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Alt 10.03.2012, 15:16
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Darnamur Darnamur ist offline
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Drachentoeter
 
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Nortia presste instinktiv die Hände zusammen und grub ihre Fingernägel in die Handflächen, außerdem biss sie sich auf die Lippen. Das war schon seit jeher das Mittel gewesen, wie sie das Tier wieder unter Kontrolle bringen konnte.
"Nicht!", würgte sie hervor. Sie konnte es nicht fassen, dass sie flehte! Aber es durfte nicht geschehen, dass das Tier hier in der Stadt frei wurde, dass sie hier zwischen tausenden von Menschen die Kontrolle darüber verlor. "Amelthor, ... ein ... Sirdauka ... ist hier im Haus."
Durch das Wasser in ihren Augen erkannte sie den Magier, der entsetzt vor ihr zurückwich und einige Worte in der Astralsprache hervorstieß, dann schien etwas in ihrem Schädel zu implodieren, und sie stürzte in brüllende schwarze Leere...
Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sie ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle. Das Tier entschied jetzt.
Verdammt, wenn es hier in der Stadt zu wüten begann, würde es alles zerstören, was Nortia sich aufgebaut hatte. Aber das schien genau Amelthors Absicht zu sein.
Vielleicht könnte das schlimmste verhindern werden, wenn sie das Tier überzeugt, den Sirdauka anzugreifen. Es muss doch möglich sein, seine Gedanken zu beeinflussen, sie hat es schon mal geschafft, wieso also nicht auch jetzt!
Doch es war bereits daran, ihr zu entgleiten; da waren Neigungen und Triebe, die nach Erfüllung schrien. Satt! sandte Nortia einen Gedankenspeer,
Satt! Behaglich! Still! doch es verschloss sich vor ihr und forderte stolz sein Geburtsrecht ein.
Das Tier sprang auf und lief hinaus - in die Freiheit. Es war zu gierig, um sich jetzt beherrschen zu lassen. Vielleicht hätte sie es schon früher einmal freilassen sollen, unter kontrollierten Bedingungen.
Aber das hatte sie sich nie getraut. Das Tier war ihr einfach immer zu stark erschienen - aber jetzt ging es nicht anders; sie musste versuchen, es unter Kontrolle zu bringen!
Das Problem war nur, sie hatte keine Ahnung wie. Sie musste sich jetzt schnell etwas einfallen lassen, wenn sie noch eine Chance haben wollte.
Ihre Wildseele jedoch ignorierte ihre Beherrschungsbemühungen und reckte die Nase witternd in die Höhe, in den Wind, der ihr Geschichten über Geschichten zutrug.
Und sie fing einen Geruch ein, der eine seltsame Erinnerung in ihr wachrief; sie hatte ihn bereits am vergangenen Tage aufgenommen und wusste, dass er wichtig für sie war, und so beschloss sie kurzerhand ihm zu folgen.
Sie rannte durch Straßen, in denen anfangs noch Menschen unterwegs waren, die erschrocken beiseite sprangen, dann jedoch wurden die Gassen immer schmaler und schmutziger und sie schlängelte sich zwischen Abfallhaufen und Menschen, die zusammengesunken mit hängenden Köpfen dasaßen, hindurch.
Ihr ganzer Körper war erfüllt von dem Geruch. Sie dachte nur noch daran ihm zu folgen, egal wer oder was sich ihr in den Weg stellt.
Ein neuer Duft gesellte sich hinzu, auch er seltsam vertraut, und er brachte den Geschmack von Gefahr mit sich; ihr Fell sträubte sich, doch zielsicher lief sie weiter voran.
Ein älterer Mann hatte das Pech im Weg zu stehen. Das Tier schleuderte ihn noch beim Rennen mit einer unglaublicher Kraft einfach auf die Seite an eine Mauer. Nortia konnte es nicht sehen, doch sie glaubte nicht, dass er je wieder aufstehen würde.
Wieder hielt es inne und schnüffelte in der Luft; etwas war anders geworden. Der Neugier-Duft wurde plötzlich von etwas überlagert, dass es an tote Maus oder altem Schweiß erinnerte: der Geruch nackter, schierer Angst, und noch etwas weiteres, was es erwartungsvoll hecheln ließ: frisches Blut.
Dieser Geruch spornte das Tier zu neuen Höchstleistungen an, und schneller als vorher hetzte es durch die Gassen. Und dann erreichte es die Quelle all dieser Gerüche und registrierte das Groß-Flieg-Ding, das still im Zentrum eines größeren Platzes auf dem Boden lag und bereits den Duft des Nicht-Lebens ausströmte; der helle Klang von Metall und unterdrücktes Keuchen kamen von dort, wo es nach Angst roch...

Das Tier konnte sich nicht still halten, es musste auf den Platz stürmen, sein Trieb befahl es ihm. Doch mit dem, was ihn dort erwartet, hatte er nicht gerechnet. Der Reiter des großen Flieg-Dinges war ihre Beute! Hasserfüllt stürzte sich Nortias Tier auf die Männer, die Prinzseneschall Feldan bedrängten.
