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Alt 22.03.2012, 17:06
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Drachentoeter
 
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Nein Graccon auch-er ließ doch die Wand einstürzen. Sagrsta ist ein Ort, der auch als die Grube des Gifts bezeichnet wird. Ein Unterreich unter dem Unterreich, dass einen Verbannungsort für die Skrigg darstellt. Es heißt, dass ihr noch niemand entkommen ist. Götter haben die Skrigg ja ganze Sechzehn.

edit: Ich glaube Formorian meint keine wirklichen Orks, sondern Menschenfresser als Ersatz für sie- ansonsten stimme ich dir zu.
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Teil 5

Schüsse peitschten auf, während Framire mit ihren gewaltigen Klauen das Loch rasch verbreiterte. Lautes Fluchen und das schrille Geschrei von Frauen, dann steckte der Drache den Kopf durch die Öffnung und ergriff Feldan mit seinen Zähnen. Sanft wurde er auf dem gezackten Rücken abgesetzt. Framire machte Anstalten abzuheben, doch auf Feldans Befehl hin ergriff sie auch noch den zu Tode erschrockenen Graccon mit dem Maul. Zwei direkte Treffer kassierte sie dafür in den Hals, doch dank der festen Schuppen drangen die Projektile nicht tief ein. Sich mit peitschendem Schwanz Raum verschaffend hob der Drache schließlich ab, verfolgt von sinnlosen Kommandos und Gewehrgeknall.
Graccon wußte nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte; die Ereignisse überschlugen sich geradezu. Dann stieg der Argwohn in ihm auf.
"Wenn es so einfach für Euch ist, warum seid Ihr dann nicht schon längst geflohen?"
"Es ist mein Spiel," lachte Feldan. "Und ich spiel es gern. Und einen so dicken Joker wie Euch konnt ich mir einfach nicht entgehen lassen."
Keuchend erklomm Graccon den Drachen und ließ sich hinter Feldan nieder: "Wohin fliegen wir?" "Zunächst einmal weg!", meinte Feldan. "Inzwischen sind sicherlich die rote und blaue Kürasserie informiert worden und die können uns im Gegensatz zu den Gishkas wirklich Probleme bereiten?" "Was ist mit der Königin. Jorin hält sie in Gewahrsam!"
Feldan schnaubte: "Das glaube ich kaum. Es handelt sich um eine Doppelgängerin Sillisas, die die wahre Königin seiner Wilkür ausgeliefert hat. Anscheinend gibt es mehrere von Ihnen, denn ich war der festen Meinung sie getötet zu haben, als ich nach Candvallon aufbrach. Nachdem sie sich wenig später in der Öffentlichkeit gezeigt hat, kannst du dir vorstellen das Jorin mich nicht gerade mit Ruhm überschüttete..."
Erschöpft ließ sich Graccon zurücksinken: "Hättest du mich nicht gerade gerettet, wäre ich für dein Handeln versucht gewesen dich umzubringen!" Feldan lachte: "Keine Sorge, mein Freund. Wir werden noch viel Freude aneinander haben!"

Als Prinz Jorin die Türflügel zum Sitzungssaal aufstieß, meinte er, um drei Mannslängen gewachsen zu sein. Fürst Parlevar lieferte der versammelten Runde der Hohen Lords gerade seinen Bericht zur Lage der Agrarwirtschaft. Jorin strahlte ihn freundschaftlich an. "Guter Parlevar, berichtet Ihr gerade von Euren Heldentaten im Kohlraupenkrieg? Die Birnen können nicht saurer sein als Euer Gesicht gerade jetzt." Lachend nahm er auf seinem Stuhl Platz.
Takin am Kopf der Tafel nickte ihm nachsichtig zu. "Werte Sires, ich bitte den Mangel an Respekt, den mein jüngerer Bruder dieser inneren Würde gebietenden Hohen Runde zukommen läßt, zu entschuldigen. Guter Jorin, dürfen wir den Grund deiner Freude erfahren? Du scheinst gute Neuigkeiten zu haben, und etwas Erbauliches würde uns nun allen gut tun."
"Nun denn: ich habe die Kürassiere mobilisiert, dass sie sich der endlosen Unruhen in den Scherbenvierteln annehmen. Die Geheime Miliz ist machtlos, ihre Anführer wechseln häufiger als eine alte Hure den Galan. Wenn wir uns endlich entschließen Stärke zu zeigen werden die schwelenden Brände endlich erstickt werden, ehe sie noch auf die Oberstadt überspringen. Alles was sie noch benötigen ist der offizielle Marschbefehl, unter meiner bewährten Führung."
"Majestät," wandte der Stimmungsberater umgehend ein. "Das halte ich für unklug. Ich fürchte wir würden damit nur Öl ins Feuer gießen. Die Armee ist kein Skalpell, sie ist ein Breitschwert!"
Jorin trommelte ihm mit den Fingerspitzen auf der Tafel spöttisch Applaus, während er sich die Zukunft dieses Fürsten in den sympathischsten Farben ausmalte, und all seine Fantasien dabei kreisten um einen Hackblock.
"Fergas hat recht," maß Takin seinen Bruder zurecht. "Das war vorschnell und hätte erst hier vorgetragen werden müssen. Manchmal möchte man fast meinen, du säßest auf meinem Stuhl..."
"Habe ich bereits, für drei Wochen," versetzte Jorin bester Laune. "Nach deinem intimen Techtelmechtel mit diesem Stachelreiter auf jener unglückseligen Herbstjagd. Ich kenne also das Gefühl, und ja, es hat mir gefallen."
Takin nickte. "Drei Wochen, während ich auf den Tod auf dem Krankenlager fieberte, durftest du den König spielen. Drei Jahre dauerte es, die Revolten niederzudrücken, die du losgetreten hattest! Ich habe mir überlegt, dich von diesen Sitzungen auszuschließen!"
"Aber das wirst du nicht, lieber Bruder, denn während ihr über Kohl und Erbsen redet, habe ich den Rädelsführer des aktuellen Aufstandes geschnappt!" Er griff in sein Wams, zog Graccons Geständnis heraus und ließ es quer über die ganze Tafel zu Takin hin gleiten. "Lies es, und erweise mir endlich den mir zustehenden Respekt!"
Die Hohen Lords zischten vor erwartungsfreudiger Zustimmung. Der Justitzberater zog seinerseits ein Pergament aus seiner Mappe. "Majestät, unterschreibt dieses Urteil, dass der Schuldige unverzüglich die einzig angemessene Strafe erhält."
Takins Hände begannen zu zittern, als er Geständnis und Todesurteil seines geheimen Vertrauten in Händen hielt. Er schob beides zur Seite. "Ich werde nichts unterzeichnen, solange ich mit diesem Menschen nicht persönlich geredet und mich von seiner Schuld überzeugt habe. Ich kenne deine Methoden, Geständnisse zu erhalten, mein Guter."
Jorin grinste immer breiter. "Fürst Herolmar, wichet Ihr nicht einen Augenblick von meines Bruders Seite, nachdem er diesen bedauerlichen Jagdunfall hatte - den eigendlich kein normaler Mensch überleben konnte?"
Der Angesprochene sah verzweifelt zu Takin herüber. Dieser nickte nur. "Sire," sagte er zu Jorin. "Ich verstehe nicht, was das nun..."
"Antwortet mir!" schrie Jorin aufgebracht. "Ist mein königlicher Bruder vor Jahren von einem Stachelreiter aufgeschlitzt worden?"
