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Alt 20.11.2009, 14:02
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Bardin Bardin ist offline
Geschichtenerzählerin
Erforscher der Welten
 
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Fortsetzung

S’Ochenon eilte durch die Straßen. Er hatte noch einen halben Tag Zeit – und die Nacht.
Sein Atem ging schwer und er verfluchte sein Alter.
Aber er musste sich beeilen. Ihm blieb keine andere Wahl.
Die Straßen waren wie leergefegt. Er sah sich suchend um.
In einer kleinen Gasse fand er einen einfachen Schuppen. Probeweise drückte er gegen die Tür, die sich quietschend öffnete.
Der Magier sah hinein.
Im Grunde war es nur eine Abstellkammer. Ein kleiner Karren stand darin und mehrere Schränke die nicht mehr zu gebrauchen waren. Alles war von Spinnweben bedeckt. Eine dicke Staubschicht deutete an, dass hier schon seit Ewigkeiten niemand gewesen war.
Er trat ein und schloss die Tür vorsichtig hinter sich. Erdrückende Dunkelheit umgab ihn.
Er hob vorsichtig die Hand und ließ einen kleinen Feuerball entstehen, der fast bis zur Decke hinaufstieg und den Schuppen mit einem diffusen, flackernden Licht erfüllte.
Der Magier blickte noch mal zur Tür und riss sich dann die Kleider vom Leib.
Unter den weiten, kostbaren Gewändern kam einfache graue Kleidung zum Vorschein. Er bückte sich und zupfte seine Hose zurecht, bis sie richtig saß. Dann fuhr er sich durch die kurzen grauen Haare, die schon merklich weniger wurden.
Es gab keinen Spiegel, aber er sah kurz zur Wand und nickte zufrieden.
Seine Gewänder legte er zusammen und packte sie in eine Ecke, darauf bedacht, möglichst wenig Staub an sie zu lassen.
Als alles fertig war ging er wieder heraus. Beim Quietschen der Tür verzog er das Gesicht und sah sich erschrocken um. Er konnte niemanden entdecken und machte sie hinter sich zu.
Dann setzte er seinen Weg fort.
Nun humpelte er merklich. Er fand einen knorrigen Ast am Straßenrand und stützte sich darauf.
Das Klacken des Stockes begleitete die unsicheren Schritte eines armen Mannes in Holzschuhen, der sich mühsam die Gasse längs quälte.
Nichts erinnerte mehr an den mächtigen Magier, der er war.

Obwohl er belebte Straßen mied, traf er doch den ein oder anderen Menschen, der ihn mitleidig grüßte. Dem schenkte er aber kaum Beachtung. In Gedanken war er ganz woanders.
Bald kam er am Stadtrand an. Dort begann der Wald, der die ganze Stadt umgab.
Ein kleiner Feldweg schlängelte sich an den Bäumen vorbei.
Hier war niemand mehr.
s’Ochenon betrat den Pfad und verschwand im Dickicht der Bäume.
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Allein die Existenz von irgendetwas ist das größte Wunder; die Materie, die sich selber formt, das größte Geschenk; die Materie aber, die auf sich selbst herabblickt und denkt, das größte Paradoxon.

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Geändert von Bardin (22.11.2009 um 10:39 Uhr)
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