Die Beute-Klauer registrierten gar nicht, wie ihnen geschah. Das Tier stürzte sich mit einem Knurren auf sie und machte gut die Hälfte nieder, bevor die anderen überhaupt mitbekamen, dass sie angegriffen wurden - dann machte sich Panik breit.
Nachdem der Rest sich von selbst verkrümelt hatte, ging Nortia knurrend auf den geschockten Feldan zu.
"Das ist ein rasches und unverhofftes Wiedersehen," stieß der Seneschall keuchend hervor und führte die Stoßklinge nach vorn. "Ich wünschte wirklich, die Dinge hätten eine andere Wendung genommen, aber es soll wohl so sein. Komm zu Papa, Wolfling..."
Nortia hatte keine Gewalt über das Tier. Wie sie das hasste! Sie konnte Feldas weder die passende Antwort geben, noch Einfluss auf den bevorstehenden Kampf nehmen. Hoffentlich würden die Instinkte ihrer anderen Hälfte ausreichen, um diesen überheblichen Menschen zu erledigen. Sie wusste, wie gefährlich er mit dem Rapier war.
Und prompt zeigte sich das auch; Feldan machte einen so schnellen Ausfallschritt und stieß nach ihr, dass nicht einmal die Reflexe des Tieres ausreichten, um sie vor einer Verletzung zu bewahren. Es war zwar nichts dramatisches, doch trotzdem würde die Wunde an der Seite sie behindern.
Das Tier reagierte seiner Natur entsprechend und wandte sich zur Flucht, besann sich jedoch mitten in der Bewegung aus unerfindlichen Gründen anders und startete einen überraschenden Angriff auf Feldans Beine.
Feldan fiel darauf herein, offenbar musste er schon sehr erschöpft sein. So konnte das Tier, als es die Angriffsrichtung abrupt änderte, seine Zähne in den rechten Arm des Menschen schlagen.
Feldan stiess einen mitleiderregenden Schrei aus. Gegen einen solchen Schmerz im Schrei war sie nicht gewappnet, als die Zähne des Tieres noch tiefer in sein Fleisch drang.
Doch er hatte auch etwas Gutes: das Tier war ebenfalls erschrocken, erstaunt oder was auch immer, und es brauchte länger als Nortia, um sich wieder zu fassen. So konnte diese, zumindest für den Moment, die Kontrolle über ihren Körper zurückerlangen.
Für einen raschen Moment rollte Nortia Feldans Blut genüsslich über ihre Zunge und spielte mit dem Gedanken, ihrer Wildseele die Zügel frei zu geben, doch dann machte sie einen kurzen aber entschlossenen Versuch, das Tier wieder in Ketten zu legen.

Wenig später lag sie in menschlicher Gestalt keuchend auf den schmutzigen Pflastersteinen, beide Hände auf die Wunde an ihrem Hals gepresst. Feldan kam auf sie zu und hielt ihr seine Schwertspitze an die Kehle. Großartig; kaum hatte man ein Problem gelöst, tauchte sofort das nächste auf. Wie sie es satt hatte!
Da ertönte plötzlich Ticardos Stimme: "Halt! Lebend ist sie für uns wertvoller," und im nächsten Moment verlor die Welt für Nortia endgültig ihren festen Stand, denn Feldan trat tatsächlich bereitwillig zwei Schritte zurück, senkte die Degenspitze und sprach: "Wie ihr es wünscht, Sire."
Ticardo trat mit harter Miene in ihr Blickfeld und schenkte ihr ein bösartiges Lächeln. Verzweifelt wartete Nortia auf ein Blinzeln oder irgendeine andere Regung ihres - bis jetzt - treuesten Anhängers, doch sie konnte nichts dergleichen entdecken. Sie schob es darauf, dass Feldan noch zu nahe stand, aber tief in ihr hatte sie diese Hoffnung schon fast begraben.
Ach verflucht, Feldan hatte den Kerl doch Sire genannt, ... anscheinend hatte sich ihr Verstand noch nicht wieder ganz vom Tier befreit. Aber, ... sie kannte den König persönlich, und sie hatte Ticardo selber vor drei Monaten aus dem Kerker geholt, ... was war eigentlich hier los? Sie fasste sich an den Kopf.
"Verwirrt?" lachte Ticardo und machte eine spöttische Verbeugung. "Wenn Ihr gestattet, edle Dame: Esterlar zyl Locarno, Dauphier von Pelingora. Der Feind des Reiches gibt sich die Ehre." Er sah sie bedeutsam an. "Was, liebe Nortia, würdest du dazu sagen, dass du einer dicken gestreiften Lüge hinterhergejagdt bist und nichts so ist, wie man es dir erzählte?"
Sie wusste nicht, ob es klug war, seine Worte bewusst so auszulegen und dann auch noch zu antworten, aber sie konnte sich einfach nicht zurückhalten: "Ach, siehst du jetzt endlich selbst ein, dass du dick bist?"
Der Blutverlust nahm ihr die gewohnte Schnelligkeit und so traf sie Ticardos Fußtritt ungehindert im Gesicht. Sie landete im blutdurchtränkten Schlamm. Ob es ihr Blut war? Sie versuchte auszuweichen als Ticardo nochmal den Fuss anhob, doch ihr fehlte die Kraft.
