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Alt 24.11.2019, 03:41
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Cassandra Cassandra ist offline
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
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Habe gerade ein Interview mit Cornelia Funke entdeckt, in dem es genau um dieses Thema ging:
"Fantasy ist sehr politisch!" (ZEIT_online)



Zitat:
Zitat von Irminsul Beitrag anzeigen
Ich denke, Rassismus wird in so einigen Buchreihen schon thematisiert, mal weniger, mal mehr, ganz wie es zu der Geschichte passt.
Das stimmt (siehe den Artikel oben). Allerdings weiß ich gerade nicht so recht, ob das wirklich jedes Mal als
Rassismus, so wie wir ihn heute kennen, bezeichnet werden kann. Wenn es beispielsweise um Kriege zwischen
einzelnen Völkern geht (z. B. Elben vs Orks), dann habe ich eher den Eindruck, dass dies unter "normaler
Stammesfehde" läuft - Elben und Orks können sich nun mal nicht leiden, weil ... Und dann folgen alle möglichen
Gründe. Rassismus in dem Sinne wird da fast nie erwähnt, auch nicht indirekt.

Zitat:
Zitat von Irminsul Beitrag anzeigen
Bei Game of Thrones gibt es ja viele unterschiedliche Völker und reichlich Konflikte. Vor allem die Lennisters z. B. halten sich für etwas Besseres als die anderen Bewohner der Sieben Königslande, besonders auf die im Norden schauen sie herab. Die Völker des Nordens hingegen haben Vorurteile gegenüber denen, die jenseits der Mauer leben. Erst Jon Schnee geht neue Wege, weil er die Unterstützung des Freien Volkes braucht.
Die Völker von Essos zählen für die aus den Königslanden schon mal gar nicht. Unterdrückung anderer Völker, Machtstreben und rassistische Tendenzen sind bei George R.R. Martin also schon ein wichtiges Thema.
Hier musste ich ein bisschen länger überlegen. "Game of Thrones" bzw. "Das Lied von Eis und Feuer" ist mir
fast schon zu nah an der Realität. Was in Westeros abgeht, könnte theoretisch (mit Abstrichen - also, z. B. ohne
Drachen oder Weiße Wanderer) auch in unserer Welt spielen. Die ganzen Fehden, Feindseligkeiten und das gegen-
seitige Misstrauen bzw. Hintergehen der jeweiligen Familien ist im Grunde nur die Fantasy-Version der heutigen
Politik. Das ist mir zu wenig konkret, als dass es für den Leser eine Erfahrung wäre.
Verstehst Du ungefähr, was ich meine? Ich kann es gerade nicht so ganz auf den Punkt bringen, wie ich es gerne
hätte.

Zitat:
Zitat von Irminsul Beitrag anzeigen
Ein anderes großes Thema bei GoT ist religiöser Fanatismus. Ich finde es gut, dass Martin auch diese Problematik in seine Bücher mit aufgenommen hat. Denn das hat es schon zu allen Zeiten gegeben und wir erleben das auch heute gerade wieder.
Hier habe ich das gleiche Problem wie oben. Es ist mir zu "realistisch", zu nah an realen Ereignissen. Bei den
Romanen hatte ich manchmal das Gefühl, Zeitung zu lesen - bloß eben mit Dialogen.

Und ein echtes Aha-Erlebnis hatte ich eigentlich auch nie. Denn sowohl der Rassismus als auch der religiöse
Fanatismus wird bei Martin mehr oder weniger hingenommen. Beides wird nicht direkt infrage gestellt. Oder irre
ich mich da?

Zitat:
Zitat von Irminsul Beitrag anzeigen
Wer mir da übrigens noch einfällt, ist J.K. Rowling. Sie sagte mal in einem Interview, dass sie bei der Figur ihres Oberbösewichts Voldemort an Hitler und seine Ideologie gedacht hat. Für ihn zählen nur reinblütige Zauberer; Muggel, (Haus-) Elfen und andere Wesen wie Werwölfe, Riesen u.a. sind für ihn nur Mittel zum Zweck. Interessant ist hierbei auch, dass Voldemort sogar Halbblüter wie Harry oder Snape, als minderwertig ansieht. Snape braucht er jedoch als Spion, Harry ist eine Gefahr für ihn, also muss der weg. Interessant ist das Ganze aber besonders aus dem Grund, weil Voldemort selbst auch ein Halbblut ist.
Das finde ich interessant, dass Du diesen Aspekt hervorhebst. Ich habe das schon öfter gelesen und finde auch,
dass sie hier den Kindern indirekt aufzeigt, wie falsch dieses "Gedankengut" ist. Das ist durchaus eine gute Sache.

Aber: Woran ich vor allem bei "Harry Potter" denken muss, sind Kindersoldaten. Diese Schlacht im letzten Band
hat mich, ehrlich gesagt, ziemlich fertig und auch recht sauer gemacht. Generell werden in den Romanen Kinder
mehr oder weniger wie Erwachsene behandelt - allerdings nicht im positiven Sinne. Allein dieses trimagische Turnier ...
Was soll denn das?
Und am Ende werden Kinder in die Schlacht gegen die Bösen geschickt. Wäre das ganz deutlich innerhalb des Romans
als negativ gekennzeichnet worden, dann wäre das eine Aussage im Sinne dieses Thread hier gewesen. Aber das
passierte nicht. Aus diesem Grund - und noch so einigen anderen - bin ich kein großer Fan der Reihe.
__________________

Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (24.11.2019 um 03:43 Uhr)
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