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Alt 29.10.2012, 21:50
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Lieblingsbuch? Was ist ein Lieblingsbuch? Das ist absolut abhängig von meinen aktuellen Kriterien, meinem Lebensabschnitt und meinem aktuellen Lesebedürfnis.

Als ich zehn war, war die Pippi Langstrumpf-Reihe für mich das Größte, was literarisch überhaupt vorstellbar war. Warum? Das Mädchen lebte allein in einem wunderschönen alten Haus, mit einem Pferd und einem kleinen Äffchen. Es besaß die Macht (mit acht ist Körperkraft damit gleichbedeutend) und die finanziellen Mittel, das unabhängige Leben zu führen, das es wollte. Für ein Kind mit einem älteren und zwei jüngeren Geschwistern, das in einer Vierzimmerwohnung unter der liebevollen aber altmodisch-strengen Aufsicht seiner Eltern aufwächst, eine göttliche Vorstellung und DIE Möglichkeit zur Flucht aus der Realität.
Durch Zufall lernte ich das Buch (ein Sammelband mit drei Romanen) "Weltraumfrachter 'Alter Drache 5'" kennen. Keine Ahnung, ob es jemand kennt. Ein Famileinunternehmen mit drei Generationen an Bord des besagten Frachters schlug sich durch die Galaxis. Nicht reich, nicht berühmt, einfach nur am Leben bleibend, aber natürlich mit kindgerechten Abenteuern. Was mich daran bewegt hat? Die hielten einfach zusammen und ließen sich z.B. von den reichen Gören im Internat kein X für ein U vormachen. Auch ein Lieblingsbuch! Auch Mark Brandis war eine Lieblingsdroge, die großartige deutsche SciFi-Reihe. Wunderbar, dass der Wurdack-Verlag sie neu auflegt! Und Märchen habe ich gelesen! Märchen aus Russland, aus China, aus Indien und Pakistan, aus Arabien, aus ganz Europe, Märchen der Indianer und der Südsee-Insulaner. Grimms Märchen, Andersens Märchen, Brechts Märchen. Um Pratchett zu zitieren: "Ich arbeitete mich durch die Märchen-Abteilung wie eine Kettensäge und erreichte die Völkerkunde-Abteilung, ehe ich es bemerkte. Auf diese Weise baute ich die Flöze auf, von denen ich heute immer noch zehre" (nur sinngemäß zitiert. Wen es interessiert: Pratchetts "Der ganze Wahnsinn", meiner Meinung nach ein Muss für selbst Fantasy schreibende Autoren)

Als ich Teenager war, lernte ich den Herrn der Ringe kennen und konnte nicht fassen, dass es so etwas Großartiges gab. Diese Welt! Diese Rassen! Dieses Wiederfinden des Kerns alter Märchen,Sagen und Mythen in einem Werk der Unterhaltungsliteratur! Es war wie ein Nach-Hause-Kommen! HdR war das Größte für mich!!! Ich brauchte und wollte nichts anderes! Mein absolutes Lieblingsbuch!

Kurz danach lernte ich Astrid Lindgrens "Brüder Löwenherz" kennen. Für einen jungen Menschen der 70er Jahre war das eine Rückbesinnung, eine Offenbarung. Die Vorstellung, dass es ein Leben nach dem Tod geben könnte, in dem man nicht auf einer Wolke sitzen und Harfe spielen muss (und das somit völliger, unvorstellbarer und nicht erstrebenswerter Nonsens war), nein, das ein LEBEN war. Das Thema erhielt für mich eine völlig neue Bedeutung! Natürlich nur ein Kunstmärchen. Aber ein unglaubliches WAS WÄRE WENN ...
Mein heimliches (immerhin war es ein Kinderbuch!) Lieblingsbuch für Jahre!

In der Schule habe ich ungläubig Goethe, Schiller und Kafka gelesen. Dass es so etwas gab! Etwas so Wahres! Woher wussten die,was mich bewegte?

