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Alt 14.09.2010, 13:28
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DarkWolfi DarkWolfi ist offline
Dämonenwolf
Waldelfe
 
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Ort: In der Erinnerung derer, die an mich denken
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Die Klammern waren als Kommentare des "erzählers" gedacht und können leider nicht immer durch Gedankenstriche ausgetauscht werden...
Ich denke, die Kapitellänge wird hier keinen überfordern, ich lass mir ja auch mit dem posten Zeit ^^


Kapitel 1 -Neuanfang


Gleich. Gleich würde er kommen, ich wusste es. Ich hatte es mir sogar im Kalender notiert. Gespannt sah ich durch das Fenster nach draußen in die Dunkelheit. Eine einsame Straßenlaterne spendete der Straße etwas Licht. Alles wirkte wie in einem Krimi oder Thriller. Es war, als könnte jedem Moment etwas passieren und man hörte schon in seinem Kopf die Schüsse widerhallen. So waren sie eben, die Nächte in Glessnot.
Langsam und leise schob ich das Fenster nach oben und schlüpfte in die Nachtluft. Mit einem Sprung landete ich im nassfeuchten Gras und sah noch einmal auf das niedrige Dach hoch. Dann zog ich die Kapuze meines dunkelblauen Pullis weiter über mein Gesicht und wartete im Schatten auf ihn.
Die Minuten zogen sich in die Länge, aber ich wurde nicht enttäuscht. Schon von weitem nahm ich das Rollen der Räder eines Skateboards wahr, das sich mir näherte. Ein munteres Pfeifen, wie eine Kindermelodie aus alten Zeiten erklang aus der Finsternis. Es erzählte die Geschichten früherer Tage voller Sonne und Licht und verstummte erst, als ein Junge auf seinem Brett angerollt kam und direkt unter der Laterne hielt.
Mit dem Fuß ließ der das Skateboard hoch flippen und hielt es dann locker in der Hand. Dann drehte er den Kopf zu mir. Ich war mir sicher, dass er mich fixierte, auch wenn das von den Lichtverhältnissen schier unmöglich erschien, also trat ich vor. Der 16jährige vor mir trug ein schwarzes Shirt, darüber eine Jeansjacke mit abgerissenen Ärmeln. An der ebenfalls dunklen Dreiviertelhose hingen ein paar Schlüssel und Beutelchen. Um den Hals trug er ein Halsband mit fast 3cm langen Nieten. Sein Gesicht war fast gänzlich von braunblonden Zotten verdeckt, die er jetzt mit einer seiner in fingerlosen Handschuhen gepackten Hände zur Seite schob. Seine kantige Nase wies Spuren von aufgekratzten Pickeln auf, seine blasse Haut war schmutzig und von Kratzern übersät. Er fuhr sich mit einer seiner Spinnenfinger-Hände über die Nase. Aus dieser kleinen Bewegung - und dem folgendem Schniefen - schloss ich eine Erkältung.
„Hast du davon, wenn du immer in dem Zeug nachts durch die Straßen wanderst“, triezte ich.
„Ach, halt doch den Mund“, erwiderte mein Gegenüber. „Überhaupt wandere ich nicht, ich fahre“, fügte er kurz darauf hinzu.
Ich wurde, auch wenn ich es ungern zugab, ungeduldig. „Was ist jetzt?“, wollte ich wissen.
„Erst der Alk“, verlangte der Skateboarder und verschränkte die Arme.
„Betrunken soll man aber nicht fahren“, witzelte ich.
„Sehr lustig, Teddy.“ Die Ironie in seinem Ton war nicht zu überhören, zumal er genau wusste, dass ich diesen Namen nicht besonders mochte.
Ich holte eine Schnapsflasche unter meinem Pulli hervor. „Reicht das?“
Ein prüfender Blick auf die Marke und schon hatte sich der Blonde die Flasche geschnappt. „Du bist der Beste, Teddy“, gratulierte er und drehte den Schnaps in seiner Hand.
„Geht’s jetzt endlich los?“
Ich kam mir vor wie ein kleines Kind, als ich das fragte, aber ich konnte einfach nicht anders. Schon immer wollte ich zu einer dazugehören, einer Bande, meine ich.
Hier in Glessnot gab es viele davon, so viele, dass man sie nicht zählen konnte, doch nur wenige hatten es geschafft, sich „berühmt“ zu machen. Einer dieser wenigen waren die Black Panthers und Streuner, so hieß der Junge vor mir, gehörte zu ihnen. Das hatte er mir jedenfalls gesagt, als ich ihn getroffen hatte. Es war im Bordell gewesen und er wollte sich was zu Trinken stibitzen. Es war purer Zufall, dass ich ihn gesehen habe. Allerdings hatte ich ihn nicht verpfiffen und deshalb war er mir etwas schuldig.
Streuner ließ das Board auf die Räder fallen und sprang drauf. „Dann mal los“, rief er noch und fuhr auch schon los. Ich folgte ihm so schnell mich meine Füße trugen.

