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Alt 20.11.2012, 10:07
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Cassandra Cassandra ist offline
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
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Zitat von Marius Beitrag anzeigen
An der Kante der Welt stand ein Mann. Er trug dunkle, lederne Kleidung wie es in der nördlichen Mark üblich war und ein Schwert hing auf seinem Rücken.
Eigentlich war es [er] kein besonderer Mann. Er war weder schön noch hässlich, weder muskulös noch schwächlich, weder dick noch dünn, weder klein noch groß. Er hatte kurzes braun, schwarzes Haar und ebenfalls braune Augen. [Eigentlich könntest Du das weglassen oder kürzen. Diese Aufzählung stört ein wenig den ansonsten düsteren Charakter des Ausschnitts.]
Der Mann war der zweite Sohn eines Fürsten und würde somit nichts erben. Kurz[,] er war ein Niemand. Sein Vater würde ihn an irgendeine Tochter eines anderen Fürstens verheiraten, nur um an dessen Land zu kommen. Wahrscheinlich an die hässliche Valentine vom Adlerpass. Ihm grauste es bei dem Gedanken. Der Mann war sehr verzweifelt! [Evtl.: Dem Mann grauste bei dem Gedanken und er war sehr verzweifelt.]
Und nun stand er hier an der Kante der Welt. Die Erde brach vor ihm einfach ins dunkle, schwarze Nichts ab.
Er drehte sich noch einmal rum. Sein Pferd, ein alter Schimmel glotze[,] [glotzte] ihn an. Ihm würde es egal sein[,] ob er sprang. Hinter ihm lag [Evtl: Etwas weiter hinten ... ] der dunkle Wald. Vom Wind gebeugte Kiefern standen wie eine Armee in Reih und Glied vor ihm. Auch ihnen wäre es egal[,] wenn er springen würde.
Ein paar einzelne Schneeflocken trudelten [Evtl.: ... wurden vom Wind ...] durch die Luft [getrieben]. Sobald sie den Boden berührten[,] schmolzen sie dahin, genauso[,]wie sein Traum von einem glücklichen Leben. Zu seiner Rechten lag das graue Meer. Kleine Wellen rauschten immer wieder den Kiesstrand hinauf und transportierten [„Transportieren“ steht immer alleine, ohne „mit sich“. Entweder Du schreibst „transportieren“ eben ohne das „mit sich“ am Ende oder Du formulierst es so: … und führte morsches Schwemmholz mit sich.] morsches Schwemmholz mit sich.
In der Ferne heulte ein Wolf und neben ihm, vom Geheul aufgeschreckt flatterte[,] eine Eule gen Himmel. [Die Stelle hier gefällt mir extrem gut! Sie ist zwar symbolisch sehr stark aufgeladen, aber es passt prima zu dem Text.]
Er drehte sich wieder um. Seine Fußspitzen lugten schon über die Kante. Noch einmal überlegte er [fragte er sich], wer wohl um ihn trauern würde.
Sie! Sie würde um ihn trauern. Aber was brachte ihr das schon[?] Sie war die Tochter eines Müllers. Er dachte an ihr Lächeln und daran wie er ihr immer das Mehl, das nach der Arbeit in ihren blond,gelockten Haaren hing, hinaus gebürstet hatte. Fast überlegte er [dachte er schon daran] , nicht zu springen. Er dachte weiter an das Mädchen [Evtl.: Für einen Moment existierte in seinen Gedanken nur noch dieses Mädchen - …], seine einzige wahre Liebe. Der junge Mann dachte an ihre blau, grünen [blaugrünen] Augen und an die eine Nacht [Komma entfernt] in dem verlassenen Heuschober.
Dann schob sich das Bild seines Vaters in seine Erinnerungen. Sein höhnisches Lächeln, als der alte Mann mit den grauen Haaren [Würde ich evtl. weg lassen, weil es hier nur stört.] ihm ins Gesicht sagte, dass er sie nie wieder sehen durfte [dürfe], da sie es nicht Wert währe [wäre --> besser: sei] und vom Stand [von ihrer Herkunft] viel zu weit unter ihm [stünde] . Er hatte der Familie [des Mädchens] befohlen weg zuziehen [wegzuziehen] und sich in der Gegend nie wieder blicken zu lassen, da sie das sonst mit dem Tode bezahlen würden.
Er war zusammengebrochen auf dem kalten, steinernen Boden der grauen Halle. Tränen waren ihm durchs [übers] Gesicht geflossen. Sein Vater, sein Bruder und die Wölfsköpfe, die die Wände der Halle schmückten hatten erbarmungslos auf ihn hinab geblickt. [Der Satz klingt ein bisschen merkwürdig. Evtl.: Sein Vater und sein Bruder hatten erbarmungslos auf ihn hinab geblickt und selbst die Wolfsköpfe an der Wand schienen ebenfalls keinerlei Mitleid zu empfinden.] Er war hinaus gerannt und hier her [hierher] geritten. Ans Ende der Welt. Ans Ende.
Auch jetzt rollte wieder eine einzelne Träne seine Wange hinunter [hinab]. Sie hinterließ eine saubere Spur im Dreck und Staub des Rittes, der seine Zeichen auf dem Gesicht des Mannes hinterlassen hatte.
Er schaute nochmal in [... warf noch einen Blick auf ...] die Landschaft und streckte [breitete] die Arme aus. Der Wolf heulte erneut.
Er ließ sich fallen. Ins Nichts.
Der Schimmel schaute ihm kurz hinterher, dann senkte es [er] den Kopf, nicht um Trauer zu zeigen, sondern nur aus dem simplen Grund des Hungers. Es [Evtl.: Das Tier begann ... ] begann an einem der kleinen Heidekrautbüsche zu zupfen und würde nie wieder einen Gedanken an den Mann verschwenden, der eben in den Abgrund gesprungen war.... "

Ja, ich kann mich da dem Dunklen Meister nur anschließen . Das Bild, das Du da oben zeichnest hat eine ganz eigene, den Leser berührende Stärke. Ich weiß ja nicht, ob Du das absichtlich gemacht hast - aber es ist ein prima Kniff, wenn die äußere Umgebung den Seelenzustand der Figur wiederspiegelt.
Auch die Wiederholung des Wortes "Nichts" ist hier sehr passend: man denkt dabei unwillkürlich an das Ende von Allem, das Ende von einem selbst, das Nichts da draußen ... Es kann ebenfalls als Synonym für die Gleichgültigkeit seines Umfeldes stehen.
Was soll ich sagen - wir hatten ja mal eine Diskussion zum Thema "Der Erste Satz" in einem anderen Thread. Ich bin immer noch der Meinung, dass dieser eine Satz nicht unbedingt für das ganze Buch sprechen sollte/ dürfte, ABER: wenn der erste Abschnitt eines Buches so aussieht, wie Deiner hier - Mann, dann wird das Buch sofort gekauft. Spannung in so wenigen Zeilen aufzubauen, ist echt ein Talent.
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Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (27.01.2013 um 17:11 Uhr)
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