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Alt 03.11.2013, 14:31
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Orendarcil Orendarcil ist offline
Drachentoeter
 
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Wächter des Elfenhains - Susanne Gavenis

Zitat:
90 Jahre sind vergangen, seit Ogaire das Herz des Elfenwaldes vergiftet hat und in die Menschenwelt geflohen ist. Während das Ende des Elfenvolkes unabwendbar scheint, wächst an einem anderen Ort ein Kind mit merkwürdigen Fähigkeiten heran: Andion, der seit dem Tag seiner Geburt mit seiner Mutter auf der Flucht ist - auf der Flucht vor seinem Vater.
Ein gnadenloses Duell mit seinem unheimlichen Verfolger entbrennt, und schnell begreift Andion, dass die einzige Hoffnung auf Rettung ausgerechnet in den Märchen seiner Kindheit liegt - und dass sein eigenes Schicksal und das der Elfen enger miteinander verbunden sind, als er je zu träumen gewagt hat.
In der Werbeecke sind noch ein paar Infos zu dem Buch, wer mal reinschauen will: Fantasy- und Schreibforum - Portal

Die Story, ist so wie aus dem Klappentext erwartet, nicht hochkomplex. Man könnte sie in zwei Sätzen zusammenfassen, ohne etwas Wesentliches vergessen zu haben. Weder die Story hat viele Verzweigungen, Perspektiven, Handlungsstränge oder reicht über einen langen Zeitraum, noch die Welt/Welten sind komplex, nein, vielmehr recht einfach gestaltet. Es geht um einen Elfenhain und auch wenn ich mich noch immer Frage: Ist der Hain die Parallelwelt oder ein Teil einer Parallelwelt, wie groß ist er wirklich (umspannte sie die Größe der Menschenwelt oder weniger?) ist das für mich an sich nicht von Belang.

Wie gesagt ist weder Struktur, Aufbau noch Fortgang der Geschichte komplex.
Jetzt kommt aber das dicke „Aber“. So wie man bei einer Zimmereinrichtung sagt: Schlichtheit ist ein Zeichen von Eleganz, trifft dies auf eine ähnlichen Weise auf dieses Buch zu.
So wenig weitreichend und komplex es gestaltet ist, so tief und mitreißend sind die Charaktere gestaltet worden. Es wurde eben auf andere Stellen der Story wert gelegt. Nur selten trifft man in einem Fantasybuch so etwas an, denn dort wird eben oft auf die andere Seite (Komplexität) wert gelegt, während viele Personen blass bleiben, auch über 800 Seiten eines Romans hinweg. Die Komplexität eines Buches in Bezug auf seine Welt, seine vielen Handlungsstränge, mit der wahrhaften Tiefe eines Charakters zu verbinden ist etwas, dass man wohl selten trifft, weil es zwei Konzepte sind, die sich teils beißen. Es fehlt schlichtweg „die Zeit“ bzw. die Seiten, um beides unter einen Hut zu bringen ohne den Leser zu langweilen, das Werk in die Länge zu ziehen oder zugunsten von einer Seite die andere für einen Moment zu vernachlässigen.

„Wächter des Elfenhains“ watet mit einer Tiefe der Charaktere auf, die ich selbst (soweit ich mich erinnern kann) in einem Buch noch nicht gelesen habe. Um es genauer auf den Punkt zu bringen: Ich meine nicht das Verweilen auf dem Protagonisten ala Twilight wo es Streckenweise nur darum geht mit Bellas Augen alles zu betrachten und sich stetig in ihrem Seufzen, Anhimmeln und „ach ich bin so arm dran“ zu verlieren, wo dennoch vieles flach bleibt, sondern um ein wirkliches in die Tiefe gehen. Auch wenn der Protagonist über weite Strecken „arm dran ist“ finden sich dennoch stetig neue Arten der Formulierungen, neue Vergleiche, neue Dimensionen der Gefühlsregungen, in wundervolle Sprache verpackt. Die Entwicklungen der Charaktere sind auf diese Weise sehr nah und man selbst fühlt auf diese Weise natürlich sehr mit ihnen mit. Ein großes Lob von meiner Seite für den zauberhaften Stil in Verknüpfung mit dieser tiefen Sicht auf die Charaktere.

Die Geschichte ist mit ihren 317 Ebook-Seiten nicht gerade die längste, die ich bisher gelesen habe , allerdings braucht das Buch auch nicht mehr. Gegen Ende ist alles erzählt, nichts gestreckt, nichts gekürzt, eben so wie es sein soll. Damit bleibt es kurzweilig und ist dennoch aufgrund seines Aufbaus und der Art wie es geschrieben wurde sicher nichts, dass man im selben Moment, wo man den Buchdeckel schließt, wieder vergessen hat. Im Gegenteil.
Obwohl man natürlich viel über die Innensicht des Protagonisten liest, bleibt die Spannung nicht auf der Strecke. An richtigen Stellen keimt sie auf und steigert sich exponentiell, oder überfällt den Leser einfach von einem, auf den anderen Augenblick. Andion ist natürlich nicht „der Held“, der tolle, übermächtige, selbstüberzeugte Prota, sondern eher das Gegenteil. So fragt man sich in brenzligen Situationen tatsächlich, wie Andion denn da wieder rauskommen soll, weil es einem im Augenblick unmöglich erscheint. Dadurch bleibt stets die Möglichkeit einer überraschenden Wendung offen und ich mag es sehr gern, wenn ich nicht das Gefühl habe das Buch, ohne viel gelesen zu haben, von vorne bis hinten zu durchschauen. Die Grundlagen, die zwischen Prota- und Antagonisten gebildet wurden, sind sicher der Grund für diese eigentlich aussichtlosen Situationen. Die Lösungen, die einem dann präsentiert werden sind aber stets logisch, sinnig und stimmig. Nie hat man das Gefühl „ja, alles klar. Was für ein Zufall.*nerv*“ (wie in Fluch der Karibik 4) oder:„Aber natürlich wird er jetzt der Obermackerheld, der alles regelt“. Es bleibt „schlicht“ und damit realitätsnah, einfach vorstellbarer für uns magielose Menschlein, denen die teils präsentierten Wunder und Ereignisse auf diese Weise erst richtig nah gebracht werden können.

Fazit: Ich kann das Buch jedem empfehlen, der einmal eine tiefgreifende Fantasystory lesen möchte. In der die Charaktere stark beleuchtet werden, die Wunder einer uns fremden Welt und die Entwicklung des Protagonisten auf so eindrückliche Weise in solch teils geradezu malerischen (und dennoch nicht zu schnörkeligen!) Worten präsentiert werden. Es ist kurzweilig, aber es bleibt in Erinnerung. Es ist spannend, emotional und fesselnd. Alles was ein gutes Buch braucht. Ich könnte jetzt das übliche, völlig überspitzte „Ein Buch, dass man gelesen haben MUSS“ schreiben, aber naja…das muss ja eh jeder für sich selbst beurteilen
Auf jeden Fall ein tolles Werk, bei dem ich froh bin es gelesen zu haben und das ich jedem ans Herz lege, der sich von einem Buch verzaubern lassen und mit einem wundervollen, packenden Schreibstil in die Tiefen und dunklen Abgründe von Charakteren gezogen werden möchte.
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"Vieles geht dahin und stirbt, doch die Wahrheit bleibt,
auch wenn sie oft im Verborgenen liegt und schweigt."

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