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Alt 24.09.2012, 09:12
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Formorian Formorian ist offline
Dunkler Wanderer
Drachentoeter
 
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(allmählich werden uns die Protagonisten knapp )
Er verhielt auf dem Gang und lauschte. Hier in der zerschossenen Kaserne der Kürassiere, deren unversehrtes Untergeschoss den Eroberern nun als Kerker für besondere Gefangene diente, herrschte stets muntere Geschäftigkeit, und er nahm alles in sich auf. Die normale Geräuschkulisse musste ihm vertraut werden, so dass er eine untypische Veränderung sofort bemerken würde. Um der vorzeitigen Entdeckung zu entgehen, huschte er in einen schattigen Quergang, den das Licht der wenigen Fackeln nicht erreichte, und versenkte sich in den Zustand der Grabesruhe. Langsamer wurde der Schlag seines Herzens, ruhiger und tiefer sein Atem, bis beide nahezu zum Stillstand gekommen waren. Unhörbar, unsehbar war er nur noch ganz Ohr.
Hin und wieder kam jemand vorbei, leis vor sich hinfluchend, oder trunken lachend, oder panisch schreiend in Ketten vorangeschubst. Öfters wurde er vom hellen Lichtschein gestreift, doch niemand nahm Notiz von ihm. Er war Leere, das absolute Nicht-Sein am absoluten Nicht-Ort, und gewöhnliche Leute hatten kein Auge für das Nichts.
Eine zeitlose Spanne verging so, und er bemerkte, dass die Geräusche um ihn herum allmählich verebbten, und es wurde stiller und stiller. Als er nichts weiter mehr vernahm als das verzweifelte, durch dicke Holzbohlen gedämpfte Geschrei einer einzelnen Seele in einer dunklen Zelle, erlaubte er seinen Körperfunktionen wieder ihren normalen Gang zu gehen, und seine Kraft kehrte zurück, und mit ihr seine Entschlossenheit.
In seinem Geist ließ er nur noch ein einziges Bild zu: die tröstliche Stille des ewige Ruhe versprechenden Grabes. Dies war die Hoffnung, die seiner Seele Kraft gab. Und diese friedvolle Emotion strahlte er nach allen Seiten aus, als er sich auf seinen riskanten Weg machte; wohl wissend, dass die Wesen, welche sich noch immer trügerische Illusionen über das Leben machten sich alles andere als angenehm davon berührt zeigen würden. Niemand stellte sich ihm entgegen, während er sich seinen Weg zur nach oben führenden Treppe suchte. Hinter jeder Tür, an der er vorbeistrich, in jedem fackelerhellten Raum und jeder düster-stinkigen Zelle fühlten Marterer wie Gemarterte den eisigen Hauch der absoluten Auflösung, trostlos und das Herz zu Eis gefrieren lassend, und niemand kam auf die Idee die Tür zu öffnen und in dem düsteren Gang nach dem Rechten zu sehen.
Bald darauf stand Doro einsam in den Trümmern des Palastviertels. Er wusste, dass seine Probleme jetzt erst richtig beginnen würden...es war ein weiter Weg bis in die von Hundegeistern gehaltene Unterstadt. Doch das Wohl dieser Welt lag nun auf seinen Schultern, also ging er.
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Die klügsten und kreativsten Menschen werden von den phantasielosesten Vollpfosten niedergeschossen.

Geändert von Formorian (24.09.2012 um 11:34 Uhr)
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