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Alt 19.01.2006, 20:48
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Fenni Fenni ist offline
Borussin
Inspirator aller Magier
 
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Und weiter geht das lustige posten

Als Collin elf Jahre geworden war, hatte Andras angefangen, ihn langsam auf die Pflichten eines Königs vorzubereiten. Er nahm ihn mit auf seine Reisen durch das Land, die er wieder aufgenommen hatte, nachdem Gerret vier Jahre alt geworden war, und lehrte ihn, was Recht und Unrecht in seinem Land war. Collin war zwar nicht begeistert, dass er zwei Stunden am Tag bei seinem Vater sitzen und sich das alles anhören musste, aber Andras war, was diese Sachen betraf, sehr streng und Collin fügte sich seinem Schicksal.
Natürlich hätte Janosch ebenfalls darauf bestehen können, das alles zu lernen. Andras und Soe hatten ihm bis jetzt noch nichts von seiner wahren Herkunft erzählt, sie hielten ihn immer noch für zu jung. Er selbst machte sich nie Gedanken darum, warum er so anders aussah als die anderen, so war es nun mal. Die Menschen im Dorf hatte nie eine Bemerkung darüber gemacht und auch die Kinder, die sich damals über ihn lustig gemacht hatten, akzeptierten ihn nun so wie er war.
Doch Janosch hatte keinerlei Interesse daran, die gleichen Dinge wie Collin zu lernen. Er ging ganz und gar in seiner Heilertätigkeit auf und er war völlig zufrieden mit seinem Leben. Er brauchte keine Freunde, er hatte Liy. Die beiden erzählten sich alles und machten fast alles gemeinsam.
Mit dem langsam einsetzenden Prozess des Erwachsenwerdens hatte Janosch bei sich festgestellt, dass doch nicht alles das stimmte, was Susann erzählte und er hatte auf unzähligen Festen festgestellt, dass die Feen ihm keineswegs feindlich gesinnt waren und sich oft dazu herabließen, mit ihm über neue Heiltränke zu reden. Doch Janosch zog weiterhin Soe als seine Lehrerin vor, aber es machte ihm auch nichts aus, wenn Liy ihm die Dinge erklärte, die sie von den Feen lernte, nur zu den Feen selbst ging er nicht, er betrat den Wald sowieso nur, wenn dort ein Fest stattfand. Das Dorf und das große Haus auf den Klippen, das war seine kleine Welt.
Susann war nun zwanzig Jahre alt und es war beschlossene Sache, dass sie Sem, ihren Kindheitsfreund, heiraten würde. Er hatte ihr seit ihrem sechsten Lebensjahr jedes Jahr zum Fest der Apfelblüten getreulich eine Blüte ins Haar gesteckt, er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und die beiden verbrachten Tage mit langen, gemeinsamen Spaziergängen und mit siebzehn hatte Susann ihrer Mutter erzählt, dass sie sich in Sem verliebt hatte und er wohl auch in sie und dass sie schon darüber gesprochen hatten, zu heiraten, wenn sie alt genug waren.
Andras und Soe waren überglücklich. Sie kannten Sem schon sein ganzes Leben und waren sich sicher, dass er ein guter Mann für ihre Tochter werden würde. Also sprachen sie mit Sems Eltern, die ebenfalls mit einer Heirat einverstanden waren und die beiden wurden einander offiziell versprochen. Und nun, da Susann und Sem beide alt genug waren, würde dieses Versprechen bald erfüllt werden. Im nächsten Frühling sollte die Hochzeit stattfinden. Soe überließ das Heilen der Menschen im Dorf nun vollkommen Liy und Janosch und ging jeden Tag zu Sems Eltern, um mit ihnen über die bevorstehende Hochzeit zu sprechen. Andras machte sich auf eine neue Reise durch das Land und nahm Collin mit. So waren eines Tages nur noch Liy und Janosch, die ihre Runde durch das Dorf abgeschlossen hatten und nun an der Hauswand auf einer Bank saßen und sich den Sonnenuntergang ansahen, Maja, die im Hof saß und malte und Gerret, der sich um die Pferde, für die er ein reges Interesse entwickelt hatte, kümmerte, im Haus.
Janosch lehnte sich zurück, schloss die Augen und blickte mit geschlossenen Lidern in die Sonne, die bereits sehr tief am Horizont hing. Er liebte das Lichtspiel hinter seinen Augenlidern und er liebte die Stille, die nur durch gelegentliche, leise, abendliche Geräusche gestört wurde.
Liy, die ihm bis vor kurzen noch von ihrem Besuch bei den Feen erzählt hatte, lehnte sich ebenfalls zurück und schwieg. Als plötzlich ein gellender Schrei die Stille zerriss, sprang sie erschrocken auf. „Bei allen Geistern, was war das!“ rief sie.
