Einzelnen Beitrag anzeigen
  #26  
Alt 13.10.2016, 23:45
Benutzerbild von Hobbyschreiberin
Hobbyschreiberin Hobbyschreiberin ist offline
wieder da ...
Ritter der Tafelrunde
 
Registriert seit: 07.2016
Ort: Südheide
Beiträge: 85
Einige beispiele, die mir so einfallen:

In der Reihe um den Hexer Geralt von Riva spielen zwei Frauen eine bedeutende Rolle. Das ist einmal seine geliebte Yennefer, eine hochkarätige Zauberin, die über lange Strecken höchstens Gelegenheits-Geliebte ist, und ansonsten ihr eigenes Ding macht. Und das zweite ist die Hauptperson im Hintergrund, um die sich der Großteil der Handlung dreht, nämlich das Mädchen Ciri, Enkelin der Fürstin von Cintra, die im Lauf der zwei Anthologien und sechs Romane unter vielen harten Erfahrungen zu einer starken Frau heranwächst, die ihr eigenes Schicksal, das ihrer Freunde und der ganzen kriegführenden Elfen- und Menschheit wesentlich beeinflusst.

In der alten Darkover-Reihe von Marion Zimmer Bradley kommen in vielen Bänden Frauen vor (Freie Amazonen), die sich aus ihrer herkömmlichen Rolle befreit haben, aber trotzdem Frauen sind.

In den "Nebeln von Avalon" scheitern die Pläne der Priesterinnen daran, dass Morgaine sich zu sehr von ihren Gefühlen leiten lässt.

In der Trilogie "Reisende" aus der Isrogant-Reihe von Tian Di gibt es neben den männlichen Charakteren die Magierin Alicia dei Xemotearcz (Hab ich bestimmt wieder falsch geschrieben. Wer denkt sich solche Namen aus?). Sie braucht keinen Mann, und wenn sie sich mit einem einlässt, dann weil sie es will und zu ihren eigenen Bedingungen. Am Ende von Band zwei der Trilogie erklärt sie dem männlichen Hauptcharakter, mit dem sie zwischendurch ziemlich intim war, in aller Freundschaft, dass sie NICHT mit ihm gemeinsam weiter reisen will. Außerdem kommen genz selbstverständlich weibliche Mitglieder des Kriegerordens der She-Bashi vor.

In meiner eigenen Reihe versuche ich die Schwester des Hauptcharakters eine unabhängige Kriegerin sein zu lassen UND eine Frau.
Und in meinem aktuellen Drachenroman entwickelt sich der einzige weibliche Perspektivträger von einem unsicheren jungen Mädchen zu einer umsichtigen und selbstbewussten Fürstin, auch wenn ihr bewusst ist, dass sie weiterhin viel zu lernen hat und auf den Rat Anderer angewiesen ist.

Ich halte es für wichtig, in dieser Diskussion zwischen Kindern und "erwachsenen" weiblichen Hauptcharakteren zu unterscheiden. Ein Mädchen kann in einem Kinder- oder Jugendbuch sehr gut eine Hauptrolle spielen, wie das zum Beispiel die zitierte Mara von Tommy Krappweiss tut, oder auch andere alte und neue kindliche Heldinnen aus Literatur und Film.

Seltener gibt es gelungene weibliche Hauptcharaktere, die nach den Maßgaben des Settings als Erwachsene gelten. Ein aus meiner Sicht positives Beispiel sind etliche "Frauen" aus George Martins "Lied von Eis und Feuer" ("Game of Thrones" für die, die nur die Filme kennen). Mehrere zu Beginn der Geschichte noch sehr junge Mädchen, die aber dem pseudo-mittelalterlichen Hintergrund entsprechend ab dem Eintritt ihrer Menstruation (mit 11 bis 13 Jahren) als erwachsene Frauen gelten, fühlen und handeln auch so, nämlich als Frauen. Sie lieben, fürchten sich, lehnen sich (überwiegend innerlich) gegen die Unterwerfung von Frauen als Pfand für ein geschlossenes Bündnis, als Gebährmaschine und Lustobjekt auf. Mal abgesehen davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein elfjähriges Mädchen (das von seinem älteren Bruder lebenslang psychisch terrorisiert und klein gehalten wurde, sich in einen riesenhaften, barbarischen Krieger verliebt, mit dem sie zwangsverheiratet wurde und der sie auch sofort in der Hochzeitsnacht entjungfert) es ein Jahr später schafft, eine riesige Armee aus verschiedenen Kulturen zu sammeln und zu befehligen, mit dieser mehrere Städte zu erobern und sie zur Rückeroberung eines Reiches zu motivieren, das kaum jemand von dieser Armee überhaupt jemals gesehen hat. Sowas ist auch in einem Fantasy-Setting NICHT plausibel. Genausowenig wie das, was der Autor kleine drei, fünf und 15 jahre alte Jungen tun lässt, by the way. Und was sich erwachsene, gestandene krieger von diesen Kindern gefallen lassen.