"Sire, jeder hier und das ganze Reich wissen darum."
"Hinterlässt ein solcher Angriff nicht eine gewaltige Narbe?"
"Ärzte und Magier konnten den schwelenden Lebensfunken Ihrer Majestät retten, doch gegen die gräßliche Verstümmelung waren sie machtlos."
Wie auf Kommando stürmten plötzlich mehrere Kürassiere in den Saal. Takin war außer sich. "Was soll diese Farce? Und was haben Bewaffnete hier zu suchen? Jorin, ich verlange eine Erklärung!"
"Die bekommst du, Bruderherz, nachdem du das Wams gelüftet hast.
"Halt! Ich bin eurer König. Wer mich auch nur berührt wird am Galgen enden." Die Kürassiere zögerten ersichtlich.
"Du hast wohl zu viel Königsluft eingezogen. Los, nehmt den falschen König fest." Die Mitglieder des Hohen Rates zogen allesamt ihre Waffen, waren aber unsicher auf welche Seite sie sich schlagen sollten.
"Verrat! Ihr werdet damit niemals durchkommen." Takin wandte sich den Kürassieren zu, jetzt hoch erhoben. "Soldaten! Wenn ihr immer noch dem Königreich dient, nehmt diesen Mann fest."
"Der Mann, der hier vor euch steht ist nicht der König. Er wurde ersetzt als der echte König starb. Ich bin der rechtmässige Thronerbe. Fürst Herolmar, sagt mir, hätte er die Verletzung überleben können?"
"Ein Normalbürger nicht..." - "Seht ihr? Nehmt den falsche König fest!" - "... jedoch stände einem Normalbürger auch nicht die Besten Mediziner und Magier zur Seite." Jorin merkte, wie die Stimmung gegen ihn kippte. Das nahm kein gutes Ende wenn er den Rat und die Soldaten nicht sofort überzeugen konnte.
"Falscher Takin! Zeig ihnen deine falsche Verstümmelung. Wir wollen uns von seiner Echtheit überzeugen." Der König sah ihn Böse an. Gleich hatte er ihn.
"Ich werde die 'Verstümmelung' euch zeigen um für alle mal alle Diskussionen auszuräumen." Er zog sein Hemd hoch. "Fürst Parlevar, ich vertraue eurer Neutralität und Urteilskraft. Kommt her und seht." Der Fürst näherte sich und betrachtete ein Stück der Haut, welche eine andere Hautfarbe hatte und sich von der restliche Haut abgrenzte. "Es sieht aus, als wäre hier ein Stück Fleisch herausgerissen worden und anschliessend ersetzt."
"Genau. Es ist erstaunlich, zu was die heutige Magier alles fähig sind." Jorin schaute dem Vorgang entsetzt zu. Die haben sogar die Verstümmelung am falschen Takin vorgenommen! Er hatte keine Ahnung was er jetzt noch sagen sollte, dass den Rat und die Kürassiere überzeugen könnte.
"Sperrt ihn in die sauberste Zelle, die ihr habt. Vielleicht wird das seinem Verstand helfen wieder zur Besinnung zu kommen. Tut mir leid Bruder." Jorin drehte sich um und versuchte zum Eingang zu rennen, doch einige Kürassiere stellte sich ihm in den Weg. Er zog seine Pistole und schoss. Den, den er getroffen hat kippte mit einem Schrei nach hinten und blieb liegen. Bevor er jedoch einen weiteren abfeuern konnte, schlug ihm sie Jemand aus der Hand. Einige Hände schlossen sich um seine Armee und zerrte ihn hinaus. "Das ist der falsche König! Glaubt mir doch. Ich werde es noch beweisen."
Der Offizier der Kürassiere drehte sich noch einmal zu Takin um und verbeugte sich tief. "Wir bitten gnädigst um Entschuldigung." Takin nickte ihm zu. "Angenommen." Der Offizier der Kürassiere ging Rückwärts aus dem Saal und zog die Türe hinter sich zu.
"Der Rat wird Morgen um disselbe Zeit fortfahren."

"Ihr habt etwas bei mir gut, Herolmar." Takin und Herolmar waren als letzte im Ratsaal geblieben.
"Ich verstehe es, wo ich die meisten Vorteile heraushole." auf seinem Gesicht war ein verstohlenes Lächeln zu sehen.
'Takin' lachte laut hinaus. "Das versteht ihr tatsächlich"

Kurze Zeit darauf klopfte es an die Tür der Wachstube in den untersten Kerkern des Palastes. "Du gehst," sagte der brutale Hauptmann zu seinem Korporal, den er gerade beim Kartenspiel ausnahm. Der Bursche erhob sich und öffnete, und fiel gleich darauf auf ein Knie. "Lordberater Fergas! Es ist uns eine Ehre!"
"Schon gut," wimmelte der königliche Berater für Inneres ab und wandte sich an den verdattert dasitzenden Hauptmann. "Die Gefangene, die Ihr heute Morgen hier herunter gebracht habt, ist augenblicklich freizulassen. Sie lebt doch noch, oder? Betet, dass dem so ist!"
"Dafür benötigt Ihr eine Legitimation," brachte der Herr über Leben und Tod des untersten Kellers heraus.
"Zum Arull mit dir, Eisendepp! Des Königs Wille ist meine Legitimation!"
"Darauf habe ich nur Euer Wort. Meine Anweisung stammt vom Kronprinzen selbst..."
"Prinz Jorin ist des Hochverrats angeklagt und selbst in Arrest. Ich entbinde Euch von dem Eid, den Ihr ihm geleistet habt. Werdet Ihr mich nun zu der Gefangenen führen, oder bedarf es einiger Kürassiere, Euch zu überzeugen?"
Plötzlich recht klein geworden, schnappte sich der Kerl einen großen Schlüsselbund von der Wand und winkte dem Korporal mitzukommen. Zu dritt gingen sie den schmutzigen Gang entlang, der zu dem Zellentrakt führte, als ohne jede Warnung drei Mannslängen vor ihnen ein Teil der linken Wand einfach nach innen fiel und auf den Boden krachte. Eine genervte Stimme drang aus dem dunklen, gähnenden Loch: "Carlos, wie nennst du, was du gerade getan hast? Vorsichtig anklopfen?"
Zum Erstaunen aller drei Anwesenden schoben sich kurz darauf fünf Gestalten mit verdreckten und blutigen Kleidungsstücken aus dem Durchbruch.
"Was zum Arull geht hier vor sich?", stammelte der Hauptmann, der bereits sein Schwert blank gezogen hatte. "Wer bei allen Dämonen des Tartarus, seid ihr?"
Ein schmächtiger Mann mit bleicher Haut und stechenden, dunklen Augen trat vor: "Es tut mir Leid, sollten wir euch gerade Unannehmlichkeiten bereitet haben. Ihr müsst wissen, dass Carlos zuweilen ein sehr hitziges Gemüt hat. Mein Name ist Irgo Kallen, aber ihr könnt mich auch, wie meine Freunde einfach Ratte nennen. Habt ihr zufällig unseren Meister gesehen. Er heißt Graccon und ist ein Magier!"
Überrumpelt stolperte der Hauptmann zurück, dann sah man förmlich wie es in seinen Gehirnzellen zu rattern begann. Endlich kam er zu einem Entschluss: "Ihr...ihr seid unbefugt, in diesen Teil des Kerkers eingedrungen. Ich muss euch in Gewahrsam nehmen!"
Carlos schlug präzise zu. Der Mann verlor sofort das Bewusstsein.
