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Alt 10.02.2011, 10:21
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Asrharn Asrharn ist offline
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Bewahrer der Traenen des Lebens
 
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Versunkene Schätze

Dieser Thread soll der Vorstellung von Werken der Fantasy vorbehalten sein, die nicht nur außergewöhnlich sind, sondern auch vor 1990 erschienen - die also aus einer Zeit stammen, in der Fantasy noch nicht in dem Maße Genreliteratur war, wie sie es heute leider ist.
Viele dieser Bücher erleben ständig Neuauflagen, die in der Masse der Neuerscheinungen aber unterzugehen drohen, andere wird man wohl nur noch als Restposten im Onlineversand oder in Antiquariaten finden. Doch ich denke, auch die jüngeren Fans haben ein Recht darauf, die düster-romantischen Märchenwelten einer Tanith Lee, die tragischen Heldengestalten eines Michael Moorcocks oder die farbig-skurillen Figuren eines Jack Vance oder Fritz Leibers kennenzulernen. Die Älteren unter Euch sind hier gefordert.

Ich beginne mal mit einer Rezension von Stefan Kindt, die ich in Fantasia 18 fand und die ich Euch nicht vorenthalten möchte (weil ich es schöner nicht sagen könnte).

Peter S. Beagle - Das letzte Einhorn

"Ein Schweigen sprang in den Raum, verdunkelte mit seinem grauenvollen Schatten alle Gesichter, kühlte mit seinem Hauch die heiße Suppe. Die kleine gestromte Katze in Mollys Schoß hörte zu schnurren auf, das flackernde Herdfeuer duckte sich."
"Langsam öffnete sich ein Auge, goldengrün wie Sonnenschein in feuchten Wäldern. "Ich bin, was ich bin. Ich würde dir gern sagen, was du wissen willst, denn du bist gut zu mir gewesen. Doch ich bin eine Katze, und keine Katze hat jemals eine klare Antwort gegeben."
Zwei Zitate, die wohl deutlich machen, um was für eine Art von Autor es sich bei Peter S. Beagle handelt. Er ist ein großer Poet und Geschichtenerzähler, der ein nadelfeines Gespür für Atmosphäre und Romantik besitzt. Hier kurz etwas über den Inhalt...(geschenkt).
Beim Lesen dieses Buches hatte ich jedesmal das Gefühl, in eine Pralinenschachtel zu greifen, in der der Vorrat an wohlschmeckenden Augenweiden langsam aber sicher mit jeder neu gelesenen Seite mehr zur Neige ging, ohne dass ich auch nur annährend gesättigt war. Mit einfallsreichen, tiefgründigen Metaphern überrascht Beagle jedesmal aufs Neue den Leser, der sich nun vielleicht seinerseits daran macht, Dinge nur so zum Spaß mit irgend etwas weit hergeholtem zu vergleichen. Beagle gelingt es, in seinem Buch die Spannung eines Fantasyromans mit einer ihm eigenen Art von Philosophie zu verbinden, so jedenfalls mein Eindruck. Er spricht über selbstzerstörerischen Größenwahn, über die Liebe, die in jemanden (Prinz Lir) ungeahnte Kräfte freisetzt und über das langsame Zueinanderfinden zweier Menschen (Schmendrick und Molly), das im Laufe des Romans immer wieder sich angedeutet hat. An diesem letzten Punkt hat Beagle einmal mehr bewiesen, dass er es glänzend versteht, mit wenigen Worten die Stimmung eines Menschen wiederzugeben. Heißt es da doch kurz vor Schluss, als Molly und Schmendrick sich zum Aufbruch fertigmachen: "Doch Molly Grue lachte nur und schüttelte den Kopf, bis ihr Haar sich löste und sie schöner war als die Lady Amalthea."
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