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Alt 18.03.2012, 16:40
Benutzerbild von Darnamur
Darnamur Darnamur ist offline
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Drachentoeter
 
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Zusammenfassung Teil4(mittlerweile haben wir gute 45 Wordseiten)

"Vielleicht müssen wir tatsächlich nach Candvallon. Wenn
Graccon vorhat einen Anschlag auf Jorin zu verüben, wäre dies der richtige Weg. Jetzt müssen wir erstmal aus diesem unterirdischen Labyrinth herauskommen. Dann brauchen wir einen Heiler, der möglicherweise auch Gusgan wieder zu Verstand kommen lässt!"
"Stopp mal; du meinst, dieses Gestammel ergibt irgend einen Sinn? Er redet mit uns?"
"Mhm, und wir werden wohl lernen müssen, zuzuhören."

Tuveks Stimmung war auf dem Nullpunkt. Gerade heute, da seine Gratia einmal frei hatte, musste er natürlich zur Turmwache eingeteilt werden! Als ob es hier etwas zu bewachen gäbe...niemand, den es nichts anging, wußte dass dieser aufgegebene Außenposten nahe der Grenze die geheime Zuflucht der Königin darstellte. Niemand kam hier vorbei, der nicht zum kleinen Hofstaat gehörte. Diese übertriebene Vorsicht war einfach nur lachhaft.
Er bemerkte die Shilouette einer Flugechse in der Ferne, welche direkt auf den Turm zuhielt. "Du kannst Ihrer Majestät melden, dass der Seneschall zurückkehrt," sagte er zu seinem Kameraden.
"Warum tust du es nicht selbst?" brummte dieser zurück.
"Weil ich zweimal stärker und dreimal gemeiner bin als du."
Mit einem "Du kannst mich..." verschwand der andere nach unten.
Gebannt beobachtete Tuvek, wie der Drache näher kam; dieser Anblick hatte ihn schon immer fasziniert, doch plötzlich wurde er sich bewusst, dass etwas nicht stimmte. Dies war nicht Yodraks Drache! Was um alles...
Und im nächsten Augenblick endete seine Welt in einem brüllenden Inferno.
Framire legte eine saubere Punktlandung auf der Turmplattform hin, und Feldan begab sich sofort die Stufen abwärts auf die Suche nach seinem königlichen Jagdwild. Kreischende Bedienstete beachtete er überhaupt nicht, nur hin und wieder fegte er einen einzelnen Soldaten mit der Waffe zur Seite. Verweichlichte Garnisonstruppen waren es, die hier Dienst taten; keiner von ihnen hatte schon einmal in einem Kampf gestanden. Eine Alarmglocke ertönte irgendwo, und es tauchten mehr Soldaten auf. Feldan nahm sich gelangweilt ihrer an. Wieviele Schafe brauchte es, einen Tiger zu erlegen?
Er sah sie wie sie die Wehrmauer entlang stolperten. Gekleidet waren sie in Wappenröcke die einen grauen Turm auf blauem Grund zeigten. Bewaffnet waren sie mit Schwertern und Schildern. Feldan erkannte keinerlei Pistolen. Nur ein paar einzelne Inviduen trugen Bögen. Mittelalterlich. Gegen Jorins bestens ausgestattete Söldner und Gishkas würden sie nicht einmal den Hauch einer Chance haben. Feldan sandte seinem Drachen einen geistigen Befehl zu und Framire erhob sich und stürmte brüllend auf die Soldaten zu, die übereinanderpurzelten, sich zur Flucht wandten von der Wehrmauer fielen. Dann kam das tosende Feuer über sie, ihre Wappenröcke brannten wie Zunder.
Feldan eilte den Turm herab. Er wollte nicht mehr länger ein Zuschauer sein. Sein Säbel schrie nach Blut.
Als der Drachenlord unten angekommen war, schwappte Blut die Wehrmauer entlang und brennende Leichname stürzten von den Zinnen. Framire selbst wütete unter den Verbliebenen Kämpfern wie ein Berserker. Mit seinen gewaltigen Hauern zermalmte die Echse mehrere Soldaten auf einmal.
Zurück!, befahl er Framire. Und tatsächlich erhob sich der Drache und verließ fliegend den Kampfschauplatz. Die verbliebenen Wachen junbelten, erkannten Feldan als neuen Gegner und stürmten siegessicher und "Avalien!" schreiend auf ihn zu. Drei von Ihnen starben noch auf dem Weg durch die Pistole des Drachenlords. Dann begann für Feldan erst der richtige Kampf. Doch wie sich herausstellte taugten diese Kämpfer auch im Umgang mit dem Schwert wenig. Der erste lief, völlig hirnlos seine Deckung freilegend auf ihn zu, die Waffe über seinem Kopf haltend. Feldan spießte ihn ohne zu Zögern auf. Dem Zweiten fraß sich die Säbelklinge in den Hals. Dem Dritten schlug er ein bein weg und gab ihm dann den Gnadenstoß. Enttäuschend! Hoffentlich hatte Sillisa bei sich selbst ein paar bessere Wachen als diese hier. Innerhalb von wenigen Minuten waren gut zwei Dutzend durch Framire und ihn gefallen.
Dann erreichte er das Zentralsegment des Turmes und fand eine verschlossene Tür. Nach zwei Tritten brach der Riegel, und Feldan stand im privaten Refugium der Königin. Sie erwartete ihn in einem großen Sessel sitzend, ein antikes Bronzeschwert über den Knien. Es war sonst niemand mehr im Raum; keine Bediensteten und auch keine Soldaten. Jorin beanspruchte die besseren Truppen wohl schon lange für sich.