Ratte wandte sich an den Soldaten, der ängstlich zurückwich: "Hättet ihr vielleicht die Güte uns zu seiner Lordschaft, Graccon zu führen?"
Lord Fergas hüstelte geziert in die Faust. "Ihr sucht Graccon, den Anführer des Aufstandes? Gehe ich recht in der Annahme, dass die Herren Rebellen sind?"
"Den Anfüh..." Ratte zwinkerte verwirrt. "Ihr meint Lord Graccon, den Vertrauten ihrer Majestät Königin Sillisas und deren ersten Diener. Gehört Ihr, werter Herr, zu Jorins Fraktion, dann fürchte ich habe ich schlechte Neuigkeiten für Euch..." Es sollte bedrohlich klingen, doch Fergas blieb völlig ungerührt.
"Lord Graccon ist vor drei Stunden aus dem Kerker entkommen, und dies auf recht aufsehenerregende Weise. Wie es scheint hatte er Hilfe von einem Echsenlord. Nun behauptet ihr also, er stünde auf der Seite der Königin...jener, welche ich gerade aus dem Loch holen wollte, ehe Ihr die Freundlichkeit besaßet, meinen Führer hier unten ins Reich der Träume zu schicken..."
"Die Königin!" rief Ratte halb erstaunt, halb empört aus. "Wer hat es gewagt? Ist sie wohlauf? Geht es dem Kind gut?"
Nun hatte er es doch geschafft, Lordberater Fergas zu erstaunen. "Kind?"
"Die Königin trägt einen Erben in sich!", erläuterte Carlos. Fergas überlegte kurz, dann zuckte er mit den Schultern: "Nun ja, jetzt ist es egal. Jorin hat einen Putsch gegen den König versucht und ist kläglich gescheitert. Wir sollten jetzt besser zu Sillisa gehen, damit sie nicht noch länger in diesem Rattenloch verweilen muss!"

Königin Sillisa hatte sich mit angezogenen Beinen in einer Ecke ihrer spärlich beleuchteten Zelle zusammengekauert. Die Gefangenschaft hatte ihre Spuren an ihr hinterlassen. Ohne Zweifel war man nicht sehr sanft mit ihr umgegangen:
Das lange, blonde Haar war zersaust, ihre Augen blutunterlaufen. Der ganze Körper der Königin war von blauen Flecken übersäht, die von den Schlägen und Tritten ihrer Peiniger zeugten. Das Kleid aus grünem Samt war zerissen.
Als die Tür zu ihrer Zelle aufschwang, risd sie erstaunt die Augen auf, als sie die Männer erkannte, die den Raum betraten.
"Ratte, Carlos, Magasai...was macht ihr denn hier?", keuchte sie. "Euch befreien Hoheit!", antwortete der rothäutige Indianer und eilte zu ihr, um beim Aufstehen behilflich zu sein.
Eine Falte tat sich auf Sillisas Stirn auf, als sie sah wie Fergas eintrat: "Was ist geschehen?" "Jorin wollte den König sturzen, was ihm nicht gelang!", antwortete Ratte: "Doch die wichtigste Frage lautet doch: Warum bist du hier?"
Sillisa wollte etwas sagen, hatte jedoch einen Schwächeanfall und brach fast zusammen. Magasai hielt sie fest.
"Ich habe eine Doppelgängerin, Adrielle!", keuchte die Königin schließlich heiser. "Es muss ihr gelungen sein, von den Toten aufzuerstehen, denn sie hat die Macht an sich gerissen, indem sie mich als Gestaltwandlerin ausgegeben hat. Dann bin ich Jorin übergeben worden. Dafür werde, ich dieses Miststück hinrichten lassen!"
Sie verließen die Zelle. "Als erstes bekommt ihr eine Unterkunft, in der ihr euch erfrischen, von den Strapazen erholen und nächtigen könnt, dann werden wir weiter sehen." Sillisa nickte kraftlos.
Als sie gerade den Kerkertrakt verlassen wollten, ertönte plötzlich ein schriller Todesschrei. Dann stürzte ein schwer blutender Soldat der roten Kürassiere herein: "Hoheit, Lord Fergas, ihr müsst euch in Sicherheit bringen!"
"Was ist geschehen?", fragte Fergas, den Verletzten. "Die Gishka...", brachte dieser hervor. "...sie metzeln uns alle nieder. König...Berimeil von Pelingora hat Avalien den Krieg erklärt!" Dann brach der Soldat tot zusammen.

Zwischenspiel

Sie war erwacht.
Laut lachte sie über ihre eigene Torheit, als der junge Morgen ihres neuen Lebens ihre Augen blendete, doch nun waren sie geöffnet. Sie sah, und sie wusste.
Die sanfte Umarmung des Nichts, die belebende Kühle des Grabes waren ihrer. Ihr Reich war nicht von dieser Welt, und dennoch war es allgegenwärtig, überall.
Wo das hungernde Kind unter dem Busch erfror, dort setzte sie ihren Fuß auf den Boden, und der Boden war ihr Eigentum. Wo der Bruder den Bruder erschlug um ein Paar strahlender Augen wegen, die nur zu bald schon erblinden und verlöschen würden, dort war ihr Reich. Wo Heere einander zerfleischten um Worte, die bald schon vergessen waren, dort war ihr Zuhaus. Wo auch immer der grimmige Schnitter einst seine Sense schwang, es war ihrer.
Sie lächelte über die armseligen, nutzlosen Bemühungen der Fleischlinge, die für so kurze Zeit im Schmutz ihrer eigenen Existenz wühlten und ihre sinnlosen Bemühungen für das Wichtigste in der Welt hielten, nur um ihr schließlich anheim zu fallen. Auch ihr war es anfänglich wichtig erschienen, doch sie war endlich erwacht.
Jorin; ein zahnloser Welpe, der dort kräftig bellte, wo er gern beißen würde. Pseudo-Sillisa; ihr Balg ein bewußt gezeugter Bastard, der den Welpen davon abhalten sollte, der größte Schmutzwühler von allen zu werden. Takin gehörte ihr schon lange. Sollte sie diese erbärmlichen Spielfiguren auslöschen? Vielleicht, oder auch nicht. Es war nicht wichtig.
Am Silbernen Sumpf, dem Sumpf von Mond und Dunkelheit, würde sie die Macht erhalten, die ihrer würdig war. Und sie wusste nun, wie sie zu ihm kommen konnte. Die Schatten der Nacht waren die besten Lehrer...
Am Fenster des einsamen Turmes im Nirgendwo stehend, breitete sie die Arme aus und lachte ihre Abscheu vor dem Leben heraus, sie, die glänzende Königin der Nacht, strahlendes Licht der Schwarzen Sonne.
Armselige Fleischlinge, ehret und opfert, DENN WIR SIND DAS GRÖSSERE HEER!
Und sie wandte ihren Blick in den wolkenverhangenen Abendhimmel und dann sah sie:
Ein Schakalsmensch, der in Ketten an den Rand einer großen, kreisrunden Öffnung im Boden gezerrt wurde.
Eine Kopfgeldjägerin, die sich in einen Wolf verwandelte und ihren Geliebten zerfleischte, immer und immer wieder
Gewaltige Drachen, die mit riesigen Ketten an den Erdboden gefesselt wurden und die von Peitschenhieben malätriert wurden.
Ein Mann in einem Kerker, der seine Fäuste an einer Mauer blutig schlug.
Tausende, in schwarze Rüstungen gekleidete Amazonen, die sich auf ihre Brust schlugen und einen Namen riefen.
