Ein (entfernt) ähnliches Thema hat es hier zwar schon einmal gegeben, aber da dies unter "Fantasy-Reihe von Heyne" lief, hoffe ich, dass dieser neue Thread hier okay ist. ^^
"Die Orks" von Stan Nicholls sind eine Romanreihe, die im englischen Original aus zwei Trillogien besteht:
Orcs - First Blood:
Bodyguard of Lightning (1999)
Legion of Thunder (1999)
Warriors of the Tempest (2000)
Orcs - Bad Blood:
Weapons of Magical Destruction (2008)
Army of Shadows (2009)
Inferno. Gollancz (2011)
An dieser Stelle sei dringend empfohlen, (wenn möglich) die Romane im englischen Original zu lesen, da die deutsche Übersetzung unter aller Sau ist. Die Protagonisten sind hier als Kriegstrupp unterwegs, der sich im Original "Wolverines" nennt und im deutschen als "Vielfraße" bezeichnet wird. Und so geht das munter weiter ...
Zur Handlung selbst:
Der intelligente Stryke macht sich im Auftrag der Ork-Königin Jennesta zusammen mit seinem Elite-Stoßtrupp bestehend aus 29 Orks und einem Zwerg (!) auf, ein magisches Artefakt zu suchen, das sich in einer menschlichen Ansiedlung befinden soll.
Nachdem die Gruppe erfolgreich des Artefaktes habhaft wurde (und nebenbei auch noch die Stadt in Trümmer gelegt hat), feierte sie ihren Sieg, indem sie sich ausgiebig die Birne mit "Kristall" zuknallte, nur um völlig stoned am nächsten Tag von einer Horde Goblins überfallen und bestohlen zu werden.
Um der Rache der Königin zu entgehen und das Leben seiner Leute zu retten, beschließt Stryke das Arktefakt nicht nur wiederzubeschaffen, sondern es auch als Druckmittel gegen die Königin einzusetzen.
Auf ihrer Suche müssen die Orks erkennen, dass es sich bei dem Artefakt lediglich um einen kleinen Teil eines viel größeren und sehr mächtigen Objektes handelt.
Doch während sie noch auf der Suche sind, werden sie bereits von den Schergen der rachsüchtigen Königin, deren Ultimatum zur Auffindung des Artefaktes sie nicht einhalten konnten, verfolgt. Und nicht nur diese bereitet den zunehmend unter Stress geratenden Orks Probleme, auch werden sie von Kopfgeldjägern im Auftrage Jennestas gejagt und bekommen außerdem gewaltigen Ärger mit einem Sektenführer der Menschen sowie dessen verzogener Tochter.
Ob es der Elitetruppe dennoch gelingt, ihren Feinden und der Rache der Königin zu entkommen sowie die Teile des Artefaktes zu finden, scheint sehr fragwürdig zu sein. Aber ein Ork gibt bekanntermaßen nicht so leicht auf ...
Nicholls musste sich oft die Kritik gefallen lassen, sein "Die Orks" sei nichts weiter als ein platter Groschenroman mit zu viel Gewalt, zu viel Sex und zu wenig Handlung.
Das "Die Orks" nicht unbedingt ein Highlight literarischen Könnens ist, kann man zwar nicht leugnen, aber die Romanreihe ist dennoch alles andere als Schund.
Zum ersten Mal wird eine Handlung aus der Sicht der "Bösen" dargestellt. Helden der Geschichte sind keine edlen Menschen oder mutige Bauernjungen, sonder eine Truppe Orks, die sich streckenweise auch sehr "orkmäßig" benimmt. Auf der anderen Seite gelingt es Nicholls jedoch, jeder einzelnen seiner Figuren eine Tiefe zu verleihen, die sie dem Leser näher bringen und zeitweilig vergessen lassen kann, um was für Wesen es sich eigentlich handelt.
Auch hier geht es um Ehre, Gemeinschaft und Loyalität - selbst wenn das Unrechtsbewusstsein der Orkkrieger ein wenig anders funktioniert als bei den ehrenwerten Palladinen oder Waldläufern, so sehen auch sie Gewalt nicht unbedingt immer als Universallösung an (auch wenn sie trotzdem im Anschluss ihren Gegner den Schädel einschlagen, so sehen sie im Nachhinein ein, dass es evtl auch eine andere Lösung hätte geben können ^^).
Interessant ist übrigens die Figur der Coilla, die einzige weibliche Kriegerin in Stryke's Gruppe und deren Strategin.
Was an dem Roman so fasziniert, ist die ungewöhnliche Figurenzeichnung. Orks und Zwerge in einem Bündnis; eine egozentrische, machtbesessene Königin mit sadistischen Tendenzen, ein fast menschlich agierender Ork-Anführer und die Menschen selbst, die hier einmal nicht heroisch auftreten, sondern so, wie sie sein können, wenn mal jemand anderes als Tolkien die Feder führt. ^^
Sicherlich hat die Reihe auch ihre Schattenseiten. So kann man trotz aller Begeisterung über gewisse Plotschwächen nur schwer hinwegsehen. Beispielsweise wirkt die Suche der Orks nach den einzelnen Artefakt-Stücken ein wenig planlos und es wird nie so recht klar, was sie nun eigentlich damit zu tun gedenken.
Auch die pausenlosen Scharmützel sowie die (eigentlich) hoffnungslos unterlegenen Orks, die irgendwann von so ziemlich aller Welt verfolgt werden, liest sich an manchen Stellen recht zäh.
Das "überraschende" Ende wird wohl auch nicht jedermanns Geschmack sein - es sei denn, man steht auf Lösungen im Stile von alten englichen Krimis: auf den letzten zwanzig Seiten wird langatmig erklärt, warum gerade ein Kerl der Mörder sein muss, der im bisherigen Roman mit keinem Sterbenswort erwähnt wurde ...
Dennoch, sieht man über diese Schwächen hinweg und lässt sich einfach mal auf diese ungewöhnlichen Typen ein, dann hat man auf jeden Fall ein paar unterhaltsame Stunden vor sich.