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Alt 08.05.2008, 07:27
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Tánya Tánya ist offline
Sídhe de Môrhen
Zauberlehrling
 
Registriert seit: 04.2008
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Fremde

Die Luft schwirrte vor Hitze und Mücken tanzten in Schwärmen über dem feuchten Waldgebiet. Etwas raschelte leise im Unterholz und ein leiser Fluch war zu hören. Dann trat eine junge Frau aus dem Dickicht der Bäume, befreite sich mit ärgerlicher Miene aus dem Strauchgewirr und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ihr Blick glitt über die Landschaft. Ein weites hügeliges Land lag vor ihr, das Gras war sehr hell, fast gelblich, weil es ausgebleicht war von der Sonne, trotzdem war es weich und schien nicht vertrocknet zu sein. Es war nur ab und zu durchbrochen von Gestein und Felsen.
Nuális beugte sich herab. Sorgfältig befühlte sie die helle Wiesenfläche, verengte die Augen etwas, roch am Gras.
Jemand war hier, dachte sie. Und es war jemand, den sie nicht kannte, ein fremder Geruch. Dies verwirrte sie, denn es gab kaum Lebewesen, welche ihr nicht mehr oder weniger vertraut waren.
Sie blickte sich um und schaute in den dunklen alten Wald. Sie wusste, dahinter war das große Sumpfgebiet, wo sich fast niemand hinwagte, doch jetzt konzentrierte sie sich auf die Bäume, auf das Unterholz, auf die wiegenden Blätter der Baumkronen.
Doch hier war nichts.
Unbehagen breitete sich in ihr aus, wie eine Vorahnung, und sie wich wieder etwas zurück in den Wald.
Stirnrunzelnd hielt sie plötzlich inne. Geräusche waren zu hören. Gespenstische Laute, die in der Luft widerhallten, so als würden sich große Tiere nähern. Hochgewachsene Gestalten kamen den Hügel hinauf. Fünf kamen von rechts, sieben kamen direkt auf sie zu. Sie riefen sich etwas zu, schienen sich hier zu treffen. Ihr Körper war aufrecht, doch er war überzogen von dunklem Fell, dass in der Sonne glänzte. Ihre Köpfe waren ähnlich geformt, wie die eines Löwen, doch ihre Augen sagten, dass sie keine Tiere waren. Sie gingen etwas gekrümmt, doch sie schienen dadurch nur schneller voran zu kommen. Bei einigen ragten Hörner aus den Köpfen und sie sahen sich wachsam in alle Richtungen um. Einer schnupperte in den Wind und starrte in den umliegenden Wald hinein.
Tarken! hallte es in ihre Gedanken wider. Und es waren fremde Tarken.
Blitzschnell wandte die junge Frau sich um und verschwand vollends in der Dunkelheit der Wälder, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, denn sie wusste, diese waren nicht vom Clan der Kara’Daz. Diese waren andere, und wenn sie nicht aufpasste würde sie in den Bäuchen dieser Kreaturen landen.
„Nuális!“
Der Ruf ließ sie erschrocken zusammenzucken.
Nicht! Ryan! Sei still! Gefahr!
Doch sie hatten es bereits gehört und kamen mit ungeahnter Schnelligkeit auf sie zu gelaufen.
Nuális hatte die Situation mit einem Blick erfasst, sah die Waffen, hörte ihre gebrüllten Worte und wusste:
Diese Tarken waren auf der Jagd.
Sie stieß das Fauchen einer Katze aus, die Luft um sie vibrierte plötzlich, ihr Umriss verschwamm und aus einem Luftwirbel sprang an Nuális Stelle eine große Wildkatze hervor, ähnlich eines Luchses. Sie sprang behände durch den Wald auf einen jungen Mann zu, der erschrocken auf die sich nähernden Tarken starrte.
Rasch!
Die Katze und der Mann preschten davon, die Tarken dicht auf den Fersen.
Dann sprangen plötzlich weitere Gestalten von den Bäumen, brüllten ärgerlich und bildeten vor den beiden eine schützende Mauer, so dass sie entkommen konnten.
Der Anführer der Jagdhorde stieß einen ärgerlichen Schrei aus. „Das ist unsere Beute!“ schrie er mit tiefer Stimme.
Ein schlanker hochgewachsener Tarke löste sich aus der Mauer von Kriegern. Die Sonne traf auf sein ockerfarbenes Fell, als er den Umhang, den er trug, zurückschlug.
„Und das ist unser Jagdgebiet!“ grollte er.
„Du hast mir nichts zu sagen, Schamane!“ Doch die anderen ließen ihre Waffen sinken.
„Du solltest vorsichtig sein, was du sagst. Ich bin Kades’Kur aus dem Clan der Kara’Daz. Und dies ist unser Jagdgebiet und unsere Beute.“
Der Anführer der Truppe musste von Kades’Kur gehört haben, denn er ließ seine Axt sinken. Er gab den anderen ein Zeichen und sie verschwanden lautlos in den Wäldern.
