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Alt 25.05.2008, 10:14
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Tánya Tánya ist offline
Sídhe de Môrhen
Zauberlehrling
 
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Eine zahme Rhamar

Asgarl und Nuális folgten der hochgewachsenen Nodis einen kleinen Pfad hinauf. Ihre Männer machten ihnen bereitwillig Platz.
Lysior blieb etwas ärgerlich zurück. Er war Asgarls Stellvertreter und hätte das Recht, sie zu begleiten. Stattdessen stand er wie ein dummer Junge da und hielt einen Helm fest. Er ging ungerührt auf einen der großen Amon’Har zu und reichte ihm wortlos den Helm der Anführerin. Der zog nur die Augenbrauchen hoch.
Lysior verwandelte sich binnen eines Augenblicks in seine Wolfsgestalt und folgte ihnen leise.
Nuális blieb erschrocken stehen, als sie um eine Biegung kamen. Asgarl keuchte leise auf, griff blitzschnell nach ihrem Handgelenk und zog sie hinter sich.
Vor ihnen stand eine ausgewachsene Rhamar-Echse.
Sie war sicher vier Meter hoch und ihre schuppige Haut war von einem dunklen satten Grüngrau. Auch stand sie aufrecht auf riesigen Hinterbeinen. Die Vorderbeine waren etwas kleiner und sahen eher wie Arme aus. Ihr großer massiger Kopf wandte sich ihnen zu und sie bleckte grollend die großen dolchartigen Zähne. Sie hatte eine vorstehende Schnauze und kleine schwarze Augen, mit denen sie die Ainmil’anahm beäugte. Sie schien Beute zu wittern, denn sie machte einen Schritt auf sie zu und brüllte. Entsetzt hielt Nuális sich die Ohren zu. Die Rhamar kam mit drei schnellen Schritten näher. Der Boden unter ihr erzitterte.
Nuális verwandelte sich blitzschnell in eine kleine Katze, wandte sich panisch um und stieß mit Lysior zusammen, der sich mittlerweile wieder aus seiner Wolfsgestalt gelöst hatte und mit offenem Mund das riesige Tier anstarrte.
Asgarl hatte die Situation weit besser abgeschätzt, denn er sah, dass die Echse zwar unruhig war, aber nicht in Angriffstellung lauerte.
„Was soll das?! Diese Viecher sind unsere Todfeinde, und ich dachte, ihr würdet sie jagen!“ blaffte er Nodis an, die ungerührt zu der Dunkelechse ging und die Hand ausstreckte. Die Rhamar senkte beruhigt die große Schnauze und tippte fast behutsam ihre Hand an.
„Beruhigt euch, Asgarl. Diese Echse ist zahm, sie tötet nur die, die ich ihr befehle zu töten. Ich habe ihre Mutter erbeutet, als sie gerade geschlüpft war und zog sie auf. Sie hört nur auf mich.“
„Warum?!“ fragte Nuális, die sich wieder zurückverwandelt hatte. Ihr war es peinlich, dass sie als Kriegerin so überstürzt hatte flüchten wollen, aber dies war die erste Rhamar-Echse, die sie zu Gesicht bekam.
Nodis sah sie an. „Weil ich mir davon einen großen Vorteil erhofft hatte. Vor einiger Zeit gab es eine seltsame Frau in unseren Reihen, sie sah Dinge anders als die anderen und sah bestimmte Dinge voraus.“ Sie wandte sich zu ihnen um. „Unser Volk ist nicht gerade auf einem schamanischen Glauben gestützt, dass dürfte euch bekannt sein. Doch diese Eine sah Dinge, die in der Zukunft liegen. Und sie sah Krieg. Ich dachte, eine Dunkelechse, die auf meinen Befehl hört, ist ein guter Beschützer und sicher ein guter Kämpfer.“
„Wenn sie einen am Leben lässt“, murmelte Lysior, der sehr wohl schon Bekanntschaft gemacht hatte mit diesen Wesen. Eine lange Narbe, die sich quer über seinen Rücken zog, erinnerte ihn stetig daran.