Glessnot war eine große Stadt. Viel zu groß, wie ich mir jetzt dachte. Ich lief jetzt schon eine Ewigkeit hinter meinem Führer her. Dieser grinste mich ab und zu frech an und setzte den Weg ohne ein Wort fort. Irgendwann stoppte ich dann. Es dauerte etwas, bis Streuner das mitbekam und zu mir zurückrollte.
„Was ist denn los, Ted?“, fragte er schmunzelnd.
Misstrauisch sah ich ihn an. Hier stimmte doch was nicht. Ich sah mich noch mal etwas genauer um und konnte es nicht fassen. Wütend ballte ich die Fäuste. „Streuner!“ Schulbewusst grinste er mich an.
„Was ist denn, Teddy?“
„Du elender Mistkerl! Wir sind einmal im Kreis gelaufen! Da vorne ist das Bordell!“, wütete ich und verfluchte meine Augen dafür, dass sie es nicht früher erkannt hatten und mich, weil ich nicht oft genug draußen unterwegs war.
„Ich weiß“, kicherte er.
Langsam begriff ich. Der Junge wollte mehr aus der Sache rausholen. Er wusste, dass ich an die Quelle gut rankam und wollte die Situation ausnutzen.
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, murrte ich genervt.
„Ich mag es einfach, dich zu ärgern“, lachte der Skateboarder und fuhr einmal um mich herum. Ich brauchte einige Mühe, um mich im Zaum zu halten.
„Könntest du mich jetzt endlich zum Treffpunkt bringen? Du bekommst morgen noch was…“
Streuner musterte mich noch mal kurz, dann bog er in eine kleine Seitenstraße, die ich vermutlich nicht mal bemerkt hätte, wenn er nicht darin verschwunden wäre.
Mit leisem Tröpfeln fing es an zu regnen. Das Nass sammelte sich am Boden zu größer werdenden Pfützen, als aus dem angenehmen Nieseln ein kräftiger Schauer entstand. Mit einer Hand versuchte ich die Kapuze noch etwas weiter über mein Gesicht zu ziehen, ohne dabei aufzuhören zu laufen. Vor mir hörte ich die Rollen durch das Wasser fahren, meine Füße trugen mich ihnen nach, immer weiter durch den Regen und die Dunkelheit. Als Streuner endlich stehen blieb, wäre ich fast mit ihm zusammengestoßen. Er schob seine völlig durchnässten Haare aus seinem Gesicht, wischte sich einmal über die Nase und stieg dann vom Brett.
Ich sah mich um. Wir standen vor einem alten Haus, vermutlich ein halb zerfallenes Lagergebäude. Ich war so in die düstere Umgebung vertieft, dass ich erst gar nicht merkte, wie mein Führer mit dem Board in seiner Hand zu einer morschen Tür ging. Eifrig ging ich ihm nach. Mein Herz schlug so schnell, dass ich befürchtete, es würde mir gleich aus der Brust springen. Wie lange hatte ich von diesem Tag geträumt?
Tagein tagaus hatte ich in diesem Bordell festgesessen, schon seit der Staat die Schule abgesetzt hatte. Er brauchte Geld und deshalb sollten die Eltern ihre Kinder selbst unterrichten. (Seit dem hatte man kaum noch etwas von den Politikern gehört…) Da meine Mutter, um es mal harmlos auszudrücken, nicht sehr gebildet war, bestand mein Leben bald nur noch aus Schlafen und Lesen. Da fragte man sich doch, warum ich nicht mal hinausgegangen war. Na ja, man würde sich das fragen, wenn wir nicht in Glessnot wären. Hier traute man sich nicht gern auf die Straße und ich erst recht nicht. Nicht, weil ich Angst hätte! Nur wurden Hurensöhne nicht besonders nett behandelt und ich hing noch etwas an meinem bescheidenen Leben.
Nachdem Streuner geschlagene fünf Minuten an seinem Hosenbund gefriemelt und sämtliche Taschen seiner Jacke durchsucht hatte, ließ er verärgert sein Skateboard fallen. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch. Der 16jährige probierte aus, ob die Tür aufgeschlossen war, dem war aber nicht so.
„Hilf mir hoch“, murmelte er dann, ohne mich anzusehen.
„Hä?“
Ich verstand nur Bahnhof, dann aber zeigte er nach oben. Über der Tür war ein kleines Fenster, das schmutzige Glas eingeschlagen und die Kanten waren trotz der Blässe bestimmt noch nicht stumpf.
„Da passt du doch nie durch“, kritisierte ich ihn.
„Hab ich behauptet, dass ich durch muss?“, erwiderte er deutlich genervt, also machten wir schnell eine Räuberleiter. Ich wusste nicht, was genau er da tat, aber ich hörte, wie er leise vor sich hin fluchte.
„Kannst du dich mal beeilen?“, fragte ich, denn die harten Sohlen seiner Stiefel drückten schwer auf meine Schultern.
„Hab’s gleich“, kam es von oben.
Als er endlich von mir hinab sprang, war ich mehr als erleichtert. Wenn man ihn so sah, würde man nicht denken, dass er so viel wog. Oder lag es daran, dass ich kleiner war als er?
Streuner hatte einen kleinen Schlüssel in der Hand, der hinter dem zerbrochenen Glas gelegen haben musste. Mit ihm schloss er jetzt die Tür auf und trat ein. Neugierig folgte ich ihm. Ich fand mich in einem kleinen Vorraum wieder, vielleicht zwei mal zwei Meter, mehr nicht. Er war vollständig mit Logos einer springenden Raubkatze und Warnschildern tapeziert. „Achtung Katzen!“, stand in krakeliger Schrift an der nächsten Tür, darunter fauchte mich ein ins Holz geschnittener Panther an. Was würde mich hinter ihr erwarten?
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"Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit."
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