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Alt 18.09.2012, 12:02
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Nephthys Nephthys ist offline
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Zitat von Formorian Beitrag anzeigen
In unserem Kulturkreis wird die "dunkle Seite" gewohnheitsgemäß als böse, abgründig, triebhaft, unkontrolliert und durch und durch verachtenswert betrachtet. Wer ihr verfällt, gilt als egoistisch, roh und vertiert, vom Teufel geritten. Dabei ist sie nichts weiter als unser ursprünglichstes Erbe aus grauer Vorzeit; die Weisheit des Tieres, unverstellt von widernatürlichen, die eigene Existenz gefährdenden Konstrukten wie Moral und Nächstenliebe. Die Evolution hätte es niemals so weit gebracht, hätte sie sich den Luxus der Nächstenliebe oder des Meidleids geleistet. Grausam, aber wahr!
Interessante These.
Auch wenn ich ihr in einigen Nuancen widersprechen muss ... nee ... möchte.
Moral und Nächstenliebe sind per se nicht existenzgefährdend. Ganz im Gegenteil: Gefühle / Konstrukte dieser Art haben sich aufgrund unserer Art und Weise des Zusammenlebens herausgebildet.
Wir als der Primat Homo sapiens, als auch unsere Vettern (Primaten anderer Gattungen) leben in einer sozialen Struktur. Und eine soziale Strukur kann als solche nur dann überleben, wenn es Mechanismen gibt, die sie funktionieren lassen.
Zumal Begrifflichkeiten wie "Moral" und "Nächstenliebe" je nach Definition etwas anderes bedeuten.
Wenn ich hingehe und den Instikt seine eigenen Gene zu beschützen - also alle Mitglieder der Familie (ganz besonders die eigenen Kinder), der Sippe und weitgegriffen: der Gemeinschaft - als "Nächstenliebe" zu bezeichnen, dann handelt es sich ganz und gar nicht um ein "existensgefährdendes Konstukt", da wirst du mir sicherlich zustimmen.

Wenn ich mich auf eine andere Ebene begebe - meinetwegen eine theologisch gefärbte (zur Erinnerung: ich bin Atheist) - dann könnte ich die "Goldene Regel" der Christen anführen: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“, oder alternativ: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu“.
Wir sind uns sicher einig, dass sich gerade die Christen die "Nächstenliebe" auf die Fahne geschrieben haben. (Die pervertierten Auswüchse, die der ursprüngliche Glauben durch die Kirche hat durchmachen müssen, lasse ich an dieser Stelle bewusst aussen vor - das würde einen eigenen Thread verdienen.)
Wenn ich also darauf verzichte einen anderen zu töten, und sei es nur, weil ich selbst nicht getötet werden möchte - dann würde ich nicht von einem "existensgefährdenen Konstrukt" sprechen wollen.

Evolution zu personalisieren halte ich als Evolutionsbiologe für ... schlichtweg falsch!
Es gibt Mechanismen, die ihr zugrunde liegen:
Stark vereinfacht gesprochen geht es um das Überleben des Individuums bis zum Zeitpunkt der erfolgreichen Fortpflanzung.
Noch vereinfachter (und leider personalisiert) gesprochen: die Gemeinschaft der Gene (= Genom) versucht es bis in die nächste Generation zu schaffen.
In unserem Genom ist ein großer Cortex (= Großhirnrinde) verankert. Und in ihm findet sich der Präfrontale Cortex, in dem unter anderem die Persönlichkeit und auch das (Un)rechtsbewusstsein finden lassen. Woher man das weiß? Unter anderem dadurch, dass Individuen, die aufgrund einer Verletzung die Funktionalität des Präfrontalen Cortex eingebüßt haben, ihre Persönlichkeit und das Unrechtsbewusstsein verloren haben. --> Sie wurden aggressiv und unberechenbar.
Worauf ich hinaus will: wenn "Moral" und "Nächstenliebe" die Existenz gefährden würden, dann gäbe es schon lange keinen Homo sapiens mehr. Denn dann wäre er ausgestorben.

Zitat:
Das Tier lauert in jedem von uns, stimmt, aber es lauert nicht auf, sondern für uns! Das ursprünglich "Böse" in uns hilft uns, dass wir uns unserer Umwelt als wehrhafte Wesen präsentieren.
Ich persönlich mag es nicht, diese Instikte als "tierisch" zu bezeichnen. Möglicherweise, weil sie in unserem Sprachgebrauch negativ besetzt sind.
Man könnte sie als "basal" bezeichnen. Ist Geschmackssache.
Ich stimme jedoch mit dir überein, dass "böse" Eigenschaften wie z.B. "Egoismus" das Überleben (in jeglicher Form) des Individuums unterstützen.