"Lass diese Sprüche und hör mir sehr genau zu, wenn du die nächsten Minuten überleben willst, Weib!"

Nortia spuckte Schlamm, Dreck und Blut aus, drehte sich auf den Rücken und stützte sich mit herausfordernder Miene auf ihre Unterarme. "Was hast du mir zu sagen?", forderte sie zu wissen, also ob sie hier die überlegene Position hätte, und nicht gerade am Boden zu Füßen eines Mannes lag, der sie jeden Moment ohne Federlesens töten könnte.
Ticardo/Esterlar konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. "Die Wölfin bis zuletzt, hm? Ich weiß bis heute nicht, ob ich dich für deinen sturen Stolz bewundern oder bedauern sollte. Egal nun; Feldan und du, ihr wart von Anfang an hinter dem Falschen her. Der wahre Teufel in diesem Kaspertheater versteckt sich nicht in schummrigen Tavernen, sondern stolziert in Hermelin und Seide herum..."
"Ach ja?" Nortia beschloss, dass sie interessiert war, zuzuhören, aber nicht ohne zuvor noch etwas klarzustellen. "Dann erzähl doch mal. Und hört beide auf, mich so anzuglotzen, sonst breche ich euch die Knie, ehe ihr eure Zungen einziehen und eure Klingen heben könnt."
"Sire, ich denke wir vergeuden hier unsere Zeit," meldete sich Feldan mühsam beherrscht und richtete die Klinge wieder auf Nortias Kehle. "Mit Eurer Erlaubnis..."
'Nein wir brauchen sie dafür.' Sobald er das ausgesprochen hatte sah man in seinem Gesicht, dass er das nicht hätte sagen sollen. Nortia hob den Blick. 'Ach ist das so?', sagte sie mit einem verschmitzen Lächeln.
"Dann gebt mir doch erstmals was anzuziehen. Irgendwas." "Gut; ich unterhalt mich auch nicht gern mit jemandem, der in einem Haufen ausgefallener Haare vor mir im Dreck liegt. Deinen Mantel," sagte Ticardo zu Feldan, der empört die Luft einsog, dann aber mit finsterer Miene die Spange löste.
Nortia konnte sich gerade eben noch ein gehässiges Grinsen verkneifen. Sie riss Feldan den Mantel aus der Hand, bedeckte sich damit, richtete sich umständlich auf und schlüpfte dann, den beiden Männern den Rücken zukehrend, hinein.
Unter dem Mantel lief ihr das Blut von der Flanke über die Hüfte und am Bein hinunter, aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen, als ein Wort darüber zu verlieren.
"Du tropfst", kam es da auch trocken von hinter ihr. "Dreh dich um! Ich will dein Gesicht sehen. Nicht, dass du mir irgendwelche Dummheiten versuchst." Irgendwie war es ja schon schmeichelhaft, dass sie ihr so viel zutrauten - sie hatte sie gut erzogen.
"Mein Bedarf an Dummheiten ist für heute gedeckt," sagte Nortia, während sie sich betont laziv umwandte und Ticardo mit honigsüßem Lächeln in die Augen sah. "Vielleicht sollte ich sehr rasch etwas Vernünftiges dagegen setzen," und er schluckte schwer, als er den Dolch in ihrem Blick erkannte.
Trotzdem erklärte der Mann, den Nortia als Ticardo kennen gelernt hatte, mit fester Stimme: "Ihr seid beide brauchbare Leute, also benehmt euch nicht wie Kleinkinder. Prinz Jorin hat euch auf ebenso einfache wie effektive Weise neutralisiert, obwohl ihr dasselbe Ziel hattet - indem er euch aufeinander hetzte."
Nortia wollte gerade zu einer heftigen Antwort ansetzen - so eine Beleidigung ließ sie sich nicht bieten! -, aber Feldan kam ihr zuvor.
"Das ist die Wahrheit, Jägerin. Du, ich und selbst dieser Knilch Graccon, wir werden wie Figuren auf einem Spielbrett hin und her geschoben, um die Machenschaften der sich mächtig Dünkenden zu verschleiern. Niemand aus dem Kronrat, nicht einmal ihre Majestät selbst wird nach irgend welchen tiefer liegenden Ursachen fragen, solange man nur genug Leichen vor ihnen aufstapelt und die Suppe am Kochen hält. Esterlar ist ein Spion unserer Feinde, und ich habe ihn in den Kerker gebracht, damit du ihn rekrutieren konntest. Er hat mir die Augen geöffnet, denn Jorins Machenschaften reichen bis ins Nachbarreich..."
Nortia presste die Lippen zusammen. Der Schnitt über die Rippen tat verdammt weh. "Selbst wenn das alles stimmen sollte,Ticardo..., Esterlar wäre immer noch ein Spion unserer Feinde. Was auch immer er dir erzählt hat, dient den Interessen Pelingoras und nicht denen unseres Landes. Der König selber hat mich auf Dich angesetzt, Feldan, und nicht sein Bruder."
