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Alt 16.11.2005, 22:04
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Fenni Fenni ist offline
Borussin
Inspirator aller Magier
 
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Allerdings, vor vielen Dekaden hatte es doch einmal einen Krieg geben, er war fürchterlich gewesen und hatte auch vor Juin nicht halt gemacht. Damals kämpften die Menschen und die Feen Seite an Seite und es gelang ihnen schließlich, den Feind aus ihrem kleinen Land zu vertreiben. Die Juin waren zwar nicht sonderlich an ihrer Geschichte interessiert, sie wussten nicht, an welchem Tag genau sie in diesem Krieg den Sieg errungen hatte, aber trotzdem wurde dieser Sieg jedes Jahr zusammen mit den Feen wieder gefeiert.
In einer langen Prozession zogen die Menschen aus dem Dorf hinüber zum Wald auf ihre große Lichtung. Die Feen erwarteten sie schon und sie feierten ausgelassen.
Janosch und Liy saßen nebeneinander auf einem alten Baumstamm und betrachteten das Treiben vor ihnen mit großen Augen. Susann, Maja, Gerret und Collin tanzten ausgelassen mit den anderen Menschen über die Lichtung, sie sangen alberne, kleine Lieder und wer erschöpft war, ließ sich einfach ins Gras fallen.
Die Feen saßen etwas abseits, ebenfalls auf Baumstämmen und sahen den Menschen belustigt zu. Ab und zu packte auch einen von ihnen die Lust und er beteiligte sich an der wilden Tanzerei.
Soe saß bei den Feen und unterhielt sich leise mit einem von ihnen. Janosch bemerkte, dass sie ihm und Liy häufig einen Blick zuwarf und schließlich stand sie auf und kam zu ihnen. „Hört mal, meine Süßen, ich habe den Feen erzählt, dass ihr beide Heiler werden wollt und sie wollen euch nun unbedingt kennen lernen. Also kommt schnell, man sollte sie besser nicht zu lange warten lassen.“ Sie hielt Liy ihre Hand hin, die diese sofort ergriff und fest umklammerte. Sie sprang vom Baumstamm und folgte ihrer Mutter. Janosch kam langsam hinterher. Sein Herz klopfte vor Aufregung und seine Ohren brannte. Soe hatte ihm schon so oft von den Feen erzählt, von ihrer Weisheit, sie wussten alles, was in Juin passiert war, grade passierte und vielleicht auch passieren würde und man sagte über sie, das sie irgendwelche geheimnisvollen Kräfte hätten. Und solche mächtigen Wesen wollten ihn kennenlernen. Als sie schließlich bei den Feen ankam, wagte Janosch nur einmal kurz, den Blick zu heben. Er sah streng dreinblickende Gesichter vor sich, mit unglaublich hellen, blauen Augen und langem, hellen Haar.
Dann senkte er wieder den Kopf und trat neben Liy, die augenblicklich nach seiner Hand griff und er spürte, dass sie genau so aufgeregt war, wie er selbst.
Soe stellte sich hinter die beiden und legte ihnen ihre Hände auf die Schultern. „So, das wären dann die beiden, die ich als Heiler ausbilden werden. Sie sind beide sehr begabt und können schon eine ganze Menge.“
Liy und Janosch spürten, wie sie von den hellen Augen genau gemustert wurden. „Ein Menschenjunge,“ stellte schließlich eine tiefe, dunkle Stimme fest. „Wer hätte gedacht, dass ich so etwas auch noch erlebe.“
Soe lächelte. „Ja, ich war zuerst auch ziemlich überrascht, aber er hat wirklich Talent und ich werde ihm schon bald die Buchstaben beibringen können. Er wird sicher einmal ein besserer Heiler werden als ich.“
Janosch schoss das Blut in die Wangen und als er vorsichtig zur Seite blickte, fing er einen bewundernden Blick von Liy auf. Das Gefühl des Neides war ihr völlig fremd, sie freute sich einfach mit ihrem Bruder, dass er solches Talent besaß.
Eine von den Feen, ein älter Mann, rückte vor, legte den beiden seine Hände unters Kinn und hob ihre Köpfe, so dass er sie genau ansehen konnte. „Keine Angst,“ sagte er, als Liy erschrocken die Augen aufriss. „Ich werde euch schon nicht fressen. Ich wollte euch nur einmal genau ansehen.“ Er musterte sie noch einmal kurz, aber intensiv und dann ließ er sie wieder los und wandte sich an Soe. „Sie sehen in der Tat sehr intelligent aus. Gibt dir Mühe bei der Ausbildung.“ Und damit waren sie entlassen.

