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Alt 26.10.2013, 12:11
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Susanne Gavenis Susanne Gavenis ist offline
Herausforderer der Weisen
 
Registriert seit: 04.2012
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Ich denke, das Entwerfen eigener Völker kann man oft reduzieren auf die Frage, was für Arten von Gesellschaften in einer bestimmten Geschichte vorkommen sollen. Die Völker bzw. Rassen selbst sind m.E. von den Fantasy-Autoren der vergangenen Jahrzehnte in vielen Variationen letztlich relativ weniger Grundtypen in ihren Romanen derart ausgiebig thematisiert worden, dass es schwer ist, sich noch etwas wirklich Neues oder Originelles auszudenken.

Zusätzlich zu den sattsam bekannten Orks/Elfen/Zwergen/etc. kann man sich bei der Konzeption seiner Welt noch aus dem Fundus der verschiedenen Mythologien bedienen, die es so gibt, und sie den eigenen Bedürfnissen anpassen, z.B. mit einem Volk wasserlebender Nymphen oder Waldgeister, die zwischen verschiedenen Existenzformen wechseln können. Auch hier kommt wieder alles darauf an, was du für eine Art von Geschichte erzählen willst. Es gibt Geschichten, bei denen es enorm stören würde, wenn plötzlich irgendwelche magiebegabten Waldwesen durchs Bild schweben würden, gleichgültig, wie grandios der Autor diese Rasse ausgearbeitet hätte, weil sie einfach nicht zur Handlung und dem ganzen Setting der Story passen würden.

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, seine Welt nicht mit zu vielen heterogenen Elementen zu überladen, sondern man sich mit einer überschaubaren Anzahl gut ausgewählter und für die Geschichte relevanter Details begnügen sollte. Ansonsten kann das m.E. schnell dazu führen, dass auf dieser Welt alles irgendwie möglich ist und sich beim Leser daraufhin ein Gefühl der Beliebigkeit und der Willkür einstellt, weil er das Szenario der Geschichte und die Möglichkeiten der Handlungsentwicklung nicht einschätzen kann. Eine eher rustikale Söldnergeschichte beispielsweise, bei der völlig unerwartet plötzlich die ätherische Königin der Elfen über das Schlachtfeld schwebt und mit Hilfe ihrer Elfenmagie für Ruhe und Ordnung sorgt, weil sie und ihr Elfenvolk sich von dem Schlachtenlärm und dem vergossenen Blut gestört fühlen, kann - obwohl sowohl die kriegführenden Parteien als auch das Elfenvolk bis ins kleinste Detail vom Autor ausgearbeitet worden sein mögen - trotzdem dazu führen, dass die Atmosphäre der Geschichte komplett ruiniert wird, weil die einzelnen Elemente der entworfenen Welt innerhalb der Handlung nicht zusammenpassen. Würde man für seine Söldnergeschichte auf das Elfenvolk mit seiner Magie verzichten und von vornherein die Entscheidung treffen, dass diese Art von Geschichte z.B. gar keine Magie und also auch keine magiewirkenden Völker benötigt, könnte man bei der Konzeption seiner Welt eine Menge Zeit und Energie sparen. In irgendeinem Schreibratgeber wurde das mal als "Orchestrierung" bezeichnet. Wenn die Welt, die man für seine Geschichte entworfen hat, beim Leser das Gefühl eines stimmigen, organisch gewachsenen Ganzen erzeugt und keine Elemente sozusagen disharmonische und schiefe Töne von sich geben, hat man als Autor seine Sache richtig gemacht, und die Geschichte ruht auf einem soliden Fundament.
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