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Alt 21.11.2012, 08:36
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Hobbyschreiber Hobbyschreiber ist offline
Drachentoeter
 
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Zitat von Marius Beitrag anzeigen
An der Kante der Welt stand ein Mann. Er trug dunkle, lederne Kleidung wie es in der nördlichen Mark üblich war und ein Schwert hing auf seinem Rücken.
Eigentlich war es kein besonderer Mann. Er war weder schön noch hässlich, weder muskulös noch schwächlich, weder dick noch dünn, weder klein noch groß. Er hatte kurzes braun, schwarzes Haar und ebenfalls braune Augen.

"Auf den ersten Blick schien nichts Besonderes an dem Mann zu sein, gar nichts. Ein Reiter, vielleicht 25 Jahre alt, einfach gekleidet, vielleicht irgendein Söldner. Denn, wenn auch seine sonnenverbrannte Haut und das schwarze Haar die Leute an einen Zigeuner denken ließen, so wies das Schwert mit der schwarzen Scheide und dem abgenutzten Heft, welches er über den Rücken trug, darauf hin, dass er sich wohl nicht als Schausteller oder Kesselflicker durch das Leben schlug."

Daran kann man mal wieder sehen, dass es eigentlich nichts wirklich Neues zu Schreiben gibt. Die Ähnlichkeit der Personenbeschreibung fiel mir gleich in die Augen, obwohl die Geschichten ja ansonsten überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Weiter hinten in der Geschichte wird sogar erwähnt, dass auch mein Prota ein jüngerer Sohn eines Fürsten ist und überwiegend in Leder gekleidet herumläuft.

Mach Dir aber nichts daraus, lieber Marius. Auch ich finde, dass Dein Prolog den Leser sehr gut in die Situation des jungen Mannes hineinfühlen lässt.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aber doch aufgefallen. Du verwendest mehrfach das Wort "Kante". Das mag für die Abbruchkante eines felsigen Steilufers sogar korrekt sein, aber an dieser Stelle und so gehäuft verwendet, liest es sich für mich ein bisschen ... hm, kindlich. Bei einer Kante denke ich spontan an eine Tischkante oder einen Brotkanten oder so. Hier empfinde ich es einfach nicht als dramatisch genug. Vielleicht magst Du es noch ein bisschen auf Deiner Zunge zergehen lassen und überlegen, ob es aus Deiner Sicht wirklich das richtige Wort ist.

Und nicht nur dieses Wort, auch andere Worte, bzw Formulierungen wiederholst Du mehrfach. Da fällt mir zuerst die Absicht des jungen Mannes auf, zu springen. Ich müsst noch mal nachsehen, aber ich glaube beinahe, Du erwähnst es sogar vier Mal. Ich meine, dass Du dem Sprung selber mehr dramatik verleihen könntest, wenn Du ihn nur das eine Mal am Schluss ausdrücklich nennst. Das Tier begann an einem der kleinen Heidekrautbüsche zu zupfen und verlor keinen Gedanken an den Mann, der eben in den Abgrund gesprungen war...(Gekürzt, denn Pferde grübeln ohnehin nicht so viel nach.) Davor, wenn Du beschreibst, wer alles an seinem Schicksal Anteil nimmt oder nicht, kannst Du auch schreiben, dass es ihn, sie oder es nicht kümmern würde, ob es ihn noch gäbe, oder dass ihn auch diese Person/dieses Pferd und so weiter nicht vermissen würde. Dadurch erzeugst Du zwar eine depressive Stimmung, aber Du hebst Dir den Knaller für den Schluss auf.

Dass er "sehr verzweifelt" war, würde ich weglassen, Das kommt in Verlauf Deines Prologs ausreichend zur Geltung, als dass Du es ausdrücklich schreiben müsstest.

Auch die geballte Aufzählung von Nicht-Eigenschaften des jungen Mannes am Anfang ist zu viel. Das beurteile ich genauso wie Cassandra. Es stört extrem den Lesefluss. Die Haarfarbe würde ich als braunschwarz bezeichnen, nicht als braunes, schwarzes Haar.

Den Schimmel würde ich nicht "glotzen" lassen, denn das beinhaltet ein gewisses Interesse. Vielleicht würde besser passen: "gab seinen Blick gleichgültig zurück"?

Und last, but not least: Ich finde, dass "vom Wind gebeugte Kiefern" nicht wirklich "wie eine Armee in Reih und Glied" wirken können. Das ist irgendwie ein Widerspruch in sich. Ein anderes Bild aus dem Lebensalltag des jungen Mannes könnte aus meiner Sicht besser harmonieren. Zum Beispiel könnten die Bäume " sich hinter ihm zusammendrängen wie die tuschelnden Klatschweiber im Dorf" oder so.


Ach ja, und an dieser Stelle habe ich auch ein kleines Problem: "Fast überlegte er, nicht zu springen. Er dachte weiter an das Mädchen, seine einzige wahre Liebe. Der junge Mann dachte an ihre blau, grünen [blaugrünen] Augen und an die eine Nacht, in dem verlassenen Heuschober."
Diese sehr emotionalen Erinnerungen kommen ein bisschen wie eine Aufzählung rüber. Da fehlt aus meiner Sicht ... äh, das Emotionale, Sehnsüchtige. Statt "fast überlegte er, nicht zu springen", was ohnehin den dramatischen Schluss zu sehr vorweg nimmt, könntest Du etwas schreiben, was einen kleinen Sonnenstrahl durch das Düstere der Situation leuchten lässt, so dass die Verzweiflung des jungen Mannes scheinbar weniger umfassend ist und er im Leben doch etwas Lebenswertes finden kann. Die nachfolgende Situation mit seinem Vater wirkt dann noch brutaler.
Vielleicht im Sinne von:

Sie! Sie würde ihn vermissen. Sie war die Tochter eines Müllers, seine einzige wahre Liebe. Er dachte an ihr Lächeln und daran, wie er ihr das Mehl aus ihren blondgelockten Haaren gebürstet hatte. Ihretwegen war er beinahe versucht, seine Absicht aufzugeben. Er an ihre blaugrünen Augen und an diese eine Nacht in dem verlassenen Heuschober.

Dieser Satz "Aber was brachte ihr das schon" klingt ganz unpassend. Trauer bringt nie etwas, sie ist immer eine Belastung. Ich würde ihn ganz weglassen.
Dass der Junge "immer" das Mehl aus dem Haar gebürste hat, würde ich auch nicht schreiben, denn es war ja nur eine Nacht, und vorher haben sie zum Kennenlernen ja vielleicht auch was anderes gemacht, als sich gegenseitig die Haare zu bürsten.

Wiederholungen können ein Stilmittel sein. Sie können eine Aussage unterstreichen oder andeuten, wie durcheinander jemand ist. Aber man sollte sie mit Überlegung und sehr sparsam einsetzen, weil sonst der Autor verwirrt wirkt. Vertrau mir, ich bin Spezialist für Schachtelsätze und Verwirrtheit.

Nee, aber lass Dir von meinem Gemecker nicht den Tag verderben. Dein Prolog ist wirklich schön. Aber es gibt ja nichts, was nicht noch besser werden könnte.

Geändert von Hobbyschreiber (21.11.2012 um 08:51 Uhr)
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