Ein Mann mit einer schwarzen Zackenkrone und einem grauen, sich im Wind windenden Bart.
Eine Frau mit Fuchsfell, die ihren Bogen spannte.
Ein Skriggheer, dass an die Oberfläche marschierte und ein uraltes Lied sang.
Und einen Magier mit verbranntem Gesicht, der seinen Finger auf sie richtete.
Als sie das erblickte keuchte sie erschrocken auf und beendete ihre Version. Sie hat diesen Mann schon einmal gesehen, damals als Adrielle noch in ihrem Körper gelebt hatte. Was spielte er für eine Rolle in diesem Spiel aus Blut?
Doch was auch immer es damit auf sich hatte, nicht er und auch nicht andere würden sie aufhalten. Sie war In'Ahte'Fah, die Göttin des Todes und sie entschied über das Schicksal...
"Wir müssen schnell hier raus," stellte Lord Fergas fest. "Wenn diese Angreifer alle Ausgänge halten, wird der ganze Palast schnell zu einer einzigen Falle. Wir nehmen den Drachen."
"Drachen?" echote Carlos erstaunt. "Hier drin?"
"Nein, nicht einen Drachen. Den Drachen. So wird eine Wendeltreppe genannt, die sich von oben bis unten durch den ganzen Palast zieht. Und wo es scheppert, da bleiben wir nicht."
"Wir könnten auch durch den Tunnel in die Unterstadt verschwinden," schlug Ratte vor.
"Ist er sicher?" fragte Fergas interessiert.
"Ähem, eigentlich schon, abgesehen von einigen tausend menschenhassenden Skrigg..."
"Zum Drachen, folgt mir!"
Carlos und Magasai trugen die entkräftete Sillisa, Ratte und Kellorn zogen Schwert und Pistole und übernahmen die Vorhut, während Moro mit dem Spaten nach hinten sicherte. Fergas zauberte Rapier und Parierdolch unter seinem feinen Brokatmantel hervor, und sein Griff verriet Ratte, dass er mit diesen Werkzeugen kein Novize war.
Sie erreichten die Treppe und stiegen hinauf in den oberen Keller. "Weiter, sagte Fergas. "Hier gibt es keine Ausgänge." Im Erdgeschoss schlugen ihnen Flammen entgegen. Rasch stiegen sie höher in die erste Etage. Hier im großen Saal waren ein Leutnant der Blauen sowie etwa vierzig Kürassiere beider Einheiten, die sich seltsamerweise einmal nicht miteinander stritten. Auch einige Adlige waren anwesend, die Damen verängstigt, die Lords mit der Waffe in der Hand zum Tod bereit, und auch Gesinde war da, von denen sich die Beherzteren mit irgend etwas bewaffnet hatten. Die Flügel des großen Portales waren verbarrikadiert worden. Als sie weiter aufsteigen wollten, kamen ihnen drei Kürassiere entgegen. "Geht zurück," sagte einer von ihnen. "Diese Furien haben überall Feuer gelegt!" Sie gingen mit den Soldaten zu den anderen.
"Was ist mit den Stallungen?" fragte der Leutnant. "Kommen wir da raus?"
"Nein, Dutzende Schützen haben dort Stellung bezogen und lassen den Ausgang nicht aus den Augen," meldete einer der Kürassiere.
"Die Salons?"
"Sie brennen hoffnungslos."
"Der Grüne Flügel? Wird er noch von Major Yarris gehalten?"
"Er liegt erschlagen zwischen zwanzig toten Teufelsweibern."
"Verdammt!"
Dann gab es den ersten gewaltigen Donnerschlag gegen das Portal...
"Wir werden alle sterben!", schrie einer der Bauern auf.
"Wenn es nur ein kleinerer Trupp ist besteht für uns noch Hoffnung!", flüsterte Fergas den anderen zu. "Wir müssen versuchen uns durchzuschlagen und rennen, dann zum roten Saal, vielleicht lebt noch einer der Drachenlords!"
"Aber die Stallungen...", meinte Ratte.
"Vertraut mir!", zischte Fergas und richtete seinen Blick auf das Portal.
Ein Donnern lief durch den Raum, dann barsten die Flügel des Tores unter dem Aufprall des Rammbocks und die Gishka kamen herein und das Blutbad begann.
Fergas und Ratte stürzten vor und versuchten sich möglichst am Rand zu halten, um nicht im Mittelpunkt des Schussgewitters zu sein. Tatsächlich gelang es ihnen unverletzt das Tor zu erreichen, was einem Wunder glich, denn um sie herum fielen die Männer wie fliegen. Auch dem Leutnant wurde von gleich mehreren Patronen das Gesicht zerfetzt.
Dann wurden sie jedoch in einen Nahkampf verwickelt, denn einer von Ihnen nicht überleben sollte. Es war Magasai, der mit dem Säbel versuchte, die Träger der Königin zu schützen und dafür einen hohen Preis bezahlte. Die Gishka hackte ihm zuerst den Waffenarm ab, dann seinen Schädel.
"Weiter!", schrie Ratte, als er sah, wie Carlos Anstalten machte für seinen Freund Rache zu nehmen.
Er erschoss zwei Gishkas, die noch am Ausgang Stellung hielten- der Rest hatte sich schon längst blutdurstig in die Schlacht geworfen- und der Weg stand ihnen frei. So schnell sie nur konnten liefen sie und es gelang ihnen tatsächlich den feindlichen Kriegerinnen zu entfliehen.
Sie erreichten die Treppe hinab zum Inneren Hof, doch auch hier hatten sich eine Kohorte Gishka verteilt und versuchten, einen Trupp Roter mit ihren Gewehren in Schach zu halten, die sich ihnen hinter großen Rollschilden geschützt langsam näherten. Da fiel ein gewaltiger Schatten über sie und ließ sein vernichtendes Feuer über sie los. Ein gutes Dutzend der Söldnerinnen wankte schreiend als lebende Fackeln davon, die anderen schossen simultan zurück, trafen die leichter gepanzerte Unterseite des Drachen und zerfetzten sie, dass die blanken Rippen zu sehen waren. Schreiend raste das Reptil in ein filigranes Ziertürmchen, das unter seinem Aufprall förmlich explodierte.
"Auf sie, Männer!" schrie der Anführer der Roten und zog sein Schwert, das Opfer seines Kommandanten zu rächen. "Keine Gnade! Die Gishka sind legendär, doch ihr seid die Besten Avaliens!" Auch die Gishka kamen ihnen entgegen, einige im Laufen blankziehend, andere auf die Reichweite ihrer Bajonette vertrauend. Unter gewaltigem Scheppern und Getöse machte man einander bekannt.
Fergas bemerkte, dass das Gemetzel in dem großen Saal offenbar vorüber war, denn einige Handvoll Gishka kamen die Treppe zum Hof heruntergestürmt. Nun ging es für sie weder vor noch zurück.
"Meine Herren, gebt Euer Bestes," sagte er. "Phragda rette mich und beschütze den König und Euch alle..."
Sie stürmten zu dem Anführer des Trupps hinüber, der laut Befehle brüllte. Als er Sillisa entdeckte, wandte er sich ihnen zu: "Mervis Dunkeldrache ist tot. Aber Cynthia Solis lebt noch. Eilt zum roten Saal, sie wird in Kürze abheben!"
