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Alt 24.06.2015, 15:12
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Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
Registriert seit: 04.2012
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Hallo nochmal!

Deinen Schreibstil finde ich schon in Ordnung. Du bist recht dicht bei deiner Figur, und auch die Szenendetails, die du beschreibst, sind m.E. sowohl plastisch als auch ökonomisch - was heißt, dass du deine Szene nicht mit ellenlangen Landschaftsbeschreibungen überfrachtest, die sich zwar vielleicht hübsch lesen lassen, aber mit der Figur selbst und ihrer gegenwärtigen Situation und ihrem körperlichen und psychischen Zustand nur wenig bis gar nichts zu tun haben. Das finde ich persönlich nicht das Schlechteste.

Das Einzige, was mir nicht so gut gefällt, sind die eingestreuten kursiv geschriebenen Gedanken Elrans, die er quasi in wörtlicher Rede an sich selbst richtet ("Ich muss die Herde erreichen, bevor sie zu tief talabwärts rennen und ich sie in der Wolke verliere"; "Das nächste Mal muss ich mir mehr Proviant mitnehmen."). Das ist sicherlich mehr eine Frage des persönlichen Geschmacks als eines guten oder schlechten Schreibstils, aber ich empfinde solche pseudo-dialogischen bzw. monologischen Gedankenfetzen in einem Text, der ansonsten fast durchgängig in erlebter innerer Rede erzählt wird (Aber er brauchte das Fleisch; Sie mussten ihn gewittert haben; Damit liefen sie jetzt genau auf Lend zu - statt zu schreiben: Aber ich brauche das Fleisch; Sie müssen mich gewittert haben; damit laufen sie jetzt genau auf Lend zu), als willkürlich und unnötig. Dadurch entsteht m.E. ein stilistischer Bruch in einem Text, der zumindest mich mehr aus dem Bewusstseinsstrom der gerade fühlenden und denkenden Figur herausreißt, statt mich tiefer hineinzuziehen. Als vereinzelte dramatische Farbtupfer finde ich solche kursiv gesetzten Gedanken nicht übel (z.B. Er starrte auf die Tierkadaver. Oh Gott! Blut, überall war Blut!), aber die Figur ganze Zeilen lang auf diese Weise denken zu lassen, ist für meinen Geschmack zu heterogen und wirkt auf mich zerrissen.

Eine andere Sache, die ich persönlich ebenfalls nicht mag, ist es, in einer Szene, die aus der Perspektive einer bestimmten Figur geschrieben ist (also z.B. Elran), plötzlich von "der Junge" oder "der Mann" oder "der Bürgermeister" zu reden, wie du es zwei oder drei Mal getan hast. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, bringt eine solche Formulierung m.E. immer ein Stück auktoriale Distanzierung in die Beschreibung der Figur mit hinein, da Elran (oder wer auch immer) nicht plötzlich anfängt, von sich selbst als "der Junge" zu denken. Insofern blickt man für diesen winzigen Moment mehr von außen auf die gerade handelnde Figur, statt nach wie vor in ihrem inneren Erleben mitzufließen. Aus diesem Grund würde ich stets den Namen der Figur bzw. "er" oder "sie" verwenden, bis die Perspektive zu einer anderen Figur wechselt.

Die Idee deiner Geschichte ist im Grunde - so wie dein Einstieg - m.E. ebenfalls sehr klassisch angelegt. Ein magiebegabter Jugendlicher, eine Prophezeiung, ein finsterer Gott, dem diese Prophezeiung ein Dorn im Auge ist und der alles daransetzt, den Helden auszuschalten - das alles ist sicherlich ein Szenario, das es in vielen verschiedenen Variationen schon recht oft gegeben hat. Das muss allerdings gar nichts Schlechtes sein, denn natürlich kann man mit seinen eigenen Geschichten das Rad nicht neu erfinden, und wer krampfhaft versucht, irgendetwas unglaublich Originelles und noch nie Dagewesenes zu schreiben, wird wahrscheinlich am Ende keine einzige Zeile zu Papier bringen.

Wichtig wäre m.E. bei deiner Geschichte, dass du deinen Protagonisten nicht nur zu einem Erfüllungsgehilfen der Prophezeiung machst, der, ohne besonders charakteristische persönliche Eigenschaften zu besitzen, seine Aufgabe lediglich stoisch abarbeitet, sondern dass du ihn mit einem interessanten inneren Konflikt ausstattest, an dem sich zugleich die Entwicklung deiner Figur im Lauf der Handlung zeigen kann. Also wenn Elran z.B. ein total schüchterner und introvertierter Junge wäre, der viel lieber Gedichte schreiben möchte, statt die Welt zu retten, sich aber gegenüber seinem berühmten Heldenvater immer minderwertig und ungeliebt gefühlt hat und die Prophezeiung nur erfüllen will, um von ihm Anerkennung zu bekommen.

Bei einer solchen Konzeption (das ist jetzt nur ein Beispiel, es gibt unzählige Möglichkeiten für derartige innere Konflikte) wäre die Prophezeiung letztlich nur der vordergründige Anlass, um den Protagonisten seinen eigenen Weg finden zu lassen, und das für den Leser eigentlich Interessante wären weniger die äußeren Kämpfe, die der Held bis zur finalen Schlacht mit dem bösen Gott ausfechten muss, sondern sein inneres Ringen mit seinen widerstreitenden Ängsten und Überzeugungen. Wenn dir ein solcher zentraler Konflikt für deine Hauptfigur bisher fehlen sollte, besteht in meinen Augen die Gefahr, dass dein Protagonist bei diesem Prophezeiungs-Setting letztlich austauschbar bleibt und es egal ist, ob nun er oder Horst von nebenan die Prophezeiung erfüllt, und das wäre für eine Geschichte sehr schlecht.

Bei deinem ersten Kapitel würde für mich heißen "mehr auf die Gefahr eingehen", gleichzeitig auch mehr auf die Gefühle Elrans einzugehen, um die Bedrohung für den Leser ordentlich mit Intensität aufzuladen.
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