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Alt 21.01.2013, 12:47
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Cassandra Cassandra ist offline
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
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So, jetzt ist mir die Große leider schon zuvor gekommen und nun traue ich mich fast nicht mehr an Deinen Text, nachdem SIE bereits ihre Meinung dazu geäußert hat ...
Aber - respektlos wie ich bin - tue ich es trotzdem (und da Du nicht explizit gesagt hast, man solle den Text nicht komplett auseinander nehmen, mache ich das jetzt einfach mal in gewohnter Weise ^^ ).


Zitat:
Zitat von Orendarcil Beitrag anzeigen
Ein kalter Schleier aus Nebel fingerte [Das Wort klingt beinahe zu niedlich und wirkt in dem Kontext hier deplaziert.] an seinem Pelz und versuchte ihn in den Mantel der Unsichtbarkeit zu hüllen.[Ich würde nicht "versuchen" schreiben, sondern evtl. ... hüllte ihn nach und nach in den Mantel ... ] Seine Tritte [Da es sich hier um einen Wolf handelt würde ich nicht "Tritte" sagen - damit assoziiert man eher Menschen.] klangen im frischen Schnee, der nur handbreit die Ebene bedeckte, auf seltsame Art gedämpft. [Das Fortbewegen eines Wolfes ist beinahe geräuschlos, egal, auf welchem Untergrund er sich bewegt. Von daher vermittelt der Satz hier einen etwas falschen Eindruck. Man hat die ersten Sätze über das Gefühl, es handle sich hier um einen Menschen.]
Wind säuselte in den kahlen Ästen der Bäume und trieb einen Nebelschwaden an ihm vorbei. Sie [Er] zerfloss in der Luft und fand sich an anderer Stelle erneut zu ihrer [seinem] vollen Größe [Umfang] zusammen. Beinahe so, als wäre sie [er] lebendig und besäße ein eigenes Wesen [Evtl.: einen eigenen Willen].
Auch das klagende Heulen in seinem Rücken durchglitt nur langsam und gedämpft die Dämmerung des Abends. Plötzlich verharrte der Wolf und wandte sich um. Seine bernsteinfarbenen Augen versuchten die Unwirklichkeit des Nebels zu durchdringen. Die Ohren spitzte er in jene Richtung, die er zu verlassen suchte und seine Nase sog unruhig die kalte Luft in seine Lungen. [Ist jetzt sehr kleinlich, aber: Wenn er seine Ohren in "jene" Richtung spitzt, dann bedeutet das, dass er sich schon ein Stück entfernt hat. Im weiteren Satz aber heißt es, "die er zu verlassen suchte" - womit er also noch vor Ort ist ... ]
Doch der Wind trieb alle Gerüche fort und er vernahm auch nichts, was seine plötzliche Unruhe erklären konnte. Oder etwa doch?
Abrupt endete das Lied des klagenden Wolfes in der Ferne und drückende Stille machte sich breit.
Kein Laut drang mehr an sein Ohr.
Bis auf das dumpfe Geräusch seines Atems.
Ein plötzlicher Knall ließ ihn zusammenfahren, dass der pulvrige Schnee zu seinen Pfoten in die Höhe stob. Ein weiterer Schuss durchschnitt die Stille, gefolgt vom Kläffen blutdurstiger Hunde. Der Wolf, allein auf der Ebene, wurde von Angst und Unruhe gepackt [Die hat er ja eigentlich schon die ganze Zeit empfunden. Evtl. könntest Du hier ein stärkeres Wort finden.]. Dennoch setzte er nicht zur Flucht an, wie es ihm seine Instinkte befahlen. Stattdessen trat er einen zögernden Schritt in die Richtung, in welcher das Grauen Einzug gehalten hatte.
Ein panisches Heulen schwang sich in den Himmel empor und waberte wie eine Schreckensbotschaft, voller Klage und Todesangst, über die Ebene. Der Wolf antwortete mit einem leisen Knurren, einem Laut, den nur er und der Nebel vernahmen.
Das Lied in der Ferne wandelte sich innerhalb von Bruchteilen in gehetztes Heulen und Fiepen. All seine Schönheit verlor sich in nackter Todesangst. [Eigentlich fand es ja schon ein paar Zeilen davor sein Ende, als es sich in ein panisches Heulen verwandelte.]
Dann verstummte es. Wurde verdrängt von Geräuschen des Kampfes zwischen jenem, der gesungen [Naja, Wölfe singen eigentlich nicht. Evtl. fällt Dir hier noch ein anderes Wort ein.] hatte und jenen, die ihn hetzten.
Der Wolf auf der Ebene stob, beim Antritt Schnee aufwirbelnd, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Was er dort wollte wusste er nicht, aber den Geräuschen der Hetzjagd zu lauschen, während er selbst davonlief [Es ist völlig klar, was Du hier sagen willst, nur passen die zwei Elemente "lauschen" und "fliehen" nicht zusammen. Evtl. könntest Du das noch ein wenig umformulieren.], käme in seinen Augen einem Verrat gleich.
Seine Gestalt durchbrach die Nebelschwade [den Nebelschwaden], die [der] ihn umfangen hatte und er schoss einen Abhang hinab. Mit Leichtigkeit wich er plötzlich auftauchenden Schneewehen aus und tauchte zwischen den Stämmen in ein kleines Wäldchen ein.
