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Alt 22.11.2012, 14:27
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Laura Laura ist offline
Valar Dohaeris
Erforscher der Welten
 
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Hier noch ein bisschen was zum schmökern, viel Spaß damit

Ein großer schwarzer Vogel. Er war in einem Käfig eingesperrt.
Ein Käfig, dessen Gitterstäbe aus fließendem Wasser bestanden, welches bläulich schimmerte, als läge irgendein Bann darauf.
Der Vogel sah zu ihr auf, als sie an den Käfig trat, und Hoffnung trat in seine vor Schmerz und Kummer verzehrten Augen.
Er sah schrecklich verwahrlost aus. Ausgemergelt und erschöpft.
"Wer hat das getan?"
Laura streckte die Hand aus, wich jedoch zurück, als der Vogel aufgebracht mit den Flügeln schlug. Er zuckte zusammen,
als er dabei das Gitter berührte, fast so, als hätte er sich verbrannt.
Er beruhigte sich wieder und sah Laura lange und forschend an.
"Du kannst mich hören?"
Laura zögerte. "Ja."
Sie machte ein paar Schritte nach vorn, bis sie unmittelbar vor dem Käfig stand.
"Es ist lange her, dass ich mich mit einem Menschen unterhalten habe." Er klang sehr überrascht.
"Ich dachte nicht, dass es noch Menschen gibt, die uns hören oder mit uns sprechen können.
Oder bist du womöglich gar kein Mensch?"
"Doch, ich bin ein Mensch."
Laura wusste nicht wieso, aber sie fühlte sich auf eine merkwürdige Art und Weise zu dem Vogel hingezogen.
"Mein Name ist Laura Freya, allerdings nennen mich die meisten nur Laura."
Der Vogel trat so nahe an sie heran wie es der Käfig zuließ.
"Freya klingt sehr schön. Es stört dich doch hoffentlich nicht, wenn ich dich bei diesem Namen nenne?"
Laura schüttelte den Kopf. Ihr gefiel ihr Zweitname und sie fand es schade, dass ihn nie jemand benutzte.
"Gut, also es freut mich sehr, dich kennen zu lernen, Freya. Meine Name ist Clay."
Sie musste lächeln, als er sich nach allen Regeln der Höflichkeit vor ihr verbeugte.
"Es freut mich auch sehr dich kennen zu lernen, Clay. Und was bist du, wenn du mir die Frage gestattest?"
Clay musterte sie interessiert. "Du weißt nicht, was ich bin?"
Wieder schüttelte Laura den Kopf.
"Nun, ich bin ein Phönix. Und um deine allererste Frage zu beantworten, es waren die Najaden,
die mich einst in diesen Käfig gesperrt und meine Kräfte gebannt haben.
Der Zauber macht es mir unmöglich, mich mit meinen Gefährten zu verständigen, und da es nur wenige andere Wesen gibt,
die die Stimme eines Phönix hören können, bin ich schon viele Jahre hier drin gefangen."
"Das ist ja furchtbar."
Laura dachte an Henya und Bohr, und wie sie ihr das Leben gerettet hatten.
Sie konnte nicht glauben, dass sie zu so einer Tat fähig waren.
"Warum haben sie dir das angetan?"
Der Phönix ließ zerschlagen den Kopf sinken.
"Weil ich eine der Ihren getötet habe, zumindest glauben sie das.
In Wahrheit wollte ich sie vor einer Gruppe von Satyren retten, widerwärtige Kreaturen, die ihren Spaß daran haben,
Frauen zu schänden und sie anschließend zu töten.
Als ich sah, wie sie über das arme Geschöpf herfielen, machte mich das so wütend, dass ich blindlings auf sie losging.
Mein Feuer verbrannte sie allesamt. Doch leider war die Najadin von dem Angriff so geschwächt,
dass sie es nicht mehr rechtzeitig schaffte, sich vor den Flammen,
die sich schneller ausbreiteten als ich beabsichtigt hatte, in Sicherheit zu bringen. Sie kam darin um.
Genau in dem Moment tauchten zwei ihrer Gefährten auf und deuteten das Geschehene verständlicherweise falsch.
Noch bevor ich mich ihnen erklären konnte, nahmen sie mich gefangen und sperrten mich in diesen Käfig.
Aber auch wenn sie mich angehört hätten, hätte das nichts an meinem Schicksal geändert.
