, finde ich, muss mit diesem Element sehr behutsam umgegangen werden ... gefühlvoll eingesetzt ist es allerdings der HAMMER!

@Laura: WAS? Du bringst einen der Prota UM??? In THIWELFARIA? Ich bin erst auf Seite 371 ... Du ... Du ... willst dich nicht sagen, dass einer der Prota den ... den Löffel abgibt? Oh Gott! ... ... *fieberhaft weiterles* ...
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  #38  
Alt 14.04.2013, 12:23
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Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
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Wer hat den was von Thiwelfaria gesagt?^^ War es in dem Buch? Hm, nein...oder doch. *grübel* Am besten du findest es selbst heraus. ^^
__________________
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  #39  
Alt 14.04.2013, 12:28
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AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH! !!!!!!!!!!!
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  #40  
Alt 14.04.2013, 12:31
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