Die Kälte verwandelte seinen Atem in milchige Wölkchen, hinfort gerissen vom steten Wind, der ihm ins Gesicht schlug.
Trommelnde Geräusche vieler Hufen ließen ihn einen Satz zu Seite machen. Scheinbar war er knapp an einer Herde Elche vorbeigeschossen, die nun in Panik vor dem schnellen Räuber flüchtete. Rasch lenkte der Wolf seine Aufmerksamkeit wieder den kläffenden Hunden in der Ferne zu.
Nach wenigen Minuten raste [schoss] er aus dem Dunkel der Tannen hervor und fegte über die Ebene auf den dunklen Schemen am Horizont zu. Dem[,] durch den Nebel verwaschenen Abbild eines Waldes. Die Hunde der Jäger zogen nach Westen, bemerkte der Wolf und schlug ebenfalls jene Richtung ein.
Mit Entsetzen wurde ihm bewusst, dass man sein altes Rudel in Richtung der Berghänge trieb.
Zugleich hoffte er inständig, dass sie nicht in den Kessel flohen, der durch überhängende Felshänge solch einen guten Schutz gegen Regen und Wind bot. Doch vor den Dämonen, die in der Nähe ihres Tales Einzug gehalten hatten, konnte sie der Kessel nicht beschützen. Im Gegenteil. Er wusste es, doch wusste der Leitwolf es auch?
Erst heute hatte er gegen ihn um seinen Rang gekämpft. Vielleicht war er zu schwach um vor den Zweibeinern zu fliehen. [Hier hat man ein wenig den Eindruck, dass ein oder zwei Sätze fehlen.] Wer würde dann die Führung übernehmen? Wer würde dafür sorgen, dass sie nicht versuchten in Richtung Berge zu fliehen?
Er wusste es nicht und zugleich ahnte er, dass niemand dort war, um sie vor ihrer Panik und der daraus resultierenden Einfältigkeit [Kopflosigkeit] zu bewahren.
Würde er es rechtzeitig schaffen?
Waagerecht mit den Läufen ausgreifend[,] beschleunigte er seinen Lauf, obwohl er das Gefühl hatte zu ersticken. Sein Herz polterte schmerzhaft in seinem Brustkorb, seine Muskeln brannten wie Feuer.
Plötzlich verklang das Bellen der Hunde. Der Wolf wusste, was es bedeutete. Zu oft hatte er in den Gesängen vorbeiziehender, heimatloser Rudel von eben jenen Unglücken [Unglück] gehört.
Der Schnee flog unter seinen Pfoten dahin, er näherte sich allmählich dem Wald und dennoch nicht rasch genug. Er war nicht fähig schneller zu laufen und diese Erkenntnis brannte heftiger in ihm, als die Erschöpfung in den Gliedern.
Beinahe hatte er das Gefühl das leise Klicken der Waffen zu vernehmen, als man sie spannte. Er wusste, dass es eine Täuschung war. Zu weit war er entfernt, zu laut das Rauschen seines Blutes und des Windes in seinen Ohren.
Dann knallte es; mehrmals.
Ein schriller Laut, einem panischen Schmerzensschrei gleich, durchbrach die Salve an Schüssen. Schnell ersterbend; wie abgewürgt.
Die Läufe des Wolfes versagten unter seinem Gewicht. Als hätten sie durch die bittere Erkenntnis, die ihn schlagartig überwältigte, ihre Kraft verloren. Im Schnee überschlagend, weiße Fontänen in die Höhe schleudernd gab der Wolf es auf zu laufen. Nach Luft ringend blieb er auf dem eisigen Untergrund liegen und beobachtete die Wolken seines Atems. Unfreiwillig lauschte er dem Todeschor in der Ferne.
Er war zu spät, zu weit fort, zu langsam.
Sein Herz wummerte stechend in seiner Brust. Die Kälte des Schnees fraß sich unter seine Haut und ließ ihn, neben der Erschöpfung, zittern wie Espenlaub. Das Säuseln des Windes hatte seinen Zauber verloren. Zuvor noch sanft, ähnelte er nun einem panischen Kreischen, das sich bis in sein Innerstes grub.
Die Stille setzte so abrupt ein, wie sie zuvor durchbrochen worden war. Der Wind verharrte [Evtl hier ein anderes Wort suchen.], die Hunde schwiegen, die Geräusche der Waffen verklangen [Evtl.: ... die Waffen verstummten.].
Die Welt selbst schien zu Eis erstarrt.
Ein letzter, einsamer Knall erreichte sein Ohr. Dem Wolf erschien dieser eine, finale Schuss beinahe grausamer, als all die Anderen zuvor. Denn er zeigte nicht nur, dass das Sterben vorbei war; er zeigte, dass es nun keinen mehr gab, der sterben konnte! Sie waren das letzte Rudel in weitem Umkreis gewesen und nun waren auch diese Wölfe fort. [Diese Stelle hier mit dem letzten einsamen Knall, gefällt mir besonders gut!]
Die Hetzjagd war vorbei, das Töten hatte ein Ende und die Lieder des Waldes würden verstummen [Auch wieder sehr kleinlich, aber: das "würden" impliziert, dass es demnächst passieren wird. Wenn die Lieder aber von den Wölfen des Rudels stammen, dann ist es ja bereits aktuell. Evtl. könntest Du es umformulieren - musst aber nicht. Erstens weil das vermutlich niemandem auffällt und zweitens, weil es der Eindringlichkeit und düsteren Schönheit dieses Satzes nicht gut täte, würde zu viel daran geändert werden.] . Die Herrschaft der Zweibeiner war vollkommen und endgültig.