"Ich entbiete Euch kein Willkommen, Seneschall," sprach Sillisa, gerade wie ein Speer dasitzend. "Eure Art, hier Audienz zu erzwingen, lässt Euch als Vasall meines ungeliebten Schwagers erkennen. Ich verfluche Euch wie ihn!"
"Dennoch wird es sein Wunsch sein, Euch zu sehen, Mylady," entgegnete Feldan kühl und machte einen Schritt auf sie zu, verharrte jedoch, als sie das Schwert hob und die Spitze auf ihren Bauch richtete.
"Ich bin die Meisterin dieses Landes, so wie ich die Meisterin meines eigenen Schiksals bin! Kein Hund, der sich von den Knochen eines anderen Hundes ernährt, wird mir sagen was ich tun soll!" Entsetzt sah Feldan, dass die Klinge bis etwa zur Mitte in ihrem Leib verschwand, ohne dass er es hätte verhindern können. "Dieser Bastard wird an niemanden seine besudelte Hand legen..." wisperte sie mit letzter Kraft, und ein dünner Blutfaden rann ihr dabei aus dem Mund. "Nicht an mir...noch an dem in mir..." Dann fiel ihr der Kopf auf die Brust, und der letzte Atem entglitt ihr.
Lange sah Feldan auf sie herab und verfluchte seine Ungeschicktheit, dann machte er kehrt und sandte einen Gedankenbefehl zu Framire. Der Tod der Königin würde Jorin eben reichen müssen...
Wenig später erreichte Yodrak den grauen Turm. Schon von Weitem erkannte er das Unheil, welches Feldan und seine Bestie angerichtet hatten. Panisch eilte er zum Saal der Königin. Dort fand er sie auch, ihre eigene Leiche begutachtend. "Herrin, ihr lebt!", entfuhr es ihm erleichtert. Sie hob ihren zarten Kopf an und lächelte ihren Seneschall traurig an: "Manche Leute lernen einfach nicht aus ihren Fehlern." Sie schritt auf Yodrak zu, der sich erst jetzt seiner Lage bewusst wurde und sich auf die Knie fallen ließ. Sillisa legt im ihre linke Hand auf die Schulter: "Mein treuer Seneschall, ich habe eine Bitte an euch." Yodrak hob den Kopf ein wenig: "Alles was ihr wünscht, mylady!" "Ich möchte das mein Überleben vorerst nicht ans Licht kommt. Jorin wird nach diesem Triumph keine Armeen mehr in Bewegung setzen und vielleicht unvorsichtig werden. Das sollten für Graccon beste Bedingungen darstellen um die ihm zugedachte Mission zu erfüllen!"
Yodrak nickte beistimmend. "Ich werde sofort den Umzug in die Zweitresidenz veranlassen. Nichts darf hier verändert werden, alles muss so bleiben wie es gerade ist."
Sillisa schaute noch einmal auf ihre Doppelgängerin, ihrer einzigen. In all den Jahren hatte sie ein fast geschwisterliches Verhältnis zu ihr entwickelt. "Auch sie?"
"Ja, Euer Majestät, ganz besonders sie."

Den verrückten Gusgan auf beiden Seiten stützend, waren Nortia und Esterlar etwa den halben Weg durch das Tunnelsystem zurückgekommen, als Gusgan plötzlich begann zu toben. Instinktiv fassten sie ihn fester, als sich die bekannte Welt mit einemal um sie herum auflöste. Es war wie ein endlosen Fallen durch brüllende Schwärze, dann spürten sie ihre Körper mit einemal wieder, und es wurde wieder hell. Da sie beide das Astralreisen nicht gewohnt waren, nahm der Wiederverkörperungsschock beide ziemlich mit.
Mit brennenden Augen sah sich Nortia um und erkannte die weibliche Leiche, die hingestreckt in dem großen Sessel vor ihnen thronte. "...Euer Majestät! Nein...!"
Gusgan wirkte plötzlich sehr ruhig und konzentriert. Vorsichtig nahm er das Bronzeschwert aus den kalten Fingern, schnitt sich damit in einen Finger und legte es dann zu Boden. Mit seinem eigenen Blut malte er sodann magische Sigillen um die Waffe herum und fragte mit erstaunlich fester Stimme:" Schwert aus Bronze, hast du Sillisa erschlagen?"
"Ja," erklang eine Stimme aus dem Schwert. Passenderweise war sie hart und metallisch.
"Ich will dir neue Namen geben," sagte Gusgan. "Ich nenne dich Zinn, und ich nenne dich Kupfer."
Das Schwert schien bei seinen Worten dahinzuschmelzen, und zwei Barren lagen vor Gusgan, ein kleinerer silbriger und ein größerer roter.
"Ich frage dich, Zinn: hast du Sillisa getötet?"
"Wie könnte ich das?" fragte das Zinn mit weinerlicher Stimme. "Ich bin weich und biegsam und hätte ihre Haut wohl nicht einmal kratzen können..."
"Sei still, Schwächling!" fuhr das Kupfer energisch dazwischen. "Ich bin es, der dich stark macht. Zusammen mit mir könntest du hunderte erschlagen! Natürlich haben wir es getan!"
"Ja," sagte das Zinn. "Zusammen mit meinem starken Bruder habe ich es wohl getan..."
"Ich will euch neue Namen geben," sagte Gusgan unbeirrt. "Ich nenne euch Zinnerz, und ich nenne euch Kupfererz."
Nun lag ein Haufen gräulicher unregelmäßiger Nuggets vor ihm, sowie etwas das Ähnlichkeit mit einer bizarren roten Stabkoralle hatte.
"Ich frage dich, Zinnerz: hast du Sillisa getötet?"
