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Alt 20.09.2012, 09:56
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Formorian Formorian ist offline
Dunkler Wanderer
Drachentoeter
 
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Silbern, funkelnd vor Diamanten myriadenfach auf den Kronen in der Sonne blitzend, so zog der nasse Teppich des Ozeans unter ihm dahin. Der große schwarze Nachtvogel jedoch hatte keinen Blick für Schönheit, zu mächtig spürte er den Drang dieses elende Wasser hinter sich zu lassen. Jenseits der wogenden Wüste, dort würde er wieder in der Lage sein, etwas zu empfinden, dessen war er sich brennend bewusst. Schlage, gleite, reite den Wind! Schneller! Doch Geschwindigkeit minderte nicht die brennende Ungeduld, die ihn vorantrieb, es wurde eher immer drängender für ihn. Unruhe überkam ihn, denn nun kamen doch Empfindungen in ihm auf; störende Emotionen, welche ihn irritierten und sein Denken von seinem Ziel abzubringen trachteten, und welche er nicht einordnen konnte. Gefühle, die sein klares Urteilsvermögen beeinträchtigten, seine Entschlusskraft betäubten und selbst seinen Körper zu lähmen versuchten. Er wusste, er hätte darüber Ärger verspüren sollen, doch die plötzliche unerwünschte Emotion nahm seine gesamte Gefühlswelt für sich ein.
Unbekannt und nicht einzuordnen war ihm seine Empfindung, und so begriff er nicht dass es nackte Angst war, die sich seiner bemächtigte.
Und so war er nicht überrascht, als das Wasser vor ihm zu kochen begann und das Unnennbare mit Gewalt durch die Oberfläche brach, riesig, mörderisch, und die eisige Kälte des absoluten Nicht-Empfindens wie einen wogenden Schleier tragend. Die brennend kalte Woge der Nicht-Emotion traf ihn mit niederschmetternder Urgewalt, ihn der vor Emotion fast am Auseinanderreissen war.
(In ihren hohen Lehnstühlen versunken beobachteten drei weise alte Affen das Geschehen mit ungeteilter Aufmerksamkeit.)
Etwas schien in ihm zu implodieren, dumpf und lautlos. Betäubt von der totalen Leere begann er in der Luft zu torkeln und sah das Wasser auf sich zukommen. Stark! war sein einziger bewusster Gedanke. Zu stark!
Es gelang ihm, sich abzufangen und wieder etwas an Höhe zu gewinnen, dann traf ihn der zweite Schlag. Freund! schoss es ihm durch den Rest seines halbgelähmten Verstandes; die Augen blind, die Muskeln gefühllos, die Zunge durchgebissen. Ich brauche einen Freund!
(Drei weise alte Affen stöhnten synchron enttäuscht auf.)
Und der Freund kam; mit mächtigem Rauschen wie von allen vier Himmelswinden schoss er aus dem Nichts heran und stürzte sich auf den unnennbaren Feind. Ein unerbittliches Ringen begann, welches der große Nachtvogel jedoch nicht weiter verfolgte; erleichtert gewann er wieder die Macht über seinen eigenen Körper zurück, schwang sich erneut in die Höhe und setzte seinen Weg über das Wasser fort. Nur der Druck in seiner Kehle wollte einfach nicht weichen...
...und im nächsten Augenblick wurde er sich der Klauen gewahr, die sich tief in seinen Hals gegraben hatten und ihm die Luft abschnürten. Framires panisches Brüllen zitterte ihm in den Ohren, ein dumpfer urgewaltiger Schlag ließ die Mauern seines Kerkers erzittern, und mehrkehliges erzürntes Bellen und Jaulen übertönte fast das heisere Keuchen, welches die hassverzerrte Fratze über seinem Gesicht ausstieß. Ohne zu überlegen setzte Feldan mit beiden Füßen einen Panthertritt gegen den Bauch des Kerls, der diesen gegen die Wand geschleudert hätte, doch dieser drehte sich wie eine Katze in der Luft, stieß sich mit Händen und Füßen von der Mauer ab und landete wieder auf ihm, ehe Feldan Zeit gefunden hätte sich zu erheben. Und diesmal waren es seine blau angelaufenen zugespitzten Zähne, welche seine Kehle suchten.
Ein Rumpeln, und die Tür des Kerkers flog mit einem Knall gegen die Wand. Mehrere Schakalsburschen strömten in den Raum, ergriffen beide und begannen, sie besinnungslos zu prügeln. Framires Schreie verebbten mit der Zeit.
Die Skrigg berieten eine kurze Weile, dann schleppten sie den merkwürdigen Felllosen, der seinen Urfeind erkannt hatte, in eine andere Zelle.
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Die klügsten und kreativsten Menschen werden von den phantasielosesten Vollpfosten niedergeschossen.
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