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Alt 06.02.2012, 11:54
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Die Initiative Fairlag halte ich für ein sehr wichtiges Instrument, um Autoren über alles wichtige im Zusammenhang mit kommerzieller Veröffentlichung von Literatur zu wissen gibt. Dass es Verlage und auch Agenturen gibt, die unerfahrenen Autoren weismachen, ihr unterirdisch schlechtes Manuskript sei veröffentlichungswürdig, um dann die zu Unrecht beglückten Autoren um große Geldbeträge zu bringen, ist in meinen Augen kriminell. Insbesondere, wenn der erzielte Betrag die Produktionskosten für einige Exemplare des Buches um einen Faktor X übersteigt, so dass ein Bewerben und Verkaufen des Produktes sich für den "Verlag" erübrigt, ist der Autor betrogen worden.

Anders bewerte ich persönlich solche Verlage wie ALMV, die ähnlich wie BOD eine vorher vereinbarte Leistung erbringen, KnowHow, Engagement, Zeit, Arbeit und Kosten investieren um ein ansprechendes Produkt zu liefern, und den Autoren zu einem geringen Anteil am Vermarktungsrisiko beteiligen. Eine Anzahl von zum Beispiel hundert Exemplaren zu kaufen, für einen Preis, der bei BOD ein Drittel höher gelegen hätte, halte ich für einen vertretbaren Aufwand.

Auch mein Debütroman ist auf diese Weise erschienen, und ich würde diesen Schritt unter den gleichen Umständen wieder so unternehmen. Damit stoße ich bei vielen Menschen sicherlich auf Unverständnis, aber ich will meine persönliche Meinung gerne erläutern.

Das Manuskript hatte ich zuvor, wie es allgemein empfohlen wird, zahlreichen Verlagen und Agenturen vergeblich angeboten. Das Übliche halt. Nun war ich nicht veröffentlichungsgeil, wie es Jungautoren oft vorgeworfen wird. Es wäre eine echte Option für mich gewesen, nur zwanzig Exemplare meines Buches bei BOD oder einer Druckerei herstellen zu lassen. Ich habe mich informiert und Preise verglichen. Und dann habe ich mich entschieden, das Angebot des Noel-Verlages anzunehmen, weil es günstiger war!

Ich erhielt eine umfassende und liebenswürdige Beratung, brauchte nichts selber zu machen und hielt nach einigen Wochen ein ansprechendes Buch mit attraktivem Cover in Händen. Gut, in einzelnen Punkten, wie Lektorat und Korrektorat war nicht alles perfekt, aber das gibt es auch bei den "Großen". Die Vermarktung lief an, es gab Rezensionsexemplare, Messeauftritte, Flyer, Internet-Angebot bei verschiedenen Händlern, ... alles, was man sich so vorstellt. Über die anfangs erworbenen einhundert Exemplare meines Buches hinaus habe ich inzwischen weitere hundertfünfzig bestellt, jeweils nach wenigen Tagen geliefert bekommen und verkauft. Einen großen Gewinn habe ich nicht gemacht, weil ich viele Bücher auch innerhalb der Familie verschenkt habe, aber ich habe keinen finanziellen Verlust gehabt.

Statt dessen habe ich viele Mut und Freude machende Leserbriefe, Rezensionen und HP-Besuche erhalten. Daraus habe ich unendlich viel für mein weiteres Schreiben gelernt, abgesehen von der Freude, die es mir bereitet hat, zu erfahren, dass mein Buch gefällt. Zu meiner ungläubigen Freude hat es mein Buch 2010 anstelle eines der fünf von der Jury vorgeschlagenen Bücher in die Finalrunde beim Deutschen Phantastikpreis geschafft. Am Ende erreichte es den vierten von fünf Plätzen unter den "Besten Deutschsprachigen Romandebüts", noch vor 'Rattentanz' vom Michael Tietz.

Diese Erfahrung hat mich motiviert, weiter zu schreiben, natürlich auch und vor allem besser zu werden, und nicht aufzugeben, wie ich es sonst wohl getan hätte. Für die Veröffentlichung bei Noel habe ich aus "Fairlags"-Gründen viel Verachtung und Ablehnung erlebt. In einem Forum wurde sogar eine Rezension aus der Diskussion entfernt und auch später jede weitere Erwähnungen unterdrückt. Teilweise war der Tonfall sehr unschön.
Trotzdem: Wenn ich nicht bei Noel veröffentlich hätte, gäbe es mein Buch gar nicht, es wäre natürlich auch nicht im Finale beim DPP angekommen und ich würde vermutlich nicht mehr schreiben. Aber so habe ich jetzt ein weiteres Buch beendet das im Herbst (pünktlich zur Frankfurter Buchmesse und zum Weihnachtsgeschäft) in einem "richtigen" Verlag erscheinen wird. Man wird es demnach öffentlich erwähnen und besprechen dürfen. Drei weitere Manuskripte habe ich begonnen (zwei ebenfalls aus der begonnenen Reihe) und schon sehr weit geschrieben. Zwei Kurzgeschichten sind ebenfalls veröffentlicht, bzw auf dem Weg dahin.

Agenturen und Großverlage interessieren sich auch weiterhin nicht für meine Manuskripte, obwohl sie Lesern offensichtlich gefallen. Aber immerhin bekomme ich jetzt manchmal eine Begründung für die Ablehnung. Mein neuer Verlag wird von einem promovierten Gemanisten geleitet, der zu meinem Manuskript erklärte, es wäre "richtig gut geschrieben".

Das häufig gehörte Argument, ein Manuskript, das bei "so einem" Verlag oder BOD erscheint, könnte gar nicht gut sein, weil es sonst ja (zumindest irgendwann) von einem "richtigen" Verlag angenommen worden wäre, kann ich deshalb nicht unterstützen. Auch "richtige" Verlage können gar nicht jedes gute Manuskript annehmen und veröffentlichen. Nicht mal wenn sie wirklich gut sind. Manchmal brauchen sie einfach keins mehr für die nächsten Jahre, manchmal passt es einfach themenmäßig nicht, manchmal wird es vieleicht auch gar nicht angeguckt, weil der Praktikant des zweiten Hilfs-Lektors einen so vollen Schreibtisch hat und irgendwann einfach einen halben Meter seines SUB in den Schredder steckt.

Fair und hilfreich für Autoren finde ich die pauschale Ablehnung von Verlagen, die nicht alle Kosten und Risiken allein tragen (können), jedenfalls nicht. Solange die von ihnen geforderte Beteiligung deutlich unter dem Aufwand für BOD oder Selbstverlag liegt, finde ich ihre Arbeit nicht verwerflich.

... Upsi, da hat es mich jetzt aber in bisschen mitgerissen!

Geändert von Hobbyschreiber (07.02.2012 um 05:37 Uhr)
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