Ja, dann kamen viele Bücher, die einfach ungeheuren Unterhaltungswert hatten. Soll ich sie hier aufzählen? Es waren eine Menge. Eine Zeit lang war ich Allistair McLeans Action Thrillern verfallen, einfach weil mir die Härte gefiel. Ich weiß, das ist vermutlich ein Zeichen für meinen schlechten Charakter. Ich mochte es einfach. Ich las Wilbur Smith´s "Sonnenvogel", den ich unglaublich gut fand, und andere Romane, die tief in die Historie griffen. Warum? Weil sie mir die Historie vorstellbar und nachvollziehbar machten. Ein Geschichtslehrer (der wegen seines aufrichtigen Patriotismus (nicht zu verwechseln mit Nationalsozialismus!) sehr angegriffen wurde, lehrte meine Schulklasse damals, dass man das Handeln früherer Persönlichkeiten immer vor dem Hintergrund ihres jeweiligen kulturellen und politischen Umfelds bewerten muss, nicht nur nach unserem heutigen Wertesystem. Was hätte ICH in dieser Situation getan? Ganz ehrlich!!! Ich habe viel von ihm und aus meiner Lektüre gelernt. Danke, Herr Finke!
"Ramses" Teil 1 bis 3 über "Sinuhe der Ägypter" über "Ein Kampf um Rom", "Die Nebel von Avalon", "Das Dschungelbuch" Band 1 und 2 (nicht die Disney Fassung!!!) und vele andere Bücher bis hin zu "Der Tod im Reisfeld" (was zugegebenermaßen kein Roman ist, sondern eine erschreckende Dokumentation) und unzählige andere, ... ich habe viel gelesen, was mich bewegt hat, auch wenn es keine Weltliteratur war. Lieblingsbuch? Keine Ahnung, Immer das, was ich gerade las, vermutlich.

Hochwertige SciFi kam hinzu (und einiges an Schund). Ich suchte nach Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der Menschheit, nach Lösungen. Frank Herberts Wüstenplanet gehörte natürlich dazu. Aber ich habe auch wegen Philip K. Dicks "Träumen Roboter von elektrischen Schafen", der literarischen Vorlage für den Kultfilm "Blade Runner" geweint und atemlos über "Solaris" und andere Bücher von Stanislaw Lem gestaunt. Lieblingsbücher? Keine Ahnung! Damals garantiert, obwohl nur zum Teil unterhaltend.

Ich las und liebte den "Medicus" von Noah Gordon und lernte, dass Europa und 'der Westen' nicht immer beispielgebend waren, dass es aber nicht schlimm ist, von anderen zu lernen. Schlimm ist es, das Wissen Anderer nicht zu respektieren, nur weil es 'Andere' sind, und deswegen nicht von ihnen lernen zu wollen.

Ich las alle Bücher von James Clavell, den "Shogun", den "Tai Pan", den "Rattenkönig", über Menschen, die in Extremsituationen lernen mussten, allein zu entscheiden, sich durchzuschlagen und an ihren Wertesystemen zu arbeiten.

Bedingt durch mein Hobby Karate las und liebte ich natürlich den "Musashi" undl lernte aus ihm eine Menge über Zen und darüber, dass man sich um das, was man will, schon bemühen muss, denn in der Regel wird es einem niemand auf dem Silbertablett servieren.

Ich lernte A.D. Fosters Flinx kennen und lieben, und dessen persönlichen Versuch, sich (und seine PSI-Kräfte) nicht vereinnahmen zu lassen, sondern das eigene Leben möglichst den eigenen Maßstäben entsprechend zu leben.

Und ich lernte davon ausgehend A.D.Fosters psychedelischen "Bannsänger" Jonathan Tomas Meriweather kennen, der ,in eine Fantasy-Welt verschlagen, herausfinden musste, wer und was er war und sein wollte. Ich habe Tränen gelacht über das vermittelte Hippie-Feeling.