"Ich kann dir versichern, dass Pelingora momentan an keinerlei Kräftemessen mit Candvallon interessiert ist," versetzte Esterlar alias Ticardo ernst. "Das holen wir vielleicht ein späteres Mal nach. Was mich veranlasste, mich hier umzusehen, ist die Tatsache dass die Gishka angeworben wurden. Das ist eine erprobte pelingorische Söldnereinheit, ziemlich gut und nicht billig. Und die Spuren führen eindeutig hierher. Ziemlich zeitgleich geschah Graccons angebliche Veruntreuung von Krongold. Seltsam, nicht?
"Scheinbar bin ich die einzige, die nicht weiß, was hier abläuft," sagte Nortia sarkastisch. "Wie viele stecken noch mit drin? Welche Rolle spielt Armelthor?"
"Unser guter Strassenmagier war der liebe Gott in diesem Narrenspiel," sagte Feldan. "Wie immer wusste er mehr, als er zugeben wollte, und durch ihn weiß ich nun, wie ich an Graccon herankomme. Als treuer Royalist hatte er besonderes Interesse daran, die Bedrohung zu beseitigen, welcher der Thron nun durch Jorin ausgesetzt ist." Er schaute Nortia lauernd an. "Hat er geschmeckt?"
"Mit Bemerkungen dieser Art verbesserst du nicht gerade mein Vertrauen in unsere Zusammenarbeit", erwiderte sie scharf. "Dieser Scheißkerl hat mich auf dem falschen Fuß erwischt und sich davon gemacht, ehe ich ihn umbringen konnte. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben."
"Lasst jetzt diese albernen Querelen!", fuhr Esterlar sie beide an. "Nortia, Fakt ist, dass niemand weiß, ob dein König überhaupt noch lebt."
Nortia konnte sich gerade noch ein Grinsen verkneifen. Wenn die wüssten! Ja, der König lebte nicht mehr. Das wusste sie schon. Und zwar schon lange. Regiert wurde das Reich von seiner Frau, der "König" war nur da um den Schein zu wahren. Das Volk würde eine weibliche Person auf dem Thron noch nicht dulden.
"Wäre ihm etwas Bedauerliches zugestoßen, würde die Macht an den nächsten in der Thronfolge weitergehen," ging sie auf das Spiel ein. "Wenn Prinz Jorin das Reich bereits regiert, warum sollte er dann ausländische Truppen anwerben, um irgend einen Operettenputsch zu inzenieren? Nein, denkt euch was Besseres aus."
"Außerdem habe ich ihn erst gestern gesehen, als er mir auftrug, Feldan auf die Finger zu sehen."
"Und wenn Jorin seinen Bruder durch einen Doppelgänger ersetzt hätte? Du hast doch bei Amelthor gesehen, wie perfekt diese Täuschung sein kann. Ich habe deinem Freund Feldan bereits Beweise vorgelegt, die auch dich überzeugen werden."
Nortia wurde blass, was sie dadurch zu überspielen versuchte, dass sie laut auflachte. "Ein Doppelgänger, sicher! Und wer hätte dann bitte das Reich regiert? Etwa dieser Doppelgänger? Glaubt ihr, dass hätte Jorin zugelassen? Der hätte doch schon lange die Macht an sich gerissen!", verhöhnte sie die beiden. Es war gefährlich, wenn sie der Scharade auf die Schliche gekommen sein sollten. Jetzt galt es erst einmal herauszufinden, wie viel sie tatsächlich wussten.
"Wer auch immer zur Zeit auf dem Thron sitzen mag," sagte Feldan trocken, "er wird einen verdammt festen Griff brauchen, um sich auf ihm zu halten. Die fliegenden Späher haben mir berichtet, dass die Gishka bereits im Lande sind. Es sind nur wenig mehr als Hundert, aber eine entschlossene Handvoll würde reichen, den Palast zu nehmen, wenn man sich mit den Gegebenheiten auskennt. Ich habe diese Nachricht unterdrückt und werde es weiter tun, solange ich nicht sicher bin, in wessen Hände sie gelangt."
"Du kannst sagen, was du willst, Prinzseneschall. Ich will erstmal diese Beweise sehen. Vorher glaube ich euch beiden kein Wort."
"Nun, das ist doch wenigstens etwas", seufzte Feldan, und auch Esterlar nickte erleichtert.
"Was ist mit deinem Drachen?", fragte er dann erstaunlich mitfühlend.
"Hingeschlachtet, in einer einzigen Feuergarbe ihrer Leute," sagte Feldan mit Blick auf Nortia. "Aber nun weiß ich, dass es nicht auf deinen Befehl hin geschah. Scheinbar hast du deinen Hort verloren, Jägerin."
Verständnislos besah sich Nortia zum ersten Mal die Hingestreckten, welche sie als Tier hingeschlachtet hatte, und erkannte nur vertraute Gesichter. Einige hatte sie tatsächlich gemocht, doch einem spuckte sie zielsicher auf die Stirn.