Es wurde später, die Sonne ging unter und auf der Lichtung wurde ein großes Feuer entzündet. Collin und Maja hatten immer noch nicht genug davon, mit den andern herumzutanzen und herumzulaufen, Susann streunte irgendwo mit Sem herum und Soe, Andras und Gerret hatten sich zu Janosch und Liy gesetzt. Gerret schlief schließlich in den Armen seines Vaters ein, die ganze Aufregung und die neuen Eindrücke waren einfach zuviel für ihn gewesen. Die anderen saßen einfach nur schweigend da und blickten ins Feuer und hörte dem Johlen und Lachen der Tanzenden zu.
Es wurde später und später und schließlich waren die alle so müde, dass man sich entschloss, nach Hause zu gehen. Die Feen gaben jedem von ihnen zum Abschied einen besonderen Zweig, den sie zu einer Fackel anzündeten und in einem langen Lichterzug verließen sie den Wald und gingen zurück ins Dorf.
Nachdem sie den Wald schon ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatte, beeilte sich Janosch, neben seine Mutter zu gelangen. „Mama, warum hast du den Feen gesagt, dass wir Heiler werden?“ erkundigte er sich.
Soe strich ihm durch sein dichtes Haar, das im Licht der Fackel völlig schwarz glänzte. „Nun, ich weiss nicht, warum, aber die Feen sind bereit dazu, ihr Heilwissen mit uns zu teilen. Das war schon so, als die Mutter meiner Mutter noch lebte und bei meiner Mutter war es genau so und bei mir ist es ebenso gewesen. Eine ganze Menge von dem, was ich weiss, verdanke ich den Feen. Und genau so wird es auch bei euch sein: Wenn ihr eine Frage habt, dann könnt ihr jederzeit zu ihnen gehen, sie werden euch immer helfen und ihr werdet auch eine ganze Menge von ihnen lernen können. Also seid nicht so schüchtern, wie grade eben. Geht offen auf sie zu und fragt sie alles, was ihr wissen wollt. Natürlich geben sie ihr Wissen nicht jedem beliebigen preis, aber jetzt habe ich euch ihnen vorgestellt, sie wissen, dass ihr zu Heilern ausgebildet werdet und deswegen werden sie euch auch alles erzählen. Darum habe ich das gemacht.“
Janosch starrte auf die Fackel in seiner Hand. Der Gedanke, dass ihm die Feen etwas von ihrem Wissen erzählen würden, erschien ihm vollkommen absurd. Er bemühte sich, seine Zweifel in Worte zu fassen. „Aber...sie hassen uns doch...warum erzählen sie uns dann so etwas.“
Soe runzelte die Stirn. „Bei allen Geistern, wer hat dir denn gesagt, dass sie uns hassen?“
„Susann hat es gesagt,“ erwiderte Janosch. Wie alle jüngeren Geschwister betete er Susann, die älteste von allen, an und sah das, was sie sagte, als vollendete Wahrheit.
Soe schüttelte den Kopf. „Ich weiss zwar nicht, warum Susann das gesagt hat, aber es stimmt nicht. Es mag vielleicht sein, dass uns die Feen nicht so behandeln, als wären wir wie sie und das stimmt ja auch, aber hassen tun sie uns nicht. Du musst also keine Angst haben, zu ihnen zu gehen und deine Fragen zu stellen.“
Den Rest des Weges schwieg Janosch, er hatte genug damit zu tun darüber nachzudenken, dass die Feen sie nun doch nicht hassten und Susann nicht Recht gehabt hatte.
Als sie endlich ihr Haus erreichten, waren sie alle völlig erschöpft. Während Andras den tief schlafenden Gerret nach oben in sein Bett brachte, löschten Susann, Maja, Collin, Liy, Janosch und Soe ihre Fackeln und steckten die heruntergebrannten Äste in eine Vase die auf dem Fensterbrett im großen Saal stand. Das war ein alter Brauch, die Äste würden Blätter und gelbe Blüten bilden, eine ganze Zeit blühen und sie so ständig an ihren Sieg über die Menschen der äußeren Länder erinnern.
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