"Wer ist das?" fragten die Nuggets zurück. "Ich liege mit meinen Brüdern und Schwestern in der Erde und genieße meinen Frieden. Wie und warum sollte ich jemanden töten?"
"Und ich frage dich, Kupfererz: hast du Sillisa getötet?"
"Hier in meinem Stein warte ich auf das Ende der Ewigkeit. Wen sollte ich töten?"
Nun lächelte Gusgan zufrieden. "Ich will euch einen neuen Namen geben. Ich nenne euch Bronzeschwert!"
Nuggets und Stäbe flossen ineinander und fügten sich zum Schwert wieder zusammen; frischer und glänzender als zuvor.
"Ich frage dich, Schwert aus Bronze," sagte Gusgan. "Hast du Sillisa getötet?"
"Nein, das habe ich nicht," antwortete das Schwert sehr sicher.
Die "Königin" tat einen qualvollen Atemzug, ihre Lider hoben sich flatternd.
"Es ist vollbracht!" jubelte Gusgan und umarmte sich vor Glück selbst. "Habe ich das gesagt? Dummfug!"
Nortia und Esterlar beachteten sein verrücktes Gerede diesmal gar nicht. Grauenerfüllt starrten sie auf die wieder zum Leben erweckte Tote. Beide hatten den Tod schon in vielfältiger Gestalt erlebt, nicht selten mit ihren eigenen Händen herbei geführt. Aber das hier war etwas, das sich ihrem Verständnis entzog. Natürlich waren sie froh, die Königin am Leben zu sehen, aber welche Kräfte hatte der Magier dafür verwendet? War es denn wirklich die Königin, die diesen ehemals toten Körper beseelte?
"Erkennst du sie wieder?" fragte Esterlar zögernd. "Ich meine, ihr Geruch...ist er derselbe...?"
"Ich habe keine Ahnung, wie die wirkliche Königin riecht!" gestand Nortia gereizt ein. "So nahe bin ich ihr noch nie gekommen..."
Das Geschöpf in dem Sessel flüsterte heiser: "Ja, ich bin die Königin. Ich bin Sillisa."
"Candvallon`sche Mädels haben einen guten KOPF," singsangte Gusgan vor sich hin, während er sich mit Begeisterung über die kalten Reste einer Mahlzeit auf einem Beistelltischchen hermachte. "Drum reden sie viel KOHL..."
"Majestät, Euer Baby," sagte Esterlar sanft. "Wir sollten schauen, ob es..."
Mit einem Ruck öffneten sich die Augen der Wiederbelebten und musterten ihn durchdringend. "Zum Arull mit dir! Stünde hier nur die Dynastie der Tucanier auf dem Spiel, hätte ich es mir in den Flammen des Tartarus gemütlich eingerichtet! Meine Sorge gilt dem Reich, und nur ihm!"
"Auch uns ist dies das wichtigste Anliegen," versicherte Nortia rasch. "Und nur mit Euch werden wir..."
"Wer hat dir erlaubt, eigene Gedanken zu denken, Hure? Gehorche, das ist genug! Und wie kannst du es wagen, an mir zu zweifeln? Ich verbiete Beweisführung!
Ich werde hart mit den Meinen verfahren! Ihr werdet mich nicht lieben, folglich fürchtet mich! Je mehr ihr mich fürchtet, desto aufrichtiger und gewissenhafter wird euer Dienst an mir und damit am Reich sein! In diesem Land kann es nur ein Gesetz geben, und dies bin ich!"
Verstohlen schielte Nortia zu dem auf dem Boden liegenden Bronzeschwert herüber.
Sollte sie den Pfusch des verrückten Zauberers rückgängig machen? Wen auch immer er zum Leben erweckt hatte, die Königin, die sie gekannt hatte, war dies jedenfalls nicht. Aber, verdammt, sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und auch Esterlar merkte man den Blutverlust immer stärker an. Wenn sie es tun wollte, dann musste sie es jetzt tun.
Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gebracht, da polterten schwere Schritte auf der Treppe und die Tür zum Gemach flog auf. Die Ersatztruppe für die gemordeten Leibwächter der Königin drängte herein.
Ein junger Bengel, als Korporal wohl der höchste Dienstgrad dieser Truppe, salutierte verdattert vor der Königin. "Herrin, was ist geschehen? Bedrohen Euch diese Leute? Sollen wir sie töten?" Fast hätte sich Nortia vor Lachen verschluckt.
Das Wesen, das sich für Sillisa hielt, sagte: "Merke dir, Sohn: getötet wird, wenn ich zu töten wünsche! Dieser Unhold allerdings," und sie zeigte auf den selbstvergessen schmausenden Gusgan, "sein Anblick lässt mir das Frühstück aus dem Gesicht fallen. Werft ihn von der Zinne!"
"Das wäre keine gute Idee, meine Königin. Dann würden wir Graccon nicht mehr erwischen können." Nortia versuchte den Blick gesenkt zu halten. Sie versuchte den Duft der Königin aufzunehmen, sie würde ihn nie mehr vergessen.
"Ihr versucht meine Befehle anzuzweifeln?!" "Das würde ich niemals tun! Bitte..." Nortia wollte noch weitere Ausführungen anfügen, doch der Gesang von Gusgan übertönte ihre Stimme. "*Mampf* im silbernen Sumpf befindet sich UNENDLICHE*Mampf*! Macht, das wert..." - "Unendliche Macht?? Sprich, wo ist der silberne Sumpf!" Sillisa war auf der Stelle aufgesprungen und starrte mit grossen Augen, die sie wirklich erstaunlich weit öffnen könnte, Gusgan an. "Der Kutschenfahrer baut eine BO-OhT! *Mampf*" - "Schafft ihn zu Besinnung! Sofort!" Die Ersatztruppe stürzten sich auf Gusgan. Zu viert hielten sie ihn fest und zerrten ihn von der restlichen Mahlzeit zu Tür.
