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Alt 13.04.2013, 12:58
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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"Der Unterschied zwischen Individuen ist größer als der zwischen Gruppen"
"Verhaltensnormen sind eher anerzogen als angeboren"

Das sind beides Aussagen, denen ich bedingt zustimme. Klar sind die Unterschiede zwischen Individuen größer als die zwischen den Durchschnitten der Gruppen, wenn man die Extreme der gesamten Bandbreite vergleicht. Man wird die bodybildende Frau mit Stoppelhaarschnitt und Camouflage-Freizeitkleidung, die leidenschaftlich gerne Abercrombie liest, ebenso finden, wie die geschminkte Barbiepuppe mit blondierten Locken, vergrößerter Oberweite und High-Heels, die bei der Lektüre von Twilight in Tränen ausbricht. Trotzdem werden meiner Meinung nach die meisten Frauen Geschichten bevorzugen, in denen auch Gefühle thematisiert werden (inclusive Krimis, Wirtschaftskrimis, Bücher über Naturkatastrophen, Fantasy aller Subgenres etc.). Die meisten Männer werden dagegen eher solche lesen, in denen im weitesten Sinne etwas erkämpft werden muss (beruflicher oder sportlicher Erfolg, die Freiheit, eine Frau, Überlegenheit, Rache, professionell Anerkennung, eine Entdeckung) Wie kriege/schaffe ich das, was ich will? Die durchschnittliche Frau interessiert aber auch: Wie fühle ich mich dabei?

Die Sache mit den anerzogenen Verhaltensnormen sehe ich ähnlich. Klar ist es anerzogen, dass ein "richtiger Junge" nicht mit Puppen spielt und keine rosa Kleidung trägt. Aber Tatsache ist auch, dass intelligente Lebewesen eine Disposition haben, bestimmte Verhaltensnormen zu erlernen. Wir WOLLEN wissen, wie wir uns als "richtige" Jungen und Mädchen zu verhalten haben, was einem echten Kerl oder eine richtige Frau ausmacht. Die intensivste Erziehung gegen rosa Kleidung wäre beim Jungen wenig erfolgreich, wenn alle anderen Jungen und Männer in rosa herumlaufen würden. Und auch die intensivste Erziehung würde einem Jungen nicht die gleiche Freude daran vermitteln, drei Stunden lang an einem Pony herumzubürsten und zu flechten. Eher könnte er sich dafür erwärmen, über einen Springparcours zu galoppieren oder über eine Rennstrecke (... Wenn man ihn überhaupt in die Nähe eines Pferdes bekommt).

Die "Ooooooooh, wie süß"-Reaktion auf ein Baby kann man mit größerer Wahrscheinlichkeit von einem weiblichen Wesen erwarten. Allerdings kenne ich auch (ein ganz schreckliches) Mädchen, das dreijährig mit dem begeisterten Aufschrei "Ooh, Schuhe!" an einem Spielzeugladen vorbei zum Schaufenster eines Schuhgeschäftes rannte. Ich kenne einen Jungen, der sich zum Geburtstag eine Handtasche gewünscht hat und ein Mädchen, das das härteste Mitglied und der Star-Torschütze der Fußball-E-Jugend-Mannschaft war, solange Jungen und Mädchen noch in derselben Mannschaft spielen durften. Als sie aus Altersgründen in die nächste Klasse aufsteigen und ausschließlich gegen Mädchen spielen musste, hat sie mit dem Sport aufgehört. Die bisherige Mannschaft fiel leistungsmäßig völlig ab und Svenja hat sich inzwischen zu einer typischen Zicke entwickelt. die obwohl erst zwölfjährig, nicht mehr ungeschminkt aus dem Haus geht. Es gibt bei beiden Geschlechtern "solche und solche", aber auch ein ganz großes Mittelfeld.

Aber es ging hier ja auch nicht um Unterschiede zwischen Männern und Frauen sondern um die Frage, ob es Literatur gibt, die vorzugsweise und schwerpunktmäßig von einem der beiden Geschlechter gelesen wird. Und ich bin immer noch der Meinung: Ja, die gibt es. Ob der Unterschied in den Lesevorlieben anerzogen oder angeboren, es wäre blöd, ihn zu ignorieren. Jeder, der schreibt, tut das für eine bestimmte Zielgruppe. Selbst, wenn er die nicht bewusst ausgesucht hat, schreibt er doch zumindest das, was er selber mag, mithin für die Gruppe, in die er selber hineinpasst.

Nun gibt es Leser und auch Verleger, die für bestimmte Bücher Autoren eines bestimmten Geschlechts bevorzugen. Dass auch Angehörige des vermeintlich falschen Geschlechts dieses Genre hervorragend beliefern können, haben vorherige Beiträge bereits festgestellt. Diesem Widerspruch wird kurzerhand dadurch abgeholfen, dass dem Autor/der Autorin ein Pseudonym des richtigen Geschlechts verpasst wird. Der erfolgreichste Fantasy-Autor Deutschlands hat öfter als einmal unter weiblichen Namen veröffentlicht, und hinter bekannten männlichen Namen finden sich nicht nur oft genug weibliche Schriftsteller, sondern auch "gemischte" Teams. Wie viele Harry-Potter-Leser haben J.K.Rowlings ursprünglich für einen Mann gehalten, wo "er" doch die Erlebnisse eines Jungen aufgeschrieben hat?
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