„Ja“, stimmte Nodis zu, „wenn sie einen am Leben lässt. Das Risiko bin ich eingegangen.“
“Was hat euer Volk dazu gesagt?“ fragte Asgarl ungläubig.
Nodis lachte und tätschelte die große Klaue der Echse. „Sie waren nicht sehr glücklich. Aber wir sind kein Volk von Feiglingen. Ich zog sie weit oben in den Bergen auf und lehrte sie alles. Ich bin für sie ihre Mutter. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass sie sich manchmal wundert, warum ich so klein bin.“ Wieder lachte sie.
Lysiors Blick fiel auf einige zerstückelte Echsenkadaver, die gut vertäut auf einem Wagen lagen. „Und was ist mit denen?“
„Oh... ja, die hat Rhamis für mich erlegt. Solange ich ihr nicht befehle ein schmuckes Männchen zu töten gehorcht sie widerspruchslos. Die Weibchen sind eh nur Konkurrenz für sie.“
„Ihr wollt doch wohl keine zahmen Rhamar züchten!“
Nodis lächelte liebenswürdig. „Man wird sehen. Zumindest könnt ihr sicher sein, dass diese dann keine Ainmil töten werden.“
„Das hoffe ich“, grummelte Lysior.
Plötzlich verengte Nodis die Augen zu Schlitzen. „Wo ist eigentlich mein Helm? Hatte ich ihn nicht in deiner Obhut zurückgelassen“, fuhr sie Lysior an.
„Ich bin nicht dein Knecht! Ich weiß die Ehre zu schätzen, aber ich sah es nicht ein, die ganze Zeit, bis ihr beliebt zurückzukommen, an diesem silbernen Teil festzuhängen. Er ist bei deinen Leuten.“
Nodis fixierte ihn, doch dann zeigte sich ein schiefes Lächeln auf ihrem Gesicht.
Asgarl stieß ihn unsanft in die Seite, doch Lysior knurrte ihn an.
Nuális schüttelte nur mit dem Kopf.
Nodis bellte der Dunkelechse einen Befehl zu und diese ließ sich brav nieder und legte den massigen Kopf auf ihre Arme, so dass sie eher aussah wie ein riesiger Hund.
„Sie ist nicht einmal angebunden“, bemerkte Nuális.
Nodis runzelte die Stirn. „Kennst du Fesseln, die eine Rhamar halten könnten?“
Nuális lächelte. „Nur eine Fessel namens Nodis“, konterte sie.
Nodis ließ ein hartes Männerlachen ertönen, das durch die Berge hallte.
„Auf den Kopf gefallen bis du nicht, kleine Wildkatze.“
Nuális fauchte leise, und wich ihrer Hand aus, die ihr durchs Haar wuscheln wollte.
„Nun gut, wir müssten weiter, denn Händler warten auf das Echsenfleisch. Braucht ihr noch eine Pause, oder wollt ihr uns sofort folgen. Ich könnte unseren Trupp teilen.“
Asgarl schüttelte den Kopf. „Wir brauchen keine Pause“
Und so folgten sie den Amon’Har durch die Berge, immer begleitet von der furchterregenden Rhamis, die es bewerkstelligte ihre Tritte so zu steuern, dass der Boden nicht erzitterte wie zuvor.
„Wie schafft sie es, dass der Boden nicht mehr bebt?“ fragte Nuális neugierig die einzige andere Jägerin, die in ihrer Nähe lief. Die große blonde Frau sah sie an und zuckte mit den Schultern. „Es ist ihre Gabe. Der Boden erzittert nur, wenn Rhamis es will. Meist macht sie es, um Eindruck zu schinden, aber sie kann sehr gut leise laufen. Sonst wäre sie in den Bergen auch verloren. Steinschläge und Lawinen wären die Folge.“
Nuális nickte und sah wieder auf das große Tier, welches brav mit dem ganzen Trupp mit trottete. Sie verwandelte sich in einen Luchs und gesellte sich zu Lysior, der als einsamer Wolf am Ende des Zuges ging.
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