"Gerrics Töchter waren mit Säcken verhüllt..." sang Gusgan unbeirrt weiter. "AKASHA BAGILE CAHISA!...und all die Säcke waren mit Ahornsaft gefüllt..." Beim Erklingen der Worte in Astral wurden die jungen Burschen wie von einer unsichtbaren Riesenfaust niedergeworfen, keuchend und nach Atem ringend wälzten sie sich am Boden. "Euer Majestät, erlaubt uns, ihn zur Vernunft zu bringen," erbot sich Esterlar rasch. "Er vertraut uns und wird auf uns hören."
"Dann tut es," erwiederte Sillisa. "Ich will alles wissen: wo dieser Sumpf liegt, welche Macht er birgt, wer dieser Kutschenfahrer ist, wo er wohnt, welches Boot er gebaut hat, aus welchem Holz er es tat und wo dieses Holz gewachsen ist!"
"Ich bin sicher, wir werden es aus ihm herausbekommen, "versicherte Nortia und half Esterlar, den wieder lammfrommen Gusgan zu Tür hinauszubugsieren.
"Ist das nicht prächtig?" fragte Esterlar, nachdem die Tür geschlossen war. "Nun haben wir es mit zwei Irren zu tun. Sie mögen uns wohl irgendwie."
Aber schon wurde die Tür wieder aufgerissen und sie hörten die wütende Stimme der Königin: "Lasst diese Subjekte nicht aus den Augen, keines von ihnen!" Acht von den unerfahrenen jungen Männern drängten hinter ihnen her, um hastig dem Befehl der Verrückten nachzukommen.
"Ich gebe es nicht gerne zu, aber du hast Recht." Keinem von ihnen kam inzwischen Notias 'Du' noch unpassend vor. "Wohin mit diesem Spinner?"
"In den Pferdestall, würde ich sagen. Da kann er am wenigsten Schaden anrichten."
Nortia nickte stumm. Vonb dort aus würde man auch am leichtesten verschwinden können. Von der Stalltür bis zum Tor der Burg waren es nur wenige Schritte. Diese Kinder wüden sie nicht aufhalten können.
Auf dem Weg nach unten trafen sie immer öfters auf halbverbrannte Soldatenleichen. Mulmiges Geraune machte sich bald unter ihren Bewachern breit. "Sind das die armen Teufel, die wir ablösen sollten? Was in Phragdas Namen ist hier nur passiert?"
"Nun gut," erklärte Nortia laut. "Sie kann uns nicht mehr hören, also passt gut auf: die Person, welche dort oben in ihrer Kemenate sitzt und die Königin spielt, ist ein Drache des Großen Abgrundes in Menschengestalt. Er ist für den Tod eurer Kameraden verantwortlich und auch für die Verwandlung der wahren Königin in diese bejammernswerte Gestalt, welche wir nun nach Candvallon zurück eskortieren werden..."
"Das ist doch alles Unfug!" rief der Korporal aus. "Und wer bist du, dass du all dies wissen willst?"
"Nortia, Obfrau der Geheimen Miliz, Kopfjägerin des Königs, Vertraute der wahren Königin und dein Verderben, wenn du meine Erklärungen noch einmal unterbrichst."
Die Burschen sahen sie zweifelnd an und auch ihre fremdartige, schlecht sitzende Uniform. Einige begannen zu grinsen.
"Selbst wenn dies stimmen sollte, darf die Obfrau der Geheimen Miliz den Befehl der Königin nicht beugen," sagte der Korporal, nun aber nicht mehr so sicher wie zuvor.
"Ich sage es noch einmal: das ist nicht die Königin, die dort oben sich wie eine Irre aufführt. Dies hier ist sie, und sie muss schnellstens nach Candvallon zurück, ehe die Verwandlung unumkehrbar wird."
"Dann werden wir euch begleiten," sagte der Bursche, und seine Augen flehten um Bestätigung. Nortia spürte tatsächlich so etwas wie Mitleid in sich aufsteigen, doch sie durfte nun nicht weich werden. "Tut mir leid, aber im Namen der Königin kann ich das nicht erlauben. Jemand muß bei dem Drachen bleiben und ihn bei Laune halten, bis wir mit einer Spezialtruppe zurückkommen. Lasst ihn einfach Königin spielen, und widersprecht ihm nicht. Wir werden nicht lange brauchen."
"Aber...er gab uns doch den Auftrag, euch zu bewachen..."
"...und hat keine Ahnung, wie lange wir für unser "Verhör" brauchen werden. Haltet ihn einfach hin, und erzählt ihm etwas vom silbernen See, und welche Fortschritte wir bereits machten. Wir machen wirklich, so schnell wir können."
"Gut," sagte der Bursche und schluckte schwer. "Für die Königin, und beeilt euch bitte."
"Das werden wir." Ohne es zu wollen nickte sie dem hilflosen Haufen aufmunternd zu. Sie waren hoffnungslose Greenhorns, stimmt, aber sie hatten Mumm!
Sie wollten sich gerade abwenden, als Nortia an der linken Schulter zurückgehalten wurde. "Ach ja, mein Name ist Marlis. Marlis Wintfries." "Gur Marlis, halte hier die Stellung!", dann ließ sie den Jüngling stehen. Esterlar zog Gusgan mit sich her, der herumlallte.
"Kannst du uns nicht gleich nach Candvallon teleportieren?", fragte der Dauphin den Magier. Er erhielt keine Antwort. "Na schön, dann mit konventiellen Methoden. Was gäbe ich jetzt für einen Drachen...!"

