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Alt 15.09.2012, 15:02
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Hohlbein sehe ich eigentlich eher als Handelsmarke (wie die Aldi-Hausmarken Medion und Milsani, oder Edekas "Gut und günstig"). Ich denke, er schreibt im Gegensatz zu all den Autoren aus Leidenschaft nicht, weil er Geschichten in sich hat, die erzählt werden wollen, sondern, weil er gegen Bezahlung Massenware herstellt. Ein einträgliches Geschäft auch für den Verlag, der ihn durch ein professionelles Marketing zu einer festen Größe, fast einem Monopol in der deutschen Fantasy machte. Die Protektion begabter junger Autoren wie seinerzeit Bernhard Hennen, der ebenso wie er selber über einen Wettbewerb den Einstieg in die professionelle Schreiberei fand, ist eine weitere kluge Marketing-Maßnahme, da sie ihn ja keinerlei Geld und Mühe kostet, aber viel Image verschafft. Außerdem verdient der Verlag an Bernhard Hennen inzwischen ebenfalls gut.

Wer unter dem Pseudonym "Angela Bonella" Barbie-Bücher für kleine Mädchen schrieb ('weil er seinerzeit jung war und Geld brauchte', wie er in einem TV-Interview mit Stefan Raab einmal erkärte) und auch noch zahlreiche andere Pseudonyme führt (guckst du hier: Wolfgang Hohlbein und hier: Wolfgang Hohlbein - Wikipedia, the free encyclopedia und hier: Wolfgang Hohlbein), wer innerhalb von 30 Jahren (seit 1982) 250 Bücher produziert (mal zum Verdeutlichen: das sind rund acht Stück pro Jahr, die Groschenheftchen nicht mitgerechnet, ... Pratchett, der auch als sehr fleißig gilt, schaffte in seinen guten Zeiten 2 Stück!), und kapitelweise Texte von einem Buch ins andere kopiert, der ruft natürlich auch Kritiker und Zweifler auf den Plan, ganz zu schweigen von Neidern. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass die stark schwankende Qualität seiner Bücher daher kommt, dass er Ghostwriter beschäftigt, deren Werke er dann unter seinem eigenen Namen heraus bringt. Seine Ideen stammen vielfach aus Erfolgsbüchern anderer Autoren und aus der Mythologie der verschiedensten Völker, was freilich auch auf viele andere Autoren zutrifft.

Dass mir Hohlbeins Bücher gefallen, kann ich nicht gerade behaupten. Ich habe mich inzwischen an vieren davon versucht und mochte kein einziges. Jemand schrieb hier in diesem Thread, "langweilig" seien sie, und das ist auch meine Wahrnehmung. Aber das ist nur meine Meinung und andere haben eine andere. Viele Leser, insbesondere Jugendliche, mochten und mögen Hohlbeins Bücher, vor allem als Einstieg in die Phantastik. Denen sei diese Ware gegönnt. Sie liest sich schnell weg und zwingt nicht zum Mitdenken, ermöglicht also leichte Entspannung. "Aha"- und "Ooooh, wow!"-Erlebnisse bleiben allerdings (bei mir) leider aus. Schade finde ich es auch, dass der Markt so von Hohlbein- und ähnlichen Büchern gesättigt ist, dass für "Anderes" kaum Platz ist. Die großen Verlagskonzerne beherrschen den Buchmarkt so sehr (z.B. durch Verträge mit den großen Handelsketten durch feste Abnahme-Kontingente und Regalmeter an exponierter Stelle, teils sogar durch Exklusivrechte), dass sie Klein- und Selbstverleger aus dem Geschäft weitgehend heraushalten können.

Der Titel des "meistgelesenen Autoren deutscher Sprache" (den früher Karl May inne hatte) wirkt dadurch ein bisschen zu Unrecht erworben. Ist das aber etwas, was man dem Autor vorwerfen kann und darf? Sicher hat Hohlbein, der als gelernter Industriekaufmann doch als Nachtwächter arbeiten musste (oder angeblich wollte), nach seinem Wettbewerbserfolg mit "Märchenmond" die Chance auf eine Schriftstellerkarriere beim Schopf gepackt. Welcher Hobbyautor würde für eine vergleichbare Chance nicht seinen rechten Arm hergeben oder seine Seele? Aber wenn ich mir diesen inzwischen recht desillusioniert und müde aussehenden Mann bei öffentlichen Auftritten anschaue, frage ich mich, ob er nicht genau das getan hat: Seine Seele verkauft, seine bestimmt anfänglich vorhandene Leidenschaft für gute Geschichten, seine Sehnsucht, so zu schreiben wie seine literarischen Vorbilder (nämlich bahnbrechend, innovativ und orginell), ob er das alles nicht dem Teufel namens "Geschäft" geopfert hat. Wieviel aus den unter seinem Namen verkauften Büchern kommt wirklich noch aus seinem (eigenen) Herzen? Kennt er die Texte überhaupt, die in "seinen" Büchern stehen? Interessiert es ihn (noch)? Oder ist er nur mehr ein Aushängeschild für seinen Verlag, der mit einem künstlich/kunstvoll/gekonnt geschaffenen und mittlerweile reichlich strapazierten Markennamen Bücher mittlerer Qualität verkauft? Zumindest muss Hohlbein heute nicht mehr als Nachtwächter arbeiten. Aber ob er jetzt glücklicher ist als damals, kann nur er selber beurteilen.

Vielleicht wäre es an der Zeit für ein weiteres Pseudonym, ein heimliches, unbekanntes. Stephen King schrieb seinerzeit auf dem Gipfel seines Erfolges mehrere Bücher, die er unter dem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlichte. Damit wollte er angeblich testen, ob er auch ohne seinen berühmten Namen Erfolg haben könnte. Vielleicht wäre das auch für Hohlbein eine interessante Erfahrung. Ob ein Buch in der durchschnittlichen Hohlbein-Qualität unter einem unbekannten Namen einen Agenten oder Verlagslektor heutzutage wohl überzeugen würde?

Geändert von Hobbyschreiber (15.09.2012 um 22:54 Uhr)
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