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Alt 09.11.2012, 21:08
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Cassandra Cassandra ist gerade online
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
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Bevor Du das hier jetzt liest, eine Anmerkung von mir: wenn ich mal anfange zu korrigieren, kann ich ganz schnell sehr kleinlich werden (kann manch einer bestätigen ...). Sollte Dir hier irgendetwas zu übertrieben erscheinen oder so, dann sag´ es bitte. Gegebenenfalls rudere ich zurück ... ^^

Zitat:
Zitat von Geweihter Beitrag anzeigen
Behutsam, fast wie eine Mutter, die ihren Sohn tröstete, streichelten Cilanas Finger durch die blonden Locken des Jungen. [Sie selbst kann behutsam wie eine Mutter streicheln, aber nicht ihre Finger. Oder Du fügst ein: ... fast wie bei einer Mutter ...] Sie saß nun seit fast drei Tagen an seinem Bett und versank in Selbstmitleid. Ihre Trä-nen waren längst versiegt und doch hatten sie den Schmerz nicht ge-lindert, ganz im Gegenteil: Jede einzelne brannte wie Feuer in ihren Augen und verdeutlichte der jungen Geweihten eine Schwäche, die ihr nie erlaubt war. [Den Satz würde ich umformulieren. Die Schwäche kann etwas verdeutlichen, aber sie selbst kann nicht verdeutlicht werden. Auch können Tränen, die längst versiegt sind, eigentlich nicht mehr in den Augen brennen.] Selbstzweifel hielten sie gefangen und Hass durchzog ihre Seele, den sie immer wieder versuchte auf die Söldner, die für das Massaker verantwortlich waren, zu lenken, was ihr nicht gelang. [Der Satz ist ein wenig zu verschachtelt. Evtl: Selbstzweifel hielten sie gefangen und Hass durchzog ihre Seele. Hass, den sie immer wieder auf die Söldner, die für dieses Massaker verantworlich waren, lenken wollte. Doch es gelang ihr nicht.] Eigentlich war sie schuld. [Das ist fast schon zu schlicht für diese starke Emotion. Evtl.: Es gelang ihr nicht, weil die Schuld in ihrem Herzen brannte.] Wäre sie gestorben, würden all die Toten [Evtl. besser: Menschen], die Drigorn seit drei Tagen vor der Festung zu Grabe trug, noch Leben [leben ... Oder: ... noch am Leben sein.]. Das alles war ihre Schuld. [Evtl. das "Das" am Anfang weg lassen.]
Ihr Blick glitt über das schmale, akribisch [Das Wort passt hier nicht so recht im Zusammenhang mit der Säuberung eines Gesichtes. Evtl. sorgfältig] gesäuberte Gesicht des Jun-gen, der friedlich vor der jungen Kriegerin lag [Ist jetzt wahrscheinlich übertrieben, aber ich würde nicht "des Jungen" und "der jungen Kriegerin" in einem Satz verwenden.]. Der Einzige, der das Massaker überlebt hatte. [Evtl.: Er war der Einzige, der ... - Sonst passt der Satz vom Aufbau her nicht so recht zum Vorhergehenden.] Cilana wusste nicht, ob sie sich für ihn freuen oder wegen seiner Zukunft bestürzt sein sollte. Alles, wofür er gelebt und dem er sein Herz geschenkt hatte, war von einem auf den anderen Tag [Evtl. ... von einem Tag auf den anderen ... ]gewaltsam vernichtet worden. Er selbst würde wohl nur durch Tyrgarns Medizin wieder vollständig gesund werden. Beide Beine und ein Arm lagen in schweren, hölzernen Schienen und Kratzer, sowie Schnittwunden überzogen den gesamten Körper des Novizen, der nicht mehr als sechzehn Winter erlebt haben konnte. [Das ist fast schon ein bisschen zuviel Information für einen Satz.]Tyrgarn hatte aufgrund der Verletzungen angenommen, dass er einen harten Sturz überlebt hatte und wahrscheinlich für tot befunden worden war. Ein Segen … oder aber ein Fluch. Eine Chance … oder ein nicht enden wollender Albtraum.
Cilana wusste, dass der Frieden, den er nun ausstrahlte, trügerisch war. Immer wieder hatte er unter Schmerzen gestöhnt oder war von Krämpfen geschüttelt worden. Das war allerdings auf die Verletzungen zurückzuführen und die Geweihte hoffte, dass er davon nicht viel mitbekam. [Das ist jetzt nicht ganz logisch. Wenn man unter Schmerzen stöhnt, bekommt man idR schon etwas davon mit.]Die Albträume unter denen er zu leiden schien, waren jedoch um ein Vielfaches schlimmer. Immer wieder schrie er plötzlich so schmerzerfüllt auf, dass Cilanas Herz einen Schlag aussetzte und sein bettelndes Flüstern nach seiner Mutter ließen heiße Tränen auf das weiße Bettzeug tropfen. [Evtl. erwähnen, wessen Tränen hier tropfen.]Immer wieder schrie er und schon der Gedanke an das, was nun in seinem Kopf geschehen mochte, ließ Übelkeit durch Cilanas Leib schießen. [Besser ein anderes Wort für "Übelkeit" suchen. Dabei muss man zu sehr an Erbrechen denken.]
Das Schlimmste war jedoch der Name, den er jede Nacht flüsterte. Mit einer Mischung aus ehrlicher Liebe und unendlicher Trauer, wie ein Vater, der seinem Sohn die letzte Ehre erweisen musste [Der Vergleich ist in diesem Zusammenhang ein wenig seltsam.]. Raneja! Raneja! Raneja!
Dieser Name hatte sich so tief in Cilanas Kopf gebohrt, dass sie ihn niemals vergessen würde. Sie hatte ihn nur ein einziges Mal selbst gesagt … als sie die Novizen trainiert hatte - was ihr jetzt vorkam, als sei es in einem anderen Leben geschehen. Raneja war eine der Besten gewe-sen; ein junges, ausgesprochen attraktives Mädchen, dem die Geweihte viel Respekt zollte. Ihre makellos blauen Augen verfolgten Cilana in den wenigen Stunden, in denen ihr geschwächter Körper sie zum Schlafen zwang.
In welcher Beziehung standen die beiden? War die Tote seine erste große Liebe gewesen? Es würde ihn zerreißen zu erfahren, dass sie tot war, wenn er es nicht schon längst wusste und die unglaublich tiefgreifende Trauer die den ganzen Raum zu füllen schien, wenn seine Lippen ihren Namen formten, ließ erahnen, dass er zum Zeitpunkt ihres Todes an ihrer Seite gewesen war. [Bei emotional aufgeladenen Sätzen ist es fast besser, sie nicht zu lang zu machen. Besser wäre es, diesen Satz hier auf zwei aufzuteilen.]
Ein Zucken riss Cilana aus ihren Gedanken und ihre Finger streichel-ten ihm liebevoll über die Wange. Tränen quollen unter seinen Liedern hervor, rollten mit quälender Unvermeidbarkeit seine Wange hinab und wurde schließlich von der Hand der Geweihten aufgehalten.
Der Junge weinte absolut still; ohne den Hauch eines Schluchzens. Seine Augenlieder flatterten ein wenig und sein Atem beschleunigte sich merklich. Sofort löschte Cilana einige Kerzen, um das Erwachen des Jungen so sanft wie möglich werden zu lassen. Nur zwei schmale Feuerzungen warfen ihr eigenwilliges Licht in den kleinen, steinernen Raum, der von einem großen Himmelbett beherrscht wurde, in dem der erwachende Novize lag. Es war das Zimmer Grahns gewesen, des Burgherren, mit dem Cilana sich so gut verstanden hatte.
Der Junge hustete, verzog vor Schmerz das Gesicht, was die Kriegerin erneut veranlasste ihm durchs Haar zu streicheln. Langsam öffnete er die Augen, die sich schnell an das Zwielicht gewöhnten. Seine Pupil-len waren geweitet, was [Evtl. vermeiden, zu oft "was" nach dem Komma zu benutzen.] die Frau der branntweinhaltigen Flüssigkeit und den unterschiedlichen Kräutern zuschrieb, die sie ihm eingeflößt hatte [Sind Pupillen nicht auch dann geweitet, wenn es in einem Zimmer dunkel ist?] . Seine Augen zuckten unstet durch den Raum und fanden schließlich die Cilanas.
Abgesehen von meinem Gemecker da oben hört sich die Geschichte vom Inhalt her recht vielversprechend an und ich würde gerne wissen, wie es weiter geht. Auch hast Du es definitiv drauf, Atmosphäre zu schaffen und Gefühle zu vermitteln. Ebenfalls beeindruckend finde ich, dass Du es irgendwie schaffst, ein Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen ohne viele Worte benutzen zu müssen - man sieht den Raum förmlich vor sich, das Bett, die Frau und den Jungen vor ihr.

