Einzelnen Beitrag anzeigen
  #141  
Alt 17.01.2013, 19:58
Benutzerbild von Nephthys
Nephthys Nephthys ist offline
Bewahrer des Friedens
 
Registriert seit: 08.2011
Ort: ~
Beiträge: 5.745
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich mich zu diesem Thema noch einmal melden sollte, oder nicht.
Nun, jetzt sind vier Tage ins Land gegangen, und da hängt mir noch immer ein gewisses Bedürfnis im Hinterkopf. So what?
(Editieren kann ich ja immer noch ^^)

Die Bardin hat einen wichtigen Punkt angesprochen.
Gedankenkreisel nannte sie es, sofern ich es richtig in Erinnerung habe. Dazu gibts in unterschiedlichen Kreisen unterschiedliche Bezeichnungen. Ich kenne es unter "Kopfkreisen". Das Substantiv ist ja auch egal. Es beschreibt das selbe:
Ein Gedankengang, der immer und immer wiederkehrt. Quasi von allein. Und abstellen lässt es sich auch nicht so wirklich. Sogar durch die Ablenkung hindurch kann es sich Bahn brechen. Und es ist manchmal nur ein Bild. Das kann sich über Tage manifestieren. Und dann tritt genau das ein, was immer eintritt, wenn etwas tausende Male wiederholt wird: ein Lerneffekt.
Wenn dieser Gedankengang dir grade klarmachen will, dass du nutzlos bist. Dass du wertlos bist und dass alles besser wäre, wenn du ... dann ist es wie eine selbstverursachte Gehirnwäsche. Du fängst an daran zu glauben. Über alle Rationalität hinweg. Denn die stellt sich dann ab.
Die ersten Schritte sind übrigens nicht der Suizid an sich. Der erste Schritt ist der Rückzug in sich selbst. Und das ist für Außenstehende nur dann offensichtlich, wenn sie genau darauf achten. Denn - Nichtbetroffene können es sich nicht vorstellen - mit der Intensität dieser Gedanken wird es immer wichtiger, den anderen eine heile Welt vorzugaukeln.
Das hat mehrere Gründe, schätze ich.
Einer davon ist ganz klar der bereits abgefrühstückte. Nichts ist schlimmer, als eine oberflächliche(!!!) Bemerkung nach dem Motto "stell dich nicht so an."
Ich sage bewusst oberflächlich. Zumindest ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein ernstgemeintes, von einer Vertrauensperson stammende "stell dich nicht so an" durchaus "Einnordend" wirken kann.

Wie geht man mit einem potentiellen Suizidenten um?
Das ist eine höchst individuelle Frage.
Weiter oben habe ich gesagt, dass es aufs Zuhören ankommt. Und das stimmt auch.
Ebenso wichtig ist jedoch Ablenkung. Wenn ich einem Suizidienten das Gefühl vermittle, dass ich mich nur für ihn interessiere, weil er grade wieder mal "mies drauf" ist, dann verfestige ich seinen Gedankengang nur noch. Deshalb finde ich zeitlich versetztes Nachfragen ... sehr gefährlich.

Ich kenne jemanden, der mehrere Suizidversuche hinter sich hat. Aber ich weiß auch, dass er jemand ist, auf den die Hypothese mit dem "Hilferuf" zutrifft. Er fühlt sich derartig alleine und einsam, dass er Medies schluckt, um im Krankenhaus zu landen. Und auch um seinen Freunden fast schon freudestrahlend zu berichten, dass er schon wieder eine Überdosis hatte.
Das erste Mal hat mich derartig mitgenommen, dass ich selbst emotional abgestürzt bin. Inzwischen habe ich eine "na und?" - Einstellung ihm gegenüber. Denn jedes Mal, wenn ich den Tanz mitmache, lernt er, dass sich jemand drum kümmert.
Andererseits habe ich - ehrlich gesagt - ohnehin keinen Bock mit meinem Kumpel nur aus seiner suizidalen Absicht heraus befreundet zu sein. Denn er ist nicht "nur" gefährdet.

Und um es deutlich zu sagen: es gehört unterschieden zwischen Suizidenten, die sich tatsächlich das Leben nehmen wollen und solchen, die es eben nur "fast" wollen. In beiden Fällen kann es selbstverständlich den Exitus bedeuten.

Die Menschen, um die es am schlimmsten steht, sagen übrigens nichts. Denn sie wollen nicht vom letzten Schritt abgehalten werden.

Ich denke, das ist für die Hinterbliebenen das Belastenste. Die Frage danach, ob man etwas hätte merken müssen. Und ob man es hätte verhindern können.

Darauf kann ich nur eines sagen:
Bemerken? Vielleicht. Kommt auf die schauspielerische Leistung desjenigen an.
Verhindern? Nein. Man kann nur über gewisse Phasen hinweghelfen. Aber verhindern kann man es nicht, wenn der Suizidient entschlossen ist.

Die Frage nach dem Egoismus ...
Ja, es mag egoistisch erscheinen.
Aber so ist es im Fall der Fälle nicht gemeint. Es geht um eine Erleichterung aller Beteiligten.
Es geht nicht um "Bestrafung" der Überlebenden. Kann ich mir nicht vorstellen. (Juuut, ich glaube aber auch nicht an ein Leben nach dem Tode ... von daher schließe ich einen trotzigen Menschen auf Wolke sieben aus, der da hockt und sich grinsend denkt "das habt ihr nun davon".)

Um noch einmal auf die Logik zurückzukommen, denn das ist ein wichtiger Punkt.
Die Ratio ist in solchen Phasen abgeschaltet. Und selbst wenn sie noch vorhanden ist, dann ist sie zu "leise". Dann sind die eigenen Überzeugungen, die sich in Selbsthass und Selbstekel äußern, viel stärker.
Und ja - da hat die Bardin recht - dann bekommt man einen Tunnelblick. Jede eigene Verfehlung, sei sie tatsächlich gewesen oder nur eingebildet, wird in der eigenen Vorstellung riesengroß. Die liebenswerten Seiten an sich selbst negiert man. Rigeros.

Und ... wie soll man nachvollziehen können, dass andere Menschen einen mögen, wenn man sich selbst nicht ausstehen kann?


So.

Sollte reichen.


Edith schicke ich beizeiten vorbei ...
__________________
.
Wieso eigentlich ... sind Drachen weise? Das sind Echsen, liebe Leute. Echsen! Habt ihr euch schon mal nen Gehirn von einer Echse angeguckt? Himmel! Da haben meine Meerschweinchen größere Gehirne - und die finden nicht mal den Weg aus ihrem Käfig raus.
.
Wer sich für Fantasy, Kurzgeschichten, Betrachtungen zur Sci-Fi, darstellerisches Handwerk, Computerkunst, Rezensionen, Biologie, Histologie, Taxonomie ... interessiert, der wird hier fündig: Marinas (fantastische) Welt