"Candvallon", raunte Ratte und sog die Luft zwischen den Zähnen ein. "Jetzt weiß ich, dass die Gerüchte der Leute stimmen!" Doro enthielt sich eines Kommentars. Der ehemalige Totengräber, der immer noch einen Spaten als Waffe vorzog war kein sehr gesseliger Mensch. Außerdem war er stumm.
"Du verstehst dich auf Architektur, Ratte?", ertönte hinter ihm Graccons Stimme. "Ein wenig, mylord. Mein Vater war einer. Allerdings war er nicht wirklich erfolgreich. So setze er mich mit acht Jahren aus, um seine erbärmliche Haut zu retten..." "Verstehe...", meinte Graccon und nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife.
"Laufen die Planungen erfolgreich?", fragte Ratte. Graccon nickte: "Carlos hat sich mit seinem Kontaktmann abgesprochen. Heute Nacht werden wir uns ins Innere Candvallons begeben, in den Palast eindringen und Jorin töten..." "...und sterben!", vollendete Ratte bitter. "Mit Gusgan hätten wir es vielleicht geschafft, aber so wird uns die Flucht kaum gelingen- falls wir es soweit schaffen. Ich habe gesehen, wie der Seneschall in der Stadt ankam." "Gusgan ist wahrscheinlich tot. Aber dieser Schweinehund wird dafür bezahlen. Aber nun dürfen wir nicht aufgeben, Ratte. Und wenn mein Plan vollständig aufgeht, wird heute Nacht niemand sterben müssen. Nun ist es wichtig, dass ich deine volle Unterstützung habe. Kann ich mich auf dich verlassen?" "Ja, mylord!", Ratte wandte sich nach links. "Sieh nur, unsere Rothaut ist kommt. Damit wären wir ja schon einmal vollzählig!"

Im Stall warfen Esterlar und sie den kichernden Gusgan auf ein von den Jungen rasch gesatteltes Pferd und schwangen sich selber auch in die Sättel zweier Tiere. Schnell hatten sie die Burg hinter sich gelassen und galoppierten Richtung Candvallon. Notia grübelte während einiger Meilen vor sich hin, bis sie an niemand besonderen gerichtet knurrte:
"Das war viel zu einfach. So grün können nicht einmal diese unreifen Garnisons-Soldaten gewesen sein, dass sie mir meine Behauptungen einfach glauben und den Befehlen der vermeintlichen Königin zuwider handeln. Da ist irgendwas faul."
"Da ist alles faul in dieser Burg", gab Esterlar lakonisch zurück. "Ich wundere mich jedenfalls über gar nichts mehr. Wer weiß, vielleicht hat die 'Königin' diese grünen Jungen extra ausgewählt, um mit ihnen leichteres Spiel zu haben. - Oder sie gefielen ihr aus anderen Gründen."
"Es ist eine unglaubliche Unverschämtheit, so über die Königin von ..."
"DAS meinte ich nicht, liebste Nortia. Verglichen mit Deinem Ruf bist Du wirklich noch entzückend unschuldig."
"Ha!", gröhlte Gusgan dazwischen. "Drachenfutter aus bestem Jünglingsfilet, heute besonders zart und saftig!"
Nortia spürte, wie die Farbe aus ihrem Gesicht sackte. Sie versuchte den plötzlichen Brechreiz durch ihre übliche Schroffheit zu überwinden." Wenn Du noch einmal so etwas von dir gibst, Ausländer, zapfe ich dir dein bisschen restliches Blut auch noch ab."
"Die Mühe kannst du dir vielleicht ohnehin sparen. Wenn ich weiterhin so viel Blut verliere, kannst du mich bald am Straßenrand verscharren ... oder einfach liegenlassen. Wie steht es mit dir? Kannst du noch?"
"Nicht mehr lange", musste sie zugeben. "Wir sollten vielleicht eine kurze Verschnaufpause einlegen."
Esterlar betrachtete die immer noch blutende Wunde an Nortias Bein. "Du verlierst zu viel Blut. Du musst aufpassen, dass es keine Infektion gibt."
"Sorgst du dich um mich?"
"Momentan brauche ich dich noch. Sterben kannst du auch später noch."
Die Landschaft streiften an ihnen vorbei, ohne das Jemand von ihnen ihr viel Beachtung Geschenk hätte.
Esterlar unterbrach die Stille: "Dieser Drache des großen Abgrunds, der nun in Sillisas Körper steckt, was hat es damit auf sich?"
Nach einiger Zeit antwortete Nortia: "Du kennst bereits Feldans Drachen, Framire und seinen Vorgänger Sayiriss. Nutztiere ohne besondere Intelligenz, die von ihren Reitern herbeigerufen und kontrolliert werden. Von Amelthor erfuhr ich, dass das nicht immer so war."
Sie machte eine Pause.
"Du meinst, sie hatten früher einen freien Willen?", fragte Esterlar.
"Mehr als das! Sie waren eine intelligente Rasse, die der menschlichen Sprache fähig war. Wir selbst waren es, die jene einstmals stolzen Flugechsen in unsere Sklaven verwandelten. Nur wenige sind der Knechtschaft entkommen: Sie errichteten in der Grauen Schlucht im Nordosten ihren Hort. Im großem Abgrund: Eine Zeit lang übten sie noch blutige Rache an den Menschen, doch nach und nach fiel jeder von ihnen im Kampf. Sie waren stark, aber nicht so zahlreich..."
"Und mit diesem Dämonen lassen wir diese grünen Jungs nun allein?" fragte Esterlar. "Wir hätten sie uns doch begleiten lassen sollen!"