ABER: ich muss zwar nicht immer sofort wissen, worum es geht und gerne darf die Information so nach und nach im Laufe des Textes "eintrudeln", aber der Abschnitt da oben ist mir fast schon zu viel an Emotion und zu wenig an Information. Du streust zwar einige Sachverhalte ein - so erfährt man von einem Massaker, von einer jungen Novizin und letztlich auch von der Geweihten selbst - aber dennoch wird man daraus nicht wirklich schlau. Und zuviel Tragik ohne zu wissen, worum es geht, nervt irgendwann.
Zugegeben: diese Textpassage dürfte vermutlich aus einem größeren Kontext stammen, so dass Du zwangsläufig hier nicht alles reinpacken kannst. Aber dennoch hätte ich es interessanter gefunden zu erfahren, wer die Geweihte eigentlich ist und warum gerade sie an seinem Bett sitzt (weil sie sich als seine Lehrerin für ihn verantwortlich fühlt?). Und ganz wichtig: wieso wären alle anderen noch am Leben, wenn sie gestorben wäre? Das würde mich interessieren.
Evtl. solltest Du auch allzu verschachtelte Sätze vermeiden - besonders dann, wenn sie emotional aufgeladen sind. Überleg mal: wenn Du zum Beispiel stinksauer bist, formulierst Du ja auch keine hochkomplizierten Sätze, sondern eher kurze und "prägnante" Verbalinjurien ... Und ähnlich sollte man meiner Meinung auch in einem Roman verfahren. Damit wirkt das Erzählte authentischer und die Figuren menschlicher.

Dennoch - wie ich schon sagte - gefällt mir die Geschichte an sich sehr gut und ich würde wirklich gerne mehr lesen. Falls Du jetzt überhaupt noch Bock darauf hast, hier etwas reinzustellen ...
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Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (09.11.2012 um 22:16 Uhr)
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