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Alt 22.11.2019, 00:25
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Cassandra Cassandra ist offline
Abyssus abyssum invocat
Ringtraeger
 
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Fantasyfilme der letzten zehn bis fünfzehn Jahre (Stand: Ende 2019)

So, wir hatten vor Jahren einmal eine Diskussion darüber, dass Fantasy-Filme im Kino unterrepräsentiert
wären. Wenn wir von "Der Herr der Ringe" (der ohnehin schon etwas länger her ist), "Der Hobbit", diversen
Ablegern rund um "Harry Potter" oder "Game of Thrones" absehen: Welche Filme, die (meinewegen auch im
weiteren Sinne) dem Genre Fantasy angehören, liefen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren im Kino (oder
auch im Fernsehen) und auf welchem Niveau bewegte sich das Ganze? Gibt es Versuche, das Fantasy-Genre
neu zu beleben - mit innovativen Ideen, ohne Klassiker zu ruinieren bzw. sie zu Mainstream-Popcorn-Kino
verkommen zu lassen?

Ich bin zwar kein Anhänger von publikumswirksamen Preisverleihungen wie dem Oscar, aber dennoch ist es
bezeichnend, dass es noch nie ein Fantasy-Film geschafft hat, in der Kategorie "bester Hauptdarsteller"/"beste
Hauptdarstellerin" (oder eben Nebendarsteller) einen Preis abzuräumen. Oder habe ich da etwas verpasst?

Warum gilt auch heute noch der Bereich der Fantasy als Tummelplatz für Leute, die nicht recht erwachsen
werden wollen? Ich werde oft gefragt, was ich als Lektor so mache. Und wenn ich antworte, dass ich u. a. auch
Fantasy-Romane lektoriere, kommt in der Regel die Antwort: "Ach. Und hast Du auch mal richtige Bücher in
Arbeit?" ...

Deshalb interessiert es mich, was sich hier in den letzten Jahren im Kino/Fernsehen (gerne auch aus anderen
Ländern außer Deutschland, England und den USA) getan hat. Das gleiche Thema zu Romanen habe ich erst
einmal außen vor gelassen, weil das u. U. den Rahmen sprengen würde, kann aber später gerne nachgeholt
werden. Kino/Fernsehen ist da (leider) übersichtlicher.


Dann fange ich mal an: Das Haus der geheimnisvollen Uhren.

Lewis Barnavelt, ein Waisenjunge, soll nach dem Tod der Eltern bei seinem Onkel Jonathan in dessen riesigen,
alten Anwesen leben. Es stellt sich heraus, dass sein Onkel ein Zauberer ist. Lewis macht sich zusammen mit
ihm und der Nachbarin Florence, einer Hexe, auf die Suche nach einer Uhr, die sich irgendwo in den Wänden
des Hauses befindet und die Macht hat, die Welt auszulöschen.

Der Film wird den Zuschauer nicht vom Hocker hauen, aber man merkt bei dem Detailreichtum und der Spiel-
freude der Darsteller, dass die Macher ihren Spaß beim Dreh hatten. Zwar lassen manche Special-Effects zu
wünschen übrig und Eli Roth versucht an einigen Stellen ein wenig arg gezwungen, seinen Ruf als Horror-
Regisseur (für Hardcore-Filme wie "Hostel") ins Familientauglich-Lächerliche zu ziehen (bspw. wenn Möbel
anfangen à la Disneys "Die Schöne und das Biest" herumzulaufen), aber wenn man davon absieht, ist der Film
ein Fantasy-Streifen im klassischen Stil.

Ist er innovativ? Nein, aber er kann als Hommage an die Filme der 80er verstanden werden, mit durchaus
respektablem Ergebnis.
Allerdings hätte das Thema mehr hergeben können. Wenn Roth statt auf Humor mit dem Holzhammer, mehr
auf Tiefe gesetzt hätte - gerne auch mit düsteren Elementen, die besser zu der Umgebung, in der die Handlung
hauptsächlich spielt, gepasst hätten -, dann wäre der "Das Haus der geheimnisvollen Uhren" deutlich anspruchs-
voller geworden.
Vermutlich hätte er nicht an Filme wie "Pans Labyrinth" heranreichen können, aber er wäre möglicherweise
ein bisschen "ernsthafter" und weniger verspielt geworden und hätte damit einen bleibenderen Eindruck hinter-
lassen können.
__________________

Im Feuer steckt der Funke des Chaos und der Zerstörung,
der Samen des Lebens


("Magic")

(Photo: Franz Herzog © 2004)

Geändert von Cassandra (22.11.2019 um 00:34 Uhr)
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