"Keine Panik," lachte Nortia. "Der einzige Drache weit und breit sitzt auf der Zunge dieser schlechten Kopie Sillisas. Die Burschen haben ja auch geschluckt, dass Gusgan nun die verzauberte Königin sei. Der Anblick ihrer verkohlten Kameraden ist ihnen wohl ordentlich in die Glieder gefahren; sie hätten mir alles abgekauft, wenn es sich nur geheimnisvoll und schrecklich genug anhörte. He, großer Hexenmeister, spürst du hier einen Drachen in der Nähe?"
Doch Gusgan beachtete sie nicht; er hatte herausgefunden, dass die Flöhe auf dem Rücken seines Pferdes einen exquisiten Geschmack hatten.
"Das hättest du mir auch gleich sagen.", murrte Esterlar. Die Kopfgeldjägerin zuckte nur mit den Schultern.
In Wirklichkeit hatte sie sehr wohl eine merkwürdige Präsenz bei Sillisa gespürt. Natürlich handelte es sich nicht um einen blutrünstigen Drachen, aber eines Stand fest: Die Reise ins Jenseits hatte die Königin verändert.
Wieder tat ihr die versäumte Gelegenheit leid, Gusgans gut gemeinten Fehler zu korrigieren, doch dann hätte sie sich auch keine Zeugen dabei leisten dürfen. Ihrer Meinung nach war in diesem Turm genug unschuldiges Blut vergossen worden. Sie beschloss dennoch, sich dieser Sache früher oder später anzunehmen, ehe möglicherweise eine neue Bedrohung daraus erwachsen konnte.
"Das ist nun weit genug," entschied Esterlar bestimmt. "Zeit die Verbände zu wechseln und etwas Schlaf nachzuholen. "Er lachte. "Höret auf den weisen Mann!" und nickte zu Gusgan herüber, der lang hingestreckt auf seinem Pferd lag und rasselnd schnarchte.
"Welche Verbände?", spottete Nortia. Sie sah an sich hinunter, Was von der geliehenen Kleidung nicht zerrissen war, war blutig und verdreckt. Seufzend ließ sie sich vom Pferd gleiten und biss die Zähne zusammen, als ihre Füße den Erdboden berührten.
"Du hast es gut", hörte sie Esterlar sagen. "Wenn es zu schmerzhaft wird, auf zwei Beinen zu humpeln, wechselst du die Gestalt und läufst auf vieren weiter." Der Mann stand mit schmerzverzerrtem Gesicht an sein eigenes Pferd gelehnt und hielt sich an dessen Mähne fest.
"Wenn ich die Gestalt wechsele, laufe ich nur noch in eine Richtung, nämlich auf das nächste Opfer zu, um ihm die Kehle herauszureißen", brummte Nortia unwillig. Warum beneideten normale Menschen nur immer die Wölflinge? Warum hielten sie es für erstrebenswert, den Instinkten einer Bestie ausgeliefert zu sein? "Sei also froh, wenn ich hier weiterhin auf zwei Beinen herum humpele. Außerdem habt ihr beiden ja dafür gesorgt, dass ich mich nicht mehr lange werde verwandeln können, Feldan und du."
"Das ist sicherlich aus Feldans Mist gewachsen. Ich habe damit nichts zu tun. Vielleicht hättest du seinen geliebten Drachen nicht zerfleischen sollen!", Esterlar ließ sich keuchend auf den Rücken sinken. Nortia schnaubte und legte sich ebenfalls hin. Nach dem anstrengendem Ritt war sie binnen weniger Minuten eingeschlafen.
Das panische Wiehern der Pferde holte sie bald in die Wirklichkeit zurück. Die Tiere stampften mit rollenden Augen wild umher, ihr Fell glänzte schweißnass. An ein wildes Tier denkend, zog Nortia Sirenas Schwert und sicherte nach allen Seiten. Da sah sie die Gestalt, die sich über den schlafenden Gusgan beugte und ihre Nase an seiner Stirn rieb. Und sie war nicht menschlich...äußerlich an ein junges Mädchen von vielleicht vierzehn Sommern erinnernd, ragten zwei große spitze Ohren aus einem feuerroten Wuschelkopf. Rotes Fell zog sich über den nackten Rücken und endete in einem buschigen Fuchsschwanz. Sie war eine Cappa, doch diese lebten doch nur in Kindergeschichten...Das Wesen bemerkte sie, als Nortia vor Überraschung scharf die Luft ausstieß, fauchte sie an, sprang auf und lief in der Luft wie auf festem Boden davon.
Die Pferde waren kurz davor, den Verstand zu verlieren.
Gusgan murmelte etwas Unverständliches und ballte zornig die Hände zu Fäusten. Im nächsten Moment brannten die nahen Bäume an ihrem Lagerplatz lichterloh. Die Tiere brachen sich fast die Hälse in ihren Versuchen, sich loszureißen. Da war Esterlar plötzlich über dem schlafenden Magier und schüttelte ihn heftig durch, dass er erwachte. Nortia versuchte die Pferde zu beruhigen, doch es war nicht möglich. So blieb ihr nur, sie freizuschneiden. Sie würden sie später wieder einfangen - mit etwas Glück.
"Das hat uns gerade noch gefehlt," stellte Esterlar fest, während er den zufrieden schmatzenden Gusgan anstarrte. "Der Kerl ist ein verdammter Traumzauberer! Bei diesen Burschen ist man nie seines Lebens sicher, weil keiner weiß was sie wohl im Schlaf als nächstes anstellen werden..."
Nortia schüttelte nur wortlos den Kopf. Wie hatte sie auch nur glauben können, dass ihre Probleme geringer werden könnten?
"Wie auch immer!", meinte sie schließlich. "Ich bin für heute zu fertig, um weiterzureiten. Ich übernehme die erste Wache, ich wecke dich dann, wenn deine Schicht beginnt!"