Die Najaden hegen einen tiefen Groll gegen uns Phönixe. So wie sie dem Wasser dienen, dienen wir dem Feuer.
Sie sind der festen Überzeugung, dass, als Stellaris zersprang, all das Böse,
welches dem Stein des Gleichgewichts wegen innewohnte, auf Memoria übergegangen ist.
Der Stein, welcher über das Element Feuer, also über uns, gebietet.
Sie geben uns die Schuld an allem, was seither geschehen ist.
Zum Teil kann ich ihren Hass verstehen. Während mein Volk sich in Numerico verschanzte,
wurden sie von Khorus gejagt und abgeschlachtet wie räudige Hunde.
Gerade mal eine Handvoll überlebte, und natürlich zählt für diese seither nur noch eins,
das Fortbestehen ihres Volkes zu sichern, koste es was es wolle."
Laura zögerte nur kurz, bevor sie fragte: "Wie kann ich dich befreien? Was muss ich tun?"
Sie sah verunsichert auf den Käfig.
Auf die Wasserstrahlen, die auf der einen Seite in der Erde versickerten und auf der anderen wieder in die Höhe schossen.
"Du willst mir also wirklich helfen? Obwohl ich dir gerade erzählt habe, warum ich hier gefangen bin."
Laura zuckte mit den Achseln. "Es war ein Unfall."
Der Phönix sah sie überrascht an. "Du glaubst mir also?
Du vertraust mir, obwohl du mich gar nichts kennst? Ich könnte dich töten, wenn du mich frei lässt,
das ist dir doch bewusst oder?"
Laura versuchte sich ihre Zweifel nicht anmerken zu lassen.
"Ja. Aber aus irgendeinem Grund weiß ich, dass du es nicht tun wirst. Also wie kann ich dich befreien?"
Plötzlich waren die Augen des Phönix von neuem Lebensmut erfüllt.
"Es ist eigentlich ganz einfach. Du musst lediglich mit irgendetwas den Lauf des Wassers unterbrechen.
Ich würde es selbst tun, aber der Zauber hindert mich daran."
"Gut." Laura schnappte sich einen etwas dickeren Ast vom Boden und sah verunsichert auf den Käfig.
"Und es kann auch wirklich nichts passieren?"
"Nein, vertrau mir."
Einmal tief durchatmend streckte sie die Hand aus. "In Ordnung, dann los."
Laura hielt den Ast genau in einen Wasserstrahl, und siehe da, der Kreis wurde tatsächlich unterbrochen.
Die Gitterstäbe fielen mit einem lauten Platschen in sich zusammen, der Käfig war zerstört und der Phönix frei.
Begleitet von einem lauten Schrei breitete der Vogel seine Flügel aus.
Seine langen Federn veränderten die Farbe. Aus dem traurigen Schwarz wurde ein leuchtendes Rot.
Hitze streichelte Lauras Wangen, als sein Körper in Flammen aufging.
Rundherum begannen Äste zu glühen und Blätter zu brennen, doch sie blieb davon völlig unberührt.
Irgendetwas sagte ihr, dass die Flammen ihr nichts anhaben konnten.
"Hab keine Angst, Freya. Komm."
Laura konnte es sich nicht erklären, aber sie vertraute ihm. Sie streckte eine Hand nach ihm aus und ging auf ihn zu.
Reflexartig zuckte sie zusammen, als sie das Feuer berührte, doch dafür gab es keinen Grund.
Sie spürte keine Schmerzen, im Gegenteil, es fühlte sich angenehm warm, ja einfach richtig an.
Vorsichtig berührte sie den Schnabel des Phönix, streichelte seinen Kopf,
und er schmiegte sich wie selbstverständlich in ihre Handfläche.
"Was geschieht hier?" Laura konnte das, was sie empfand, nicht beschreiben.
"Ich weiß es nicht." Der Phönix sah sie mit glühenden Augen an.
"Aber ich bin mir sicher, dass wir uns schon bald wiedersehen werden. Bis dahin pass gut auf dich auf, Freya."
Laura trat zur Seite, als der Vogel seine Flügel ausbreitete und sich in die Lüfte erhob.
"Ich bin dir auf ewig zu Dank verpflichtet."
Mit diesen Worten verschwand er.
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Du ahnst nicht wie kostbar das Leben sein kann, solange du nicht selbst Leben erschaffen hast.

Geändert von Laura (22.11.2012 um 15:27 Uhr)
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