"Bist du nun glücklich in der Hölle, Ruffo? Ich weiß, du wolltest immer meine Position, ich hoffe du hast es genossen!"
Auch wenn der Anblick der halb zerfetzte Leiche füchterlich war, konnte sie ihren Blick nicht von ihm lösen. Sie fühlte eine tiefe Befriedigung in sich aufsteigen. Einen weniger, der ihr in die Quere kommen könnte.
Sie suchte in den restlichen Gesichtern, die nicht mehr alle erkennbar waren, nach einem weiteren ihr bekannten, bis Nortia bei einem verharrte. "Nein!!! Nicht. Das darf nicht sein"
Interessiert sahen die beiden Männer die harte Jägerin ihre Fassung verlieren. Sie ließ sich neben der Leiche auf ein Knie sinken und umfasste deren Kinn, um das Gesicht zu sich herum zu drehen.
"Das war dein Bettgefährte, soviel ich weiß", sagte Feldan, seine Genugtuung nicht verbergend. "Siehst du jetzt ein, dass auch du zu täuschen bist?"
Nortias Gesicht verwandelte sich in eine eiserne Maske. Sie würde vor Feldan jetzt keine Schwäche zeigen: "Nur ein Liebhaber unter Vielen!" Innerlich fasste sie bereits den Beschluss den Seneschall zu töten, egal wie diese Geschichte ausgehen würde.
Esterlar räusperte sich unbehaglich. "Du fragst nach Beweisen? Diese wirst du bekommen, wenn wir Graccon aufgespürt haben. Er weiß wohl am besten all die wirren Fäden zu lösen, aber er hat die Panik bekommen und verschanzt sich mit seinen Getreuen irgendwo. Wenn wir ihn dazu bringen, vor dem Rat auszusagen und die Patriarchen zu überzeugen, ja, dann werden einige überreife Melonen purzeln. Feldan weiß den Ort, doch zum Fangen brauchen wir dich..."
"Und was zum Arull versprichst DU dir eigendlich davon?" unterbrach ihn Nortia scharf wie ein Peitschenknall.
"Das ist schnell erklärt. Ich will die Gishka-Pest aufhalten, ehe sie mein eigenes Land infiziert. Und ehe du fragst, wozu wir dich brauchen: Wir brauchen vor allem deine Spürnase, Jägerin. Du hast Graccon heute schon einmal gefunden. Versuche es noch einmal!"
Mit zwei raschen Schritten war Nortia bei ihm, ehe Feldan mit seinem Rapier dazwischen kommen konnte. Mit einer einzigen fließenden Bewegung schob sie ihre Hände unter seinen Achseln durch und verschränkte sie in seinem Nacken. Nun konnte sie seinen Hals mit einer einfachen Abwärtsbewegung brechen; ein Baby könnte es tun.
"Nenn mich nie wieder deinen Hund," zischte sie in sein Ohr, "oder es ist das Letzte, was du auf dieser Welt tust, Sir Irgendwer!
Verdammt, es tat gut, wieder selber das Heft in der Hand zu halten.
"Ich hab..." Esterlar ächzte und unterbrach sich. Nortia hatte ein wenig fester zugedrückt, nur so zum Spaß. "Ich habe dich gar nichts genannt. Wir brauchen deine Mitarbeit."
"Feldan," sagte Nortia. "Wie lange willst du eigentlich noch deinem Zahnstocher die große weite Welt zeigen?"
Der Seneschall zögerte, maß seine Chancen ab, Nortias Herz mit der Waffenspitze zu erreichen, ehe sie Esterlars Wirbel umdrehen könnte. Das Ergebnis gefiel ihm nicht, und so steckte er den Rapier zurück in die Scheide. Im gleichen Moment lockerte Nortia ihren Griff.
"Ich warte noch immer auf deine Antwort, Jägerin," ächzte Esterlar, sich den schmerzenden Nacken reibend.
Nortia maß beide eine lange Weile, dann erstrahlte plötzlich wieder ihr Eisblumenlächeln auf ihrem Gesicht. "Habe ich denn die Wahl? Scheinbar braucht es drei Erzhalunken von Format, um dieses verfaulte Reich zu retten..."
"Ich bin dem König verpflichtet, aber offenbar muss ich jetzt erstmal herausfinden, womit ich ihm am besten diene." Sie zog eine Grimasse und presste eine Hand auf ihre Rippen. "Bevor wir irgendwo anders hingehen, brauche ich allerdings jemanden, der diesen Schnitt näht."
Nun grinste auch Feldan breit und hob seinen blutenden Arm.
"Wir könnten diesen hilfreichen Menschen gemeinsam aufsuchen."
"Und ich werde mich um angemessene Garderobe und Anderes für dich kümmern," lächelte Esterlar entspannt. "Bevorzugst du noch immer das Breitschwert?"
"Mit integriertem Streurohr, wenn du eines auftreiben kannst."
"Ich werd`s versuchen. Dann also zur achten Stunde bei mir, Feldan weiß Bescheid."
Sie nickte nur und sah Feldan an. "Die Wundheilerin in der Schattengasse oder der Medicus am Westtor?"
