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Alt 05.08.2017, 12:44
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Ritter der Tafelrunde
 
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Lieblings-Kreaturen hätte ich da einige.

Unter den Kreaturen echter Mythologien habe ich schon als Kind vor allem die Drachen geliebt, vor allem, seitdem ich wusste, dass ich im chinesischen Jahr des Drachen geboren bin.
Auch die Elben von Tolkien habe ich gemocht, seitdem ich als Jugendliche im Jahr des Heils 1980 den Herrn der Ringe entdeckt hatte. Im zuvor gelesenen Hobbit waren sie mir noch als zu albern und feenhaft erschienen. Mit dem Älterwerden habe ich begriffen, dass es zwischen Alben, Alpen, Elben, Elfen und Feen verschiedener Kulturen und Autoren riesige Unterschiede gibt. Elben tolkienscher Prägung entstammen vom Namen her ursprünglich den nord- und mitteleuropäischen Alben, die wie der Nachtalp (von ihm stammen Begriffe wie Alpdruck, Alptraum) nahelegt eher unfreundlich sind. Aber Tolkiens Elben sind nicht grundsätzlich böse, obwohl, wenn man sein Silmarilion liest, man feststellt, dass nicht alle Elben immer viel von den Menschen gehalten haben.
Elfen sind nicht immer die geflügelten Glitzerfeen, an die (ich zumindest) bei diesem Wort spontan denke. Es gibt bösartige unter ihnen, die Kinder aus ihrer Wiege stehlen, die Milch sauer werden lassen, die Wanderer von ihren Wegen in die Irre leiten oder in ihr Reich locken. Zu Markus Heitz´Albae muss man nicht viel sagen, die sind sooo böse. Jim Butcher fasst unter dem Begriff "Fee" oder Fearie sehr viele verschiedene Wesen des Volksglaubens zusammen, einschließlich des mythologischen Vorbilds für den Weihnachtsmann.
Ebenso wie die Elben (etc) gibt es die verschiedensten Interpretationen für die Orks (oder andere Namen tragende aber vergleichbare Kreaturen), von fast tierhaften Urvölkern über die zu bösartigen Zerrbildern verstümmelten und gefolterten ursprünglichen Elben Tolkiens bis hin zu den liebenswerten Rabauken von Stan Nichols). Aber immer sind es Kreaturen, die kaum bezähmbar, stark und tierhaft sind. Spiegelt sich darin das tierhafte, nicht domestizierte Erbe von uns Menschen? Lebe mal Deinen inneren Ork aus?

Jim Butcher und andere gute Autoren erwähnen, wie sehr sich das Bild von r mythologischen Figur im Lauf der Zeit parallel zu der Kultur verändert, in der dieser Volksglaube herrscht. Beispiel Weihnachtsmann!

Das führt dazu, dass sich eine Gestalt der realen Geschichte im Lauf der Zeit auch überhaupt erst zu einer mythologischen entwickeln kann. Die britischen Fearie waren ursprünglich eine indigene Kultur, die von späteren Siedlern (den Kelten? Ich weiß nicht mehr genau) verdrängt, zu einer Minderheit degradiert und letztlich ausgerottet wurden. Vielleicht war es schlechtes Gewissen oder zunächst die Angst vor Racheakten der Unterdrückten und im Verborgenen Lebenden, die den letzten Überlebenden nachsagten, "Unterirdische" zu sein und Zauberkräfte zu besitzen, bzw. verborgene Schätze zu hüten. Passiert(e) mit den Ureinwohnern Nordamerikas, den Indianern nicht ansatzweise Ähnliches? Keiner kann so heimlich die Wildnis durchqueren, sich so gut verbergen, keiner hat so ein "mystisches" Verhältnis zu der belebten Natur. Die "edlen Wilden", die besseren, weil unverdorbenen Menschen! Nachdem sie jahrzehntelang der Inbegriff des Bösen, des Barbarischen, nicht wirklich Menschlichen, Auszurottenden waren (lange wurden von der US-Regierung Prämien für Indianerskalpe bezahlt!), wurden sie später romantisiert und sind inzwischen sogar Vorbilder für Fantasy-Gestalten (Atréju aus der Unendlichen Geschichte, die Na´vi aus Pandora).

Ebenso war es möglich, dass die Gottheit einer älteren Religion zu einer "Märchenfigur" degradiert wurde. Als Beispiel könnte man Frau Holle aus den Märchensammlungen der Brüder Grimm nehmen, die ursprünglich eine germanische Gottheit war, zuständig für Heim und Herd, und der zu Ehrem junge Frauen als Menschenopfer in Brunnen, bzw. Sümpfe geworfen wurden (wie Goldmarie und Pechmarie!). Es hat mich mal sehr zornig gemacht, dass so ein bescheuerter Pastor in einem Zeitungsartikel den Anführer der "Wilden Jagd", die im Winter zwischen Sonnenwende und Jahreswechsel über den nächtlichen Himmel donnerte, den gemanischen Hauptgott Odin/Wotan als "Geist Wod" bezeichnete und degradierte. Über so eine unwissenschaftliche Diskriminierung vorchristlicher Religionen sollten die christlichen Kirchen wirklich hinaus sein!

Die Mythologien der verschiedenen Kulturen dieser Welt bieten ja ein unerschöpfliches Reservoir von Kreaturen, freundlichen wie gefährlichen und/oder bösartigen. Praktisch gleiche Wesen können in verschiedenen Kulturen auch völlig entgegengesetzte Eigenschaften zugewiesen bekommen haben. So gilt der Drache im christlich dominierten Europa als Sinnbild für die (nichtchristliche/gottlose) nicht beherrschbare Natur, für menschenfeindliche Gewalt, die von guten, frommen Rittern bekämpft werden muss. In China dagegen ist der Drache ein Symbol für Glück, Wohlstand und langes Leben.

Tip: mal in der Völkerkundeabteilung einer großen Bibliothek stöbern!

An "unechten" also von Autoren selbst erfundenen Kreaturen gibt es natürlich auch etliche. Beispielhaft können die Kreaturen von Lovecraft genannt werden. Allerdings ist es kaum möglich, etwas auszudenken, das als lebensfähige Kreatur vorstellbar ist und überhaupt keine Ähnlichkeit mit irgendetwas hat, das in irgendeiner Mythologie der Welt schon existiert. So haben auch die namhaftesten Autoren zumindest für das Äußere ihrer Kreaturen an mythologischen oder realen Vorlagen bedient. Die "klassischen" Vorlagen wurden/werden dann in der Regel vom jeweiligen Autor nach seinem persönlichen Geschmack mehr oder weniger abgewandelt und eventuell der Kreatur auch ein eigener Name verliehen.

Irgendwie hat man selber ja auch Bilder vor Augen, wenn man sich "neue" Kreaturen ausdenkt. Meine Takklamatyr ähneln den fledermausähnlichen Flughunden, die Taryr einer anderen Geschichte ähneln dem Vielfraß, einer bärenähnlichen Marderart.

Geändert von Hobbyschreiberin (16.08.2017 um 14:51 Uhr)
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