Nach einiger Zeit kam die Wildkatze langsam herangetrottet, ließ sich neben den Schamanen nieder und beäugte ihn mit hellblauen Augen. Der Tarke war versucht in das weiche Fell des Wesens zu fassen, doch das würde er niemals tun. Denn dies war keine Wildkatze. Dies war eine Ainmil’anahm.
Wieder vibrierte die Luft und Nuális erhob sich in ihrer menschenähnlichen Gestalt, die sich von der der Menschen jedoch unterschied. Sie war kleiner, hatte spitzere Ohren und ihre Augen waren immer noch die einer Katze.
„Ich danke euch, Kades’Kur.“ Sie neigte den Kopf etwas und ihre rotbraunen zerzausten Locken fielen über ihre Schultern.
Der Tarke sagte nichts, betrachtete sie jedoch nachdenklich. „Wo ist dein Freund?“
Nuális nickte mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Er erholt sich von dem Schrecken.“ Mehr sagte sie nicht dazu. „Wie kann es sein, dass andere aus deinem Volk hier waren? Sind sie schon so weit vorgedrungen?“
„Ich weiß es nicht, Kind. Aber ich werde es herausfinden.“
Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren nahm Nuális die rechte Faust an die linke Brust und verbeugte sich leicht. Dann ging sie an den anderen Tarken vorbei zu Ryan.
Der junge Mann mit den hellen Haaren stand immer noch erschüttert neben einem Trupp Tarken, die sich laut und zotig über ihn lustig machten.
Nuális zog ihn fort in den Wald. „Wie müssen die anderen warnen!“ sagte sie.
Ryan schien etwas verwirrt zu sein.
Nuális sah ihn an. „Du warst eine Spur zu lange in deiner Pferdegestalt. Ordne deine Gedanken!“
Sie waren so nah! sendete er ihr telepathisch zu.
Sie seufzte. „Ja... zu nah! Viel zu nah.“
Sie kamen in die Nähe des Dorfes und ein großer heller Wolf kam gemächlich auf sie zu. Angesichts des Tumult, der vor ihnen in der Dorfgemeinschaft herrschte, kam ihnen die lässige Arroganz des Wolfes seltsam vor. Jedoch hinkte er deutlich.
Lysior, begrüßte Nuális den Wolf, in dem sie ihre Gedanken pfeilschnell dem Ainmil’anahm sendete. Was ist denn bloß im Dorf los? Warum sind sie alle so aufgeregt.
Nuális sah mit Bestürzung, dass sogar eilig Sachen eingepackt wurden, als ob das Dorf im Aufbruch war.
Es kam zwar von Zeit zu Zeit vor, dass sie weiterzogen, doch dies ist das letzte Mal vorgekommen, als sie noch ein Kind gewesen war.
Lysior kam nicht mehr dazu eine Antwort zu geben, denn eine große mächtige Gestalt kam mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck auf sie zugerannt.
„Nuális! Ich dachte schon, sie hätten dich ...!“ Er beendete seinen Satz nicht, sondern zog sie in seine Arme.
„Vater, was ist denn...“ Ihre Frage wurde von seinem mächtigen Brustkorb verschluckt, denn er presste sie erleichtert an sich. Er schob sie plötzlich abrupt von sich weg, hielt sie aber eisern an den Armen fest. „Fremde Tarken sind in unser Gebiet eingedrungen und haben das Dorf überfallen. Sie haben fünf Leute erbeutet und haben sich in die Wälder zurückgezogen.“
Nuális riss geschockt die Augen auf. „Was?!“ fragte sie heiser.
Der Boden vibrierte leicht, als Lysior seine menschenähnliche Gestalt annahm. Sein finsterer Blick war undurchschaubar.
„Ich bin ihnen begegnet, Vater. Die Kara’Daz haben uns vor ihnen gerettet. Sonst wären wir wohl ebenfalls ihre Beute geworden.“
Lysior richtete seine goldenen Augen auf Nuális’ Vater. „Wir sollten hier nicht länger verweilen, Asgarl. Sie sind nicht weit!“
Nuális starrte den jungen dunkelhaarigen Mann an und ein seltsamer Ausdruck trat in ihre Augen, als er mit samtener Stimme mit ihrem Vater sprach. Lysior erwiderte kurz ihren Blick. Asgarl nickte.
Nuális sammelte hastig einige ihrer Sachen zusammen, immer beobachtet von Lysiors goldenem Wolfsblick. Dann brachen sie auf, denn die anderen waren in ihrer Panik schon vorgegangen.
Sie flüchteten in die Wälder, vorbei an den Tarken, weit hoch in die Berge und ließen alles zurück. Ihre Herzen brannten, in ihren Augen schimmerten Tränen, doch sie hatten diesem Clan der Tarken nichts entgegenzusetzen. Und wenn sie leben wollten, dann konnten sie nur noch eines - davonlaufen.
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Geändert von Tánya (12.05.2008 um 12:03 Uhr)
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