Sie bedankten sich, wünschten ihnen Gluck und Göttersegen und rannten weiter. Es gelang ihnen rechtzeitig am roten Saal anzukommen, ein Ort den die rote Kürassiere zum Abflug benutzte. Cynthia Solis' Drache war ein großes grüngeschupptes Reptil mit einem dornenbewehrten Schwanz. Neben Mervis Dunkeldraches rechter Hand fanden sie auch einen dunkelhäutigen Glatzkopf in dem Burnus eines Arullpriesters vor, sowie einen Muskelberg und Fürst Herolmar aus dem hohen Rat. Alle vier saßen bereits auf dem Rücken des Drachen. Als Cynthia ihre Königin erkannte, fluchte sie und kletterte die Strickleiter herab.
Ratte bekam nun die Gelegenheit sie aus der Nähe zu betrachten. Es war eine Frau von etwa zwei Dutzend Jahren. Sie hatte kurzes, rotes Haar und dunkle blaue Augen. Eine schwarze Narbe durchzog ihre Stirn und spaltete ihre linke Augenbraue. Cynthia musterte die Gruppe prüfend: "Na schön, dass wird schwer, aber ich denke, dass Arsicc es aushalten wird. Helft mir die Königin hochzubringen, wir haben keine Zeit mehr!"
Hinter ertönte bereits die Schlachtrufe der Gishkas. Anscheinend war nun auch der Innere Hof gefallen.
Sie hoben die Königin so sanft es ihnen möglich war auf den Rücken der gewaltigen Echse, und Kellorn sowie Carlos sicherten sie an den Seiten. Ratte nahm hinter der Echsenlady Platz. Er hatte sie sofort erkannt; dies war die Frau, welche die Gishka in die Höhle von Sagrsta geführt und Graccon gefangen hatte. Auf dem Merkzettel in seinem Kopf machte er ein dickes Kreuz.

Zwischenspiel

Lordkanzler Yuvaris erhob sich auf König Berimeils Wink wieder aus seiner knienden Haltung und breitete einige Pergamente auf dem Tisch aus, an welchem der betagte Monarch von Pelingora saß. Dieser machte eine kraftlose wedelnde Geste mit der Hand. "Verschont mich noch eine Weile damit, guter Kanzler. Erst die aktuellen Neuigkeiten. Wie läuft unsere Kampagne gegen Avalien? Ging mein Plan auf?"
"Das tat er, Majestät, wie immer," lachte Yuvaris pflichtbewußt. "Hender Sül ist gefallen, nur einige Partisanennester südlich des Tameron leisten noch hoffnungslosen Widerstand. Die Hauptmasse des Heeres kommt nahezu unbehindert voran und dürfte Candvallon in etwa vier Tagen erreicht haben."
"Und Candvallon selbst?"
"Der Palast steht in hellen Flammen, niemand weiß vom Schiksal Takins, die Kürassiere sind mit der Verteidigung der Oberstadt vollauf beschäftigt und das Heer ergeht sich in ungeplanten Aktionen, als wüsste es nicht, ob es die Gishka oder besser das eigene Volk aufhalten sollte. Die Sirdauka haben die Kontrolle über die Unterstadt übernommen und liefern sich blutige Scharmützel mit der Bettlerarmee. Mit einem Wort: die totale Kopflosigkeit."
"Die Gishka, oh ja. Ist es nicht ein erfreulicher Gedanke, dass unsere Feinde ihren Untergang auch noch aus eigener Tasche bezahlen?"
"In der Tat, das ist es." Er sortierte seine Unterlagen. "Wenn es Euch recht ist, fahre ich fort."
"Sicher, nur zu. Was will die Wolfsmeute da draußen von einem armen, alten Mann?"
"Der Primus der Falimarianer ersucht um die Erlaubnis, Diozösen im ganzen Reich einzurichten..."
"Abgelehnt. Nie wieder darf ein Orden genug Macht anhäufen, dass er der Krone gefährlich werden kann."
Yuvaris blätterte weiter. "Ein Gnadengesuch für Lady Gridoria..."
"Abgelehnt."
"Majestät, es ist von Lord Hirmasan; er bürgt mit seiner persönlichen Ehre für die Unschuld der Comtessa."
"Weist den Generaljustikar an, Anklage gegen Lord Hirmasan wegen Verrats zweiter Kategorie zu erheben. Weiter."
"Der Großmeister der Leinewebergilde bittet um Audienz. Es geht um einen Streit mit den Flussschiffern von Ridorca wegen Nichteinhaltung abgemachter Lieferbedingungen."
Berimeil seufzte, griff mit zitternden gichtigen Händen nach der gezackten, schwarzbrünierten Eisenkrone und setzte sie sich aufs Haupt. "Ich werd diesen Rübenfressern wohl zeigen müssen, dass diese Mumie noch immer Entscheidungen fällen kann. Lordkanzler, wäret Ihr so freundlich Eurem Supreme beim Aufrichten behilflich zu sein?"

Ich bin der rechtmäßige König! Mit zorngerötetem Gesicht trar Jorin gegen die Wände seines finsteren Verlieses, seine Hände waren längst blutig gescheuert. Wer hätte schon damit rechnen können, dass dieser Doppelgänger, sich selbst eine so fürchterliche Wunde zufügt? Er hatte alles riskiert- und alles verloren.
Als die Gishka zu ihm in die Zelle trat, hatte er an eine Befreiungsaktion gedacht. Stattdessen hatte er von der Invasion Pelingoras erfahren und das er Gefangener von König Begimeil wäre. Jorin kannte den alten Mann nur zu gut. Ein harter König und ein genialer Stratege. Die Falle war offensichtlich! Und ich bin darauf hereingefallen! Er hatte die Reichsfeinde bewusst, bei sich eingeschleust. Die perfekte Gelegenheit für Begimeil. Jorin hatte gedacht, der Krieg mit Nesola würde ihn von einer kriegerischen Aktion gegen Avalien abhalten, doch er hatte sich verschätzt. "Vielleicht", meinte er verbittert. "Teilen sie mein Land ja gemeinsam unter sich auf, wie einen schmackhaften Kuchen!" Er war so ein elender Idiot gewesen. Und jetzt war er ganz unten gelandet. In einem dunklem Kerkerloch. In einem Wutausbruch schlug er mit der rechten Faust gegen die Wand und beobachtete den Blutfleck an der schwarzen Mauer.
In diesem Moment ertönte plötzlich eine finstere Stimme in seinem Kopf...
Jorin, Blut von sechzehn Königen, ergib dich mir.
Jorin erstarrte, dann schüttelte ihn lautloses Lachen durch. Er besah sich die blutende Hand, leckte genussvoll daran, kostete.
So also fühlte sich der Wahnsinn an. Er war nicht überrascht.
Jorin, ohne es zu wissen hast du mich geschaffen. Ich bin nicht undankbar. Ich will dir etwas schenken, dass noch kein Sterblicher vor dir besaß.
"Was wäre das wohl?" rief er aus, und die Gishka sah ihn befremdet an. "Das Reich, das ich nun für immer verspielte? Oder einen gnädigen Schnitt durch die Kehle? Oder reden wir hier von bunten Perlen?"
Komme zum Silbernen Sumpf, und du wirst sehen.
"Ah so, Kindermärchen sind nun das Thema. Wie passend für das Riesenkind, das ich war!"
Ich will dich von meiner Ernsthaftigkeit überzeugen. Die Frau hinter dir, sieh ihr in die Augen.
"Keine Chance. Sie und ihre Schwestern hassen alles, was im Stehen pisst, wie die Seuche."
Sieh in ihre Augen - JETZT!