"Die Wundheilerin, würde ich vorschlagen. Der Medicus steht mir in einem zu guten Verhältnis zur Garde. Auf diesem Wege könnte dort bekannt werden, dass wir beide noch leben. Aber das würde ich gerne noch eine Weile geheim halten."
Ohne ein weiteres Wort humpelte sie ihm voraus.
"Macht es dir Spaß, das dienernde Hündchen zu schauspielern?" fragte sie nach einer Weile. "Komm, ich kenn dich, das ist nicht deine Natur."
"Du hast ihn zu deinem Laufburschen herabgesetzt, und ich streue nun Zucker auf sein geknicktes Ego. Ihm gefällt es, und mir nützt es."
"Welches abgefeimte Spiel treibst du mit ihm?"
Vergnügt die Melodie des verbotenen Jorgund-Liedes vor sich hinpfeiffend, schwieg sich Feldan aus.
"Wir waren einmal ein gutes Team, du und ich," nahm Nortia nach einer Weile das Gespräch wieder auf.
"Ja, das kann man so wohl sagen."
"Und zuvor, da gab es noch ein wenig mehr für uns..."
"...als unsere Köpfe noch vollgestopft waren mit verrückten Idealen. Wir waren Kinder."
"Und nun? Macht uns diese Angelegenheit zu Freunden?"
"Was? Wie kommst du darauf? Nie im Leben!"
"Puah, jetzt ist mir wohler."
Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Es fühlte sich jetzt aber anders an, weniger bedrohlich.
"Tut mir Leid um deinen Drachen", sagte Nortia schließlich. "Es muss weh tun, so einen Gefährten zu verlieren."
"Werd jetzt bloß nicht rührselig, Jägerin!" Feldans klang plötzlich kalt.
"Ist ja gut.
"Der Drache wurde sowieso langsam alt und kraftlos, sie sind nicht sehr langlebig. Sei froh, denn sonst hättest du dein erbärmliches Leben bereits verloren. So hatte er wenigstens einen würdevollen Abgang. Die Miliz wird sich um ihn und die Leichen kümmern." Einige Bürger kamen ihnen bereits entgegen geströmt um zu sehen was auf dem Platz vorgefallen ist.
Ging das schon wieder los? Nortia verkniff sich die Bemerkung, dass sie nie in diese dämliche Lage geraten wäre, wenn Amelthor ihr nicht die Kontrolle über ihr inneres Tier genommen hätte. Der überhebliche Offizier wusste das, auch wenn er so tat, als sei es anders. Wie hatte Feldan sich nur so verändern können?
Doch dann schüttelte Nortia als reflex den Kopf. Wie konnte sie ihm sowas vorwerfen, sie hatte sich auch deutlich verändert.
"Ist etwas?"
"Schon gut, alles Okey." Feldan hob sie sacht am Arm hoch, er musste gesehen haben wie ihre Schmerzen stärker wurden. Sie liess ihn. Den Leuten musste es vorkommen, als wären sie ein Pärchen, so wie er sie aufrecht hielt. Ihr gelang sogar ein schwaches lächeln
"Und Ticardo...ehm, Esterlar?" fragte Nortia schließlich. "Für ihn bist du nun offiziell ein Verräter geworden, sogar in seinen Dienst getreten. Bist du dir sicher, dass nicht ER es ist, der mit DIR spielt? Traust du ihm?"
"Ich reiß mir den angekauten Arm aus und fress ihn ohne Salz, wenn ich ihm traue, oder dir oder sonstwem. Das ist alles Teil meines großen Spieles, aber die Regeln werden nicht verraten..." Er stockte, als sie plötzlich in seinem Griff zusammensackte und ein unterdrücktes Stöhnen ausstieß. Behutsam half er sie wieder aufrichten. "Die Heilerin ist gleich um der nächsten Ecke. Auf die Beine, Soldat, das schaffst du!"
Und Nortia meinte bereits zu halluzinieren, denn seine Stimme hatte sanft geklungen...
Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einem Bett mit weißen Laken, es roch nach Medizin und sie spürte etwas kaltes an der Seite, wo ihre Verletzung war. Aus dem Nebenzimmer drangen gedämpfte Stimmen. Wohl die der Heilerin und die Feldans. Vorsichtig richtete Nortia sich auf. Es spannte ein bisschen, aber es tat nicht weh. Gut. Ein bisschen peinlich berührt sah sie sich um. War sie doch tatsächlich in Ohnmacht gefallen. Anscheinend musste die Wunde doch schwerwiegender gewesen sein, als sie zunächst gedacht hatte.
Behutsam brachte sie ein Bein zur Erde, doch da begann das betagte Lager zu knarren. Mit einem kreiselnden Ruck katapultierte sie sich vom Lager und stand aufrecht. Der Schmerz schoß ihr wie ein glühender Draht in die Seite. Sie verdrängte ihn und brachte ein Ohr an die Wand. Die Stimmen nahmen Gestalt an.
"...und du bist dir sicher, dass sie nichts bemerken wird?" fragte Feldan. "Ich werde es nicht gnädig aufnehmen, wenn ich feststelle dass ich mein Silber für heisse Luft ausgebe."