Janosch hatte sich ebenfalls aufgesetzt und lauschte. Doch das Geräusch wiederholte sich nicht. „Vermutlich hat sich Inre nur wieder einmal auf den Daumen gehauen,“ meinte er schließlich und lehnte sich wieder entspannt zurück.
Doch mit dieser Antwort war Liy nicht zufrieden. „Nein, das wird es sicher nicht gewesen sein, es schien vom Hof zu kommen. Ich werde lieber einmal nachsehen gehen.“ Sie lief um das Haus herum zu Hof hin und auf halber Strecke kam ihr Maja entgegen. Sie war kreideweiß im Gesicht. „Gut, das du kommst,“ rief sie Liy schon von Weitem entgegen und als sie bei ihr angekommen war, ergriff sie sie am Arm und zog sie mit sich. „Du musst schnell kommen. Gerret...er ist vom Pferd gefallen, mit dem Kopf auf einen Stein...er blutete ganz fürchterlich und...und er bewegt sich nicht mehr! Ich...ich weiss nicht, was ich tun soll.“
Liy wurde ebenfalls blass und beschleunigte den Schritt. Schon bald hatten sie Gerret erreicht. Er lag ohnmächtig da und der Boden um seinen Kopf herum war von Blut rot gefärbt.
“Bei allen Geistern!“ kreischte Maja völlig entsetzt und hielt sich an Liy fest, weil sie spürte, dass sie gleich ohnmächtig werden würde. „Er ist tot, er ist ganz sicher tot!“
Obwohl der Anblick ihres Bruders Liy ebenfalls erschaudern ließ, behielt sie die kühle, denkende Art bei, die ein Heiler in einer solchen Situation zeigen musste. „Schnell, wir müssen ihn auf die Seite legen, damit er seine Zunge nicht verschluckt.“
Maja stöhnte und griff sich an den Kopf. „Ich...ich kann nicht...ich werde...“
Liy schlug ihr fest ins Gesicht. „Bitte, du darfst nicht ohnmächtig werden. Du musst mir helfen, ohne dich schaffe ich es nicht!“
Der Schlag brachte Maja wieder zu Besinnung. Vorsichtig drehten die beiden Gerret auf die Seite. Dann lief Liy so schnell es ging los, holte eine Schüssel mit Wasser und ihren Beutel, in dem sich alle wichtigen Dinge befanden, die sie für einen solchen Fall brauchte. Sie säuberte Gerrets Wunde, die voller Dreck, Blätter und kleiner Äste war, sorgsam und desinfizierte sie mit Alkohol. Anschließend fädelte sie einen Faden in ihre spitze Nadel ein und nähte die Wunde mit geschickten Fingern zusammen. Als diese Wunde versorgt war, untersuchte sie Gerret noch einmal gründlich, aber außer ein paar Schürfwunden an Händen und Knien fand sie nichts. Sie wies die immer noch blasse Maja an: „Hilf mir, ihn in sein Zimmer zu tragen. Wenn er hier liegen bleibt, erkältet er sich nur.“
Gemeinsam trugen sie Gerrets leblosen Körper in sein Zimmer und legten ihn vorsichtig in sein Bett. Liy holte eine kleine Flasche aus ihrem Beutel und flößte Gerret ein paar Schlucke davon ein. Danach schmierte sie ihm eine Salbe auf die Stirn, deren würziger Duft sofort das ganze Zimmer erfüllte. Diese Salbe, das hatte Liy von den Feen gelernt, hatte einen ganz besonderen Duft, der dem Ohnmächtigen in die Nase stieg und ihn manchmal schneller aus seiner Ohnmacht erwachen ließ. Als sie damit fertig war, ließ sie sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. „Wie ist denn das passiert?“ wollte sie von Maja wissen.
Maja ließ sich auf Collins Bett sinken und fuhr sich einmal mit ihre Händen durch das Gesicht. Sie zitterte immer noch vor Schreck am ganzen Körper. „Ich...ich weiss es nicht. Ich...ich saß da und malte, da hörte ich plötzlich ein Wiehern und einen Schrei...“ Weiter kam sie nicht mehr, denn Liy schluchzte plötzlich laut auf und verbarg das Gesicht in den Händen. Nun, da Gerret versorgt war, fiel ihre ganze Abgeklärtheit von ihr ab und der Schrecken und die Angst gewannen die Oberhand. „Es tut mir leid...ich...“ stieß Liy zwischen ihren Händen hervor, aber ihr versagte die Stimme und sie weinte so heftig, dass sie am ganzen Körper zitterte.
Maja vergaß ihren eigenen Schock, ging zu ihrer kleinen Schwester hin, nahm sie in die Arme und redete beruhigend auf sie ein. Doch Liy ließ sich nicht beruhigen, sie steigerte sich nur immer mehr in ihre Trauer hinein
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