Warum nicht? dachte er und tat es.
Die Gishka blinzelte irritiert, dann weiteten sich ihre Augen, und in der letzten Sekunde ihres Lebens fand sie ein lang verlorenes Wissen zurück - die Angst vor dem Tode.
Nun gehört sie mir. Sie soll deine Führerin sein. Folge ihr, zu mir. Zu mir!
Jorin probierte es aus: "Komm zu mir!" Die Gishka trat an ihn heran an das Gitter.
"Gib mir die Schlüssel!", befahl er ihr.
Sie tat wie ihr geheißen.
"Beim Arull!", keuchte Jorin. "Was hast du mit ihr gemacht?"
Sie ist jetzt deine willenlose Dienerin. Sie wird für dich kämpfen und für dich sterben. Frägst du sie etwas, wird sie dir wahrheitgemäß antworten.
Jorin schloss die Gittertür auf und verließ die Zelle, dann blieb er stehen: "Warum tust du das? Warum hilfst du mir?"
Ich will dir ein Angebot machen.
"Wäre es nicht schlauer gewesen, meine Befreiung dann erst danach zu veranlassen?", meinte Jorin misstrauisch.
Ich werde dir Macht geben, Jorin. Du sollst über deine Rasse herrschen und deinen rechtmäßigen Titel bekommen. Im Gegenzug, sollst du mir und meinem Volk dienen. Gehe zum silbernen Sumpf, dann werde ich dir weitere Anweisungen geben!
Damit verschwand die Stimme aus seinem Kopf. Jorin überlegte: Das Angebot dieses Wesens war verführerisch. Er, der über die Menscheit herrschte. Doch ebenso konnte sie ihn anlügen. Außerdem gefiel ihm die Stelle nicht, an der sie sagte, dass er ihr dienen müsse. Wie auch immer, er wäre ein Narr würde in seiner jetzigen Position auf diese Hilfe verzichten. Wenn es erst einmal so weit war, könnte er sich immer noch entscheiden. Jetzt sollte er fürs Erste versuchen, den Mauern Candvallons zu entweichen.
"Wie sieht die Schlacht aus?" fragte er das Wesen, das bis gerade eben noch eine Frau gewesen war. "Ich meine, welche Seite gewinnt?" Die Gestalt rührte sich in keinster Weise. Er musste es anders versuchen. "Werden die Gishka siegen?" Das Wesen nickte. Es konnte wohl nicht sprechen, oder nur auf sehr einfache Fragen antworten. Er überlegte kurz, und seine füchsische Schläue lies ihn nicht im Stich.
"Hör zu: ich bin dein Gefangener, verstehst du?" Nicken. "Such etwas, womit ich mein Gesicht verhüllen kann, einen Beutel vielleicht, irgendwas." Es ging und kam bald darauf mit einer schwarzen Kapuze zurück, wie sie zum Tode verurteilten als Gnadenerweis über den Kopf gezogen wurde. "Sehr gut, und nun binde mir die Hände auf den Rücken und führe mich mit einem Strick um den Hals hinter dir her." Es tat dies und erwürgte ihn fast dabei. Sonderlich klug schien es nicht zu sein.
Bald hatte er sich dem Rythmus des Geschöpfes angepasst, und er sagte: "Nun führe mich hier heraus; der Haupteingang von mir aus. Du weißt wo?" Es kam keine Antwort. "Verdammt, ich sehe nicht ob du nickst! Hast du verstanden, dann huste!" Ein Husten kam, und ein weiteres, und noch eines.
"Danke, einmal ist genug." Seine Zuversicht sank ein wenig.
Scheinbar schien es niemanden zu stören, dass sie auf diese Weise durch die Gänge streiften. Aus der Ferne hörte Jorin das Feiern der Gishkas und ihre gröhlenden Schlachtgesänge. Anscheinend waren die Kämpfe bereits zu Ende.
Ein paar Mal trafen sie auf andere Gruppen, die Ihnen entgegenkam, sie aber nicht beachteten. Wahrscheinlich war sein Anblick keine Seltenheit.
Kritisch wurde es erst, als sie den Palasteingang erreichten, wo zwei Amazonen einsam Wache hielten.
"Halt!", sagte die Eine. Die Andere fragte: "Wohin willst du mit dem Gefangenen?"
Mist! Seine Führerin antwortete nicht. Er musste schnell handeln, ehe die Gishkas wussten, was sich hier abspielte.
"Töte sie!", zischte er seiner Begleiterin zu, dann riss er sich die Kapuze vom Kopf und rannte los. Seine verstummte Führerin stürzte sich mit gezogenen Klingen auf ihre Waffenschwestern.
Jorin behielt Recht: Die Gishkas zogen einen ordentlichen Kampf einer Verfolgungsjagd vor und konzentrierten sich nur noch auf ihre Kontrahentin.
Jorin rannte so schnell er konnte, durchquerte die Elendsviertel und verließ Candvallon, wobei er seinen Kopf gesenkt hielt. Blutend und dreckig, wie er aussah hielten ihn die Gishkawächterinnen sicherlich nicht für eine Person von Bedeutung.
Erst als er mehrere Meilen hinter sich gebracht hatte, gönnte er sich eine Rast und suchte in einer trockenen Höhle einen Unterschlupf vor dem Regen. Er lehnte sich schwitzend an eine moosüberwucherte Mauer und schlief ein.
Nach seinem Erwachen war es bei ihm. Ruhig und gelassen stand es da, als hätte es die ganze Zeit Wache für ihn gehalten. Er sah, dass der linke Arm des Wesens unterhalb des Ellenbogens abgetrennt war, was es aber nicht zu stören schien. Es war nicht einmal Blut zu sehen.
Wie hatte es mich gefunden? fragte er sich erstaunt. Offentsichtlich gab es eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen, die aber nur dieses Geschöpf wahrnehmen konnte. Egal, es war wieder bei ihm, bereit zu dienen.
"Ich habe Durst," probierte er sein Glück. "Bring mir etwas zu trinken." Es verschwand und kehrte nach einer geraumen Weile mit frischem Quellwasser in seinem Helm zurück. Er erfrischte sich und fragte dann: "Du weißt vom Silbernen Sumpf?" Es nickte. "Gut, meine neue Freundin. Dann bring mich dorthin."
Sie reisten auf der Stelle ab. Der Regen des Vortages war verschwunden, einzig die aufgeweichten Landstraßen zeugten noch von dem heftigem Unwetter.
Jorin überwand seinen Stolz und versenkte seine Stiefel in der matschigen Erde. Die Gishka ging wie gewohnt voran. In ihrer rechten Hand trug sie ständig ihr Kurzschwert, sodass er sich wunderte, dass ihr Arm das Gewicht über Stunden ertragen können. Immer mehr begann er zu glauben, dass dieses Wesen mehr eine Maschine als ein Mensch war.
Wenn er eine Armee solcher Geschöpfe hätte, würde ihn keine Streitmacht Avaliens, Pelingoras oder eines anderen Landes etwas entgegensetzen können.
Welches Wesen war in der Lage eine Kriegerin mit eisernem Willen in eine solche Kreatur zu verwandeln?
Sie durchquerten einige Dörfer, die bereits zum größten Teil verlassen waren, eines war sogar von den Bewohnern niedergebrannt worden. Die Nachricht von der pelingorischen Invasion hatte bereits die Runde gemacht.
Er kaufte von einer alten Händlerin neue Kleidung für sich und die Amazone, dann setzten sie ihre Reise fort.