Mittlerweile war die Dämmerung hereingebrochen und das Licht der versinkenden Sonne verfärbte den Himmel blutrot. Graccon schritt auf die, bereits auf dem Sattel ihrer Stute hockenden Sarah zu. Dann reichte er der Heilerin einen Brief: "Hier- sollte Gusgan noch leben, dann muss er dieses Schreiben bekommen." Sie nickte: "Ich finde ihn!" Dann ritt sie in einer Staubwolke davon.
Graccon ließ den Blick über seine Mannschaft schweifen. Doro hatte wie immer seinen geliebten Spaten geschultert. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Magasai, ihr Bogenschütze mit indianischen Blut saß ebenfalls bereits auf seinem Wildpferd. Als Waffe trug er den Bogen bei sich, mit dem er fast so schnell schoss, wie andere mit einer Pistole.
Carlos, der dunkelhäutige Hüne und Ratte sein hagerer Begleiter trafen gerade die letzten Vorbereitungen. Sie waren bereit für ihre Mission.
"Und du bist sicher, dass das Tor offen und unbewacht sein wird?" fragte Graccon zum wiederholten Mal Carlos.
"Sehr sicher, Mylord," bestätigte der Hüne und nickte bekräftigend. "Mein Kontakt hat mich noch nie im Stich gelassen." "Du vertraust ihm blind?" "Mylord, er könnte auch mein Bruder sein." "Du hast ihn also nicht bezahlt?" "Aber nein, natürlich nicht!" Graccon seufzte tief. "Vergesst die Pferde, wir schleichen zum Tor."
Tatsächlich stellte sich heraus, dass das Tor wie geplant für sie offen stand. Carlos Kontaktmann hatte nicht gelogen. "Wo sollen wir diesen...Grabimms nochmal treffen?", wandte sich Graccon an Carlos. "Bragrimms", korrigierte sein hünenhafter Gefolgsmann. "Das Wirtshaus heißt "Zum Erschlagenem" und liegt nahe von Jorins Palast. Ich führe euch hin."
Das "Wirtshaus" konnte man fast nicht mehr als solches bezeichnen. Es handelte sich um eine der übelsten Spelunken, die Graccon jemals gesehen hatte. Vor der Tür lag ein herumlallender Besoffener. Argwöhnisch wurde er von Graccon gemustert, doch er konnte schließlich keine Gefahr in ihm erkennen. "Magasai, du übernimmst das Dach, um uns im Notfall zu warnen." Die Rothaut nickte nur knapp und verschwand dann in die Nacht.
Die anderen betraten unterdessen die Schenke. Zufrieden nahm Graccon zur Kenntnis, dass kaum Gäste anwesend waren. Carlos Kontaktmann war schnell erkannt. Wie sein Kamerad selbst, war Bragrimms von hochgewachsener Statur und besaß dieselbe dunkle Hautfarbe. Sein Gesicht war von zwei scheußlichen Narben durchzogen.
Ratte sondierte rasch die Lage. Scheinbar war der einzige Ausgang auch der Eingang, durch den sie die Spelunke betreten hatten. Ein Alptraum im Falle eines Kampfes oder Feuers. Und die wenigen Gäste...die üblichen einsamen Idioten, die hier ihr tägliches Handgeld hinunterspülten und dabei die ganze Zeit hofften, dass gleich die göttliche Weiblichkeit in Person hereinspatzierte und sie direkt vom Fleck weg ins Wunderland entführte. Schrottvolk, aber total harmlos.
Einer jedoch in einer dunklen Ecke...der dünne Reitmantel konnte nicht den Kürass darunter verbergen, auch nicht den ellenlangen Stahl an seiner Linken. Und die Ausbeulung unter der linken Achsel rührte sicher nicht von einem Beutel Bohnen her. Während Graccon sich zu Bragrimms an den Tisch setzte, beschloss er in der Nähe dieses Kerls zu bleiben.
Graccon ließ sich auf dem Holzstuhl Bragrimms gegenüber nieder. Carlos setzte sich zu seiner Rechten, Doro zu seiner Linken. Ratte, der unauffälligste unter seinen Gefährten blieb zurück, um mögliche Gefahren durch vorzeitiges Eingreifen zu verhindern.
Graccon streckte seine Hand aus, ihr Kontaktmann packte zu und zerquetschte sie fast. "Ihr müsst also Graccon sein", stellte Bragrimms mit dunkler Stimme fest. "Carlos hat mir einiges von Ihnen erzählt."
Graccon faltete die Hände: "Dann wissen sie sicherlich aus welchem Grund wir hier sind!" Der Hüne nickte: "Ich kann sie in den Palast bringen, aber das wird sie kosten!" Graccon wechselte einen Blick mit Carlos, woraufhin dieser einen Beutel aus seinem Mantel hervorholte und ihn Bragrimms zuwarf.
"Reicht das?", fragte Graccon. Bragrimms warf einen kurzen Blick auf den Inhalt und man sah, wie er die dunklen Augen aufriss. "Es geht in Ordnung!", meinte er dann. "Na schön: Dann will ich euch jetzt eine kleine Geschichte erzählen: Als König Kastar, noch über Avalien herrschte, bildete Candvallon das Zentrum seiner Macht. Er residierte in dem Palast, in dem sich heute Jorin niedergelassen hat."
Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: "Ihr müsst wissen... Kastar ist ein sehr friedlebender König gewesen. Er kümmerte sich um seine Untertanen und war offen für deren Sorgen und Nöte. Deshalb ließ er einen Geheimgang bauen, der es ihm ermöglichte sich verkleidet unter die Bevölkerung zu mischen. Und ihr dürft dreimal raten, WO das Ende dieses Tunnels liegt!"