Ich weiß ja nicht, ob und wieviele Romane Du schon gelesen hast, in denen Tiere die Rolle des Protagonisten einnehmen. Nur so viel: es gibt einige und in diese Gruppe reiht sich Deine Geschichte (gemäß dem kleinen Abschnitt hier) sehr gut ein. Wenn völlig klar ist, dass es sich hier nicht um eine Dokumentation, sondern um einen fitkiven Roman handelt, kann man als Leser auch damit leben, wenn Tiere plötzlich über menschliche Empfindungen verfügen.
Der Gesamtkontext ist sehr düster, aber gerade das macht den Reiz der Geschichte aus, wie ich finde. Man weiß im Grunde schon von Anfang an, wie es enden wird, doch tut dies der Sache keinen Abbruch. Eher im Gegenteil: man will es als Leser endlich hinter sich bringen und hechelt den Zeilen genauso hinterher, wie der Wolf durch die Ebene sprintet.

Das Einzige Problem sehe ich evtl. darin, dass Du vielleicht einen Tick zuviel auf die körperliche Empfindung des Wolfes bzw. auf die Umgebung eingegangen bist. Möglicherweise wäre hier weniger mehr.
Aber ich bin mir da nicht völlig sicher. Von daher möchte ich den Teil in zwei Tagen oder so noch einmal durchlesen. Evtl. sehe ich es dann ja anders.

Ich habe nicht den Eindruck, dass es sich hier um eine herkömmliche Tiergeschichte handelt und bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass eine Menge Potential drin steckt. Ob "der Leser" sich dafür erwärmen wird oder nicht, kann ich nicht entscheiden - zum Einen nicht, weil dafür die Textstelle zu kurz ist und zum Anderen, weil ... Naja, schreib´ den Roman doch einfach fertig und lass´ Dich überraschen! ^^

Fazit: wie ich oben schon sagte - man läuft neben dem Wolf her und ist am Ende genauso fertig wie dieser. Von daher besitzt die Geschichte ganz offensichtlich einen sehr einnehmenden Charakter ...
Ich würde hier gerne noch etwas mehr davon lesen.
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Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (21.01.2013 um 13:08 Uhr)
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