Als sie auf der Arnheimstraße eine Flüchtlingsfamilie trafen, hielt Jorin den Vater an: "Guter Mann, wisst ihr von einem silbernen Sumpf, der hier in der Nähe liegt und wo ich ihn finden kann?"
Der Mann hob die Augenbrauen: "Seid ihr sicher? Dieser Sumpf ist Hexenwerk- wenn ihr dort hinwollt rechnet nicht damit eure Seele behalten zu können. Aber wenn ihr wirklich wie die anderen glücksuchenden Narren seid, kann ich euch nur empfehlen mit Gerric, dem Kutscher zu sprechen, der in der Nähe des Sumpfes lebt. Seine Hütte liegt nur ein paar Meilen entfernt!" Jorin hörte der Wegbeschreibung aufmerksam zu, bedankte sich und setzte dann die Reise fort. Er würde zu diesem Gerric gehen und hören, was er ihm sagen konnte.
Auf dem Weg zu diesem Kutscher begegneten Jorin und seiner stummen Begleiterin noch weiteren Flüchtlingstrecks. Die Leute hatten von den Gishka weder gehört noch jemals eine leibhaftig vor Augen gesehen, dennoch eilten sie wortlos weiter, wenn sie sich ihnen näherte, und ließen seine Fragen unbeantwortet. Sie waren wohl vom Schrecken des Sumpfes mehr berührt als die Ersten.
Am späten Nachmittag erreichten sie die beschriebene Hütte. Es war eine einfache, aber robuste Konstruktion, geschaffen Wind und Wetter trotzig zu widerstehen. Er trat an die aus groben Eichenbohlen gezimmerte Tür und klopfte kräftig an. Eine Stimme erklang im Inneren, doch er konnte nicht verstehen was sie sagte, und dann wurde die schwere Tür geöffnet. Jorin sah einen Riesen, gute zwei Köpfe größer als er. Das Haar, das sein hageres Gesicht im Wind umwehte, sah aus als wäre es niemals in seinem Leben gebürstet worden, und Jorin hätte es nicht erstaunt, Maikäfer darin krabbeln zu sehen. Er trug das einfache Sackgewand des Eremiten, und die Tätowierung auf seiner Stirn wies ihn als einen Geweihten Phragdas aus.
"Seid Ihr der Kutscher?" fragte Jorin statt einer Begrüßung geradeheraus.
"So werde ich von den Leuten umher genannt," antwortete der Riesenkerl und lächelte geheimnisvoll, "denn ich befördere Menschen."
"Ich bin unterwegs zum Silbernen Sumpf. Mir wurde gesagt, Ihr könntet mein mangelhaftes Wissen darum vermehren."
"Aus anderem Grund sucht mich selten jemand auf, werter Herr," lächelte der Einsiedler noch immer und machte eine einladende Geste. "Drinnen ist es gemütlicher zu reden. Fühlt Euch als zu Haus. Es ist wenig, was ich hab, doch ich teil es gern mit Euch." Er lud Jorin und seine Führerin mit einer Handbewegung ein, sich an einen grobgezimmerten Tisch zu setzen. "Jeden, der zum Silbernen Sumpf will, den schicken die Leute zu mir," sagte der Kutscher, der sich zu einem einfachen Regal begab und dort mit einem Krug und Bechern aus Keramik hantierte. "Sie wissen, dass niemand den armen irrenden Seelen besser helfen kann als ich." Ein herzhafter, saurer Geruch erfüllte die Kate; guter, selbstgekelterter Landwein. Der Mann kehrte mit drei Bechern zu ihnen an den Tisch zurück. "Doch zuvor lasst uns dem Erhalter Phragda einen Dankestrunk darbringen, dass er Euch sicher und wohlbehalten bei mir ankommen ließ." Dankbar griff Jorin nach dem Becher; nach all dem Blut und Wasser würde es ihm vorkommen wie edelster nesolatischer Tarrisander. Doch ehe er ihn an die Lippen bringen konnte, ergriff das Wesen, das wie eine Gishka aussah, seine Hand und drehte sie um. Empört wollte er aufbegehren, doch im gleichen Augenblick gewahrte er die schimmernden Körner in der Pfütze auf dem Tisch. Der Eremit sprang auf und wollte eiligst zur Tür hinaus, doch die Mensch-Maschine ergriff ihn mit ihrer einen Hand und hielt ihn mit unmenschlicher Kraft fest.
Prüfend steckte Jorin einen Finger in den vergossenen Wein. Er nahm an, dass es sich um den üblichen Zucker handelte, mit dem das einfache Volk seinen sauren Traubensud süßte, und stellte fest dass es geriebenes Glas war...
"Vermessener!" schrie der Eremit in fanatischem Eifer. "Du kannst mich nur töten, du jedoch wirst verdammt bis in alle Zeiten sein! Niemand bleibt derselbe, der in der Finsternis des Mondes badet!"
Etwas geschah mit den Augen seiner Begleiterin. Sie schienen plötzlich mit Leben erfüllt, doch es war nicht das Leben geborener Wesen. Unbewegt starrte sie dem Kutscher in die Augen, und dieser schien gezwungen, zurück zu starren.
Irgendwie spürte Jorin, dass er im Folgenden die Rolle eines unbeteiligten Statisten spielen würde, und so lehnte er sich entspannt zurück, um die Darbietung zu genießen.
"Ja...ich kenne dich," stammelte der Eremit, und Jorin wusste, dass er im Kopf die selbe Stimme hörte wie er zuvor im Kerker. "Du bist das Schweigen und die Dunkelheit. Du bist die Kälte. Wo du vorüberschreitest, erzittert Phragda bis ins Mark und Arull birgt sein Haupt in Scham." Fasziniert beobachtete Jorin, wie das Fleisch begann von seinem Gesicht zu fallen. "Große Königin der Dunkelheit, ja, ich bin bereit für Euch. Und ich hätte nicht gewagt ihn anzurühren, hätte ich gewusst dass er Euch gehört..."
Dann ging es sehr schnell, der Eremit fiel als ein Sack Lumpen zu Boden, aus dem eine Menge Staub beim Aufkommen herausgeblasen wurde. Die Augen des Wesens bekamen wieder ihre ausdruckslose Mattigkeit zurück.
In Jorin brodelte es - nicht wegen des feigen Anschlages, auch nicht aus Enttäuschung wegen des raschen Endes des außergewöhnlichen Dramas. Nein, sein Stolz war zutiefst verletzt worden.
Was sollte das bedeuten - er GEHÖRTE?
Er war Jorin, rechtmäßiger König Avaliens und Niemandes Eigentum. Wenn er erst am silbernen Sumpf war, würde er sich selbst die Macht einverleiben. Wofür brauche ich dich denn noch? Erst hast du mir geholfen aus Candvallon zu entfliehen, doch jetzt hast du keinen Nutzen mehr für mich! Morgen würde er zum Sumpf aufbrechen und dann war er bereit, den ihn zustehenden Platz einzunehmen.

Sie hatten sich um ihn versammelt. Zwei von Ihnen hatten ihn zu der kreisrunden Öffnung im Untergrund gezerrt. Im Hintergrund hatte Draghdzur auf ihn eingeredet: "Du bist ein guter Krieger Arngshsziss, auch wenn du auf der falschen Seite stehst! Wir werden dieses, durch Menschenhand zersplitterte Reich erobern und können keine Verräter in unseren Reihen gebrauchen. Die Skrigg werden die Oberfläche zurückerobern. Doch ich will dir das Schicksal einer Hinrichtung oder ewiger Gefangenschaft ersparen. Das bin ich dir nach der Rettung meines Sohnes schuldig, auch wenn er die Schlacht nicht überlebte. Dir gebührt ein Kriegertod in Sagrsta. Mögest du interessante Zeiten erleben!" Dann war er hinabgeschmissen worden in dieses Höllenreich. Sein Axt Nirsste gleich hinterher.