ABER ... Der Autor hat es immerhin geschafft, Frauen als nachvollziehbare Hauptcharaktere aufzubauen, die nicht nur aus Liebe zu einem breitschultrigen, testosteronkochenden Kerl handeln und ihren Lebenszweck darin sehen, diesem in die Arme zu sinken. Daenerys, Sansa Arya und Margaery haben jede ihre eigenen Ziele, und die sind nicht emotionaler und irrationaler als die jedes männlichen Charakters in dieser Reihe. Und sie verwenden dabei nicht nur die "Waffen der Frauen".

Die "erwachsene" Cersei dagegen schafft in ihrer anhaltenden spät-kleinkindlichen Trotzphase nichts anderes, als anderer Leute Sandburgen, sprich politische Erfolge kaputt zu machen. Ich, ich, ich, meins, meins, meins. Mit Dir spiele ich nicht, du bist doof! Ehrlich, da ist die kleine, neunjährige Arya erwachsener (auch wenn der Vergleich hinkt, weil die Kleine sich in dem Alter noch kaum für Männer als solche interessiert).

Wenn also in einem Roman für Kinder ein weibliches Kind die Heldin ist, dann kann sie (zumindest in einer Kultur, die ihr das erlaubt,) alles tun, was auch ein gleichaltriger Junge schafft. In einem Roman für Erwachsene muss ein Mädchen/ein Teenager/eine Frau auch als Frau agieren. Physisches Kräftemessen mit einem Mann ist dumm, denn sie geht meist zu Ungunsten der Frau aus. Eine muskelstrotzende Emanze ist i.d.R. immer noch physisch schwächer als ein muskelstrotzender Kerl. Sie muss durch bessere Technik und höhere Intelligenz siegen. Oder unterliegen, weil sie diese Vorraussetzungen nicht besitzt.
Während ein männlicher Prota sich bei einem One-Night-Stand vermutlich wenig Gedanken über Verhütung macht, wird einer weiblichen Prota das Thema wichtiger sein. WILL sie schwanger werden? Nimmt sie es in Kauf? Oder verhütet sie grundsätzlich, weil sie ihren Spaß genauso haben will, wie die Männer? Oder weiß sie, dass sie unfruchtbar ist (wie Daenerys)?
Bei Männern hat Macht auch immer damit zu tun, der "Stärkste" sein zu wollen. Bei Frauen ist Macht dagegen etwas Sachliches, Emotionsloses. (Es ist nichts Persönliches, sondern rein geschäftlich!" Eigentlich eine sehr feminine Art "Geschäfte" zu führen.) Frauen leben ihre Emotionen auf einer anderen Ebene aus, mehr im zwischenmenschlichen Bereich. Sie lassen sich vielleicht durch ihre Emotionen im Geschäftlichen beeinflussen, aber mit dem Verlust der Rationalität beginnt dann auch schon das Scheitern. ERFOLGREICHE Frauen müssen im Geschäftlichen die Gefühle außen vor lassen. Erfolgreiche Männer betreiben Geschäfte wie einen Wettbewerb, in dem sie gewinnen wollen.

Ein Autor, bzw. ein Roman, der diese Unterschiede nicht berücksichtigt, muss immer etwas unecht wirken. Meiner Meinung nach. Und deshalb funktionieren viele Romane mit weiblichen Protagonisten nicht.

Geändert von Hobbyschreiberin (14.10.2016 um 00:14 Uhr)
Mit Zitat antworten