Zitat:
Es sorgt dafür, dass wir anerkannt und respektiert werden.
So?
Ich respektiere niemanden, der wie ein Berserker seine eigenen Interessen durchdrückt.
Ich habe im besten Fall Angst vor ihm. Aber das ist nicht das gleiche. Von Respekt kann da keine Rede sein.

Zitat:
Wer es unterdrückt oder gar - was ich für unmöglich halte - ausmerzt, findet sich schnell entrückt lächelnd im Lotussitz wieder, brav "Hallelujah" oder "Om" vor sich hinmurmelnd und die andere Wange hinhaltend, auf welche die Welt mit Begeisterung draufhaut.
Offenbar hast du keine Ahnung von "Ohm", kann das sein?
Falls du den Sen-Buddismus aufgreifen (angreifen?) wolltest, was ich aus "Lotussitz" und "Ohm" schließe, so möchte ich dich gern aufklären:
Es geht beim Sen ganz und gar nicht darum, sich anderen Gemeinschaftsmitgliedern gegenüber schwächlich zu präsentieren. Es geht vielmehr darum (auch hier: vereinfacht), sich auf sich selbst zu konzentrieren und dadurch eine innere Stärke (also nix mit draufhauen!) zu erlangen.
Wer in sich selbst ruht, den kann man gar nicht angreifen. Und im Umkehrschluss hat es jemand, der es geschafft hat den Zustand einer Meditation zu erreichen (das dauert u.U. ein Leben lang), gar nicht mehr nötig hat, seinen (berechtigten) Egoismus (mit dem Dampfhammer) nach außen zu tragen.
Ich kenne Menschen, die es geschafft haben, zumindest eine Ahnung von dem erlangt zu haben, was hinter Sen steht - und glaube mir: niemand würde auf die Idee kommen, auf diese Menschen "draufzuhauen". Sie strahlen trotz ihrer "Schwäche für das Gute" eine "Stärke" und "Ruhe" aus, die sie gar nicht erst zu "Opfern" werden lassen.
Also nix mit: Ohm = mal ordentlich draufkloppen ;-)

Zitat:
Er hätte keinerlei Antrieb mehr irgend etwas zu tun und würde im eigenen Dreck elendig verhungern. Das "Gute" wäre sein Untergang.
Du magst mir verzeihen, wenn ich darauf sage:
Plakative Sülze!
Ich möchte nochmals die von dir weiter oben genannte "Nächstenliebe" bemühen:
Wenn jeder "Nächstenliebe" und "Gutes" praktizierte, dann gäbe es niemanden, der verhungern muss.
Außerdem möchte ich bezweifeln, dass nur "böse" Gefühle / Instinkte zu einem inneren Antrieb führen.
Was meinst du, wie sehr "Liebe" (als Exempel für "gute" Gefühle) als Antrieb dienen kann?

Schön ... wir sollten uns ohnehin mal darüber unterhalten, welche Gefühle du unter "böse" und welche du unter "gut" einordnen würdest. Nur damit wir eine gemeinsame Ebene finden können.

Zitat:
Oliver Fehn brachte es genial minimalistisch auf den Punkt: gut ist, was ich mag. Böse ist, was ich nicht mag.
Falls das auch deine Definition sein sollte: damit kann ich was anfangen.
Mal abgesehen davon, dass ich "gut" und "böse" ohnehin ablehne - ist mir zu extremistisch. Oder zu schwarz / weiß, wenn du so willst.

Mhm ... die Aussage von Fehn birgt einige interessante Akpekte, die die schwarz/weiß Malerei wieder aufheben.

Zitat:
Heute haben wir gelernt, das "Böse" an die Leine zu legen, aber unser Griff an dieser sollte nicht zu fest sein! Das Tier will, dass wir überleben und uns behaupten; der Engel will, dass wir nicht wieder ins tierische Dasein zurückfallen und am Echo unserer Umwelt zugrunde gehen. Nur wem es gelingt, beide miteinander zu vermählen darf darauf hoffen zu bestehen.
Hier sind wir wieder auf einem Nenner. :-)
Auch wenn ich andere Begrifflichkeiten verwenden würde.


Es grüßt

Nephthys
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Wieso eigentlich ... sind Drachen weise? Das sind Echsen, liebe Leute. Echsen! Habt ihr euch schon mal nen Gehirn von einer Echse angeguckt? Himmel! Da haben meine Meerschweinchen größere Gehirne - und die finden nicht mal den Weg aus ihrem Käfig raus.
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