Und jetzt saß Arngshsziss hier am Ufer eines Tümpels mit gelb phosphorizierendem Wasser, neben sich die Kadaver der Alligatormutanten, die darin gehaust hatten. Seine Axt hatte ihnen einen schnellen Tod gebracht. Arngshsziss hatte die Leichname bislang nicht angerührt. Er wusste nicht, ob sie genießbar waren.
Jetzt saß er da und überlegte sich, ob dies die Bestimmung war, die die Todesgötter ihm zugedacht hatten? In diesem apokalyptischen Tunnelreich zu verenden?
Er hob seine Axt auf, ließ die Kadaver Kadaver sein und machte sich daran den See zu durchqueren. Das Wasser war seltsam warm und stank abscheulich. Als er am anderen Ufer angekommen war, schüttelte er ausgiebig sein Fell aus. Erst dann sah er sich um. Gleich drei Schächte taten sich für ihn auf. Arngshsziss wählte den Rechten. Als eine kniehohe Spinne an ihm vorbeilief, erschlug er sie und beobachtete fasziniert wie die violette Flüssigkeit herausspritzte. Du wirst für deine Taten bezahlen Draghdzur! Sein Vetter Sriarrsh war tot. Krasshar, sein Vater war kastriert worden und wahrscheinlich in den selben Höhlen gestorben, durch die er selbst gerade irrte. Das Haus des toten Marders war so gut wie ausgelöscht. Seine Züge verzerrten sich aus Hass.
Er betrat eine neue Höhle. Lange weiße Schläuche hingen von der Decke und pendelten wild umher. Durch einige von ihnen konnte man das Blut erkennen, dass sie anderen Opfern ausgesaugt hatten. Einer der Skrigg hing noch immer an Ihnen. Seine Körper hatte jede Farbe verloren und pendelte schlaff herab.
"Ausbreitung deiner Persönlichkeit, mein Freund!", sagte Arngshsziss, dann wandte er sich vom Anblick des Toten ab und setzte seinen Weg fort-vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit Sagrsta zu verlassen.
Es hieß einer hätte es geschaft. Danach war er irre und taub. Angeblich hatte er stundenlang sinnlose Wörter vor sich hingestammelt und sich auf allen Vieren vorwärts bewegt.
Ein bunter Farbtupfer nahm seine Aufmerksamkeit gefangen. Verwundert trat er näher und erkannte ein Gebilde, dass jeder heutige Skrigg nur noch von alten Legenden her kannte: eine prachtvolle Blume. In dem allgegenwärtigen Grau-Braun der Höhlenwelt strahlten diese Farben so, wie wohl die Sonne in seiner Vorstellung gestrahlt hätte, denn auch diese kannte er nur aus Erzählungen. Dies war wirklich ein unglaublicher Schatz!
Er nahm den Geruch dieser Blume auf, und er war schlicht überwältigt. So etwas konnte es hier eigentlich nicht geben, und doch stand sie da, bereit für ihn. Er bückte sich, diesen kostbaren Schatz für sich zu gewinnen, berührte sanft den dünnen Stiel.
Da brach der Boden vor ihm auf, und ein bleicher wurmartiger Fangarm schoß aus dem Loch. Ohne zu denken sprang er zurück und schlug mit der Axt danach. Noch zwei weitere Sprünge nach hinten, und er sah was er geschaffen hatte. Der Tentakel zog sich mit seltsam blubbrigen Geräuschen wieder in den Boden zurück, das obere abgetrennte Ende lag zuckend auf dem Boden und eine grüne, brandig riechende Flüssigkeit lief heraus. Ihm sträubte sich das Fell.
"Nicht heute, Sagrsta!" knurrte er.
Dann bemerkte er plötzlich ein Flimmern in der Luft und eine bläulich schimmernde Gestalt erschien plötzlich in einem der Durchgänge, die aus der Höhle herausführten. Es war ein Fellloser, dessen rechte Gesichtshälfte vollständig verbrannt war. Das seltsame Wesen streckte dem Skrigg eine Hand entgegen. Eine Hand von der der größte Teil der Finger abgetrennt worden war. Die Erscheinung faszinierte Arngshsziss, auch wenn er eine weitere Falle der Sagrsta befürchtete. Er näherte sich der Gestalt, allerdings vorsichtiger als zuvor bei der Blume. Als er sich bis auf fünf Schritt genähert hatte verblasste das Wesen.
Nur ein Trugbild! Arngshsziss wollte sich schon wieder abwenden, als die Gestalt erneut auftauchte- tiefer im Tunnel. Das blaue Schimmern verriet sie. Interessiert folgte Arngshsziss dem Wesen. Es spielte ohnehin keine Rolle, in welche Richtung er ging.
Leises Knurren ließ ihn herumfahren. Neckisch hatte es geklungen, mit einem herausfordernden Unterton. Und er sah sie...
"Slusha!" entfuhr es ihm. Dort stand sie, wilde, leidenschaftliche, unbekümmerte Slusha, Tochter dreier Häuptlinge. Er erkannte ihr spöttisches Grinsen, die selbstbewußte Art, wie sie Kopf und Schwanz hielt, meinte ihren Duft wahrzunehmen. Sie war gekommen, ein Versprechen zu erneuern, dass sie einander vor langer Zeit gaben.
Die unheimliche blaue Gestalt verhielt, wandte sich um, wartend...
Arngshsziss zögerte, nicht sicher, wem oder was er in dieser Welt der tötlichen Täuschungen trauen sollte. Keine der Gestalten wirkte bedrohlich auf ihn, aber das war auch die Blume nicht gewesen.
Slusha knurrte noch einmal ihr herausforderndes Lachen und wandte sich dann um, verschwand in einem anderen Tunnel.
Noch immer stand er unschlüssig da. Dies war sie, seine Gefährtin, da gab es keinen Zweifel für ihn. Doch sie war schon lange den Weg Shnrr(!)gzargts gegangen; er hatte sie selbst begraben!
Er musste sich entscheiden. Zwischen seiner toten Gefährtin und diesem ominösen blauschimmernden Felllosen. Arngshsziss spürte, dass egal welchen Weg er auch einschlug es sein ganzes zukünftiges Leben ändern würde.
Der Schamane hatte ihm prophezeit, dass er in die westlichen Tunnel gehen sollte, um seine Bestimmung zu erfüllen. Dadurch war er der Vernichtung seines Hauses entgangen. Doch jetzt saß er in Sagrsta, der Grube des Gifts. Er würde keine Rache an den Gefallenen nehmen können, es sei denn er fand einen Weg hier heraus.
Slushas Gestalt war im Dunkel mittlerweile nur noch schwach zu erkennen. Arngshsziss traf seinen Entschluss und folgte der blauschimmernden Gestalt. Wäre es wirklich Slusha gewesen, die er gesehen hätte, hätte sie auf ihn gewartet. So aber war sie nur eine weitere Blume in dieser grauenhaften Unterwelt. Etwas, das zu schön war um an einem solchen Ort existieren zu können.

Geändert von Darnamur (05.04.2012 um 12:27 Uhr)
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