Dann schrieb mir jemand:"Du magst komische Fantasy? Dann lies doch mal Prtatchett!" Und ich lernte eine neue Dimension kennen, in der Philosophie so komisch verpackt ist, dass man sich dagegen vor Lachen nicht wehren kann. Kommandeur Mumm! Ach, dieser großartige Mann! Oma Wetterwachs! Nanny Ogg! Sogar Magrat und Agnes! TOD! Sie alle habe ihre Schwächen, wegen denen man sie verurteilen, oder zumindest nicht mögen könnte. Aber sie gehen ihren Weg durch ein Leben, das sie sich nicht ausgesucht haben, auf eine Weise, die sie nach ihren eigenen hart erkämpften Maßstäben für richtig halten. Zum Teufel mit dem, was andere wollen. Lieblingbuch? Kann man dreißig Lieblingsbücher haben? Eines der besten davon (für mich) ist die "Nachtwache". Pratchett ist und bleibt Lieblingslektüre und ich nehme alle meine Bücher von ihm immer wieder in die Hand.

Ich habe die Tintentrilogie gelesen und fand Band 2 zum Niederknien, Band 3 sehr gut, Band 1 einfach der Vollständigkeit halber dazu gehörend. Aber ich mochte auch die Glitzervampiere aus Twilight und die Softpornos für Frauen aus J.R. Wards "Black Dagger"-Reihe, weil mir manchmal einfach danach ist. Keine Lebensanschauung, um Gottes Willen! Einfach nur Unterhaltung.

Die Drachenreiter von Pern gehören seit Jahren zu meiner Lieblingslektüre, weil sie einfach gut sind, spannend, unterhaltsam, ein interessantes Weltmodell beschreibend. Meine älteste Tochter habe ich praktisch nur mit Büchern von Mc Caffrey in der Hand gestillt. Ich hoffe, das hatte keine Einfluss auf die Milchqualität. Immerhin ist sie inzwischen 15 und liest vorzugsweise Fantasy ... Durch meine Kinder bin ich mit Kinderbuchklassikern wieder in Berührung gekommen und habe ihre Qualität teils jetzt erst richtig begriffen, "Momo" und "Die unendliche Geschichte" zum Beispiel. Echte Lieblingsbücher! Auch Karl May habe ich vor einigen Jahren wieder entdeckt und finde ihn trotz der überhaupt nicht mehr zeitgemäßen und schwer lesbaren Sprache unheimlich gut, weil auch seine Helden immer wieder vor Gewissensentscheidungen stehen und menschlich reagieren.

Seit einigen Jahren, insbesondere seit ich selber schreibe, habe ich angefangen, mich mit der aktuelleren Fantasyliteratur zu beschäftigen. Man muss schließlich wissen, was die Konkurrenz schreibt. Nein, Quatsch! Aber ich habe das Lied von Eis und Feuer gelesen, weil es mir empfohlen wurde und weil ich wissen muss, welche Ähnlichkeiten ich NOCH vermeiden muss, außer den bereits entdeckten. Eine unglaublich umfangreiche Reihe, nicht nur quantitativ. Eine ganze Welt, wenn auch nicht so schön und vertraut wie Mittelerde. Aber hat sie überhaupt einen Plot oder versucht der Autor nur, die Lage für die Charaktere immer noch verzweifelter zu machen? Ichweiß es nicht und verzweifele schon daran, woran man erkennen kann, wie sehr mich die Reihe fesselt. Ein Lieblingsbuch/reihe? Eigentlich eher nicht, höchstens der erste Band. Aber warum lese ich dann so gebannt weiter?
Der Name des Windes ist sicher eine der am schönsten geschriebenen (und übersetzten! Man unterschätze niemals die Bedeutung eines herausragenden Übersetzers für ein fremdsprachiges Buch!) Erzählungen der letzten Jahre. Aber ich habe mich dabei ertappt, dass ich im zweiten Teil es zweiten Bandes, (... äh, ... man merkt schon an dieser Formulierung, dass die Reihe ein wenig auszuufern beginnt), seitenweise Text übersprungen habe, um endlich mitzukriegen, wie es weiter geht. Keine Frage, dass ich die übersprungenen Stellen später mit Genuss nachgeholt habe. Lieblingsbücher? Eigentlich schon, irgendwie.

Was mein Lieblingsbuch ist? Kommt drauf an, wann und in welcher Stimmung Ihr mich fragt, ehrlich.

Geändert von Hobbyschreiber (16.11.2012 um 21:35 Uhr)
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