"Sehr sicher. Die Veränderung geschieht schleichend, und sie wird sich keines Unterschiedes bewusst werden."
"Doppeltes Silber, wenn du recht hast, doppeltes Blei wenn nicht..."
Der glockenhelle Klang eines kleinen Gongs ertönte, und ein Stuhl wurde verschoben. "Oh, schon so weit?" sagte die Heilerin. "Es ist Zeit, ihr den zweiten Kräutersud zu verabreichen."
Rasch huschte Nortia wieder auf das Lager zurück und spielte die Schlafende.
Nortia betrachtete durch ihre Augenlider hindurch, wie die Heilerin ihr Lager betrat. Es handelte sich um eine, für ihren Beruf noch relativ junge Frau mit blondem Haar und stechenden grauen Augen, nicht die runzlige, krächzende Hexe, die man in dieser Position erwartete. In ihren Händen hielt sie eine Tasse wohlduftenden orangefarbenen Tees samt Unterteller.
Mit einem hinterhältigen Lächeln trat die Frau an ihr Bett heran und sprach mit sanfter Stimme auf Nortia ein: "Hier meine Liebe, ich habe dir einen warmen Kräutertee gebracht, der deine Schmerzen lindern wird..."
Nortia ließ den Arm hochschnellen, Ellenbogen in die Seite, Halbfaust ins Gesicht, und die junge Frau flog gegen die Wand und sank daran zu Boden. Mit einem Knurren sprang sie von der Liege, nur in ihrer Wildheit gekleidet, ganz die Wölfin.
Feldan stand in der Tür und griff nach seinem Rapier. Als traditionell ausgebildeter Soldat vertraute er völlig auf seiner tötlichen Präzision mit Waffen - Waffen, die in der Auseinandersetzung mit einem erfahrenen Kampftänzer nicht nur überflüssig, sondern sogar zum Hemmnis wurden.
Im Kampfrausch jenseits allen Schmerzes, beschrieb Nortias linker Fuß einen schimmernden Bogen und landete krachend auf Feldans Rippen. Sie erkannte den Verband um seinen rechten Arm und ließ in sadistischster Freude die Handkante darauf niedersausen. Ächzend ging der harte Kerl zu Boden. Sofort trat sie die Waffe in eine Ecke des Raumes.
"Steh auf, du Memme!" spie sie aus. "Das war kein Todesschlag! Und keine Spielchen mehr, Feldan! Ich will Antworten, und ich will sie jetzt!"
"Wie schon gesagt, die Regeln bestimme ich" und tratt mit einem Fuss an ihre Verletzung am Bein. Sofort tratt der Schmerz wieder ein, Nortia sackte zu Boden. Feldan war schnell genug um sie dort festzuhalten. "Heilerin! Bring die Resten vom Trunk sofort hierher!"
Sie hollte noch unsicher wieder auf den Beinen eine neue Schale und näherte sich diesmal langsamer, ständig wachsam. "Sofort!" Nortia wehrte sich so gut wie sie konnte, doch Feldan war auch mit einem Arm noch sehr kräftig.
DAS würde Nortia ändern! Hasserfüllt schlug sie ihre Zähne in seinen gesunden Arm. Mistverdammt, sie hatte nicht die Beißkraft des Tieres! Feldan kniete sich auf ihre Brust, um sie niederzuhalten und entwand ihr trotz der großen Schmerzen, die er haben musste, den Arm. Seine Faust krachte gegen ihren Kopf und schleuderte sie ins Nichts.
"Gibst du jetzt wohl Ruhe" Die Heilerin flösste den Trunk der ohnmächtigen Nortia ein. Wenn er auch nur daran dachte, wie teuer die Zutat war... Die halbe Menge wird nicht die volle Wirkung entfachen können, aber zuminderst mehr als nichts.
"Ich werde ihr einige Kräuter geben, die ihre Sinne benebeln. Sie wird alle Ereignisse der letzten Stunden vergessen."
"Gut!", meinte Feldan mit einem abschätzenden Blick auf Nortias erschlafften Körper. "Wenn sie wieder einsatzbereit ist, sag ihr das wir uns im "Erhängten Pferd" treffen werden." Mit diesen Worten verließ er das Krankenlager.
Das Bewusstsein kam zurück und mit ihm die Erinnerung an verschwörerischem Geflüster hinter der Wand, dem wahnwitzigen Kampf danach und auch daran, dass es Feldans Idee gewesen war, hierher zu kommen.
Nortia bemerkte die Heilerin, die neben ihrem Lager saß und sie aufmerksam anschaute. "Was hast du mir angetan, Hexe?" zischte sie.
Die Augen der jungen Frau wurden rund wie Teller. "Du erinnerst dich?" Scheinbar hatte sie sich mit der Dosis verschätzt, oder diese Frau war einfach außergewöhnlich...Rasch stand sie auf, außerhalb Nortias Reichweite.
"Dein Gefährte ist bereits gegangen...du kannst von meinen Kleidern haben. Wir haben etwa die selbe Größe. Nimm dir, was dir gefällt..."