Grinsend legte Bragrimms sich zurück.
"He, ihr da!" Der Wirt war endlich auf die Neuankömmlinge aufmerksam geworden. "Das ist hier keine Kutschenstation. Wenn ihr bleiben wollt, bestellt was!"
"Diese Leute sind meine Gäste," sagte Bragrimms noch immer grinsend. "Gib ihnen allen nen guten Humpen, aber versuch nicht ihnen deine superbe gedünstete Ratte anzudrehen. Die darfst du dir allein antun."
"Hab ich auch nicht vor," murrte der Kerl und begann zu zapfen. "Sauft, verfluchte Bande. Am Essen verdien ich nichts."
"Der Tunnel beginnt hier?" fragte Graccon ungläubig. "In diesem Schuppen?"
"Früher war es mal eine ganz saubere Adresse," nickte der Hühne mit den Narben. "Kellorn wird euch führen; er kennt den Tunnel wie seine Westentasche. Nicht wahr, Kelly?" Der allein sitzende Gepanzerte in der dunklen Ecke machte eine knappe Bewegung mit der Hand. "Und, sollte Bedarf bestehen, spricht er auch fließend Skriggit..." fügte Bragrimms hinzu.
"Die Skrigg?" rief Graccon aus. "Die Schakalsmenschen von Alt-Candvallon? Wurden die nicht längst ausgerottet? Willst du mir sagen, dass sie uns im Tunnel Gesellschaft leisten werden?"
"Einer Population ist es gelungen, tatsächlich eine Verbindung zu dem Tunnel herzustellen. Nun ja, dies ist eure Garantie, dass ihr keinem von Jorins Schergen begegnen werdet." Nun grinste er, dass die Narben in seinem dunklen Gesicht weiß hervortraten.
"Diese Schakalsmenschen-", schaltete sich Carlos ein. "Sind sie gefährlich?" Bragrimms nahm einen großen Schluck. "Sie mögen in der Regel keine Wanderer, die sich in ihren Gefilden umhertreiben, aber mit Kelly kommen sie zurecht. Er handelt mit ihnen. In der Regel sollte es nicht zu bewaffneten Auseinandersetzung kommen. Wäre ich allerdings an eurer Stelle, würde ich trotzdem vorsichtig sein. Unter ihren zahlreichen Clans sind auch viele, die am liebsten alle Menschen auslöschen würden!" "Kein Wunder!", meinte Graccon. "Ich würde, glaube ich auch wahnsinnig werden, wenn ich mein ganzes Leben in der Finsternis verbringen müsste." Er leerte seinen Krug. "Na schön, brechen wir auf!"
Ratte holte Magasai ins Innere der Schenke, dann verabschiedeten sie sich von Bragrimms. Kellorn erhob sich, es gab einen kurzen Wortwechsel zwischen ihm und dem Wirt, dann bedeutete er Graccon und den anderen mit einer knappen Handbewegung, ihm in den Keller zu folgen.
Als alle in dem Keller verschwunden waren, strich sich Bragrimms mit den Fingerspitzen über seine Narben. "Viel Glück, Freunde," sagte er finster. "Tut, was ich nicht tun kann, aber nur zu gern täte..."

Kellorn verteilte einige Fackeln, die sie gleich anzündeten. Der Tunnel war flach und eng, gerade dass zwei von ihnen nebenher gehen konnten. Er war in fester Erde gegraben, und hier und dort stützten Balkenkonstruktionen die Decke. Und Kellorn sagte: "Singt."
"Was?" fragte Graccon entgeistert. "Sagtest du singen?"
"Ich meine ja. Die Skrigg betrachten jeden als Feind, der hier still und heimlich herumschleicht. Wer guten Herzens ist, der versteckt sich nicht."
Carlos räusperte sich unbehaglich, begann dann aber Tallon ny Cern anzustimmen. Dann fielen nach und nach die anderen ein.
Kellorn verzog angewiedert das Gesicht. "Vielleicht wäre es doch besser, wenn sie uns gleich umbringen."

Arngshsziss aus dem Haus des toten Marders war ein hochgewachsener Skrigg mit gelbbraunem Fell und großen Smaragdaugen. Gekleidet war er in dunkelgrünes Aligatorenleder. Selbstverständlich hatte er sämtliche Tiere persönlich mit seiner Axt erschlagen, die mehr als zwei Dutzend Kerben für jeden toten Menschen, Skrigg oder ein größeres Höhlenuntier aufwies.
Arngshsziss war zweifelsohne einer der besten Krieger seines Clans und nicht nur das, er war auch der Sohn von Krasshar, dem Blutsäufer, dem Herrscher über das Haus des toten Marders.
Das Arngshsziss allerdings heute in diesen entlegenen Teil des Skriggterritoriums herumstriff, geschah nicht auf Befehl seines Vaters. Nein, es waren die sechzehn Götter des Todes selbst, die ihm diesen Auftrag übergaben. Der große Blutschamane und Knochenwerfer seines Hauses hatte in den Zeichen gelesen und Arngshsziss aufgetragen hier mit seiner Suche zu beginnen. Wonach er suchen sollte, wollte der Götterprediger aber nicht Preis geben, zu undurchdringlich seien die Nebel der Zukunft. Und so irrte Arngshsziss nun schon seit geraumer Zeit herum und langweilte sich. Auf dem Weg hatte er ein Rudel Riesenratten entdeckt, die seltsamerweise alle Albinos waren. Eine gute Handvoll hatte er sich für den Verzehr getötet, doch dann war es langweilig geworden. Riesenratten waren erbärmliche Gegner.
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- Einmal Knochenmesser, immer Knochenmesser -
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