"Ich wiederhole mich äußerst ungern!"
"Es war sein Wunsch, und er warnte mich, dass du die Notwendigkeit nicht einsehen würdest."
"Weib, rede!"
Die junge Frau war tatsächlich den Tränen nahe. "Bitte versteh doch, ich bin eine Heilerin. Ich betrachte es als meine Aufgabe, Menschen in Not von ihrem Elend zu befreien..."
Ein eisiger Schauder durchlief Nortia, doch sie verbarg es. "Weiter!"
"Das Tier in dir...es stirbt."
Nortia brach in Gelächter aus. Die Heilerin starrte sie entsetzt an. "Mein ganzes Lebenhabe ich mich mit dieser Bestie schon zu kämpfen. Wenn es in mir erwacht erlange ich erst wieder die Kontrolle zurück, wenn das Tier seinen Blutdurst gestillt hat. Schon oft habe ich versucht diese Kreatur auszulöschen, dass wäre eine wahre Freude für mich- aber es ist leider unmöglich." Als Nortia den Raum verließ, rieb die Heilerin sich die Hände: Alles war so passiert, wie der Seneschall es vorhergesehen hatte.
"Warten sie kurz!" Nortia's Schritte wurden kürzer. "Feldan wird sie im 'Erhängten Pferd' erwarten." Ohne anzuhalten oder irgendwelchen Worten verliess sie das Haus.

Nortia stand vor dem 'Erhängten Pferd', mehr ein Schuppen als eine Kneipe. Alles morsch, alt und nass. Doch im Schuppen kannten sie sich Bestens aus. Es war keine Überraschung, dass Feldan gerade diesen ausgewählt hatte. Auf dem Weg hierher war ihre anfängliche Euphorie bald der Ernüchterung gewichen. Wenn das Tier in ihr verschwand, würde es einiges mit sich nehmen. Ihr besonderer Spürsinn für Gefahr, Lügen und Fallen, ihre Instinktsicherheit bei dem Angehen von unerwarteten Problemen, alles würde ebenfalls verschwinden. Sie wäre immer noch eine hervorragende Kämpferin und scharfsinnige Verfolgerin, aber all ihre besonderen Begabungen wären dahin. Und gerade diese schienen Esterlar so wichtig. Feldan hatte eigentlich immer alles getan, um zu vermeiden, dass sie in dieser Angelegenheit Erfolg hatte. Was bezweckte er nur? Wollte er den ganzen Ruhm für sich allein? Sie zweifelte an solch kindischer Motivation.
Immerhin, da sie beide als vogelfrei galten, hätte er sie ebenso gut einfach im Schlaf ermorden können. Doch er hatte es nicht getan.
Der Seneschall und Esterlar erwarteten sie bereits. Neben ihnen hatten sich noch ein paar andere Gestalten um den Tisch gruppiert: Da war Amelthor, der sie aus seinem feisten Gesicht angrinste, der Sirdauka mit dem langen, blondem Haar und dem verschlagenem Lächeln. Und da war noch eine Frau mit schlohweißem Haar und einem abgehärteten Gesicht. Da erkannte Nortia das dunkle Brandmal auf ihrer Stirn- es war eine der als nahezu unbesiegbar geltenden Gishkas...
Nortia fischte sich einen der immer gefüllt dastehenden Alekrüge vom Tresen, warf einige Kupfermünzen hin und gesellte sich zu der illustren Schurkenbande. "Ihr seid alle Schweine," stellte sie fest. "Bei euch bleib ich."
Esterlar musterte sie argwöhnisch: "Nortia, schön das du es auch endlich geschafft hast hierher zu kommen. Darf ich dir unsere *Freunde* vorstellen:
Begalius ist unser Informant von den Sirdauka- er arbeitet für Jorin. Valyrie vonder roten Brücke ist unsere Gishkaspionin, Amelthor kennst du ja bereits. Werter Amelthor würdest du Nortia bitte erklären, wie die Aufspürung Gracchons erfolgen wird?"
"Wisch dir zunächst die Schminke aus dem Gesicht," warf Nortia ein. "Bleibst du derselbe, sehe ich keinen Grund, dir nicht den Hals zu brechen."
Amelthor räusperte sich vernehmlich. "Nimmst du mir die kleine Lektion in Sachen Selbstbeherrschung immer noch krumm? Für das, was Feldan für dich tat, solltest du dankbar sein."
"Schluss mit dem Geplänkel!", zischte Esterlar. "Amelthor, beginne!" Dieser nahm erst einmal einen Schluck von seinem Met und setzte den Krug seufzend wieder ab. Dann fixierte er Nortia mit seinen schwarzen Schweinsäuglein: "Der Schlüssel zur Auffindung von Graccon ist Gusgan, der Magier aus der Taverne. Er ist seine rechte Hand, wie wir dank Bagalius erfahren haben- und wir haben ein paar seiner Finger. Mit ihrer Hilfe konnte ich einen Trank brauen der deine wölfischen Instinkte um ein Vielfaches verstärken- und uns zu Graccon führen wird..."
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- Einmal Knochenmesser, immer Knochenmesser -
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